04.07.2022

NEOS setzen in Wien Entlastungspaket für Unternehmer:innen durch

Wiens Betriebe atmen auf und dürfen sich über die Abschaffung bestimmter Abgaben, neue Förderungen und weniger Bürokratie durch Digitalisierung freuen.
/artikel/neos-wien-entlastungspaket-unternehmerinnen
NEOS-Wien-Wirtschaftssprecher Markus Ornig © NEOS
NEOS-Wien-Wirtschaftssprecher Markus Ornig © NEOS
sponsored

Die rot-pinke Koalition in Wien arbeitet seit einem Jahr intensiv mit einer eigenen Arbeitsgruppe an der Entlastung von Unternehmer:innen und legt nun erste Erfolge auf den Tisch. Von den Maßnahmen profitieren vor allem Unternehmen mit Geschäftslokalen in Wien von einer Entbürokratisierung und Förderung. NEOS ist es dabei gelungen, eine lang gehegte Forderung durchzusetzen: Die Abschaffung der sogenannten Luftsteuer. Diese Steuer betrifft Dinge, die sich im “Luftraum” vor Geschäftslokalen befinden – etwa Markisen, Vordächer oder Windfänge. Ab 2023 sind dafür keine Abgaben mehr zu entrichten. 

Leere Lokale wiederbeleben

Gleichzeitig mit der Entlastung soll auch der Leerstand in Wien durch gezielte Förderung reduziert werden. Das schafft neue Chancen für Unternehmer:innen, Geschäftslokale zu nutzen. Die Förderschiene “Geschäftsbelebung Jetzt!” unterstützt mit bis zu 25.000 Euro beispielsweise notwendige Adaptierungsarbeiten in Lokalen. Dafür müssen Geschäftslokale nicht mehr mindestens ein Jahr leer stehen. Abgewickelt wird die Förderung über die Wirtschaftsagentur Wien, die damit bis Ende Mai 2022 bereits 161 Projekte mit insgesamt rund 3 Millionen Euro unterstützt hat. NEOS-Wien-Wirtschaftssprecher Markus Ornig rechnet damit, dass dadurch 290 neue Arbeitsplätze entstehen werden. Die Förderung wird entsprechend dem Erfolg bis Ende 2023 verlängert. 

Digitales Serviceportal ausbauen

Auch die Digitalisierung soll das Leben von Unternehmer:innen in Wien leichter machen. Dafür wird das Angebot von “Mein Wien” ausgebaut. Dabei handelt es sich um ein digitales Serviceportal, das ein One-Stop-Shop für Amtswege für Unternehmen ist. Im September 2023 soll in diesem Portal mit “Zahl’s Wien” ein eigener Bezahlservice starten; geplant ist außerdem ein digitales Kontoblatt für beglichene und offene Gebühren und in Zukunft soll es auch eine rein digitale Betriebsanlagengenehmigung geben. 


NEOS-Wien-Wirtschaftssprecher Markus Ornig im Interview

In der Stadt Wien widmet sich seit Jänner 2021 eine eigene Arbeitsgruppe dem Thema Entbürokratisierung für kleine Unternehmen – was sind die größten Hürden, die diese Arbeitsgruppe ausgemacht hat?

Markus Ornig: Wir verfolgen als Fortschrittskoalition ein gemeinsames Ziel – Entbürokratisierung durch Digitalisierung. Die größte Hürde, wenn Sie dieses Wort so verwenden wollen, ist nicht die Verhandlung einzelner Maßnahmen, sondern das Mitziehen diverser Magistratsabteilungen die letztendlich mit den Digitalisierungsmaßnahmen arbeiten müssen. Hier freuen wir uns, dass dies durchwegs positiv aufgenommen und umgesetzt wird. Neu eingeführte digitale Zahlungsmöglichkeiten oder diverse Online-Beantragungsverfahren auf unserem ständig wachsenden Online Amtswegeportal mein.wien.gv.at sparen Zeit, Wege und damit Geld. Offline muss alles in Richtung One-Stop-Shop adaptiert werden. Das alles kostet natürlich Zeit, aber wir präsentieren laufend Innovationen.

Im Zuge der Entlastung fallen viele, teilweise skurril anmutende Abgaben – wie groß ist die Entlastung für kleine Unternehmen und wer profitiert am meisten davon?

