02.12.2021

“Mindset” und “Hinderer”: Judith Hornoks Skizze für den arabischen Markt

Um fremde Märkte zu erschließen, bedarf es nicht nur nackter Zahlen, einer schneller Reise und leerer Geldkoffer. Gründer brauchen die Fähigkeit spezifische "Länder-Codes" von Verhaltensweisen zu identifizieren und dementsprechend ihr "Mindset" anzupassen. Im Gespräch Autorin und Firmencoach Judith Hornok, die 15 Jahre im arabischen Raum zum Thema Unternehmertum recherchierte. Und Tipps, auch auf emotionaler Ebene, parat hat.
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Hornok, Arabischer Markt, Startups für Mittleren Osten, Markt Arabien, markt mittlerer Osten, Markt Dubai, Markt Asien
(c) Frank Helmrich - Judith Hornok stellt in ihrem Buch ein Konzept vor, das als Leitfaden für den Einstieg in den Arabischen Markt dienen kann.

Fremde Märkte, fremde Sitten – so könnte man vereinfacht die Hürden zusammenfassen, die bei der Ausweitung des eigenen Unternehmens in andere Märkte auftreten können. Politische Fauxpas, gesellschaftliche Hoppalas, Vorurteile oder ein sorgloses Verhalten, das in westlichen Breiten anerkannt oder mit einem Schulterzucken geduldet wird, kann in anderen Gegenden dieser Welt für Irritation sorgen und ein gewünschtes Geschäft platzen lassen.

Judith Hornok, Autorin des Buches „The Arab Business Code“ hat das alles erlebt und daher ein Konzept erstellt, mit dem sie die sogenannten “Die Emotionalen Hinderer” offenbart. Sie nennt es “The Concept of The Emotionale Hinderers by Judith Hornok” und legt gleichzeitig offen, auf welche kostenintensiven und geschäftsschädigenden Hürden westliche Geschäftsleute treffen können, richten sie ihren Blick nach Arabien. Sie hat dafür lange Zeit im Mittleren Osten recherchiert und von dort für ihren “Unternehmer-Guide” großes Lob eingeheimst.

“Als ich das Buch las, war ich fasziniert von der Art und Weise, wie Probleme veranschaulicht wurden. Hornoks langjährige Erfahrung am Arabischen Golf ermöglicht ihr tief in die Kultur einzudringen. Ich denke, mit dem Konzept könnte jeder Geschäftsmann einen Plan entwickeln, der weltweit zum Erfolg führt”, sagt A. Latif Al-Mahmoud, CEO des Medienhauses “Dar Al Sharq Group” – dessen Eigentümer Scheich Khalid bin Thani Al Thani, Mitglied der Königlichen Familie ist.

Fremde Codes

Konkret behandelt das Lehrbuch für Geschäftsreisende in der arabischen Welt “Codes”, die es in jeder Gesellschaft gibt. “Es gilt sie zu erkennen und zu deuten”, sagt Hornok. “Die arabischen Codes, also die Verhaltensweisen im arabischen Raum, sind der westlichen Welt oft fremd oder werden von ausländischen Geschäftsleuten nicht beachtet. Um jedoch erfolgreiche Geschäftsbeziehungen zu haben, sollte man die wichtigsten kennen.”

Das Konzept “The Emotional Hinderers” sieht sie als eine Herangehensweise, um in eigenen Verhaltensweisen negative Emotionen und Gefühle frühzeitig zu identifizieren und diese erfolgreich zu managen. Die ehemalige Formel 1-Journalistin hatte Zeit ihres Wirkens stets menschenintensive Berufe gehabt, wie sie sie nennt. Neben der Berichterstattung in der Königsklasse des Motorsports war sie in der Hotellerie und auch als Firmencoach tätig.

In ihrem neuesten Werk verarbeitet die Autorin ihre “learnings” wie Kultur und der damit verbundene Kommunikationsstil – der Code dieser Kultur – das gegenseitige Bild und Verständnis der Gesprächspartner prägen.

