09.09.2021

ÖBB-Chef: “Wien-Berlin schaffen wir Mitte der 30er-Jahre in 4 Stunden”

ÖBB-Chef Andreas Matthä äußert sich im Brutkasten Earth Interview zur aktuellen Wettbewerbssituation von Flugzeugen, LKWs und der Eisenbahn. Zudem erläutert er, warum es noch immer kein einheitliches europäisches Bahnnetz gibt.
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ÖBB-Chef
ÖBB-Chef Andreas Matthä beim Forum Alpbach | (c) Presse- und Bildagentur Mühlanger

Kostenwahrheit für alle Verkehrsträger. Diese Forderung untermauerte ÖBB-Chef Andreas Matthä einmal mehr beim diesjährigen Forum Alpbach. Aus einer geplanten CO2-Bepreisung im Verkehr sollte laut Matthä ein Viertel der Einnahmen in den Ausbau der Eisenbahn fließen. Im Interview mit Brutkasten Earth geht Matthä auf die Details ein und erläutert zudem, wo es im europäischen Eisenbahnnetz noch immer Stolpersteine gibt.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen im Bereich der Harmonisierung der Eisenbahnen in Europa?

In Bezug auf die Harmonisierung der Eisenbahnen in Europa sage ich immer: Einerseits braucht Europa mehr Bahn, da wir sonst den Klimawandel nicht schaffen werden. Andererseits braucht aber auch die Bahn mehr Europa. Das heißt, dass es mehr technische Harmonisierungen zwischen den einzelnen Nationalstaaten geben muss, damit ein grenzenloses Reisen auf der Bahn möglich ist. In Europa haben wir noch immer zu viele unterschiedliche technische Systeme, die ein flüssiges Fahren der Bahn in Europa behindern. Stichwort: Signaltechnik. Hier braucht es eine rasche Umsetzung des European Train Control System. Zudem benötigen wir ein einheitliches Ticketing-System, eine abgestimmte Baustellenkoordination zwischen den einzelnen Ländern und eine gut ausgebaute Infrastruktur in ganz Europa.

Woran liegt es, dass Europas Bahnnetz so fragmentiert ist?

In erster Linie handelt es sich um ein historisches Erbe. Bahnen gibt es seit 150 bis 170 Jahren und waren auch Teil einer militärischen Denkweise, die damals leider vorgeherrscht hat. Dieses Erbe ist aktuell noch immer ein großes Hindernis, um auch auf der Schiene ein vereintes Europa zu haben. Hier gehen wir zwar Schritt für Schritt voran, aus meiner Sicht aber immer noch zu langsam. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir Wien-Berlin Mitte der 30er Jahre mit der Bahn in vier Stunden schaffen werden. Damit wird auch der Flug Wien-Berlin obsolet. 

Welche Forderung vertreten Sie im Rahmen einer künftigen CO2-Bepreisung? 

Die einzelnen Verkehrssysteme sollen die Kosten, die sie verursachen auch tragen. Wir brauchen Kostenwahrheit im Verkehrssystem. Ein wesentlicher Hebel wird hier auch eine entsprechende CO2-Bepreisung sein. Die Europäische-Kommission hat mit ihrem Programm “Fit For 55” auch ein Emissionshandelssystem für den Verkehr und die Gebäude vorgeschlagen. Jetzt müssen wir uns fragen, was ein angemessener Preis dafür ist. Hier bedarf es einer breit geführten Diskussion. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Überlegungen der Europäischen-Investitionsbank verweisen. Sie sagt, dass der CO2-Preis auf 250 Euro pro Tonne steigen soll. Ich glaube, dass dies ein vernünftiger Wert ist, den wir als europäische Bahnen unterstützen.

Wie schätzen Sie die Wettbewerbssituation zwischen Flugzeug und Bahn ein?

Wir haben hier eindeutig verzerrte Wettbewerbssituationen. Es gibt eine Steuerbefreiung für Kerosin und für internationale Flugtickets. Vice versa gibt es bei internationalen Bahntickets noch immer sieben europäische Länder, die eine Mehrwertsteuer verlangen. Hier braucht es aus meiner Sicht eine faire Wettbewerbsgleichheit bei gleizeitiger Koexistenz der unterschiedlichen Verkehrsträger. Eines ist definitiv klar: Die europäischen Bahnen brauchen einen starken Push nach vorwärts.   

