11.08.2023

HipHop-Producer Nik Dean zu KI-Musik: “Keine Bedrohung für Kreative“

Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt in der Musikwelt immer mehr an Bedeutung. Der Wiener Platin-Produzent Nik Dean sieht die Technologie dennoch nicht als Konkurrenz.
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Foto: Erol Hasic

Der Track „Heart on my sleeve“ wurde in kurzer Zeit millionenfach gestreamt. Die Künstler, die darauf zu hören sind, sind keine geringeren als der Rapper Drake und der R&B-Sänger The Weeknd. Allerdings haben beide bis zur Veröffentlichung nichts von dem Song gewusst – keine Zeile stammt von ihnen. Der Song wurde nämlich von einer KI generiert. Auch David Guetta macht sich die Technologie zunutze, als er bei einem Auftritt Eminem für sich sprechen lässt.

KI-Modelle finden immer mehr Anwendung in der Musikindustrie. Texte, Beats, Stimmen – all diese Komponenten können generiert oder verbessert werden. So wurde beispielsweise im Juni bekannt, dass Paul McCartney damit nie veröffentliche Beatles-Songs in Studio-Qualität herausbringen möchte (brutkasten berichtete).

Der Wiener Multiplatinum-Producer Dejan Nikolic alias Nik Dean produziert seit 20 Jahren Beats, unter anderem für Rap-Superstars wie Kodak Black, 21 Savage, Travis Scott, Tory Lanez, Gunna, G-Eazy oder Jack Harlow. Er sieht die Technologie als Fortschritt.

KI-Musik: Kein Ersatz für menschliche Kreativität

Zwar denkt er, dass KI einiges zu bieten habe, aber sieht sie als keine Bedrohung für seinen Beruf. „Es wird niemals einen echten Produzenten ersetzen können, egal wie gut es funktioniert“, sagt Nik Dean im Gespräch mit brutkasten. „Es folgt nämlich bestimmten Mustern, denen ein Mensch nicht zwangsweise folgen muss.“ Als Beispiel nimmt er eine falsche Note, die man drinnen lassen könnte, aber eine AI immer auskorrigieren möchte. „Das ‘Out of the box’-Denken wird immer den Menschen gehören.“

Selbst wenn sich KI-Modelle so weit entwickeln würden, würden Producer notwendig bleiben, sagt Nik. Allerdings müssen sie mit der Entwicklung mitgehen. „Früher wurde ja auch mit Tape-Maschinen aufgenommen und alles separat eingespielt. Ganz andere Dinge wurden verwendet, jetzt brauchst du nicht mehr als einen Laptop“, erklärt Nik Dean. Auch da habe man sich angepasst und “manche Leute” seien “nun die krassesten Pianisten auf der Tastaur“. Man habe die Technologie für sich genutzt und dies werde auch bei KI der Fall sein.

„Für mich ist das eher eine Bedrohung für Leute, die nicht kreativ sind: Für Labels, für Writer oder für Producer, die nicht gut genug sind.“ Personen, die kreativ genug sind, werden laut dem Produzenten immer eine Lösung finden.

Marketing-Gag eines Startups?

Im Fall von Drake und The Weeknd wurde der Song mittlerweile auf allen Plattformen gelöscht. Einzelne Kopien sind aber noch auf YouTube und Co zu finden. Die Veröffentlichung ging nicht nur den Künstlern gegen den Strich, sondern auch dem Major-Label Universal. Das Musikunternehmen hat Streaming-Dienste wie Spotify und Apple Music dazu aufgefordert, Plattformen daran zu hindern, mit Melodien und Lyrics ihrer urheberrechtlich geschützten Songs ihre KI zu trainieren. „Wir erwarten, dass unsere Plattformpartner unterbinden wollen, dass ihre Dienste auf eine Weise genutzt werden, die den Künstler:innen schadet“, sagte ein Sprecher von Universal gegenüber CNN. Mittlerweile verhandelt Universal mit Google, um KI-Deepfakes zuzulassen (brutkasten berichtete). Die Künstler:innen müssten allerdings zustimmen.

Der KI-erstellte Song stammt von einem TikTok-Account namens „Ghostwriter977“. In dessen Profilbeschreibung findet sich ein Link der Firma Laylo, wie ein User auf Twitter zeigt. Das Startup beschäftigt sich mit der Betreuung von Kunstschaffenden, die ihre Werke, die Verkündung einer Tour oder Merchandise ankündigen wollen. Die Künstler:innen erhalten dafür einerseits Landing pages und Tools sowie die Möglichkeit, ihre Fans auf verschiedenen Kanäle zu benachrichtigen. Anzumerken ist zudem, dass der CEO des Startups, Alec Ellin, seinen Tweets zufolge, ein begeisterter Rap- und Drake-Fan ist.

