07.07.2021

Pre-Mortem: Priio-Gründerin Nina Müller bringt das Scheitern in Unternehmen ans Licht

Nina Müller hat das Scheitern nicht zur Gesinnung erhoben, wie es im Silicon Valley üblich ist. Sie hat eine andere Zugangsweise gefunden, die zwar den Fokus darauf legt, dabei aber konstruktive Denkweisen fördert.
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Priio, Scheitern, Silicon Valley, Mindset
(c) Priio - Nina Müller greift Scheitern auf, bevor es auftritt.

Scheitern. Ein Wort, das in einem Land wie Österreich mit einem Autoritätsgefühl, das auf Titel und Erfolge fußt, nicht gern gehört wird. Aber scheinbar zur Startup-Szene dazugehört, wie oftmals die Milch zum schwarzen Kaffee. Dennoch stellen sich Wenige die Frage, was kann mein Unternehmen oder mein Projekt zum Scheitern bringen. Man richtet lieber den Blick nach vorne, Siege im Sinn ohne Misserfolg zu kalkulieren. Nina Müller von Priio dreht den Spieß um, legt den Fokus auf die Verhinderung von Scheitern und nennt es Pre-Mortem-Prozess.

Bevor das Projekt stirbt…

“Wir haben oft ein sehr klares Bild im Kopf, wie Erfolg aussieht. Es kann bedeuten, bestimmte Umsatzziele zu erreichen oder erfolgreich einen großen Kunden zu gewinnen. Das Nachdenken über Erfolg offenbart manchmal auch einen trüben Moment unter Teams – die Definition von Erfolg kann sich von Person zu Person unterscheiden. Wir können noch so besessen davon sein, dass wir eine ziemlich krasse Realität ignorieren: Die einzige Möglichkeit, erfolgreich zu sein, besteht darin, Misserfolge zu besiegen”, beschreiben Müller und ihr Team ihre eigene Sichtweise.

Das Wiener Startup Priio wurde als Teil der Workshop-Praxis des US-Mutter-Unternehmens Butchershop mit internationalen Unternehmen wie Haufe, Nike, Databricks und Real Chemistry entwickelt und ist eine vom Pre-Mortem-Prozess inspirierte Selbstbedienungs-Anwendung, die eine bestimmte Methodik und Denkweise fördern möchte.

Priio
(c) Butchershop Creative LLC – Nina Müller, neuerdings Mentorin bei female factor, nutzt die Pre-Mortem-Methode, um mögliches Scheitern zu verhindern.

Die ersten Berührungen mit dem Thema Scheitern hatte Müller bei Butchershop, als sie als Leiterin des Projekt-Managements die Methode tief adaptierte – damals noch analog, wie sie erzählt. In Workshops und Initiativen. “Wir haben jahrelang mit CEOs, CGOs und Startups zusammengearbeitet und die Möglichkeiten Scheitern zu vermeiden im Fokus gehabt. Später haben wir unseren Prozess für Kunden veröffentlicht. Das hat uns viel Vertrauen und Transparenz entgegengebracht. Und geholfen, uns auf die richtigen Prioritäten zu konzentrieren”, sagt sie.

Priio macht Sorgen der Mitarbeiter sichtbar

Die Pre-Mortem-Methode ist nicht neu, sondern über drei Jahrzehnte alt und stammt aus der Feder einstiger Ingenieure, die bei ihren Projekten nicht scheitern durften, weil es eine Unmenge an Geld verschlungen hätte. Im Detail geht es darum, eine neue, wenn auch unpopuläre Sichtweise einzunehmen. Mit dem Credo sich und anderen deutlich zu machen, was einen zum Scheitern bringen kann. Ein Blick auf potentielle Szenarien, die Misserfolg fördern.

Müller zeichnet drei Schritte dieser Methodik, die in der Praxis damit beginnt, dass das Team des Unternehmens zusammentritt und auf digitale Post-Its des Startups beschreibt, bei welchen Eventualitäten das eigene Projekt scheitern könne. Jeder Teilnehmer hat dabei zwei bis drei Minuten Zeit exakt eine Antwort einzutragen. “Das variiert von ‘nicht genug Geld’, ‘keine Ressourcen’ bis hin zu ‘der Chef versteht meine Aufgabe nicht'”, sagt Müller zum Vorgang.

In der anschließenden Besprechung erklärt jede Person aus dem Team warum sie in ihrer Abteilung Gründe zum Scheitern sieht – ein Vorgang, den die Gründerin als offen und transparent beschreibt: “Niemand sollte schüchtern sein. Es ist ein kollaborativer Prozess an dessen Ende die Antworten kategorisiert werden.”

Focus Areas

So lassen sich die sorgsamsten “Focus Areas” ausmachen, die dann in einem finalen Schritt in einem “Sorgen-Ranking” erfasst werden. Das Team muss sich bei jeder Notiz die Frage stellen und nummerisch beantworten, wie wahrscheinlich es ist, dass die Probleme eintreten und wie es dem Projekt schaden kann. Dabei wird jeweils eine Zahl den Einzelnotizen zugewiesen, wobei eins bedeutet, dass das Scheitern unwahrscheinlich ist und zehn für sehr wahrscheinlich steht. Hierbei wird jedoch nicht der Mittelwert herangezogen, sondern die Zahl-Zuteilung soll auf einer gemeinschaftlichen Einigung zwischen den Mitarbeitern fußen.

“Beide Nummern werden dann multipliziert. Hier muss man nicht alle vom Team genannten Sorgen für den Lösungsweg mit einbeziehen, sondern nur die Top fünf mit den höchsten Werten”, sagt Müller. “Ein Wert zwischen 70 und 100 ruft nach Handlungsbedarf”, so die Co-Founderin.

Nachdem man alles besprochen, die einzelnen Sorgen kategorisiert und mit Wahrscheinlichkeitsnummern versehen; daraus ein Top fünf Ranking der Scheitergründe erstellt hat, so sollen bei den Bereichen mit hohen Werten “Assignments” an Personen verteilt werden, um ein tatsächliches Scheitern zu verhindern. Der ganze Prozess klingt langwierig, soll in der Praxis aber nicht so sein. Müller bezeichnet Priio als “schnelles Workshop Style-Tool”, das nicht den ganzen Tag beansprucht und dabei hilft, Sorgen in einem Unternehmen transparent und rasch auszumachen. “Uns ist klar, dass Leute auch arbeiten müssen”, sagt sie.

“Es gab Drama und viele Tränen”

Sie selbst ist zwar nie richtig groß gescheitert, hatte aber auch bei ihrer Arbeit bei einem Silicon Valley HR-Tech-Giganten (zwei Milliarden US-Dollar-Bewertung) mit schweren Zeiten zu kämpfen. “Als wir diese Prozesse noch nicht genutzt haben, gab es schwierige Momente. Und extreme Panik. Wir mussten für einen Kunden eine neue Marke launchen und entwickeln. Die Kommunikation war schlecht, es gab Drama und viele Tränen”, erinnert sie sich. “Wir haben nicht bedacht, wo Fehlschritte sein könnten und haben immer darauf schnell reagiert, was der Kunde wollte. Wir haben uns zwar am Ende gerettet, wussten aber, dass es nicht noch einmal so geht. Kollegen sind bis zwei in der Nacht gesessen, und wollten danach die Firma verlassen. Deswegen haben wir unser Tool entwickelt.”

Don’t Fail fast and often

Bemerkenswert ist, dass die junge Frau, die einiges an Silicon Valley-Erfahrung aufbieten kann, das allseits gern zitierte Scheiter-Mindset, das aus USA langsam herüberschwappt, sehr kritisch sieht. “Fail fast, fail often” möge in den USA funktionieren, wo die VC-Szene risikobereiter ist und auch gern mal die Visionen von Startups aus Überzeugung teilt, in Europa aber gehe man viel bedachter mit Kapital um. Scheitern sei nicht zwangsweise notwendig, wenn man eine neue Perspektive einnehme und sich bedächtig damit befasse.

“Bei Priio fragen wir nach den Gründen des Scheiterns. Sich gegenseitig herauszufordern, um herauszufinden, was einen Plan oder eine Initiative zum Entgleisen bringen kann”, so Müller. “Wir bieten Führungskräften einen effektiven Fahrplan dafür, wohin sie ihre Ressourcen richten sollten. Wenn wir über das Scheitern nachdenken, werden wir dazu aufgefordert, unser Blickfeld zu erweitern und andere Prioritäten zu setzen.”

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3Folio, Blockpit, Krypto Investieren, in Krypto investieren,
(c) 3Folio.finance - Michael Schöngruber, CEO und Co-Founder von 3Folio.

Das 2022 von Michael Schöngruber und Peter Lehner gegründete FinTech-Startup 3folio.finance konnte im Gründungsjahr den Büronachbarn Blockpit mit Founder Florian Wimmer als Investor (32,14 Prozent Anteile – Stand 1.11. 2023) für sich gewinnen – brutkasten berichtete. Nun vermeldet man den erfolgreichen Abschluss der Seed-Finanzierungsphase mit einem Gesamtinvestment von über 700.000 Euro.

3Folio setzt auf Business Angels

Zur Runde gehören bisherige Bestandsinvestoren und neue Kapitalgeber wie CoinIX und weitere, die “teilweise einen eigenen Pain in diesem Bereich haben”, wie Schöngruber im Gespräch mit dem brutkasten mitteilt: “Unsere Investoren sind eigentlich Business Angels”, sagt er. “Das war uns bisher sehr wichtig, damit wir unsere Flexibilität in der Frühphase bewahren.”

Neue Module

Das FinTech brachte nach dem damaligen strategischen Investment der Blockpit AG “den ersten Krypto-Tracker” für institutionelle Investoren auf den Markt. Aktuell befindet man sich im Onboarding-Prozess der ersten Krypto-Fonds aus Österreich und Deutschland, unterstützt durch das neue Erweiterungsmodul für Fonds.

Weitere Module für Accounting und Tax sind in Entwicklung und werden in den kommenden Monaten schrittweise eingeführt. Diese sollen Family Offices und Krypto-Fonds eine umfassende Lösung für die Verwaltung und Dokumentation digitaler Vermögenswerte bieten.

“Unser Ziel ist es, den administrativen Aufwand bei der Verwaltung von Krypto-Assets für Unternehmen um bis zu 70 Prozent zu reduzieren und unsere Lösung europaweit auszurollen”, erklärt Schöngruber. “Darüber hinaus entwickeln wir derzeit eine Lösung, die die Zusammenarbeit mit Steuerberatern erheblich vereinfacht. So können sich institutionelle Investoren verstärkt auf ihr Portfolio-Management konzentrieren, während 3Folio den administrativen Prozess automatisiert.”

3Folio mit Fokus auf institutionelle Investoren

Während Investor Blockpit sich auf die Bedürfnisse von Retail-Investoren und Behörden konzentriert, liegt der Fokus von 3Folio auf institutionellen Investoren: “Durch diese Zusammenarbeit können wir den europäischen Markt ideal bedienen und neuartige Möglichkeiten für unsere Kunden schaffen”, heißt es vom Startup. “Durch unseren Fokus auf die Bedürfnisse von Unternehmen bedient die 3Folio GmbH Lösungen für einen schnell wachsenden Markt, dessen Potenzial lange unterschätzt wurde.”

Mit dem frischen Kapital möchte 3Folio das Core-Team erweitern, die Sichtbarkeit erhöhen und die Weiterentwicklung der Produkte vorantreiben.

Bis Ende des Jahres soll die Plattform zudem institutionellen Kunden ermöglichen, alle relevanten Daten für den Jahresabschluss effizient aufzubereiten und nahtlos an Steuerberater zu übermitteln. In diesem Schritt sieht man einen bedeutenden Meilenstein, um die eigene Position in Europa als “eine der ersten Lösungen” für institutionelle Investoren, wie Fonds, auszubauen.

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