Wer soll diesen diesen Push nach vorwärts vorantreiben?

Einerseits sind wir als Bahnen und Infrastrukturbetreiber gefragt. Andererseits gibt es europäische Institutionen, wie European Union Agency for Railways, die dafür sorgen, dass die Fahrzeugzulassungen in Europa harmonisiert werden. Zudem bedarf es auch einer Vereinheitlichung der technischen Standards im europäischen Netz. 

Welchen Effekt hatte die Corona-Krise auf den Personenverkehr der ÖBB?

Wir haben deutliche Einbrüche im ersten Lockdown erlebt und rund 90 Prozent der Fahrgäste verloren. Dann hat es im Sommer 2020 eine Erholung der Fahrgastzahlen gegeben. Heuer hoffen wir, dass sich mit Schulbeginn der Pendlerverkehr ein Stück weit normalisiert. Wir werden nicht das Niveau von 2019 erreichen, sondern darunter liegen. Im Fernreiseverkehr merken wir natürlich schon sehr stark, dass Businessreisende und der Tourismus deutlich reduziert sind. Hier wird es sicherlich noch dauern, bis wir die angestrebten Fahrgastzahlen erreichen.  

Ein Prestigeprojekt der ÖBB ist der Nachtzug. Wie entwickelt sich hier das Geschäft?

Reich wird man mit dem Nachzug nicht. Wir schreiben einigermaßen schwarze Zahlen und können unseren Kapitaleinsatz zurückverdienen. Es ist aber eine wichtige Nische, die zeigt, dass es auch anders geht, als sich einfach nur in den Flieger zu steigen. Wir bedienen damit ein Kundensegment, das stark auf Familien ausgerichtet ist und teilweise auf Businessreisende. Unsere Passagiere steigen am Abend in den Zug ein und sind in der Früh im Zentrum einer europäischen Stadt. Wir achten darauf, dass wir mit dem Zug immer so ankommen, dass unsere Fahrgäste gut schlafen können und zwischen acht und zehn Uhr am Zielort sind. Anschließend kann der Tag im Idealfall ausgeruht beginnen. 

Was hat die ÖBB im Nachtzug-Geschäft noch in Planung?

Wir sind in der Tat Marktführer am europäischen Markt. Derzeit betreiben wir 19 Nachtzuglinien und stocken bis 2024 auf 26 Linien auf. Wir haben im März die Destination Wien-Amsterdam eröffnet und im Dezember kommt Wien-Paris hinzu. Dabei handelt es sich um eine sehr interessante Route, da sie die Städte Wien, Salzburg, München, Straßburg und Paris verbindet. In den Folgejahren geht es dann auch über Zürich nach Amsterdam und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch über Zürich nach Barcelona. 

Welchen Stellenwert nimmt der Güterverkehr für die Klimawende ein?

Der Güterverkehr ist mir in der Tat sehr wichtig. Er bildet nämlich die Basis unserer Volkswirtschaft und ist ein großer Hebel, damit wir möglichst viele Transit-LKWs auf die Bahn bringen. Hier braucht es klar auch die Wettbewerbsgleichheit zwischen den Verkehrsträgern. Studien zeigen, dass aktuell etwa ein Drittel der gesamten Kosten eines Transit-LKWs noch vom Steuerzahler zu tragen sind. Das muss man auf eine faire Basis stellen. Dort braucht es dementsprechend auch eine faire CO2-Bepreisung und eine bessere Überwachung der Sozial-Standards. Ein LKW-Fahrer war früher vielleicht mal ein Cowboy der Landstraße, ist jetzt aber nur mehr ein Sklave der Autobahn.

Im Salon am European Forum Alpbach haben Sie auch über die Mautsysteme von Straße und Schiene gesprochen. Wie unterscheiden sie sich?

Es ist in der Tat so, dass wir im Straßenverkehr und im Eisenbahnnetz unterschiedliche Mautsysteme haben. Auf der Straße beschränkt sich die Maut in der Regel auf Autobahnen. Bei der Schiene wird hingegen jeder “Zentimeter Schiene” entsprechend bemautet. Das ist natürlich ein zusätzlicher Nachteil. 

