25.08.2022

Plan A Gründerin: “Die Klimakrise ist auch eine Leadership-Krise”

Beim Europäischen Forum Alpbach hielt Plan A Gründerin Lubomila Jordanova eine Rede im Zuge der Eröffnung und diskutierte im Anschluss mit Bundeskanzler Karl Nehammer über den Klimaschutz. Im Interview erläutert sie, warum wir beim Klimaschutz eine Leadership-Krise erleben.
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(c) Plan A

Lubomila Jordanova hat das in Berlin ansässige Scaleup Plan A gegründet und zählt in der ClimateTech-Landschaft zu einflussreichsten Gründerinnen in Europa. Das Berliner Startup entwickelte in den letzten Jahren ein CO2-Reduzierungs-Tool, mit dem Unternehmen automatisiert ihre Emissionen berechnen können. Zudem unterstützt das Plan A europaweit Unternehmen bei ihren Dekarbonisierungsstrategien. Für das weitere Wachstum konnte das Scaleup 2022 ein Investment in Höhe von zehn Millionen Euro an Land ziehen und expandiert unter anderem auch nach Österreich.

In deiner Eröffnungsrede am Europäischen Forum Alpbach hast darüber gesprochen, dass wir im Zuge der Klimakrise auch eine Leadership-Krise erleben. Wie äußert sich das konkret?

Unsere Führung, sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene, war bisher nicht in der Lage ein klares Ziel zu definieren, Ressourcen auf die Lösungen zu lenken und eine überzeugende Antwort zur Lösung (oder Milderung) der Klimakrise zu geben. Wir sind uns beispielsweise nicht annähernd einig darüber, in welche Lösungen wir investieren wollen. Zudem fehlt auch ein konkreter Investitionsplan, der dem Ausmaß der Herausforderung gerecht wird.

Weiters war keine politische Führung bislang in der Lage, einen umfassenden Dekarbonisierungsplan für ihr Land umzusetzen. Das soll nicht heißen, dass sich die politischen Führer:innen nicht für das Thema interessieren oder dass es keine Führungspersönlichkeiten in der Wirtschaft oder der Zivilgesellschaft gibt, die die Dinge vorantreiben. Allerdings steht die Führungsebene leider immer noch am Anfang. Das muss sich ändern.

Wie können wir diese Leadership-Krise im Zuge der Klimakrise überwinden?

Wir brauchen Lösungen, die aus allen Schichten der Gesellschaft kommen, und wir brauchen Lösungen für eine Vielzahl von Problemen. Der Klimawandel ist keineswegs monolithisch, weder aus thematischer noch aus geografischer Sicht. Wir müssen daher gemeinsam daran arbeiten, Lösungen für die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, zu konzipieren, umzusetzen und zu skalieren. Durch Collaboration und den Aufbau von Netzwerken sind wir allerdings in der Lage, die besten Köpfe der Welt mit den größten Herausforderungen zu verbinden.

Wir müssen unsere Grundsätze der Nachhaltigkeitsbilanzierung so angleichen, wie wir es vor 100 Jahren bei der Finanzberichterstattung getan haben.

 Lubomila Jordanova

In deiner Eröffnungsrede hast du darüber gesprochen, dass wir einheitliche Standards im Bereich der Nachhaltigkeitsbilanzierung brauchen. Vor welchen Herausforderungen stehen wir aktuell?

ESG umfasst eine Reihe von Indikatoren. Uns fehlt immer noch der vereinbarte Rahmen, der es Unternehmen oder Branchen ermöglicht, sich aneinander zu messen. Das ist zum Beispiel das Ziel der EU-Taxonomie, die darauf abzielt, einheitliche Standards zur Bewertung der Aktivitäten von Unternehmen in diesen drei Schlüsseldimensionen zu schaffen.

Unsere Kund:innen haben die Möglichkeit, ESG-Berichte bei unzähligen Organisationen einzureichen. Dies wiederum führt zu Verwirrung bei Verbraucher:innen und Bürger:innen und verringert die Glaubwürdigkeit echter Rahmenwerke und Unternehmen. Um dem entgegenzuwirken, müssen wir unsere Grundsätze der Nachhaltigkeitsbilanzierung so angleichen, wie wir es vor 100 Jahren bei der Finanzberichterstattung getan haben. Nur so können wir uns ein klares Bild davon machen, welche Leistungen und Fortschritte Unternehmen machen.