Sieben Typen von emotionalen Hürden

“In einer mir anfangs gänzlich fremden Kultur, mit völlig anderen Kommunikationsstilen entdeckte ich die sieben ‘Emotionalen Hinderer’. Und fand heraus, dass sie universell sind und an keine spezifische Kultur gebunden. Und somit überall gelten”, stellt Hornok klar. “Dabei ist es ihr wichtig zu betonen, dass es sich hierbei nicht um abstrakte Gebilde handelt, sondern sie bei ihrer Arbeit jene Faktoren auch bildlich, beinahe komödiantisch darstellt, um sie ins Leben zu bringen.

Es sind sieben Typen, um die es geht: “Der Aggressive Innere Kritiker”, “Das Aufgeblähte Ego”, “Die Frustrierte Erwartungshaltung”, “Die Unermessliche Gier”, “Das Unerbittliche Vorurteil”, “Das Erzürnte Wut-Teufelchen” und “Die Lähmende Angst”.

“Ich greife dabei bewusst auf eine Bildsprache zurück, damit dieses ‘Emotionalen Hinderer’ aufrufbar und managebar werden”, erklärt sie. “Um sie leichter zu analysieren.”

Mit diesem Zugang auf jene negativen und aggressiven Emotionen, möchte Hornok die Begegnung zwischen demjenigen, der sie anwendet – also die “Hinderer” fühlt – und diesen Gefühlen auf eine andere Ebene heben. Auf einer, wo sich das Bewusstmachen von inneren Einstellungen und Empfindungen, die einem (vor allem unternehmerisch) im Weg stehen können, nicht als ein negatives Erlebnis darstellt. “Humor ist wichtig”, sagt Hornok, “Über etwas zu lachen, führt zu einem besseren Zugang”.

Suitcase Manager und leere Geldkoffer

Die Coaching-Expertin nennt in diesem Zusammenhang Startup-Gründer „tolle Präsentatoren“, die aber auch als erfahrene Founder Opfer solcher „Emotionaler Hinderer“ sein können. Vor allem der Typus „Die Frustrierte Erwartungshaltung“ spielt ihrer Erfahrung nach eine größere Rolle in der Szene, wie eines ihrer Beispiele zeigt.

“Auch in den verschiedensten Kulturkreisen, aber vor allem im arabischen Golf, habe ich Charaktere gesehen, die am liebsten mit dem leeren Geldkoffer auftauchen, sogenannte ’Suitcase Manager‘, um ihn mit Geld füllen zu lassen. Sie wollen Geschäfte am liebsten in einem Tag abschließen. Am besten in Bar”, erinnert sich Hornok.

Dass dies oft scheitert, scheint keine große Überraschung darzustellen. Den Blick aber auf die Mechanik dahinter zu werfen, welche Faktoren ausschlaggebend waren, dass “fast fertige Deals” nicht zustande kommen, kann dann aber doch zu einem Aha-Erlebnis führen.

Hornok: “Die Unermessliche Gier ist verführerisch”

“Man hat schon Gespräche geführt, präsentiert und auch das Geld war bereits Thema”, fasst Hornok zusammen. “Es war klar, dass es zu einem Investment kommt. Doch dann beginnt der Investor nachzufragen und es kommt Unruhe auf. Man denkt sich, was soll das jetzt schon wieder. Und jeder im Raum spürt das veränderte Verhalten. “Die Unermessliche Gier” ist verführerisch. Sie sagt, ich will das Geld endlich haben. Es ist doch schon alles abgesprochen.”

Ein anderes Beispiel, das nicht so sehr auf den „Hinderer“ Gier abzielt, sondern auf „Das Aufgeblähte Ego” – im Sinne von ‘ich weiß Alles’ und brauche mich nicht vorab über das Land informieren – liefert Hornok mit einer Erzählung von einer Expo in Dubai, die Beteiligten Mehrkosten und Stress verursachte. Italienische Gründer hatten für ihren Stand eine David-Statue von Michelangelo besorgt, um ihrem Auftritt eine künstlerische Note zu verpassen.

“Eine schöne Idee eigentlich, aber die Statue war in ihrer gesamten Nacktheit zu sehen. Die Gründer haben sich gewundert, dass die Aufstellung verweigert wurde. Es hat den Gesetzen Dubais widersprochen. So mussten sie erneut Geld in die Hand nehmen, um das Kunstwerk zu verhüllen”, erinnert sie sich. “Diese Geschichte ist dann aber gut ausgegangen.”