Viele glauben, dass der Einsatz von KI die Musikbranche revolutionieren wird. Die ersten Anzeichen bestehen bereits. So hat zum Beispiel Muzic, ein Forschungsprojekt von Microsoft, kürzlich den „DeepRapper“ vorgestellt. Es sei das erste KI-System, das Rap mit Reimen und Rhytmen erzeugen kann. Anfang des Jahres wurde die Google-KI Music LM im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit veröffentlicht. Diese könne mit kurzer Beschreibung Musikstücke generieren.

Capitol Records, ein US-amerikanisches Musiklabel, das zur Universal Gruppe gehört, hat einen virtuellen KI-Rapper „FN Meka“, unter Vertrag genommen. Der digitale Robo-Mensch-Avatar hat über 10 Millionen Follower:innen auf TikTok erreicht. Seine Songs sind ein Produkt von Mensch und Maschine. Texte sowie seine Musik basieren auf einer KI, der Rap von einer anonymen Person. Menschliche Producer haben dem einen letzten Schliff gegeben. Bereits zwei Wochen nach dem Signing wurde er aber wieder abgesetzt. Zuvor hatte es Kritik für den Robo-Rapper gehagelt. Der Vorwurf: Er soll sich an rassistischen Stereotypen bedienen soll.

Unabhängigkeit durch KI

Auf die Frage, ob Nik Dean einen KI-Rapper über seine Beats rappen lassen würde, antwortete der 33-jährige mit: „Ja, auf jeden Fall.“ Er könne sich vorstellen, dass KI Kreativen Unabhängigkeit bieten könnte. Wenn Nik beispielsweise Musik produziert hat, brauche er Künstler:innen, damit es zum „vollständigen Produkt“ wird. Es koste vor allem als Europäer Zeit, bis man die richtige Connection findet, auch wenn er mittlerweile ein bekannter Name in der Szene ist.

Stattdessen könne er sich vorstellen selbst die Person zu kreieren, um den produzierten Song zu perfektionieren. „Dann releast man das über seinen eigenen Spotify-Channel – es gibt kein Label, Artist, Verwertungsgesellschaft, der man für sein Geld nachrennen muss.“ Außerdem würden alle Einnahmen dem Produzenten selbst gehören. „Du kreierst also quasi deine Brand viel schneller. Du lässt Konsumenten an deiner Kreativität zu 100 Prozent teilhaben.“

Die meisten Beats, die er platziere, habe er schon lange Zeit vor der Veröffentlichung produziert. Ende Juli hat US-Rapper Travis Scott sein Album „Utopia“ veröffentlicht. Den Beat für den Titel „SKITZO“ gemeinsam mit Young Thug hat Nik Dean bereits im August 2022 fertiggestellt. Auf der aktuellen „Hot Trending Songs“-Liste von Billboard nimmt der Track den zweiten Platz ein. „Das was ich heute produziere, wirst du nicht heute hören, sondern in Jahren“, sagt Nik. AI könne ihm die Möglichkeit geben, wirklich up-to-date zu sein.

Bisher hat er nicht mitbekommen, dass andere Produzent:innen mit AI produzieren, allerdings arbeite der bekannte US-Produzent Timbaland an einem KI-Projekt. „Er ist einer, der sehr schnell auf neue massentaugliche Trends aufspringt und schnell reagiert. Timbaland weiß ganz genau, dass dieses AI-Ding irgendwann mal groß wird.“

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10 Jahre Fuckup Nights - Dejan Stojanovic vor der
Dejan Stojanovic vor der "Wall of Champions" | (c) wolf&woodpecker

“Werden Menschen wirklich freiwillig über ihre größten Misserfolge sprechen? Und noch wichtiger: Werden andere zuhören wollen?” – die Fragen habe er sich gestellt, bevor er vor zehn Jahren in Österreich mit dem Format Fuckup Nights startete, sagt Dejan Stojanovic. Zum Jubiläum ist klar: Ja, es funktioniert. Schon eine ganze Dekade.

64 Fuckup Nights seit 2014

“Die letzten zehn Jahre haben mir gezeigt, dass echte Veränderung dort beginnt, wo wir uns trauen, unsere Fehler anzunehmen und darüber zu sprechen – egal ob als Einzelperson, in einem Team oder in einer Organisation”, sagt der Fuckup-Nights-Initiator. “Es war erstaunlich zu sehen, wie das Teilen von Misserfolgen Brücken zwischen Menschen baut und eine Gemeinschaft schafft, die auf Vertrauen basiert.”