Jeder gesparte Euro hilft einzig und allein allen Wiener Unternehmer:innen. NEOS haben seit jeher die Abschaffung der, im Volksmund bekannten Luftsteuer, gefordert und als Regierungspartei diese Forderung erfolgreich umgesetzt. Durch die Abschaffung der bisherigen Gebrauchsabgaben (z.B. Sonnenschutzeinrichtungen wie Markisen, Vordächer und Portale) sowie diverse Bagatellabgaben (Windfang, Zierverputz und Stufenanlagen) ersparen sich ein Wiener Unternehmen ab dem 01. Jänner 2023 durchschnittlich 800 Euro pro Jahr. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus, sondern werden hier laufend nachbessern. In Zeiten der Pandemie und Teuerung verständigen wir uns auf nachhaltige und sinnvolle Investitionen vor dem budgetären Hintergrund, der zur Verfügung steht. Nur gezielte Investitionen führen auch zu einer spürbaren Entlastung für unsere Unternehmer:innen.

Mit eigenen Förderungen sollen leerstehende Geschäftslokale in Wien wiederbelebt werden. Wieviel Leerstand gibt es derzeit und welche Effekte erwarten Sie sich durch die Förderung?

Unter den Titel „Geschäftsbelebung Jetzt!“ unterstützen wir Wiens Unternehmer:innen bei Wiederbelebung leerstehender Geschäftslokale. Die maximale Fördersumme pro Projekt beträgt 25.000 Euro, das ermöglicht den Unternehmer:innen beispielsweise den Einbau einer effizienteren und dadurch klimaschonenden Heizung und unterstützt natürlich bei der gesamten Einrichtung und Renovierung des Lokals. Insgesamt wurden seit März 2021 Gassenlokale mit einer Gesamtfläche von rund 28.000 Quadratmeter wiederbelebt. Würde man alle geförderten Geschäfte aneinanderreihen, ergäbe das eine rund ein Kilometer lange Ladenzeile.

Die Bilanz bis dato ist beeindruckend: Bis Ende Mai 2022 haben 216 Unternehmen ihre Projekte eingereicht, 161 konnten mit insgesamt rund 3 Millionen Euro unterstützt werden. Die dadurch ausgelösten Investitionen belaufen sich auf mehr als 15 Millionen Euro. Die geförderten Unternehmen beschäftigen 667 Arbeitnehmer*innen, der bei den 161 Projekten zu erwartende Beschäftigungseffekt liegt bei 290 neuen Arbeitsplätzen bzw. einem Beschäftigungszuwachs von 45 Prozent. Aufgrund des Erfolgs haben wir diese Förderung jetzt verlängert. Ich möchte hier aber auch noch die EPU-Förderung und das Gründer:innen Stipendium erwähnen. Auch diese Maßnahmen werden gut angenommen und bringen neue Impulse gegen den Leerstand in Geschäftslokalen.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Entlastung kleiner Unternehmen?

Eine sehr große, wir wissen ja, dass sich der durchschnittliche österreichische Unternehmer einen ganzen Tag in der Woche nur mit Bürokratie herumschlagen muss. Das ist zu viel! In dieser Zeit könnte man so viel Wichtigeres machen, um sein Unternehmen weiterzuentwickeln. Die Digitalisierung bringt hier vor allem zeitliche Entlastung deshalb hat für uns der Ausbau einer modernen Verwaltung höchste Priorität. Voraussichtlich im September 2023 startet das umfassende, sichere und nutzer:innenfreundliche Bezahlservice „Zahl’s Wien“. Dieses ist unter dem Dach von „Mein Wien“ verankert und bietet ab Start dann auch moderne Bezahlarten wie PayPal, GooglePay oder ApplePay. Wir haben uns unter anderem darauf geeinigt, dass zusätzlich zur Online-Beantragung eines Schanigartens, es zukünftig auch ein digitales Kontoblatt geben wird, das auf einen Blick alle offenen und beglichenen Gebühren für alle Wiener:innen auflistet. Zudem wird mit Hochdruck an der weiteren Umsetzung einer rein digitalen Betriebsanlagengenehmigung für Unternehmer*innen getüftelt. Jeder der den derzeitigen Prozess schon einmal durchlebt hat weiß, wie viel Schweiß und Tränen das bedeutet.  Sie sehen also, es werden Schritt für Schritt immer weiter Entlastungspakete ausgearbeitet und präsentiert.

Welche Maßnahmen müssen derzeit besonders dringend gesetzt werden?