Der König von Katar?

Andere Anekdoten ihrer Recherche dienten Protagonisten eher als “wertvollen learnings”, da dort Geschäfte scheiterten. Etwa als Gründer statt nach jenem des Scheichs nach dem Wohlergehen des Königs von Katar fragten, sowie Folder mit halbnackten Frauen verteilten.

“Oder auch einmal einen Fußball als Gastgeschenk nach Saudi-Arabien mitbrachten. Mit der Staatsflagge darauf abgebildet. Was sie nicht wussten, die Flagge darf nicht auf ein Produkt platziert werden, auf das man mit dem Fuß tritt”, so Hornok. “Dies ist dann nicht mehr unterhaltsam, sondern geschäftsschädigend und teuer. Man hat den ‘Code’ dieser Menschen verletzt.”

In all ihren Beispielen stecken, so Hornok weiter, jene „Emotionalen Hinderer“, die auf schlechte Vorbereitung, auf „Das Aufgeblähte Ego“ und unerbittliche Vorurteile fußen. Was in eigenen Breiten funktioniert, muss in anderen anders angegangen werden, so die eine Lektion, die die Autorin mit ihrem Werk gibt.

Das andere „learning“, das Gründer mitnehmen können, nennt Hornok das „Das Unerbittliche Vorurteil“. Zu diesen vorurteilsbehafteten Einstellungen gehört dazu, dass Bewohner eines muslimischen Staates „alle gleich sind“ und Frauen unterdrücken. Hornok selbst hat bei ihrer Recherche eine andere Erfahrung gemacht und sich im Prinzip „leicht getan“, wie sie sagt.

Besondere Mann-Frau-Beziehung?

“Es gibt einen Leitfaden, den ich befolge. Man muss wissen, wo man hingeht und wen man trifft. Das Stichwort ist eine gute Vorbereitung. Ich muss wissen, wer meine Geschäftspartner sind, nicht alle passen zu mir. Es gibt welche, die konservativer leben, manche schütteln einer Frau nicht die Hand. Aber nicht, weil sie Frauen ablehnen, sondern das entspringt aus der Kultur heraus. Es ist eine Frage des Respekts und der Nähebeziehung zwischen Mann und Frau.”

Deutlicher wird ihre Ansicht in einer anderen Anekdote, als sie mitten in ihrer Anfangsrecherche steckte. Der Ort Dubai.

Beim “Dubai World Cup”, einem Pferderennen, das seit 1996 ausgetragen wird, sollte sie einen der gefragtesten Geschäftsleute des Landes treffen. Als Hornok zur Loge geführt wurde, schaute jener Unternehmer plötzlich und die ganze Zeit zu Boden. Und sie nicht an.

“Ich war geschockt und habe mich gefragt, was habe ich falsch gemacht”, reminisziert Hornok. “Es kam sofort Der Innere Kritiker auf, der dir sagt, du bist nicht gut genug. Man hat mich dann auf die Seite geführt. Und als ich dort stand, erklärte meine Kontaktperson, dass er mich aus der Weite betrachtet. Es war eine langsame Annäherung eines Kennenlernens. So ist eine Kommunikation entstanden. Das klingt im ersten Moment abwertend, jedoch gehört es zu den dortigen kulturellen ‚Codes‘ dazu.”

Verschiedene Techniken fürs Mindset

Für Europäer und andere, die am arabischen Markt interessiert sind, gelte es in diesem Zusammenhang Strategien zu entwickeln, um Codes zu erkennen und sich dabei immer bewusst zu machen, dass das eigene ausbalancierte Mindset am Anfang erfolgreicher Verhandlungen stehe. Emotionen müsse man im Griff haben. Sie nennt dies die “From Inside To Outside Technique” (FITO).

“Araber können sehr gut Mimik und Gestik lesen”, so Hornok weiter. “Wenn jemand nicht überzeugt ist, nur auf den Geldkoffer aus, sonst eigentlich nichts will, wird die Präsentation nicht gelingen. Es ist wichtig, Techniken zu finden, um besser zu kommunizieren. Denn, ‘getting to know each other better’ ist das Investment des 21. Jahrhunderts.”

