13.06.2024
RECHTSKONFLIKT

Notariatskammer-notarity-Prozess vor Urteil: Startup sieht sich bestätigt

Der Prozess zwischen der Österreichischen Notariatskammer (ÖNK) und dem Wiener Startup notarity ist abgeschlossen. Vor der Urteilsverkündung äußert sich notarity-CEO Jakobus Schuster in einem Statement. Die ÖNK will dieses nicht kommentieren.
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Notariatskammer-Präsident Michael Umfahrer und notarity-CEO Jakobus Schuster | (c) ÖNK/Klaus Ranger Fotografie / notarity
Notariatskammer-Präsident Michael Umfahrer und notarity-CEO Jakobus Schuster | (c) ÖNK/Klaus Ranger Fotografie / notarity

Die Nachricht schlug im vergangenen Herbst in der heimischen Startup-Szene hohe Wellen: Die Österreichischen Notariatskammer (ÖNK) klagte das Wiener Startup notarity. Dieses betreibt seit 2022 eine Plattform für die Online-Durchführung notarieller Dienstleistungen und gewann damit nach eigenen Angeben rund ein Viertel der heimischen Notariate als Kunden. Damit steht das Startup auch in direkter Konkurrenz zur IT-Tochter der Kammer.

notarity: Notarielle Dienstleistungen angeboten oder nur vermittelt?

In ihrer Klage führte die ÖNK mehrere Punkte an, in denen das Geschäftsmodell von notarity ihrer Ansicht nach nicht den geltenden gesetzlichen Regelungen entspreche. Zentraler Punkt war dabei, dass das Startup über seine Seite direkt notarielle Dienstleistungen anbietet und verrechnet. Dabei handle es sich aber lediglich um eine Vermittlung der besagten Dienstleistungen, die von Notariaten ausgeführt werden, argumentierte man beim Startup bereits damals und legte ein selbst in Auftrag gegebenes Gutachten vor.

In einigen weiteren beanstandeten Punkten setzte das Unternehmen noch vor Prozessstart Änderungen um. Dabei betonte CEO Schuster mehrmals öffentlich, dass man sich um eine außergerichtliche Einigung bemühe.

ÖNK argumentiert mittlerweile mit Vermittlungsverbot

Nun ist der Prozess nach drei Verhandlungen abgeschlossen. Das Urteil steht noch aus und wird im Sommer erwartet. notarity-CEO Schuster sieht seine Position jedoch bereits davor bestätigt, wie er in einer Aussendung darlegt. Mittlerweile habe auch ein von der ÖNK selbst beauftragtes Gutachten nämlich ergeben, dass es sich beim Angebot des Startups um eine Vermittlungstätigkeit handle. Nun argumentiert die Kammer aber mit einem “absoluten Vermittlungsverbot”, das Schuster als rechtlich nicht haltbar erachtet.

notarity-CEO Schuster: “Ursprüngliche Position nicht mehr haltbar”

“Die Kammer hat wohl erkannt, dass ihre ursprüngliche Position, die auf einem behaupteten Vertragsschluss zwischen dem Interessenten und notarity aufgebaut hat, nicht mehr haltbar ist. Jetzt stellt sie die Zulässigkeit der Vermittlung notarieller Dienstleistungen grundsätzlich in Frage – dabei war dieses angebliche absolute Vermittlungsverbot gar nicht Bestandteil der Urteilsbegehren der im September 2023 eingereichten Klage”, so Schuster in der Aussendung.

Die Kammer habe dieses “angebliche Vermittlungsverbot” erst danach “entdeckt”. “Da seit vielen Jahren auch andere Berufsgruppen regelmäßig mit Notariaten zusammenarbeiten und diesen dabei wohl auch unentgeltlich Klient:innen vermitteln werden, war dieser neue Standpunkt der Kammer überraschend. Ein explizites Verbot der Vermittlung wie von der ÖNK behauptet gibt es in der Notariatsordnung oder in anderen Gesetzen nicht”, so der notarity-CEO.

Gesprächsangebote abgelehnt

Schuster bekrittelt auch ein weiteres Mal, dass die Kammer insbesondere seit der Klage alle Gesprächsangebote des Startups abgelehnt habe. “Die ÖNK hat das ‘Recht ohne Streit’ in ihren Leitlinien verankert und viele Mediator:innen in ihren Reihen. Das Vorgehen der Kammerspitze können wir daher absolut nicht nachvollziehen. Auch Notariate, mit denen wir im guten Austausch stehen, halten diese Vorgangsweise für unrichtig”, meint er.

Investor Ruschin: “Kampf Goliath gegen David”

Auch Investor Benjamin Ruschin, dessen Big Cheese Venture am Startup beteiligt ist, äußert sich in der Aussendung kritisch gegenüber der ÖNK. Auseinandersetzungen wie jene der Notariatskammer gegen notarity würden Innovation im Land hemmen. “Immer wieder ziehen Kammern und Standesvertretungen gegen junge, innovative Unternehmen und oft sogar gegen die eigenen Pflichtmitglieder ins Feld, wenn es darum geht, Fortschritt zu verhindern. Einen solchen Kampf Goliath gegen David überleben viele Startups nicht”, so Ruschin.

