✨ AI Kontextualisierung
Nach einem Schlaganfall müssen in der Regel Teile des Gehirns gezielt trainiert werden, damit zum Beispiel das Sprechen wieder vollständig klappt. Das Wiener Startup myReha unterstützt diese Rehabilitation mit einer App. Dabei handelt es sich nicht um eine Spielerei – die App, die nur auf Tablets läuft, ist als Medizinprodukt zugelassen und kommt auch klinisch zum Einsatz.
Es gab nur Übungszettel
Die Idee zu myReha hatte Philipp Schöllauf bei seiner Tätigkeit als Arzt im Neurologischen Zentrum der Wiener Klinik Penzing. Dort hat er unter anderem mit Schlaganfall-Patienten gearbeitet und stand immer wieder vor dem Problem, Patienten abseits der Therapiestunden nur wenig Übungsmaterial anbieten zu können: “Es gibt da kaum etwas, meistens arbeitet man mit Übungszetteln”, sagt Schöllauf – ein Problem, das Patienten und Angehörige daheim betrifft, aber auch Patienten in Kliniken selbst.
Gemeinsam mit seinem Bruder Moritz (Jurist, ua. im Europäischen Parlament und bei einer der größten europäischen Banken) und dem Machine-Learning-Experten Mario Zusag (zuvor Google AI und IBM Research) kam er so auf die Idee zum myReha. Da von Anfang an geplant war, die App auch in Kliniken einzusetzen, führte kein Weg um die Zertifizierung als Medizinprodukt, die gemeinsam mit den Kliniken Penzing und Floridsdorf und dem AIT gelungen ist.
Training für Sprache und Gedächtnis
Je nachdem, welche Areale im Gehirn betroffen sind, können die Symptome nach einem Schlaganfall ganz unterschiedlich ausfallen. Meistens sind laut Philipp Schöllauf aber vor allem die Sprachproduktion und die Kognition betroffen – Patienten können nicht mehr fehlerfrei reden und haben vielleicht Probleme mit dem Gedächtnis oder der Aufmerksamkeit. In der myReha-App können sich Patienten selbst anmelden und beantworten zunächst Fragen zu ihren Symptomen und machen kleinere Tests zu Sprache und Kognition.
Auf dieser Basis erstellt die App dann einen Wochenplan mit individuellen Übungen, die sich im Laufe der Zeit anhand des Lernfortschritts anpassen. “Ein Beispiel für solche Übungen wäre das Nachsprechen von Sätzen und Üben von Lauten”, erklärt Mario Zusag. Aber auch Spiele sind Teil des Programms. In einem müssen auf dem Bildschirm Glühwürmchen gefangen werden, während in der Mitte des Bildschirms Krabbeltiere die Aufmerksamkeit des Patienten auf sich ziehen. “Das hilft dabei, das Sehfeld zu erweitern”, so Zusag.
Eine Challenge für Machine Learning
myReha wird derzeit in Kliniken im Testbetrieb für eine klinische Studie eingesetzt. Im Herbst soll die App dann im App Store für iPads freigeschaltet werden und im Abo-Modell ab 20 Euro pro Monat kosten. Parallel entwickelt das Team myReha weiter und hat sich dafür eine FFG-Förderung im hohen sechsstelligen Bereich gesichert. Mit dem Geld hofft Zusag “Multimodal Learning” in diesem Bereich erstmals quasi automatisieren zu können. “In der Praxis zeigen Therapeuten Patienten Bilder und lassen sie den Inhalt beschreiben, um Rückschlüsse auf Sprache und Kognition ziehen zu können”, erklärt Zusag. Für eine Maschine ist das schwierig, denn “es gibt in diesem Fall nicht eine richtige Antwort, die wir in einer Datenbank hinterlegen könnten”. Auch diese Herausforderung will das Startup mit Machine Learning lösen.