18.04.2024
INTERVIEW

“Nicht an der Startup-Kultur festhalten”: Was Startups beim Wandel zum Scaleup beachten müssen

Linh Dinh, Partner bei der Wiener Transformationsberatung fifty1 erklärt Grundlegendes zu der Transformation vom Startup zum Scaleup und zeigt Fehler auf - wie etwa das Festhalten an einer Startup-Kultur oder mangelhafte Organisationsentwicklung.
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Scaleup, Transformation, Startup, Vom Startup zum Scaleup, wie werde ich ein Scaleup
(c) fifty1 - Linh Dinh, Partner bei der Wiener Transformationsberatung fifty1.

Der Wandel zum Scaleup stellt einen markanten Schritt in der Geschichte eines jeden Startups dar. Dabei verändern sich wesentliche Dinge, die nicht jedem bewusst sind oder nicht die nötige Aufmerksamkeit erhalten, die sie brauchen.

Im Interview erzählt Linh Din, Partner bei der Transformationsberatung fifty1, was es braucht, damit dieser Schritt gelingt, er erklärt, warum ein Festhalten an der Startup-Kultur ein Fehler sein kann und wann eine wohlwollende Autonomie, die man von Investor:innen gewährt bekommt, auch mal endet.


brutkasten: Was braucht es konkret für Gründer:innen bzw. Startups, die sich mitten im Wandel zum Scaleup befinden?

Linh Dinh: Aus der Sicht der Organisationsentwicklung ist der Schritt zwischen Startup und Scaleup extrem spannend. Kultur und Struktur stehen bei Startups in Spannung zueinander, denn bei einem Startup bestimmt die Kultur die Struktur. Eine Hands-on Mentalität, wie in Startups üblich, führt leicht dazu, dass Lösungen für wiederkehrende Probleme immer wieder neu entwickelt werden und sich erst gar keine Struktur etabliert. Die Organisation wird also noch stärker durch die mitarbeitenden Menschen bestimmt, bei einer etablierten Organisation hingegen bestimmen oftmals die Strukturen (Larman’s Law).

Beim Sprung von Startup zum Scaleup kann man davon ausgehen, dass alles, was im Vorfeld an strukturellen Leitplanken nicht festgelegt wurde, in der Scaleup-Phase schiefgehen wird. Startup-Gründer:innen sind zumeist Expert:innen, die ihr Know-how und Herzblut in ein Produkt oder Service gelegt haben. In der Transition zum Scaleup brauchen (neue) Mitarbeitende allerdings Leadership, woran sie sich orientieren können.

Nicht selten finden sich Startup-Gründer:innen auch in einer Situation wieder, wo sie den Spagat zwischen beiden Welten nicht schaffen. Da ist es wichtig, Fokus zu bewahren und ggf. Geschäftspartner:innen zu finden, die sich auf die Führung oder das nachhaltige Wachstum des Unternehmens konzentrieren.

Es liegt in der Natur der Sache, dass im Startup nicht alle Prozesse klar benannt, geschweige denn in einer Software abgebildet sind. Außerdem braucht die anfängliche Kleinheit für gewöhnlich mehr Expert:innen-Tum und weniger Leadership. Im Scaleup ist es daher wichtig, bewusst strukturelle Anker zu setzen, die durch klare Rahmenbedingungen eine sichere Arbeitsumgebung schaffen und Orientierung geben, aber auch eine florierende Kultur zulassen.

Solche strukturellen Anker können der Unternehmenspurpose, die Brand und das Wertversprechen sein. Diese Eckpfeiler müssen fortlaufend thematisiert werden und am besten funktioniert das in einem griffigen Narrativ – eine Geschichte zur Unternehmensentwicklung, also woher das Unternehmen kommt und wohin es will, welche Mission und Vision es hat.

Welche groben Fehler sollten bei der Transformation zum Scaleup vermieden werden?

Startup-Gründer:innen und -Mitarbeitende arbeiten meistens operativ an ihrem Produkt und der Vermarktung des Produktes. In der Transformation zu einem Scaleup übersehen sie allerdings oft, dass sie auch an der Organisation und der Entwicklung arbeiten müssen. Häufig werden Fehler in der frühen Organisationsentwicklung durch noch mehr Headcount bewältigt.

Was in guter Absicht geschieht, führt allerdings zu einer Skalierung der Missstände. In den Nachrichten liest man daher immer wieder, dass Scaleups viele Menschen kündigen müssen, nachdem sie schnell gewachsen sind. Das Festhalten an der Startup-Kultur erweist sich ebenfalls als fataler Fehler. Während man sich in einem Team von sechs Personen noch recht gut sich Dinge bilateral untereinander ausmachen kann, geht das bei einer Organisation mit mehr als 20 Menschen deutlich komplexer zu.

Eine Hands-On-Mentalität kann da dysfunktional wirken. Strukturen, zum Beispiel in Formen von Prozessen und Entscheidungsverantwortlichkeiten, machen Dinge klarer. Einmal definiert, sollten die Strukturen auch kontinuierlich den Bedürfnissen der Organisation angepasst werden. Diese Wachstumsphasen können erfahrungsgemäß höchst intensiv und anstrengend sein. Daher ist es wichtig, Führungspersonen Orientierung zu geben und sie zu begleiten.

