29.08.2018

Braucht Österreich eine eigene KI-Forschung?

Gegenposition. Soll Österreich sich im Bereich künstliche Intelligenz auf die Anwenderseite konzentrieren? Oder ist die Entwicklung proprietärer Lösungen im Land bzw. in Europa wichtig? Repliken zu einem Interview mit Franz Dornig, Leiter des Cognitive Solutions-Bereichs von IBM Austria.
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Kräftner und Hirschbrich: Österreich braucht eigene KI-Forschung
(c) Celum / (c) Updatemi: Michael Johann Kräftner und Michael Hirschbrich mit einer Replik zu Aussagen des IBM-Managers Franz Dornig.

AI-Startup ist nicht gleich AI-Startup. Der Begriff künstliche Intelligenz wurde in den vergangenen Jahren zu einem der beliebtesten Buzzwords – nicht nur in der Startup-Szene. Fast jeder nutzt (angeblich) KI. Bloß: Die wenigsten arbeiten selber an proprietären Lösungen, also eigenen künstlichen Intelligenzen. Der überwiegende Großteil der Unternehmen, die von KI sprechen, ist auf der reinen Anwenderseite. Man nutzt APIs, vor allem der großen Player im Feld, etwa von Google, Salesforce, Amazon, Microsoft und IBM, die viel Geld in KI-Forschung investieren. Und klar: Es kann auch nicht jeder eine eigene Artificial Intelligence entwickeln.

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KI-Forschung: Kann Österreich “kaum mithalten”?

“Alarmierend ist allerdings, wenn Vertreter dieser dominierenden Konzerne uns explizit ‘raten’, auf angewandte KI zu setzen, anstatt selbst KI-Fähigkeiten zu entwickeln”, sagt Michael Hirschbrich, Gründer und CEO des Startups Updatemi, das mit Apollo.ai an einer eigenen KI-Lösung arbeitet. Er spielt auf ein Interview an, das vor wenigen Tagen im brutkasten erschien. Dort sagte Franz Dornig, Leiter des Cognitive Solutions-Bereichs von IBM Austria, unter anderem, dass Österreich in der Entwicklung der KI-Kerntechnologie mit großen Nationen “kaum mithalten” könne. Zugleich ortete er eine große Chance im Anwender-Bereich – Österreich habe sogar das Potenzial, hier weltweit zu führen.

Europäische Lösung für “wichtigstes Zukunftsfeld”

“Übersetzt: Wir sollten als Österreich keine Forschung im wichtigsten Zukunftsfeld AI machen und uns darauf fokussieren, IBM-Kunde zu sein”, kommentiert Hirschbrich. Auch Michael Johann Kräftner, Gründer und CEO von Celum, das ebenfalls an proprietären KI-Lösungen arbeitet, gibt sich mit den Aussagen Dornigs nicht zufrieden: “Sich lediglich auf die Anwendung zu konzentrieren würde bedeuten, dass man nicht nur das Thema sondern auch die Hoheit über alle Daten, die notwendig sind, abgibt”, sagt er. Dabei will er Österreich nicht isoliert betrachten. Vielmehr brauche es in der Grundlagenforschung eine europäische Lösung.

“Ich halte das für den genialsten Schachzug der wirtschaftlichen Weltgeschichte.”

Wohlstand in Gefahr?

Warum also die eigene KI-Forschung? Hirschbrich greift zu drastischen Worten: “Wenn wir die Forschung an Künstlicher Intelligenz aufgeben, verlieren wir in ein bis zwei Generationen unser Wohlstandsniveau”. Denn KI werde, so seine Überzeugung, zum Motor der Gesamtwirtschaft werden. Sie verändere die “DNA” wirtschaftlichen Handelns. “Es ist egal ob wir KI im Bereich Business Intelligence, der Mobilität, Medizin, Sicherheit oder anderen Segmenten einsetzen, sie wird alle diese Bereiche dominieren. Das Besitzen von KI-IP (Anm.: geistiges Eigentum an KI) wird somit zur wichtigsten wirtschaftlichen Zukunftsfrage”, sagt der Gründer.

“Das Silicon Valley ist nicht unser Feind”

Dabei stellt Hirschbrich, der sein Unternehmen Updatemi selbst dort gegründet hat (weitere Standorte in Linz und Wien), klar: “Das Silicon Valley ist nicht unser Feind”. Die Champions dort seien Partner und Vorbilder. Google etwa habe “so ziemlich alles richtig gemacht”. Man habe ein florierendes Geschäftsmodell mit Daten entwickelt (v.a. Adwords in der Google Suche), die die Basis für “mächtige” KI seien. “Ich halte das für den genialsten Schachzug der wirtschaftlichen Weltgeschichte. Ähnlich genial waren nur etwa die Erfindung einer Gemeinschaftswährung in der Qin-Dynastie (200 v Chr.), die Basis für unermessliches Wachstum war, oder etwa die Gründung der Standard Oil Company durch John D. Rockefeller, der damit den wesentlichen Antrieb der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte schuf”, sagt Hirschbrich.

Archiv: Michael Hirschbrich im Video-Interview

Hoffen auf den “Lucky Punch” in der KI-Forschung

Aber: “Nichts entbindet uns von unserer Verantwortung, selbst proprietäre KI-Champions zu werden”. Und hier habe Europa einen massiven Aufholbedarf. “Europa hat längst keine eigenen relevanten Betriebssysteme mehr, oder Technologieanbieter im Mobility-Bereich. Egal für welchen Markt wir heute eigene mobile Anwendungen entwickeln, ein Drittel unserer Umsätze wandert zu Apple oder Google”, sagt Hirschbrich. Celum-Gründer Kräftner ergänzt: “Österreich und Europa haben im Bereich KI, wie in fast allen anderen IKT Bereichen das Problem, dass es keine Leitbetriebe gibt. Man wird damit immer nachhinken und muss auf einen ‘Lucky Punch’ in der KI-Forschung hoffen. Diesen kann man aber auch mit den im Vergleich geringen Budgets und kleineren Playern absolut schaffen”.

“Die Lösung liegt in Finanzierungsstrukturen, die ein unabhängiges AI-Ökosystem ermöglichen.”

Kleinere Player schnell an Unis anbinden

Dann käme es aber zum Problem, dass mangels Leitbetrieben im Erfolgsfall schnell ein amerikanischer oder bald ein asiatischer Player komme und sich das Unternehmen und die Technologie kaufe – “unter lautem Geklatsche der lokalen Szene”. Stattdessen müssten die verhältnismäßig kleineren Player schneller an die Unis angebunden werden und “nicht als KMU Feigenblatt in EU-Projekten verheizt werden”, so Kräftner. Und man müsse sich politisch, wie auch als Unternehmen etwas mehr pro-europäisch geben. “Es geht darum, eben zum Beispiel nicht unbedingt eine AI-Lösung bei einem großen US-Player zu kaufen, sondern zu schauen was es vergleichbares und – ja, eventuell riskanteres – in Europa gibt”.

“Jetzt erst recht!”

Kräftner resümiert: “Insgesamt liegt die Lösung in Finanzierungsstrukturen, die ein unabhängiges AI-Ökosystem ermöglichen, von der Grundlagenforschung, über die angewandte Forschung bis zum Exit aus eben dieser in größere Verbünde”. Und Michael Hirschbrich appelliert: “Europäische Politiker und CEOs, die diese Brisanz nicht verstanden haben, handeln fahrlässig. Das wird viel öffentliches und privates Geld brauchen, sehr viele Talente die diese europäische Challenge mit gewinnen wollen. Und vor allem braucht es, angesichts der Größe der Herausforderung, die Fähigkeit, die wir auch als Unternehmer beweisen müssen: Nämlich jenen, die uns täglich sagen, warum etwas nicht geht oder eh keinen Sinn hat, ein ‘Jetzt erst recht!’ selbstbewusst zu entgegnen – gefolgt von beeindruckenden Taten”.

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Cocoon Capital Advisory Sebastian Kurz - Startups und Beteiligungen - Dream Security
Sebastian Kurz | (c) EVP via Wikimedia Commons

Vor gut zwei Jahren co-gründete der österreichische Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz das Cybersecurity-Startup Dream Security. Mit an Bord ist Shalev Hulio, Ex-CEO der Spionagefirma NSO. Bereits zum Start holte sich das Unternehmen 20 Millionen US-Dollar Kapital. Kurz hielt danach ein Drittel der Anteile.

Investment an Gaza-Grenze

Im November 2023 holte sich Dream ein neues Investment in Höhe von 33,6 Millionen US-Dollar. Kurz hielt danach noch rund 20 Prozent der Anteile. Das Kapital kam primär von den Bestandsinvestoren Aleph und Group 11 – beide aus Israel. Kurz darauf bezifferte das Wall Street Journal die Bewertung der Kurz-Startups mit rund 200 Millionen US-Dollar.

“Die heutige Cyberlandschaft erfordert innovative Ansätze, um aktuellen Bedrohungen effektiv und zielgerichtet zu begegnen. Dank dieser Finanzierungsrunde sind wir in der Lage, weiterhin rasch zu wachsen”, kommentierte der Ex-Kanzler in einem Statement, das brutkasten damals erhielt.

Seither zeigt der eskalierte Gaza-Konflikt Auswirkungen auf Dream Security. So war CEO Shalev Hulio zum Zeitpunkt des letztjährigen Investments selbst als Reservist in der israelischen Armee tätig. Unterschrieben wurde der damalige Investment-Vertrag von Hulio in Uniform an der Grenze zu Gaza.

125 Millionen US-Dollar Umsatz

Im November 2023 zählte das Unternehmen noch 70 Mitarbeiter:innen – 60 davon in Israel. Mittlerweile sei die Belegschaft auf 150 Mitarbeitende gewachsen. “Ihr seid der Grund dafür, dass wir heute dort stehen, wo wir sind”, so der Ex-Kanzler in einem seiner jüngsten LinkedIn-Postings. Gedankt wird auch den bisherigen Investor:innen, darunter Dovi Frances, der Group 11 und Michael Eisenberg, Partner bei Aleph. Überdies verkündet Ex-Kanzler Kurz, mit Dream bereits “über 125 Millionen US-Dollar Umsatz in Europa, dem Nahen Osten und Asien” erreicht zu haben.

Party in der Wüste

Darüber hinaus schreibt Kurz auf LinkedIn: “Für uns als Österreicher war es eine neue Erfahrung, eine Party in der Wüste zu feiern, und dazu noch dem Thema entsprechend gekleidet zu sein… das hat auf jeden Fall eine Menge Spaß gemacht!” Gefeiert wurden die genannten Meilensteine laut dem Posting im Rahmen eines “Tribe-Events”.

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