Lubomila Jordanova beim Opening des European Forum Alpbach | (c) Andrei Pungovschi

Wir erleben derzeit einen kritischen Diskurs rund um ESG. Elon Musk sprach kürzlich von einem “Betrug”. Wie beurteilst du die Situation?

Wie oben erläutert, handelt es sich bei ESG um eine Reihe von Kriterien. Die Gewichtung, Bedeutung und Verteilung dieser Kriterien ist das eigentliche Thema. Die Kategorisierung in Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien erscheint legitim, da sie die Dimensionen umfasst, die ein Unternehmen abdecken sollte, um eine bessere Leistung für seine Umwelt und seine Mitarbeiter:innen zu erbringen.

Es ist einfacher, auf einen Rahmen abzuzielen, als dass Unternehmen aktiv versuchen, ihn zu umgehen. Ich sehe die ESG-Leistung als einen Rahmen für die nichtfinanzielle Berichterstattung. Letztendlich ist die Frage, wie wir ihn umsetzen und worauf sich Regierungen und Unternehmen in Bezug auf die Ziele einigen. Das ist ein viel wichtigeres Diskussionsthema.

Kommen wir zu Plan A: In Ihrem letzten brutkasten-Interview haben wir über die Expansion nach Österreich gesprochen. Wie verläuft diese aktuell?

Wir haben gerade eine Niederlassung in London eröffnet und werden in den nächsten Jahren 100 Wirtschafts-, Klima- und Technikexperten einstellen, um britische Unternehmen bei der Reduzierung und Verbesserung ihrer Auswirkungen zu unterstützen.
Und wir werden unsere internationale Expansion in unseren Schlüsselmärkten, darunter Österreich, weiter beschleunigen. Wir sind hier bereits voll einsatzfähig und aktiv und haben viele Initiativen auf den Weg gebracht, aber ich kann sie noch nicht bekannt geben. Lass uns also in ein paar Monaten wieder miteinander sprechen.

Für viele Startups hat sich die Finanzierungssituation im Jahr 2022 durch die aktuelle Krise verschlechtert. Wirkt sich das auch auf das Wachstum von Plan A aus?

Wir haben es geschafft, während der Coronakrise und trotz der Herausforderungen, die diese Zeit mit sich brachte, in einem großen Tempo zu wachsen. Wir sind uns der Marktsituation bewusst, sehen aber keine Verlangsamung der Nachhaltigkeitsaktivitäten in den Unternehmen. Die Investor:innen schauen in erster Linie auf die Ergebnisse. Mit unserer derzeitigen Tätigkeit werden wir weiter wachsen und den Übergang zur Nachhaltigkeit beschleunigen.


Tipp der Redaktion

Im Rahmen des Themen-Tracks The Climate Opportunity widmet sich das European Forum Alpbach in diesem Jahr unter anderem verstärkt den Herausforderung im Zuge der Klimakrise. Der brutkasten ist als Medienpartner vor Ort und berichtet live.

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Universität Innsbruck, Spin-offs
(c) Universität Innsbruck

Vergleicht man die österreichische Spin-off-Landschaft mit jener anderer Länder, erweist diese sich als mager – wären da nicht diverse heimische Universitäten, die proaktiv Spin-offs fördern, wie brutkasten berichtete. Die Universität Innsbruck gilt als einer dieser Innovationstreiber.

Spin-offs in Deutschland

Eine Studie aus dem Oktober 2023 zur Entrepreneurship Performance deutscher Hochschulen ermittelte die Anzahl an Gründungen aus Hochschulen von 2014 bis 2022 und weist diese Werte für die 20 am höchsten gerankten Universitäten in Deutschland aus. Zusammen waren diese 20 Universitäten Ursprung von knapp 4.800 Startups. Dabei gibt es eine ausgeprägte Spitzengruppe mit der TU München (810 Startups) ganz vorne, gefolgt mit weitem Abstand von der TU Berlin (466) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT, 321).

Hierzulande hat sich die Universität Innsbruck seit der Gründung ihrer Beteiligungsgesellschaft im Jahr 2008 über die Uni-Holding an 39 Spin-offs beteiligt. Durch die neu gegründeten Unternehmen wurden seither mehr als 200 neue Arbeitsplätze geschaffen.