Welche unerwarteten Hürden können (bei der Transformation zum Scaleup) auftreten?

Der E-Scooter-Markt hat in den letzten Jahren gezeigt, wie aus der Startup-Szene rasch ein Verdrängungsmarkt geworden ist. Was mit Wachstum und größerer Außenwirkung einhergehen kann, ist, dass Mitbewerber auf einen aufmerksam werden und Maßnahmen zur Verteidigung des eigenen Marktes ergreifen oder neue Mitbewerber:innen auf einen ähnlichen Zug aufspringen.

Durch das Wachstum und viele neue Mitarbeitende können auch die bestehenden Prozesse und Infrastrukturen überlastet werden, da sie nicht für die Menge an Menschen ausgelegt sind. Nicht selten zwingen plötzliche Marktschwankungen oder negative Aussichten Startups dazu, aus einem defizitären Wachstumskurs von einem Tag auf den anderen ein erlösbringendes Unternehmen zu werden. Einsparungen und Entschlankung sind meist die Folgen. Die wohlwollende Autonomie, die ein Investor einem Startup anfangs gewährt, ist dann endenwollend.

Was sind eurer Erfahrung nach “best practice”-Beispiele?

Selbstverständlich fallen einem sofort die “Großen” ein, die längst keine Startups mehr sind. Unternehmen wie Airbnb und Uber haben gezeigt, wie vermeintlich banale und naheliegende Ideen den Markt verändert haben. Im Fokus standen hier Kund:innenwünsche nach Vereinfachung und höherer Accessibility, die durch neue Technologien erfüllt wurden. Beides kann durchaus als ‘best practices’ im Sinne der Geschäftsidee gesehen werden.

Generell stehen B2C- und B2B-Startups verschiedenen Herausforderungen gegenüber. Sonos Motors beispielsweise hat mit seinem B2C-Produkt Sion, einem E-Auto mit integrierten Solarpaneelen, ein großes Verlustgeschäft gemacht. Das erfolgsversprechendere Geschäft im B2B-Bereich mit Solarkits für Busse führt Sonos Motors weiter.

Im Sinne der nachhaltigen Unternehmensentwicklung sind aber auch andere Punkte essentiell. Der Sprung vom Startup zum Scaleup bringt den einzelnen Unternehmen sehr oft Einschnitte in Aspekten, die im Startup als großes Plus gesehen wurden, z.B. in der Autonomie und Breite der Themen und Tätigkeiten. Plötzlich greift eine immer stärkere Aufgabenteilung und auch die Umsetzungsgeschwindigkeit nimmt ab.

Wenn dann auch noch Rückschläge hinzukommen, weil beispielsweise Marktprognosen nicht eingetroffen sind, braucht es entsprechende Maßnahmen in der Führung und ein neues Mindset. Sei es durch Weiterentwicklung oder auch durch neue Menschen, die ins Unternehmen kommen.

Das ist etwa bei GoStudent passiert: sie haben den US-amerikanischen Markt wieder völlig aufgegeben. Wichtig sind hier regelmäßige Formate um Perspektiven auszutauschen, das eigene Narrativ zu entwickeln und zu challengen, Nähe zu schaffen, um Stress und Ängsten zu begegnen und v.a. Erfolge sichtbar zu machen. Und zu feiern – im großen und im kleinen Rahmen.  Je nach Unternehmen kann die Wachstumsgeschichte aber sehr unterschiedlich laufen. Das Familienunternehmen Ölz hat sich beispielsweise vom Familienunternehmen zum Konzern entwickelt: Die Familienmitglieder sind nicht mehr in der Geschäftsführung, sondern stellen den Aufsichtsrat. Das Diabetes-Startup mySugr dagegen wurde in den Roche-Konzern eingegliedert.

Wie geht man mit dem Team dabei um? Oder besser gefragt, was kann eine Transformation fürs Team bedeuten?

Teams, sofern sie überhaupt in ihrer Besetzung konstant bleiben, sind mit vielen Veränderungen konfrontiert. Wir alle kennen die Entwicklungsphasen nach Tuckman (Anm.: Forming, Storming, Norming, Performing und Adjourning) und auch wenn das Modell nicht neu ist, so ist die Botschaft doch sehr wichtig: mach dich darauf gefasst, dass du am Weg zum High Performance-Team fortlaufend wieder zurück an den Start, Leute neu kennenlernen, Spielregeln und Prozesse fortlaufend kommunizieren und anpassen musst. Besonders wichtig ist es, in Veränderungsprozessen in der Führung nahbar zu sein, positiven wie negativen Gefühlen einen Raum zu geben und ein offenes Ohr zu haben. Es geht stark darum Ambiguitäten und Dynamiken auszuhalten und das Gefühl von Sicherheit zu stärken.


Tipp: Am 26. und 27. April 2024 organisieren Din Linh und seine Partnerin Mirjam von Hofacker das TransformationCamp in Kooperation mit der FH Wien der WKW.

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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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