Bei notarity sei das aber nicht der Fall gewesen: “Letztlich hat notarity die Klage stärker gemacht – sie haben ihre Prozesse noch einmal intensiv überarbeitet, massiv an Bekanntheit gewonnen und ihre Internationalisierung vorangetrieben”, meint der Investor. Das Startup setzte zuletzt mehrere Internationalisierungsschritte, wie brutkasten berichtete. Mittlerweile habe man Nutzer:innen aus rund 100 Ländern, heißt es vom Unternehmen.

Kein Kommentar von der Notariatskammer

Brutkasten fragte bei der ÖNK um ein Statement zu Schusters Aussagen an. Von der Kammer heißt es aber lediglich: “Das Gericht hat am letzten Verhandlungstag ein schriftliches Urteil für Anfang August 2024 angekündigt. Da es sich entsprechend nach wie vor um ein laufendes Verfahren handelt, wird die Österreichische Notariatskammer keine Stellungnahme abgeben. Wir bitten um Verständnis.”

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Coworking Salzburg, Schließt, Coworking Salzburg muss schließen, Insolvenz,
(c) Romy Sigl - Das Coworking Salzburg ist existenzbedroht.

Coworking Salzburg startete 2012 als erster Co-Working-Space außerhalb Wiens. Geboten wurden von Anfang an flexible Rahmenbedingungen, vom Schreibtisch für einen Tag bis hin zum fixen Büro für einen längeren Zeitraum. Coworking Salzburg-Gründerin Romy Sigl meinte 2017 noch, dass ihr Konzept eine Anlaufzeit von einigen Jahren brauchte, um sich durchzusetzen. Doch dies gelang. In der Geschichte des Coworking-Spaces finden sich einige bekannte Startups, die dort u.a. ihre ersten Schritte auf der Pitch-Bühne sammelten. Darunter: Symptoma, Hotelkit, Authentic Vison sowie der spätere Founder von MyflexBox. Nun droht den Salzburgern jedoch das Ende.

Coworking Salzburg suchte Standbein

Wie Sigl brutkasten exklusiv erzählt, wird ihr Inkubator-Programm Do-What-You-Love (DWYL) nächste Jahr pausieren. “Aber es ist noch viel dramatischer”, sagt sie auf die Frage nach den Gründen dafür. “Coworking Salzburg muss vielleicht Ende März schließen.”

Sigl hat DWYL vor rund zwei Jahren aufgebaut und zum Teil ihres Business gemacht, um aus dem zusätzlichen “Spielbein ein Standbein” zu formen. Die Gründerin wollte nicht mehr vom Coworking allein abhängig sein, weil sich der Markt verändert hat.

“Mein Standbein namens Coworking ist nicht mehr mein Standbein”, sagt Sigl. “Ich habe dieses Jahr damit Null Euro verdient. Die Menschen arbeiten heute lieber im Home-Office als im Coworking. Und ich hänge in der Luft, weil auch die Interreg-Förderung für DWYL 2023 nicht bezahlt wurde und ich von dieser Seite keine Rückmeldung erhalte.”

Drei Monate Schonfrist

So gab Sigl bereits ihrem Vermieter (Techno-Z Salzburg) eine Warnung und erhielt freundlicherweise eine dreimonatige Schonfrist, um eine Trendwende zu schaffen. “Das Coworking Salzburg ist längst nicht mehr nur ein Ort für Schreibtische und Stühle”, sagt Sigl kämpferisch. “Es ist ein Ort für Perspektive und Hoffnung. Und Unterstützung durch die Community. Lange Jahre hat alles allein auf meinen Schultern gelastet, weil ich gedacht habe, ich muss alles auch allein machen. Nun aber öffnen wir uns und führen bereits Gespräche mit der Uni Salzburg für strategische Kooperationen. Auch unser Vermieter ist mit an Bord. Es fehlen jetzt noch das Land Salzburg und die Stadt Salzburg – wenn es politischer Wille ist, dass wir für den Standort weiterbestehen. Wenn nicht, dann ist es auch eine Ansage. Es braucht ein Zeichen an die Gesellschaft, denn wenn es weitergehen soll, müssen wir zusammenfinden.”

Sigl: “Im Nebel gut Verbündete zu haben”

Bei der DWYL-Gala am heutigen 10. Dezember im Techno-Z möchte Sigl alle Beteiligten daran erinnern, nicht aufzugeben und den Geist der Community wecken. “Wenn du durch einen Nebel gehst, ist es gut, Verbündete zu haben. Aber es geht nicht nur um uns”, sagt sie Teile aus ihrer Rede vorab zitierend. “Die aktuelle Wirtschaftslandschaft verschiebt sich unter unseren Füßen. Unternehmen wie KTM, Kika/Leiner und sogar Mirabell Mozartkugeln – Giganten, die einst unbesiegbar schienen – kämpfen jetzt ums Überleben. Jahrzehntelanger Erfolg kann in der heutigen Welt über Nacht verschwinden. Aber, was wir hier gemeinsam aufgebaut haben, ist zu wichtig, um es aufzugeben. Alte Wege funktionieren nicht mehr. Was sollen wir also tun? Wir treten auf. Wir erneuern. Wir schaffen. Wir finden neue Wege nach vorn.”

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