Ich denke es führt kein Weg daran vorbei auf allen Ebenen zu entlasten. Bei den Unternehmer:innen und auch bei allen Wiener:innen. Die schnellste und effizienteste Möglichkeit in dieser Energiekrise ist neben den bereits vorgestellten vier Säulen der Energiekostenförderung mit knapp € 300 Mio. ist die Aussetzung der Valorisierung. Das kostet die Stadt zwar auf einen Schlag ca. 50 Millionen Euro an wichtigen Einnahmen, aber es ist die Beste und einfachste Entlastung für alle. Ich hoffe sehr, dass unser Koalitionspartner diesen Weg mit uns geht.

Deine ungelesenen Artikel:
03.02.2025

KI in Europa: “Müssen aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”

Was braucht es, damit Österreich und Europa bei künstlicher Intelligenz nicht zurückfallen? Diese Frage diskutierten Hermann Erlach (Microsoft), Marco Porak (IBM), Peter Ahnert (Nagarro) und Jeannette Gorzala in der vorerst letzten Folge der brutkasten-Serie "No Hype KI".
/artikel/no-hype-ki-folge-6
03.02.2025

KI in Europa: “Müssen aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”

Was braucht es, damit Österreich und Europa bei künstlicher Intelligenz nicht zurückfallen? Diese Frage diskutierten Hermann Erlach (Microsoft), Marco Porak (IBM), Peter Ahnert (Nagarro) und Jeannette Gorzala in der vorerst letzten Folge der brutkasten-Serie "No Hype KI".
/artikel/no-hype-ki-folge-6
Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala
Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Wo stehen wir wirklich, was die Adaption von künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft angeht? Diese Frage zu beantworten war eines der Ziele der Serie “No Hype KI“, die brutkasten anlässlich des zweijährigen Bestehens von ChatGPT gestartet hat. Die ersten fünf Folgen beleuchten unterschiedliche Aspekte des Themas und lieferten eine Bestandsaufnahme.

Im Staffelfinale, der sechsten Folge, war der Blick dann in Richtung Zukunft gerichtet. Dazu fanden sich die Österreich-Chefs von Microsoft und IBM, Hermann Erlach und Marco Porak, sowie Nagarros Big Data & AI Practice Lead für Central Europe, Peter Ahnert, und KI-Expertin Jeannette Gorzala, die auch Mitglied des KI-Beirats der österreichischen Bundesregierung ist, im brutkasten-Studio ein.

“Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache”

Eine der Erkenntnisse der Serie: Unternehmen und Institutionen verabschieden sich von überschwänglichen Erwartungen und sehen sich stattdessen an, wie KI tatsächlich in der Praxis eingesetzt wird. „Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache, weil jetzt kann man auf den Use Case gehen“, sagt Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich, im Videotalk. Er vergleicht den aktuellen Reifegrad von KI mit dem Beginn einer langen Reise: „Wenn ich so eine Reise angehe, dann brauche ich ein Ziel, einen Plan und Mitreisende. Alleine macht das wenig Spaß.“

Auch Marco Porak, General Manager von IBM in Österreich, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er sieht das abgelaufene Jahr als eine Phase der Erkenntnis. Den Status Quo bei KI in Österreichs Unternehmen beschreibt er im Talk folgendermaßen: “Wir haben allerorts sehr viel ausprobiert, sind vielleicht da und dort auf die Nase gefallen”. Gleichzeitig habe es auch “schöne Erfolge” gegeben. Für Porak ist klar: “Die Frage der Stunde lautet: Wie machen wir jetzt von hier weiter?“

AI Act: “Jetzt müssen wir ins Tun kommen”

Ein großes Thema dabei ist der AI Act der EU. Jeannette Gorzala, Gründerin von Act.AI.Now, plädiert für eine pragmatische Haltung gegenüber der EU-Verordnung: “Der AI-Act ist ein Faktum, er ist da. Jetzt müssen wir ins Tun kommen.” Sie sieht in dem Regelwerk einen Wegweiser: “Wir müssen die entsprechenden Kompetenzen aufbauen und die Möglichkeiten nutzen, die diese Regulierung bietet. Das ist der Reiseplan, den wir brauchen.”