Konkrete Tipps dabei sind, beim Pitchen eine ständige Balance zu halten, nicht zu aufdringlich zu werden und sich nicht komplett zu verlieren. Dabei aber immer seine Ziele zu verfolgen. Ein erfolgreicher Abschluss am arabischen Markt sei vergleichbar mit dem Einstieg in ein Auto. Womit Hornok gleich zu einer zweiten Methode überleitet, die sie “gas-shift-brake technique” betitelt. “Man gibt einmal Gas, man kuppelt, sieht sich um und schaltet einen Gang runter, um seine Umgebung wahrzunehmen”.

Im Detail rät sie Startup-Gründern zuerst selbst zu eruieren, was man vom Zielmarkt erwartet, um “Der Frustrierten Erwartungshaltung” zuvorzukommen. Dann sich selbst die Frage zu stellen, was man über das jeweilige Land weiß, und ob man überhaupt mit den Personen dort Geschäfte machen möchte.

Die Welt ein Club

„Ich hatte schon Menschen, die keine Araber oder Chinesen wollten. Wenn man schon diese innere Einstellung hat, dann ist man aggressiv eingestellt und muss, im Sinne “Des Erzürnten Wutteufelchens”, hinterfragen, ob der gewählte Markt überhaupt der richtige ist. Denn, wenn ich einmal dort bin, dann muss ich mich auch ‚commiten’“, sagt sie.

Wenn Gründer schlussendlich die “Die Emotionalen Hinderer” im Griff haben, die Erwartungshaltung “managen” und sie neugierig auf den Markt sind, dann sei schon mal ein erster Schritt abgeklärt. Man könne, so ihr Hinweis, über die Wirtschaftskammer erste zarte Bande in den arabischen Raum knüpfen und Netzwerke aus Österreich heraus aufbauen. Beziehungen langsam etablieren.

“Auch die Expo ist ein schöner Tummelplatz, um zu starten. Wenn man vorbereitet ist und die ‘Codes’ kennt, ist das bereits eine gute Grundvoraussetzung für spätere Erfolge. Die Menschen dort kennen einander. Es ist wie eine Art privater Club, bei dem es auch familiäre Bande über Grenzen hinweg gibt. Lernt man dort jemanden kennen und pflegt die Beziehung, so wird man auch weiterempfohlen”, sagt Hornok.

Und fügt an: “Der Familien-Code ist im arabischen Raum extrem wichtig. Es geht viel um Reputation und um Passwörter, bei denen das Gegenüber merkt, dass du ihn verstehst. Und diese ‚Codes‘, die ich identifizieren konnte, sind es, die für eine gleiche Verständnis-Ebene sorgen. Aber zuvor muss man “Die Emotionalen Hinderer” identifizieren und managen, nur dann wird es funktionieren.”

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Konflikte, Konflikte in Unternehmen, Mediation, Mediator, ostal
(c) Stock.Adobe/gnublin - Es gibt verschiedene Arten von Unternehmenskonflikten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe unseres Jubiläum-Printmagazins – “Wegbereiter”. Eine Downloadmöglichkeit findet sich am Ende des Artikels.


Es war nur eine Bemerkung am Rande – doch sie schwillt an und gärt wie verfaulendes Obst. Und sie wird bleiben, wird weitere Verletzungen aufnehmen und wachsen; sich steigern, bis sie zum Problem und dann klar benennbar für alle zu einem fassbaren Begriff wird. Erst dann wird man es Konflikt nennen, obwohl der Beginn schon viel früher vollzogen war. Mit dieser einen Bemerkung am Rande.

Laut Definition im Duden ist ein Konflikt „das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen, Interessen oder eine ähnlich entstandene schwierige Situation, die zum Zerwürfnis führen kann“. Dies ist auch die allgemeine Auffassung im kollektiven Bewusstsein von Gesellschaften. Dabei wird aber oft übersehen, dass ein Konflikt je nach Bereich weitaus mehr Ebenen hat.

