28.11.2017

myAbility: “Menschen mit Behinderung sind Leistungsträger”

myAbility berät Firmen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Nun wurde das Wiener Startup als Top 10 "Ideen-Pionier"-Österreichs ausgezeichnet.
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(c) myAbility_ Founder Gregor Demblin beim DisAbility Wirtschaftsforum

“DisAbility ist nicht nur ein gesellschaftliches Thema, sondern zahlt sich für Unternehmen schlichtweg aus. Menschen mit Behinderung werden oft als ‘Kostenstellen’ oder karitative Projekte gesehen. Sie sind aber Leistungsträger, die Arbeitgebern sehr viel zu bieten haben – und dennoch ständig vom Arbeitsmarkt entweder ignoriert oder unterschätzt werden”, sagt Gregor Demblin, Founder des Beratungs-Startups myAbility. Auch als potenzielle Kunden würden Menschen mit Behinderung unzureichend mit Produkten bedient. Dadurch entgingen den Unternehmen beträchtliche Einnahmen.

+++ Rekord: Sechsstelliges Investment für myAbility +++

“1,7 Millionen Menschen, die von der Wirtschaft nicht beachtet werden”

(c) Udo Titz: myAbility-Founder Gregor Demblin

Denn insgesamt haben 20,5 Prozent der österreichischen Bevölkerung eine Behinderung. Dazu gehören Seh- und Hörschwächen genauso wie Einschränkungen des Bewegungsapparates oder chronische Erkrankungen. “In Summe sind es mehr als 1,7 Millionen Menschen, die von der Wirtschaft als potenzielle Arbeitnehmer und Kunden nicht beachtet werden”, sagt Demblin, der mit dem Thema selbst umfangreiche Erfahrung hat. Er ist aufgrund eines Unfalls seit seinem 18. Lebensjahr querschnittsgelähmt. “Die Art, wie man mir begegnete, änderte sich durch meine Behinderung schlagartig. Obwohl dazu überhaupt kein Anlass bestand.” Demblin beschloss, die Einstellung der Unternehmen zu verändern und Wissenslücken zu beseitigen. “Arbeitgeber fürchten sich vor Zusatzkosten, vor dem Kündigungsschutz, wissen auch oft gar nicht, wo sie anfangen sollen.”

Finanzielle Vorteile für barrierefreie Firmen

myAbility will Unternehmen dabei helfen, finanzielle Vorteile zu realisieren, indem sie barrierefreie Produkte und zielgruppengerechte Maßnahmen einführen. Gemeint sind dabei nicht primär bauliche Veränderungen, sondern etwa flexible Arbeitsmodelle und barrierefreies Recruiting. Der Wegfall der Ausgleichstaxe ist dabei nur der offensichtlichste finanzielle Vorteil der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. (Sie muss bezahlt werden, wenn Unternehmen nicht pro 25 Arbeitnehmern jeweils eine begünstigte behinderte Person einstellen.) Insgesamt könnte bei großen Arbeitgebern der Nutzen von Inklusionsmaßnahmen mehr als 2,5 Prozent der Bruttopersonalkosten betragen, heißt es von myAbility.

Jede siebte Arbeitskraft hat versteckte Behinderung

Viele Unternehmen hätten bereits Maßnahmen zur Barrierefreiheit gesetzt. Es sei ihnen aber nicht bewusst. Dazu komme, dass jede siebte Arbeitskraft bereits eine versteckte Behinderung habe. Durch die Anstrengung, diese in einem nicht offenen Betriebsklima verbergen zu müssen, entstünden bereits hohe Effizienzverluste. myAbility beweise, dass es auch anders geht. Eine umfassende Analyse jedes Betriebs zeige Maßnahmen auf, um Mitarbeitern und Kunden mit Behinderung die Steine aus dem Weg zu räumen und deren Potenzial voll auszuschöpfen.

Auszeichnung: myAbility in Top 10 der “Ideen-Pioniere” in Österreich

Nun wurde das Konzept im Rahmen der ORF-Kampagne “ÖSTERREich kann” ausgezeichnet und wurde als einer der zehn besten “Ideen-Pioniere” genannt. In der Jury waren u.a. Sonja Zimmermann, Vorstand der Berndorf Privatstiftung, Impact Hub Vienna-Chef Matthias Reisinger und Christine Rhomberg, CEO der Hilti Foundation vertreten. “Für uns ist die Auswahl für ‘ÖSTERREich kann’ eine großartige Sache”, sagt Demblin. “Sie beweist, dass man in Österreich zu verstehen beginnt, welches Potenzial im DisAbility-Thema steckt: Wir profitieren davon, wenn wir aufhören, vielversprechende Arbeitnehmer buchstäblich in ihrem Leistungspotenzial zu ‘behindern'”. (PA/red)

+++ Behinderung als Chance und wirtschaftliches Potenzial +++


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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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