Auch Marco Porak sieht den AI Act positiv: „Er hat nicht die Algorithmen reguliert, sondern gesagt, was wir in Europa gar nicht wollen, etwa Sozialpunktesysteme oder Gesichtserkennung in Echtzeit.“ So entstehe für Unternehmen im globalen Wettbewerb ein Vorteil, wenn sie ihre KI-Anwendung nach europäischen Maßstäben zertifizieren lassen: „Das ist wie ein Gütesiegel.“

“Müssen positiv aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”

Hermann Erlach von Microsoft bezeichnet den Ansatz des AI Act ebenfalls als “gut”, betont aber gleichzeitig, dass es jetzt auf die Umsetzung von KI-Projekten ankomme: “Wir haben eine Situation, in der jedes Land an einem neuen Startpunkt steht und wir positiv aggressiv reingehen müssen, um unseren Wohlstand zu halten.”

Peter Ahnert sieht dabei auch ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung: KI werde tendenziell nicht nur zu klein gedacht, sondern meist auch in Zusammenhang mit Risiken wahrgenommen: “Es werden die Chancen nicht gesehen.” Woran liegt es? “Zu einem erheblichen Teil daran, dass noch zu wenig Bildung und Aufklärung an dem Thema da ist. In Schulen, in Universitäten, aber auch in Unternehmen und in der öffentlichen Hand.” Hier müsse man ansetzen, sagt der Nagarro-Experte.

Jeannette Gorzala sieht das ähnlich: “Bildung und Kompetenz ist das große Thema unserer Zeit und der zentrale Schlüssel.” Verstehe man etwas nicht, verursache dies Ängste. Bezogen auf KI heißt das: Fehlt das Verständnis für das Thema, setzt man KI nicht ein. Die Opportunitätskosten, KI nicht zu nutzen, seien aber “viel größer” als das Investment, das man in Bildung und Governance tätigen müssen. “Natürlich ist es ein Effort, aber es ist wie ein Raketenstart”, sagt Gorzala.

IBM-Programm: “Die Angst war weg”

Wie das in der Praxis funktionieren kann, schilderte IBM-Chef Porak mit einem Beispiel aus dem eigenen Unternehmen. IBM lud weltweit alle Mitarbeitenden zu einer KI-Challenge, bei der Mitarbeiter:innen eigene KI-Use-Cases entwickelten, ein – mit spürbaren Folgen: “Die Angst war weg.” Seine Beobachtung: Auch in HR-Teams stieg die Zufriedenheit, wenn sie KI als Assistenz im Arbeitsablauf nutzen. “Sie können sich auf die komplexen Fälle konzentrieren. KI übernimmt die Routine.”

Microsoft-Chef Erlach warnt auch davor, das Thema zu stark unter Bezug auf rein technische Skills zu betrachten: “Die sind notwendig und wichtig, aber es geht auch ganz viel um Unternehmens- und Innovationskultur. Wie stehen Führungskräfte dem Thema AI gegenüber? Wie steht der Betriebsrat dem Thema AI gegenüber?”, führt er aus.

Venture Capital: “Müssen in Europa ganz massiv was tun”

Soweit also die Unternehmensebene. Einen große Problemstelle gibt es aber noch auf einem anderen Level: Der Finanzierung von Innovationen mit Risikokapital. “An der Stelle müssen wir in Europa ganz massiv was tun”, merkte Ahnert an. Er verwies auf Beispiele wie DeepMind, Mistral oder Hugging Face, hinter denen jeweils europäische Gründer stehen, die aber in den USA gegründet, ihre Unternehmen in die USA verkauft oder zumindest vorwiegend aus den USA finanziert werden.

Der Nagarro-Experte verwies dazu auf eine Studie des Applied AI Institute, für die Startups aus dem Bereich generative KI zu den größten Hürden, mit denen sie es zu tun haben, befragt wurden. “51 Prozent haben Funding genannt. Weit abgeschlagen an zweiter Stelle mit 24 Prozent erst kam die Regulierung und unter 20 Prozent waren Themen wie Fachkräftemangel oder Zugang zu Compute Power.” Ahnerts Appell: “Bei dem Thema Finanzierung müssen wir was tun, damit wir in der nächsten Welle an der Spitze sind.”

Erlach: Adaption entscheidend

Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft. Denn es komme auf die Adaption an: “Vielleicht ist die Diskussion Europa vs. Amerika in Teilbereichen die falsche.” Die wichtigere Frage sei also: “Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?”

Marco Porak ergänzt: “Ganz, ganz wesentlich ist Mut. Ganz, ganz wesentlich ist unsere kulturelle Einstellung zu dem Thema.” Man müsse die Chancen sehen und weniger das Risiko. In der Regulatorik könne man dies begleiten, indem man Anreize schafft. “Und ich glaube, wenn wir das als Österreich mit einem großen Selbstbewusstsein und auch als Europa mit einem großen Selbstbewusstsein machen, dann haben wir in fünf Jahren eine Diskussion, die uns durchaus stolz machen wird.”


