31.01.2017

Interview: Die ersten Monate von Open Austria im Silicon Valley

Interview. Georg Fürlinger und Martin Rauchbauer erzählten dem Brutkasten über ihren Arbeitsalltag im Silicon Valley und wie sie Startups konkret helfen.
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Martin Rauchbauer und Georg Fürlinger.

Seit Herbst 2016 gibt es eine offizielle Vertretung Österreichs im Silicon Valley (Der Brutkasten berichtete). “Open Austria” ist ein Gemeinschaftsprojekt der Außenwirtschaft Austria und dem Außenministerium. Unter anderem sollen österreichische Unternehmen in der Stelle einen Ansprechpartner vor Ort haben. Die Gesichter hinter dieser Initiative sind Georg Fürlinger (WKO) und Martin Rauchbauer (BMEIA). Im Doppelinterview ziehen die Beiden für den Brutkasten ein Resümee über ihre ersten Monate in San Francisco.

+++ Interview: Austria goes Silicon Valley +++

Was sind eure Eindrücke bis jetzt? Und wie sieht so ein ganz normaler Arbeitstag bei euch in San Francisco aus?

Georg Fürlinger: Ein normaler Arbeitstag beginnt in der Regel mit Skype-Meetings oder Telefonaten mit unseren Kollegen und Partnern in Österreich. Zwischen San Francisco und Wien besteht ein Zeitunterschied von 9 Stunden. Wenn bei uns der Arbeitstag beginnt, ist es in Wien schon früher Abend, da bleibt uns nur ein kurzes Fenster für solche Gespräche. Viel Zeit nimmt die Beantwortung von Anfragen aus Österreich, ob per E-Mail, Telefon oder Social Media und den damit verbundenen Recherchen in Anspruch. Am Vormittag treffen wir uns oft mit Startups oder etablierten Unternehmen aus Österreich, die uns von ihren Geschäftsideen oder ihren Projekten im Silicon Valley erzählen. Gemeinsam eruieren wir dann, wie wir sie am besten unterstützen können. Oder wir haben Meetings mit unserem Netzwerk hier, entweder in unserem Büro, im Coworking Space Galvanize, oder in einer der vielen anderen Startup-Locations in San Francisco.

Martin Rauchbauer: Am Nachmittag sind wir oft im eigentlichen Silicon Valley, wo wir Termine in Palo Alto, Mountain View, Cupertino, Sunnyvale, San Jose oder an der Stanford Universität, dem Herz des Silicon Valleys, wahrnehmen. Ein Faktor ist dabei immer der Verkehr. Die beiden parallelen Autobahnen 101 und 280, die von San Francisco ins Valley führen, sind fast immer verstopft. Die Tech-Industrie hat sich mittlerweile auch vom Silicon Valley in die East Bay ausgebreitet, wo Orte wie Berkeley mit der weltberühmten Universität für unsere Arbeit immer wichtiger werden. Jeden Abend finden in der gesamten Bay Area zahlreiche Meetups, Konferenzen oder sonstigen Veranstaltungen mit Startup-, Tech- oder Innovationsbezug statt. Ausgewählte Events zu besuchen hilft uns, unsere persönlichen Netzwerke zu stärken.

Habt ihr viel Besuch aus Österreich? Wie helft ihr Startups konkret?

GF: Ja, laufend. Wir bekommen fast täglich Anfragen von österreichischen Startups und Unternehmen, die das enorme Innovationspotenzial des Silicon Valley aus nächster Nähe sehen und hier ihr Netzwerk ausbauen wollen. Es kommen auch immer wieder offizielle Delegationen, die wir bei der Organisation des Programms unterstützen sowie vor Ort betreuen. Unsere wichtigste Serviceleistung besteht im Vernetzen: Startups, die aus Österreich hierher kommen oder solche, die sich hier bereits etabliert haben, wollen oft Feedback zu ihrer Produktidee bzw. zu ihrem Geschäftsmodell oder sind auf Investoren- bzw. Kundensuche.

MR: Doch wir bieten auch Unterstützung bei rechtlichen oder praktischen Fragen, die für jeden Neuankömmling zunächst im Vordergrund stehen: Wo finde ich eine leistbare Unterkunft? Wo ein Büro? Wer kann mir bei kniffligen Fragen des Unternehmensrechts und des Arbeitsvisums weiterhelfen? Unser Anspruch ist, mit unserem stetig wachsenden Netzwerk für alle Österreicher, die hier im Silicon Valley aktiv werden wollen, eine Anlaufstelle und Plattform zu bieten.

