15.11.2022

Nach FTX-Insolvenz: Die Rufe nach Krypto-Regulierung werden lauter – auch aus der Branche

Die Insolvenz der Kryptobörse FTX erschüttert nicht nur den Markt, sondern verstärkt auch die Diskussion um die Regulierungsthematik in der Branche.
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Die Diskussionen um Krypto-Regulierungen werden nach der FTX-Insolvenz immer lauter © AdobeStock / ZinetroN
Die Diskussionen um Krypto-Regulierungen werden nach der FTX-Insolvenz immer lauter © AdobeStock / ZinetroN

Angesichts der jüngsten Entwicklungen am Kryptomarkt werden die Stimmen nach einer verstärkten Regulierung immer lauter. Nicht zuletzt hat auch CEO der Kryptobörse Binance, Changpeng Zhao (CZ), öffentlich für eine schärfere Regulierung der Branche plädiert. Beim G20-Gipfel auf Bali am Montag erklärt er unter anderem: “Wir brauchen einige Regulierungen, wir müssen das richtig machen, wir müssen das auf solide Beine stellen.”

Krypto-Regulierung: Risikomanagement, Verwendung von Kundengeldern, Kontrollsysteme etc.

Die Skepsis gegenüber dem Kryptospace ist zwar nie vollständig abgeflacht, derart medienwirksame Ereignisse wie der Absturz der Kryptobörse FTX haben allerdings besondere Auswirkungen auf die Kurse sowie das Vertrauen von Anleger:innen und der gesamten Branche. Besonders in Zeiten, in denen die Unsicherheit am Markt bereits erhöht ist. Darüber ist sich auch Tamara Rubey, Head of Legal beim Krypto-Startup Coinpanion, sicher. 

“Nachdem nun Auffälligkeiten in der Transaktionshistorie weiterer Kryptobörsen vor ihrem dringend notwendigen Proof of Funds bekannt wurden, bleibt abzuwarten, ob hier noch weitere böse Überraschungen auf uns zukommen”, erklärt die Rechtwissenschaftlerin gegenüber dem brutkasten. Mit Blick auf die Regulierungsthematik sei im Zusammenhang mit FTX zu sagen, dass hier vor allem die missbräuchliche Verwendung von Kundengeldern, ein mangelhaftes Risikomanagement und internes Kontrollsystem für den großen Crash verantwortlich waren.

MiCA als Lösung für Europa?

Weitere strenge Regulierung sowie die Kontrolle durch die Aufsicht seien laut Rubey essenzieller Teil der Lösung der aktuellen Krypto-Krise und könnten zudem eine Möglichkeit bieten, das Vertrauen der Kund:innen wiederherzustellen.

Für die EU zeigt sich Rubey, ebenfalls wie Blockpit Chief Legal Officer Max Bernt, positiv gegenüber der MiCA-Verordnung (Markets in Crypto-assets) der Europäischen Kommission. Während Rubey beschreibt, dass sich die kommenden Regulierungen positiv auf den Kryptomarkt auswirken würden, betont Bernt zusätzlich den Verbraucherschutz, der bei MiCA im Zentrum stehe. Damit werde die Kryptobranche nicht nur transparenter, sondern auch sicherer und das Vertrauen der Anleger:innen könnte gestärkt werden.

Abschließend gibt Tamara Rubey den Hinweis, dass die aktuellen Geschehnisse jedem und jeder Krypto-Investor:in Anlass genug sein sollten, um zu überprüfen, ob die eigenen Assets im Falle einer Insolvenz des Krypto-Dienstleisters sicher sind. Zudem sollte man kontrollieren, ob der jeweilige Dienstleister über ein Aussonderungsrecht verfügt – wie es bspw. bei Coinpanion der Fall sei.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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