Die gesamte Folge ansehen:


Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?”

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”

Folge 5: Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI

03.02.2025

KI in Europa: “Müssen aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”

Was braucht es, damit Österreich und Europa bei künstlicher Intelligenz nicht zurückfallen? Diese Frage diskutierten Hermann Erlach (Microsoft), Marco Porak (IBM), Peter Ahnert (Nagarro) und Jeannette Gorzala in der vorerst letzten Folge der brutkasten-Serie "No Hype KI".
03.02.2025

KI in Europa: “Müssen aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”

Was braucht es, damit Österreich und Europa bei künstlicher Intelligenz nicht zurückfallen? Diese Frage diskutierten Hermann Erlach (Microsoft), Marco Porak (IBM), Peter Ahnert (Nagarro) und Jeannette Gorzala in der vorerst letzten Folge der brutkasten-Serie "No Hype KI".
Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala
Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Wo stehen wir wirklich, was die Adaption von künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft angeht? Diese Frage zu beantworten war eines der Ziele der Serie “No Hype KI“, die brutkasten anlässlich des zweijährigen Bestehens von ChatGPT gestartet hat. Die ersten fünf Folgen beleuchten unterschiedliche Aspekte des Themas und lieferten eine Bestandsaufnahme.

Im Staffelfinale, der sechsten Folge, war der Blick dann in Richtung Zukunft gerichtet. Dazu fanden sich die Österreich-Chefs von Microsoft und IBM, Hermann Erlach und Marco Porak, sowie Nagarros Big Data & AI Practice Lead für Central Europe, Peter Ahnert, und KI-Expertin Jeannette Gorzala, die auch Mitglied des KI-Beirats der österreichischen Bundesregierung ist, im brutkasten-Studio ein.

“Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache”

Eine der Erkenntnisse der Serie: Unternehmen und Institutionen verabschieden sich von überschwänglichen Erwartungen und sehen sich stattdessen an, wie KI tatsächlich in der Praxis eingesetzt wird. „Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache, weil jetzt kann man auf den Use Case gehen“, sagt Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich, im Videotalk. Er vergleicht den aktuellen Reifegrad von KI mit dem Beginn einer langen Reise: „Wenn ich so eine Reise angehe, dann brauche ich ein Ziel, einen Plan und Mitreisende. Alleine macht das wenig Spaß.“

Auch Marco Porak, General Manager von IBM in Österreich, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er sieht das abgelaufene Jahr als eine Phase der Erkenntnis. Den Status Quo bei KI in Österreichs Unternehmen beschreibt er im Talk folgendermaßen: “Wir haben allerorts sehr viel ausprobiert, sind vielleicht da und dort auf die Nase gefallen”. Gleichzeitig habe es auch “schöne Erfolge” gegeben. Für Porak ist klar: “Die Frage der Stunde lautet: Wie machen wir jetzt von hier weiter?“

AI Act: “Jetzt müssen wir ins Tun kommen”

Ein großes Thema dabei ist der AI Act der EU. Jeannette Gorzala, Gründerin von Act.AI.Now, plädiert für eine pragmatische Haltung gegenüber der EU-Verordnung: “Der AI-Act ist ein Faktum, er ist da. Jetzt müssen wir ins Tun kommen.” Sie sieht in dem Regelwerk einen Wegweiser: “Wir müssen die entsprechenden Kompetenzen aufbauen und die Möglichkeiten nutzen, die diese Regulierung bietet. Das ist der Reiseplan, den wir brauchen.”

Auch Marco Porak sieht den AI Act positiv: „Er hat nicht die Algorithmen reguliert, sondern gesagt, was wir in Europa gar nicht wollen, etwa Sozialpunktesysteme oder Gesichtserkennung in Echtzeit.“ So entstehe für Unternehmen im globalen Wettbewerb ein Vorteil, wenn sie ihre KI-Anwendung nach europäischen Maßstäben zertifizieren lassen: „Das ist wie ein Gütesiegel.“

“Müssen positiv aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”

Hermann Erlach von Microsoft bezeichnet den Ansatz des AI Act ebenfalls als “gut”, betont aber gleichzeitig, dass es jetzt auf die Umsetzung von KI-Projekten ankomme: “Wir haben eine Situation, in der jedes Land an einem neuen Startpunkt steht und wir positiv aggressiv reingehen müssen, um unseren Wohlstand zu halten.”