Für Jürgen Dostal, Konfliktexperte und Gründer von Proconsens.at, sind es im unternehmerischen Umfeld andere Dynamiken als im Privaten, die vor allem das Arbeitsklima massiv beeinflussen können. Personen fühlen sich seinen Erkenntnissen nach in ihren Werten oder im Handeln eingeschränkt oder gar gemobbt, während anderen oftmals gar nicht bewusst sei, dass es eine Art von negativer Interaktion gegeben hat. Da kann es zu interpersonellen oder gar IntergruppenKonflikten (Abteilungen, Teams) kommen, mit der möglichen Folge, sich gegeneinander auszuspielen – ohne die wahren Gründe für die Unstimmigkeiten zu thematisieren.

Die Konfliktarten

Passend dazu hat das HR-Startup Personio eine Unterteilung des Begriffs in verschiedene Punkte vorgenommen. Konflikte können in Unternehmen zwischen Mitarbeiter:innen gleicher Ebene (Kolleg:innen) entstehen, zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden oder zwischen ganzen Teams bzw. Abteilungen. Das Konfliktmanagement unterscheidet daher zwischen einer ganzen Reihe von Konfliktarten.

Bei Sachkonflikten handelt es sich um unterschiedliche Auffassungen in Sachfragen, etwa um die beste Methode, eine Aufgabe zu erledigen, oder welches Feature als Nächstes in ein Produkt eingebaut werden soll.

Beziehungskonflikte nennt man den Zustand, wenn das zwischenmenschliche Verhältnis gestört ist. Sie fußen meist auf negativen Erlebnissen oder Vorurteilen und sind oft nur Ausdruck anderer, unterbewusster Konflikte. Missverständnisse in der Kommunikation sind eine weitere Konfliktart, in der beteiligte Parteien schlicht falsche Schlüsse aus dem Gesagten ziehen.

Ressourcenkonflikte nennt man es, wenn Mitarbeiter:innen die Verteilung der Unternehmensressourcen persönlich als ungerecht empfinden.

Bei Zielkonflikten wiederum prallen verschiedene Abteilungen aufeinander – etwa wenn eine mit Kürzungen zu hadern hat, die andere jedoch auf die Arbeit ihrer Kolleg:innen angewiesen ist, um Firmenziele zu erreichen (z. B. Development vs. Vertrieb).

Wertekonflikte sind indes geprägt von persönlichen Moralvorstellungen, die zu Zwistigkeiten führen können, wenn Führungskräfte oder die Belegschaft entgegen persönlicher Einstellungen handeln.

Die Studie „Konfliktkultur in Österreichs Unternehmen“, die Jürgen Dostal und sein Team mit 300 Teilnehmer:innen (66 Prozent Führungskräfte) ausgearbeitet haben, zeigt eines der Grundprobleme in unternehmensspezifischen Konfliktfällen: Leader subsumieren im Wesentlichen unterschiedliche Interessenslagen (77 Prozent) bzw. Interaktionen, bei denen sich mindestens zwei Akteur:innen beeinträchtigt sehen, als Konflikt. Nur 48 Prozent der Befragten folgen der Auffassung, dass ein Konflikt auch dann vorliegt, wenn sich von mehreren Personen lediglich eine beeinträchtigt sieht. Damit würden rund die Hälfte der Manager:innen spezielle Vorfälle wie Mobbing oder das „Getroffensein von Bemerkungen“ nicht als Konflikt ansehen – mit möglichen weitreichenden Folgen.

Was innen passiert, bleibt innen

Hier geht es, in anderen Worten, um Beispiele, in denen sich Personen durch vereinzelte Aussagen von Kolleg:innen oder Führungskräften irritiert fühlen und ihre Irritation nicht artikulieren; oder, falls doch, die Situation nicht als „Konflikt aus dem Inneren“ wahrgenommen wird. Ungelöste und unterbewusste (unerkannte) Konflikte beeinträchtigen das Arbeitsklima, weiß Dostal. Sie senken die Zufriedenheit am Arbeitsplatz und auch die Produktivität, erhöhen die Fluktuation im Team, erzeugen Stress und gefährden die Gesundheit (Anstieg der Krankenstände); was schlussendlich zu einer schlechteren Qualität im Unternehmen führt und stark dem Firmenimage schadet.