Redaktionstipps

Wie seid ihr von der österreichischen Community vor Ort aufgenommen worden? Habt ihr regelmäßigen Kontakt?

MR: Es gibt in der Bay Area eine engagierte österreichische Community. Sie hat uns von Anfang an nicht nur gut und herzlich aufgenommen, sondern vor allem bei unserer Aufgabe tatkräftig unterstützt. Bei der Eröffnung unseres Büros in San Francisco Anfang Oktober herrschte ein großer Andrang und das war für uns ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass unsere Präsenz von der Community hier vor Ort geschätzt wird.

GF: Wir sehen unsere Aufgabe einerseits darin, die Österreicher im Silicon Valley stärker untereinander zu vernetzen und andererseits darin, nachhaltig Brücken zwischen San Francisco und Österreich zu bauen. Dies wollen wir durch bereits etablierte Initiativen, wie die GoSiliconValley-Initiative, tun und durch neue Programme, die wir gerade dabei sind zu entwickeln.

Welche Aktivitäten sind konkret für 2017 geplant?

MR: Wir haben uns für 2017 viel vorgenommen und wollen unsere Erfahrungen der ersten Monate in unsere zukünftigen Aktivitäten einfließen lassen. Ein wichtiger Aspekt im Aufbau unseres lokalen Netzwerks werden weiterhin unsere eigenen Veranstaltungen sein, bei denen wir sowohl die Österreich-Community, als auch darüber hinaus alle an Österreich Interessierten ansprechen wollen.

GF: Gleichzeitig können wir mit unseren Events auch klare inhaltliche Akzente setzen und den Fokus auf bestimmte aktuelle Themen wie Artificial Intelligence, Internet of Things, Virtual Reality etc. richten. Konkret haben wir eine monatliche Eventreihe geplant, bei der Experten und junge Talente im Rahmen von Fireside-Chats ihre Erfahrung teilen. Auch in diesem Herbst werden wir wieder einen eigenen Österreich-Stand auf der TechCrunch Disrupt-Konferenz in San Francisco organisieren. Dort haben dann ausgewählte österreichische Startups die Chance, sich der Innovations-Community des Silicon Valleys und interessierten Medienvertretern aus der ganzen Welt zu präsentieren.

MR: Gleichzeitig wollen wir die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern, die hier in der Bay Area ebenfalls vertreten sind, ausbauen und gemeinsame Aktivitäten setzen. Außerdem gilt es, engere Verbindungen zu den hochkarätigen Forschungseinrichtungen in der Region zu knüpfen. Wir denken hier v.a. an die Unis in Stanford und Berkeley. Im Kulturbereich wollen wir uns auf die Schnittstelle von Kunst und Technologie konzentrieren und arbeiten an Kooperationen mit etablierten österreichischen Institutionen wie der Ars Electronica in Linz.

Euer persönliches Highlight bis jetzt?

MR: Persönliche Highlights sind immer dann gegeben, wenn wir Unternehmern und Startups konkret weiterhelfen können. Wenn wir positives Feedback erhalten, bestärkt uns das, auf dem richtigen Weg zu sein. Zum Beispiel konnten wir einem Startup weiterhelfen, mit einem prominenten Forscher an der Universität Berkeley eine Forschungspartnerschaft anzubahnen.

GF: Oder wir haben auch einem mittelständischen Unternehmen im Accessoires-Bereich geholfen, eine Zusammenarbeit mit der legendären Design-Agentur IDEO einzugehen. Wir sind schon gespannt darauf zu hören, was sich aus diesen und weiteren Kooperationen ergeben wird.

+++ Go Global: Mit der Außenwirtschaft nach Silicon Valley und Tel Aviv +++

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CTO Sebastian Baron, CEO Simon Valverde, Co-Founderin Helene Herrmann (c) Twine

Künstliche Intelligenz vereinfacht uns das Leben in vielen Bereichen und könnte uns in mancher Hinsicht sogar ersetzen. Bald wird KI möglicherweise in der Lage sein, menschliche Emotionen zu erkennen und nachzuahmen. Doch kann KI auch zwischenmenschliche Beziehungen einschätzen und für uns sogar das „Perfect Match“ finden?

Dieser Herausforderung nimmt sich Gründer und CEO Simon Valverde mit seinem PsyTech-Startup Ascalon an. Zusammen mit Kommiliton:innen entwickelte er während des Studiums die App Twine, die auf einer Matching-AI basiert. Durch die Verbindung von Psychologie und KI soll Twine Menschen zusammenbringen, die wirklich gut zueinander passen. Im Interview mit brutkasten gibt Simon Valverde einen Einblick in die Möglichkeiten, die sich hinter PsyTech verbergen.

Twine fokussiert sich auf Hobbys und Interessen

Die Entstehungsgeschichte von Twine begann in einem Studentenwohnheim in Salzburg, entstanden aus der Frustration, keine:n passende:n Partner:in für bestimmte Aktivitäten gefunden zu haben. Jede:r kennt das Problem: Man will ein Hobby oder Interesse teilen, aber im eigenen Umfeld findet sich niemand. Außerdem fiel dem Freundeskreis auf, dass Menschen generell immer weniger soziale Beziehungen eingehen würden.

Seit Oktober dieses Jahres kann das zehnköpfige Team aus Psychologie- und Data-Science-Studierenden oder -Absolvent:innen nun endlich sein Produkt präsentieren: Twine ist eine App, über die man durch gemeinsame Interessen und Freizeitaktivitäten neue Leute kennenlernen kann – „ohne Aufwand und mit der Gewissheit, dass man sich versteht“.

Hinter Twine steckt ein eineinhalb Jahre lang optimiertes Matching-AI-Modell. Sein Ziel war es, einen “Algorithmus zu entwickeln, der Leute zueinander bringt, die zueinander passen“, erklärt CEO Simon Valverde.

KI soll zwischenmenschliche Beziehungen verstehen

Das Besondere an Twine: Die Matches basieren auf psychologischen Erkenntnissen und werden mithilfe von KI ausgewählt. Das zugrunde liegende KI-Modell funktioniert wie folgt: Bei der Anmeldung beantwortet man einen Fragebogen, auf dessen Basis ein persönliches Charakterprofil erstellt wird. Dazu werden Informationen über die Persönlichkeit und Interessen der jeweiligen Person erhoben. Vor allem die Erwartungen und Bedürfnisse sind nach den Erkenntnissen der Sympathieforschung entscheidend für die zwischenmenschlichen Beziehungen. „Persönlichkeitsmerkmale müssen in Beziehungen gar nicht perfekt übereinstimmen,“ erklärt Valverde, der selbst Psychologie, Data Science und Wirtschaft in Salzburg studiert hat.

Die KI lernt kontinuierlich dazu: sie verarbeitet die Fragebögen sowie das Verhalten, die Interaktionen und das Feedback der Nutzer:innen, um immer besser zu erkennen, welche Eigenschaften und Erwartungen zusammenpassen. Bei einem Match erhält man einen individualisierten Text, der erklärt, warum die andere Person gut zu einem passt.

Das Twine-Team arbeitet aktuell an neuen Funktionen für die App. Zukünftig wird es möglich sein, eine ganze Gruppe für gemeinsame Aktivitäten zu finden oder die bestehende Freundesgruppe zu erweitern. Durch den Vergleich mit bestehenden Freundschaften soll die KI künftig noch besser verstehen, wie zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren.

Startup möchte mit psychologischem KI-Modell in B2B-Bereich

Twine verzeichnet bereits erste Erfolge: Seit dem Start am 1. Oktober zählt die Matching-App 300 aktive Nutzer:innen, vorwiegend aus der Boulder-Community in Salzburg.

Aktuell wird das Projekt noch aus eigenen Mitteln finanziert, doch das Team hofft auf Investoren, um die Matching-KI weiter zu verbessern. „Diese App ist jedoch nur ein erster Schritt, um Social-AI-Modelle in einem realen Umfeld zu testen und weiterzuentwickeln,“ erklärt Valverde. Twine konzentriert sich derzeit vor allem auf den Customer-Proof und die Datensammlung, um das KI-Modell für den B2B-Bereich zu optimieren. Das langfristige Ziel sei es, einer KI das “soziale Judgement eines Psychologen” anzutrainieren. Diese Fähigkeit könne in vielen Bereichen Anwendung finden, etwa bei der Suche nach passenden Mitarbeiter:innen. Langfristig plant das Startup Ascalon, diese psychologischen KI-Modelle im B2B-Sektor zu monetarisieren.

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