“Der Ansatz der Universität Innsbruck, akademisch getriebene Spin-offs wirksam zu unterstützen, zeigt Früchte”, sagt Rektorin Veronika Sexl. “Durch die Unternehmen wird spezialisiertes Grundlagenwissen zum Wohle der Gesellschaft transformiert und diesen strategischen Ansatz werden wir auch in Zukunft weiter forcieren.” Neben Studienangeboten im Bereich Entrepreneurship und dem gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Tirol betriebenen Gründungs- und Innovationszentrum InnCubator stellt die 2008 gegründete Beteiligungsgesellschaft Uni-Holding ein Kernelement der Strategie dar.

AQT und ParityQC als Aushängeschilder

Aktuell hält die Uni-Holding 23 Beteiligungen an Ausgründungen aus der Universität Innsbruck. Diese Unternehmen sind in den Bereichen Digitalisierung, Finanzen, Gesundheit, Ökologie und Technologie tätig. Neben den renommierten Ausgründungen im Bereich der Quantentechnologien – AQT und Parity QC – beschäftigt sich etwa das junge Spin-off QND – Quantum Network Design mit der Simulation von Quantennetzwerken, um die wesentlichen Grundsteine für eine industrielle Implementierung zu legen.

Beispiele der Innsbrucker Spin-offs

Innfoliolytix wäre ein weiteres Beispiel der Spin-off-Strategie: Das Startup macht Kapitalmarktanleger:innen aktuelle Forschungsergebnisse in Form von quantitativen Anlagestrategien zugänglich. Die Universitätsprofessoren Matthias Bank und Jochen Lawrenz vom Institut für Banken und Finanzen sind an der gemeinsamen Gründung und Entwicklung des Unternehmens mit der BTV AG und der Universität Innsbruck beteiligt; seit 2024 gilt Innfoliolytix als eine FMA-lizenzierte Wertpapierfirma. Im November 2024 wurde der vom Startup beratene und von der 3 Banken-Generali Investment-Gesellschaft verwaltete Fonds “Quant Global Plus” mit dem Österreichischen Dachfonds Award 2024 des GELD-Magazins in den Kategorien “Aktiendachfonds 1 Jahr” und “Aktiendachfonds 3 Jahre” ausgezeichnet.

KinCon biolabs wiederrum baut seine patentierte Plattformtechnologie weiter aus, um Pharmaunternehmen bei der Lösung medizinischer Herausforderungen, insbesondere bei Krebs und Morbus Parkinson, zu unterstützen. Das von Philipp Tschaikner und Eduard Stefan gegründete Unternehmen entwickelt eine zellbasierte Reportertechnologie, die strukturelle Veränderungen von schwer zu analysierenden Zielproteinen sichtbar macht. Wenn ein Wirkstoffkandidat an einen, spezifisch für das Zielprotein entwickelten Reporter bindet, beginnt der genetisch kodierte Reporter in den Zellen zu leuchten. Damit lasse sich die Wirksamkeit von Medikamentenkandidaten systematisch vorhersagen, sodass die Pharmaunternehmen neuartige Therapien schneller in die klinische Anwendung, d.h. zu den Patient:innen, bringen könnten.

Kartenspiel in USA lizenziert

Das von Physiker:innen an der Universität Innsbruck entwickelte Kartenspiel Seeker Chronicles konnte mittlerweile an den renommierten US-amerikanischen Spieleverlag Wise Wizard Games lizenziert werden. Es verbindet Wissenschaftsvermittlung mit Spielelementen. Dessen Erfinder:innen Hendrik Poulsen Nautrup, Lea Trenkwalder und Fulvio Flamini haben das Spin-off-Unternehmen OneStone Studios gegründet und arbeiten aktuell an Erweiterungen, einer digitalen Version des Spiels und mehreren neuen Spielen, alle mit dem Ziel, Wissenschaft der Gesellschaft näherzubringen.

Arbeitsbedingungen, Arbeitsorganisation und daraus resultierende Beanspruchungen mit dem Ziel zu betrachten, Arbeit “menschenzentriert” zu gestalten und hinsichtlich verschiedener Humankriterien in Unternehmen und Organisationen zum Wohle aller Beteiligten zu verbessern – das ist das Vorhaben von Humane Arbeit. Gegründet von Cornelia Strecker, Christian Seubert und Jürgen Glaser bietet das Spin-off arbeitspsychologische Beratung auf dem aktuellsten Stand wissenschaftlicher Forschung.

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