Peter Ahnert sieht dabei auch ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung: KI werde tendenziell nicht nur zu klein gedacht, sondern meist auch in Zusammenhang mit Risiken wahrgenommen: “Es werden die Chancen nicht gesehen.” Woran liegt es? “Zu einem erheblichen Teil daran, dass noch zu wenig Bildung und Aufklärung an dem Thema da ist. In Schulen, in Universitäten, aber auch in Unternehmen und in der öffentlichen Hand.” Hier müsse man ansetzen, sagt der Nagarro-Experte.

Jeannette Gorzala sieht das ähnlich: “Bildung und Kompetenz ist das große Thema unserer Zeit und der zentrale Schlüssel.” Verstehe man etwas nicht, verursache dies Ängste. Bezogen auf KI heißt das: Fehlt das Verständnis für das Thema, setzt man KI nicht ein. Die Opportunitätskosten, KI nicht zu nutzen, seien aber “viel größer” als das Investment, das man in Bildung und Governance tätigen müssen. “Natürlich ist es ein Effort, aber es ist wie ein Raketenstart”, sagt Gorzala.

IBM-Programm: “Die Angst war weg”

Wie das in der Praxis funktionieren kann, schilderte IBM-Chef Porak mit einem Beispiel aus dem eigenen Unternehmen. IBM lud weltweit alle Mitarbeitenden zu einer KI-Challenge, bei der Mitarbeiter:innen eigene KI-Use-Cases entwickelten, ein – mit spürbaren Folgen: “Die Angst war weg.” Seine Beobachtung: Auch in HR-Teams stieg die Zufriedenheit, wenn sie KI als Assistenz im Arbeitsablauf nutzen. “Sie können sich auf die komplexen Fälle konzentrieren. KI übernimmt die Routine.”

Microsoft-Chef Erlach warnt auch davor, das Thema zu stark unter Bezug auf rein technische Skills zu betrachten: “Die sind notwendig und wichtig, aber es geht auch ganz viel um Unternehmens- und Innovationskultur. Wie stehen Führungskräfte dem Thema AI gegenüber? Wie steht der Betriebsrat dem Thema AI gegenüber?”, führt er aus.

Venture Capital: “Müssen in Europa ganz massiv was tun”

Soweit also die Unternehmensebene. Einen große Problemstelle gibt es aber noch auf einem anderen Level: Der Finanzierung von Innovationen mit Risikokapital. “An der Stelle müssen wir in Europa ganz massiv was tun”, merkte Ahnert an. Er verwies auf Beispiele wie DeepMind, Mistral oder Hugging Face, hinter denen jeweils europäische Gründer stehen, die aber in den USA gegründet, ihre Unternehmen in die USA verkauft oder zumindest vorwiegend aus den USA finanziert werden.

Der Nagarro-Experte verwies dazu auf eine Studie des Applied AI Institute, für die Startups aus dem Bereich generative KI zu den größten Hürden, mit denen sie es zu tun haben, befragt wurden. “51 Prozent haben Funding genannt. Weit abgeschlagen an zweiter Stelle mit 24 Prozent erst kam die Regulierung und unter 20 Prozent waren Themen wie Fachkräftemangel oder Zugang zu Compute Power.” Ahnerts Appell: “Bei dem Thema Finanzierung müssen wir was tun, damit wir in der nächsten Welle an der Spitze sind.”

Erlach: Adaption entscheidend

Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft. Denn es komme auf die Adaption an: “Vielleicht ist die Diskussion Europa vs. Amerika in Teilbereichen die falsche.” Die wichtigere Frage sei also: “Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?”

Marco Porak ergänzt: “Ganz, ganz wesentlich ist Mut. Ganz, ganz wesentlich ist unsere kulturelle Einstellung zu dem Thema.” Man müsse die Chancen sehen und weniger das Risiko. In der Regulatorik könne man dies begleiten, indem man Anreize schafft. “Und ich glaube, wenn wir das als Österreich mit einem großen Selbstbewusstsein und auch als Europa mit einem großen Selbstbewusstsein machen, dann haben wir in fünf Jahren eine Diskussion, die uns durchaus stolz machen wird.”


Die gesamte Folge ansehen:


Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?”

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”

Folge 5: Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag