09.05.2023

Die Lieferketten-Inspekteure: Wiener Startup Prewave erhält 18 Millionen Euro Series A+

Die Supply-Chain-Risikomanagement und Compliance Plattform Prewave sichert sich in einer Series A+ eine Finanzierung in Höhe von 18 Millionen Euro durch den europäischen VC Creandum. Nun möchte man von einer Prediction- zu einer Aktionsplattform werden.
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Prewave-Gründerduo Harald Nitschinger und Lisa Smith | (c) Prewave
Prewave-Gründerduo Harald Nitschinger und Lisa Smith | (c) Prewave

Nach dem Series-A-Investment unter der Führung von Ventech und Kompas im Jahr 2022 folgt nun eine Series A+, um Prewave von einer Plattform, die Risiken identifiziert, zu einer Aktionsplattform weiterzuentwickeln. Damit möchte man Risiken innerhalb von Lieferketten proaktiv angehen und beheben.

Prewave: Transparenz und Nachhaltigkeit

Das 2017 von Lisa Smith und Harald Nitschinger gegründete Startup ist bestrebt, die umfassende Lösung für das Management von Lieferkettenrisiken zu sein, die jede Phase des Risikolebenszyklus abdeckt, so die Strategie. Durch die Identifizierung, Analyse, Abschwächung und Berichterstattung von Risiken möchte die Plattform einen vollständigen End-to-End-Ansatz für eine transparentere, widerstandsfähigere und nachhaltigere Lieferkette der Zukunft gewährleisten.

Das Team weiß, dass sich in der heutigen wettbewerbsintensiven Unternehmenslandschaft das Risikomanagement in der Lieferkette von einer Diskussion in der Vorstandsetage zu einem strategischen Unterscheidungsmerkmal entwickelt hat. Unternehmen stünden vor wachsenden Herausforderungen bei der Steuerung komplexer Lieferketten und müssten sich mit ESG-Belangen, Störungen, Transparenz und Compliance auseinandersetzen, schreibt das Unternehmen in einer Aussendung.

Die steigende Nachfrage der Verbraucher nach Nachhaltigkeit hat zudem zu strengeren internationalen Vorschriften für die Lieferkette und zu erheblichen Reputationsrisiken für Unternehmen geführt, die von ESG-Vorfällen innerhalb ihrer Liefernetzwerke betroffen sind.

Kostentreiber der Lieferkette

Darüber hinaus haben sich Störungen der Lieferkette in den letzten Jahren zu einem primären Kostentreiber entwickelt, der nicht nur durch externe Faktoren wie Pandemien und internationale Konflikte, sondern auch durch eine Reihe komplizierter, miteinander verbundener Probleme verursacht wird.

Unter der Leitung von Smith und Nitschinger liefert Prewave daher einen Lieferanten-Risiko-Score, der aus der Big-Data-Analyse der Lieferkette abgeleitet wird. Er ermöglicht es konkret Unternehmen, ihre gesamte Lieferkette zu überwachen und gibt den Anwendern die Möglichkeit, Korrektur- und Präventivmaßnahmen zu ergreifen, um das Risiko zu minimieren und die Leistung einzelner Lieferanten zu verbessern. Folglich sollen Firmen auf dieser Art und Weise “mühelos internationale Vorschriften” wie das deutsche Lieferkettengesetz und die bevorstehende europäische Richtlinie zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette einhalten.

“Prewave begann 2022 mit einem Team von 20 Mitarbeitern, aber als Beweis für das bemerkenswerte Wachstum und den Erfolg hat das Unternehmen nun die 100-Mitarbeiter-Marke überschritten. Diese Expansion spiegelt die beträchtliche Umsatzsteigerung von Prewave im letzten Jahr wider. Prewave hat eine umfassende Lösung für die Überwachung und Einhaltung von Risiken in der Lieferkette entwickelt, die uns als Vorreiter und Hauptakteur in der Risikodisziplin der Lieferkette etabliert. Jetzt ist es an der Zeit, das erste echte End-to-End-Betriebssystem für Supply Chain Risk zu werden”, sagt Nitschinger.

Mit Prewave in Echtzeit agieren

Sabina Wizander, Partnerin bei Creandum, erklärt die veränderte Situation der Lieferkettenmanagements u.a. mit geopolitischen Umständen. Und sieht in dem Wiener Startup einen transparenten Simplifizierer einer komplizierten Thematik.

“Zunehmende Störungen, politische Instabilität, das Bewusstsein der Verbraucher und sich ändernde Vorschriften offenbaren die schmerzliche Wahrheit, dass das derzeitige Risikomanagement der Lieferkette dem komplexen Umfeld, in dem wir leben, nicht gerecht wird”, sagt sie. “Prewave hat eine einzigartige Lösung entwickelt, die es Unternehmen ermöglicht, in Echtzeit auf ihre Lieferkette einzuwirken. Die dynamische Bewertung von Lieferantenrisiken schafft die dringend benötigte Transparenz. Deshalb freuen wir uns, die Series A+ Runde von Prewave anzuführen. Prewave ist eine End-to-End-Lösung, die es Unternehmen ermöglicht, die Kontrolle über ihre Lieferkette zu übernehmen. Die hohe Kundennachfrage über alle Branchen und Regionen hinweg spiegelt den Bedarf an dieser Lösung wider und wir freuen uns, Lisa, Harald und ihr Team zu unterstützen.”

Neben dem Investment von Creandum haben auch bestehende Investoren wie Ventech, KOMPAS, seed+speed, Segnalita, Speedinvest, Working Capital Fund und xista science ventures ihre bisherige Beteiligung aufgenommen und erneuert.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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