Zudem müssen bei den Anschlussbahnen, die wir durchaus als wichtig erachten, die Industriebetriebe entsprechend dazu zahlen. Den Straßenanschluss gibt es hingegen gratis. Hier braucht es eine Gleichheit beim Anschluss an die Verkehrssysteme. 

Österreich ist dennoch, was die Eisenbahn betrifft, in der Europäischen Union Vorreiter und wir belegen einen Spitzenplatz. Diese Stellenwert brauchen wir korrespondierend auch in den anderen europäischen Ländern. Daher fordern wir im Rahmen des europäischen Green Deals, das auch die Anschlussbahnen entsprechend gefördert werden. Es nutzt nichts, wenn wir es in Österreich zwar verladen können, aber in Europa keine Empfängermöglichkeiten haben. 

Mit welchen Zeithorizonten rechnen Sie, wenn wir über die Harmonisierung der Eisenbahn in Europa sprechen?

Für die Anschlussbahnen beispielsweise glaube ich, dass es recht schnell gehen wird. Das ist leicht umzusetzen und nicht so wahnsinnig teuer. Die technische Harmonisierung der Schienennetze in Europa wird hingegen deutlich länger dauern. Wir müssen anfangen und die ersten Schritte setzen, sonst wird nichts passieren. 

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit Startups im Rahmen des Programms ÖBB 360°, das im Personenverkehr auf eine integrierte Mobilität abzielt?

Wir haben das gesamte System ÖBB 360° ursprünglich mit einem Startup entwickelt. Basis ist eine entsprechende Mobilitätsplattform. Dabei handelt es sich um unsere Wegfinder-App, wo wir die unterschiedlichen Mobilitätsmöglichkeiten abbilden – derzeit noch für Unternehmen und sehr bald auch für Einzelreisende. 

Über ÖBB 360° bieten wir die Möglichkeit den Zug zu nehmen und dann am Bahnhof auszusteigen und ein Carsharing-Modell, wie ÖBB-Drive, oder ein Fahrrad bzw. einen Scooter zu nehmen. Wir haben einige Bezirksstädte in Österreich bereits mit diesem Angebot ausgestattet. Korneuburg war hier der First-Mover, aber das Angebot ist mittlerweile auch in anderen Städte, wie Leoben, installiert. Ziel ist es, das Problem der letzten Meile für die Passagiere möglichst einfach und verlässlich zu lösen.


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Österreich-Pavillon auf der Expo 2025 (c) Expo Austria/BMW Designers & Architects

Die Expo 2025 in Osaka (Japan) bietet zahlreichen österreichischen Unternehmen, Startups, Universitäten und Forschungseinrichtungen die Möglichkeit, ihre Innovationen vorzustellen. Mit dem Konzept „People’s Living Lab“ positioniert sich die Expo als ein “Experimentierfeld und Labor für die Gesellschaft der Zukunft”.

Über 28 Millionen Besucher:innen, mehr als 160 teilnehmende Länder und 25 internationale Organisationen werden erwartet. Laut Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) bietet die Veranstaltung eine “einzigartige Plattform”, um Innovationen voranzutreiben, den internationalen Austausch zu fördern und gemeinsam Lösungen für globale Herausforderungen zu entwickeln.

Innovation Lab Austria: “Austria Composing the Future”

Die Teilnahme an der Expo sei für Österreich als Wirtschaftsstandort von großer Bedeutung. Beim Innovation Lab Austria – im österreichischen Pavillon – werden unter dem Motto „Austria Composing the Future“ heimische Unternehmen präsentiert, die die Vielfalt und Leistungsfähigkeit des Landes repräsentieren sollen. Die Veranstaltung würde die Möglichkeit bieten, das Land als zukunftsorientierten, innovativen Wirtschafts-, Investitions- und Forschungsstandort zu positionieren, so das Bundesministerium.

Der Budgetrahmen für die Teilnahme liegt bei 19,3 Millionen Euro. 75 Prozent der Kosten werden vom BMAW getragen, während die restlichen 25 Prozent durch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) finanziert werden.

Auswahl der teilnehmenden Startups

Eine vollständige Auflistung der teilnehmenden Unternehmen ist hier zu finden: Expo Austria. Hier eine Auswahl der in Osaka vertretenen heimischen Startups:

KI & Technologie:

  • Blockpit: Dokumentation und Auswertung von Kryptowährungen für Privatpersonen, Unternehmen und Behörden
  • Oscar Stories: Entwicklung kinderfreundlicher und bias-reduzierter KI-Anwendungen
  • Newsadoo: KI für News-Automatisierung, Daten-Extraktion und Content-Personalisierung
  • parity qc: Architektur zum Bau von Quantencomputern

Life Science & Biowissenschaften:

  • My Bioma: Gesundheitsplattform zur Analyse des Darmmikrobioms mittels Stuhlproben
  • Fermify: KI-gesteuerte Fermentationsplattform zur Herstellung von Kasein (Schlüsselprotein für Käse)

Green Tech:

  • backbone.one: Verknüpfung von dezentralen Energiequellen wie Solaranlagen, Batterien und Elektrofahrzeuge auf einer Plattform
  • Blue Planet Ecosystems: Entwicklung von vertikal integrierten, solarbetriebenen Aquakultursystemen für eine nachhaltige Fischproduktion
  • FreyZein: Textillösungen, die auf bio-intelligenten und bio-inspirierten Prinzipien basieren
  • HydroSolid: Entwicklung von innovativen Wasserstoff-Speichertechnologien
  • Lignovations: Umwandlung der Abfälle aus der Landwirtschaft und der Holzverarbeitung in hochwertige Inhaltsstoffe
  • plasticpreneur: Kunststoff-Recyclinglösungen aus Maschinen, Spritzgusswerkzeugen und Wissenstransfer-Tools
  • Swimsol: Bereitstellung von großen Solarkapazitäten in Regionen, in denen wenig Landmasse vorhanden ist

Nachhaltiges Bauen:

  • greenpass: Grüne Pass für klimasichere Immobilien und Freiräume
  • Spiral Europe: Drohnensysteme für Baustellen und Tunnelinspektionen

Halbleiter & Smart Factory:

  • Holloid: KI-gestützte Analytik für Schlüsselbereiche wie synthetische Biologie, alternative Proteine und grüne Chemie

Mobility & Automotive:

Tourismus:

  • LiveVoice: Cloud-Technologie, die Smartphones und Computer in eine flexible Audiolösung verwandelt

Kreativwirtschaft:

  • Music Traveler: Globale Plattform, die es Künstler:innen und Kreativen ermöglicht, Proberäume, Studios und Veranstaltungsorte zu vermieten oder zu buchen

Gesundheit:

  • NovoArc: Skalierbare Technologien für einzigartige Lipide in biopharmazeutischen Formulierungen
  • smaXtec: Gesundheitsmanagementsystem für den Milchviehbetrieb

Österreich als Innovationsstandort

„Österreich ist ein Land der Ideen und ein Innovationsstandort, der Fortschritt aktiv gestaltet, sowohl in Europa als auch in der Welt. Belege dafür sind Österreichs 6. Platz im EU-Innovations-Ranking (…) und die Forschungsquote von 3,34 Prozent”, eint Wirtschaftsminister Martin Kocher. Das “Innovation Lab” im Österreich-Pavillon auf der EXPO 2025 Osaka biete eine perfekte Bühne.

Mit den vorgestellten Projekten möchte Österreich seine Position als international wettbewerbsfähiger Innovationsstandort hervorheben und ein „Zeichen für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Zukunft“ setzen.

Japan ist zweitwichtigster Wirtschaftspartner in Asien

Die Expo bietet nicht nur eine Bühne, um Österreich als starken Wirtschaftsstandort zu positionieren, sondern auch großes Potenzial für neue Partnerschaften mit Japan. Mit einem Publikum, das voraussichtlich zu 88 Prozent aus japanischen Besucher:innen besteht, eröffnet die Veranstaltung große Chancen für den internationalen Austausch.

Japan, der zweitwichtigster Wirtschaftspartner Österreichs in Asien, trägt für Österreich daher eine große Relevanz. Das Land entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten zu einem bedeutenden Handelspartner und ist ein Innovationstreiber in der Technologiebranche.

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