(c) wolf&woodpecker

64 Fuckup Nights hat es seit dem Start gegeben. “Über 360 mutige Menschen, die ihre tiefsten Fehler und größten Erkenntnisse mit uns geteilt haben. Mehr als 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die bereit waren, zuzuhören, zu lernen, zu lachen – und manchmal auch ein bisschen zu weinen”, resümiert Stojanovic.

“Was mich wirklich erfüllt, ist nicht in Zahlen zu fassen”

Doch diese Zahlen seien nicht alles. “Was mich wirklich erfüllt, ist nicht in Zahlen zu fassen”, meint der Fuckup-Nights-Initiator. “Es ist das Gefühl, wenn jemand nach einer Fuckup Night auf mich zukommt und sagt: ‘Danke. Diese Geschichte hat mich inspiriert, es noch einmal zu versuchen.’ Es ist das Lächeln der Speaker, die die Bühne verlassen und zum ersten Mal merken, dass ihre größten Fehler vielleicht ihr größtes Geschenk waren. Es ist die unbändige Energie, die in einem Raum spürbar wird, wenn Menschen erkennen, dass sie mit ihren Ängsten und ihrem Scheitern nicht allein sind.”

Denn das Scheitern sei ein unverzichtbarer Bestandteil von Wachstum und Innovation. “Viele unserer Speaker:innen haben das bestätigt, indem sie erzählt haben, wie ihre größten Rückschläge letztlich zu ihren größten Erfolgen geführt haben. Diese Erkenntnis, dass Fehler ein Sprungbrett und keine Sackgasse sind, treibt mich heute mehr an, als je zuvor”, so der Initiator.

Zu viele Highlights

Und was waren seine größten Highlights in der Zeit? “Es gab unzählige bewegende Momente, sodass es schwerfällt, einzelne auszuwählen, ohne den vielen großartigen Speaker:innen nicht gerecht zu werden. Was ich jedoch über die Jahre deutlich gemerkt habe: Die Auswahl der Speaker hat immer mehr an Tiefe gewonnen, und meine Speaker-Coachings sind heute persönlicher, noch authentischer und intensiver”, so Stojanovic. Ein bewegender Moment sei es gewesen, die “Wall der Champions”, eine Fotowand mit über 180 Speaker:innen der Fuckup Nights, aufzustellen.

10 Jahre Fuckup Nights
(c) wolf&woodpecker

Herausforderungen auf für Stojanovic und Fuckup-Nights-Team

Herausforderungen zu bewältigen hatten übrigens nicht nur die Auftretenden, sondern auch Stojanovic und sein Team selbst, wie er erzählt: “Die letzten zehn Jahre haben uns auch auf die Probe gestellt. Es gab schwierige Momente, in denen wir gegen unfaire Attacken ankämpfen mussten – Angriffe von außen, die uns auf die Probe gestellt haben, und Enttäuschungen von Menschen, die wir einst Partner nannten.” Manchmal habe es sich angefühlt, als würde man “gegen ignorante Windmühlen kämpfen”.

Letztlich sei das Wichtigste: “All das funktioniert nur, wenn man mit Integrität handelt und konsequent seiner Mission treu bleibt – auch wenn es schwierig wird. Die Herausforderungen, denen ich begegnet bin, haben mir gezeigt, dass es sich lohnt, für das einzustehen, woran man glaubt.”

Pläne für die kommenden 10 Jahre

Auch für die nächsten zehn Jahre hat Stojanovic Pläne. “Die nächsten Jahre werden mutiger, größer und – hoffentlich – noch wirkungsvoller”, meint er. “Ich möchte und werde eine Welt mitgestalten, in der Scheitern als notwendiger Teil des Wachstums angesehen wird, nicht als etwas, das vermieden werden muss”, so der Fuckup Nights-Initiator. Die Mission bleibe dieselbe: “Scheitern enttabuisieren, Lernen zelebrieren und gemeinsam wachsen”.

Zu diesem Ziel soll es neue Formate geben, man wolle ein engagiertes Team aufbauen und man wolle noch stärker in Unternehmen und Organisationen “eine echte Kultur des Lernens und Wachsens verankern”. Der “Anker” soll dabei das Failure Institute als “zentrale Plattform für Austausch, Weiterbildung und Forschung” bleiben. “Langfristig möchte ich auch ein starkes Team hinter den Fuckup Nights aufbauen und ein Advisory Board aus Vordenker:innen und Innovator:innen etablieren, die uns dabei helfen, unsere Vision strategisch zu verwirklichen.”, so Stojanovic, “Für mich ist klar: Wir stehen erst am Anfang.”

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