Konflikte
(c) Proconsens.at – Jürgen Dostal von Proconsens.at

„Dort, wo Konflikte bestehen, ziehen sich Menschen zurück“, sagt er, „mit negativen Auswirkungen. Spannend ist ja, dass über 60 Prozent unserer Befragten sagen, dass sie nicht mit entsprechenden Skills ausgestattet sind, um Konflikte zu lösen.“ Dabei wären es laut dem Mediator ganz einfache Kommunikationsfähigkeiten, die es braucht, um Probleme anzugehen. „Es ist nicht kompliziert“, führt Dostal weiter aus. „Man muss sich Zeit nehmen und kommunizieren. Es geht nicht darum, den Konflikt ‚wegzureden‘, sondern um ein aktives Zuhören und ein Verstehen, worum es den beteiligten Personen geht. Das Problem hier ist, dass jahrzehntelang Führungskräfte bestellt wurden, nicht um zu führen; sie wurden aus einer traditionellen Rolle des Expertentums heraus rekrutiert, aber ohne in Führungsskills zu investieren. Viele Gründe für Konflikte liegen jedoch spezifischer vergraben und brauchen Skills, um erkannt zu werden.”

Für Diana-Maria White, Rechtsanwältin, Verteidigerin in Zivil- und Strafsachen und Wirtschaftsmediatorin, sind Konflikte im Job-Kontext etwas „strukturell Normales, wie sie bereits im Oktober 2023 im brutkasten-Talk erklärte. Man gehe mit fremden Menschen eine Bindung ein, die man privat gar nicht kenne. „Die Eskalation des Konflikts kommt dann durch subjektive Befindlichkeiten“, sagte sie damals. „Er geht manchmal aus Nichtigkeiten los und schaukelt sich auf. Wenn der Konflikt verfestigt ist, bekomme ich ihn teilweise nicht mehr gelöst.“

Eskalationsstufen beim Konflikt

Der Konfliktforscher Friedrich Glasl beschreibt in diesem Sinne die Eskalation eines Konflikts in neun Stufen, die sich in drei Hauptphasen gliedern. Die erste Phase ist geprägt von gelegentlichen Spannungen bis hin zu heißen Debatten, in denen sich Streitende gegenseitig unter Druck setzen. Hier können dem Forscher zufolge Konflikte noch konstruktiv gelöst werden.

Die zweite Phase öffnet das Persönliche – das Ziel ist nun, den Konflikt zu gewinnen; dabei werden Werkzeuge wie Drohungen, Sanktionen und Machtspiele eingesetzt. In so einem Fall wird eine Partei als „Verlierer“ aus dem Konflikt scheiden, was zu einem zerrütteten Arbeitsklima und gestörtem Arbeitsverhältnis führt – mit Auswirkungen auf die Produktivität.

In der dritten und heftigsten Phase wollen alle Beteiligten einander nur noch schaden – und sie riskieren damit sogar den eigenen Untergang und den des ganzen Unternehmens. In Zahlen können laut Dostal 72 bis 75 Prozent aller Konflikte gelöst werden.

„Eine Führungskraft kann allerdings nur bis zur Eskalationsstufe 4 helfen, darüber braucht es Mediatoren“, sagt er. „Bei Stufe 7 bis 9 braucht es Expertenteams, da geht es nur mehr ums Vernichten des anderen.“

Für Dostal ist eine Unternehmensmediation unparteiisch und ermöglicht die Entwicklung eines Spektrums von Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven mit den größtmöglichen Überschneidungen zwischen Streitenden.

„Wir sprechen unterschiedliche Sprachen, geben Worten unterschiedliche Bedeutungen mit, je nach Erfahrung, Werten, Alter, Hintergrund“, erklärt Dostal. „Am Arbeitsplatz, mit all dem Konkurrenzdenken, kann Emotion eine ganz riesige Rolle spielen. Mediatoren übersetzen, paraphrasieren und stellen die Umstände für die Parteien klarer dar. Es geht darum, ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erzeugen.“

Ein ungelöster Konfliktfall

Der Konfliktexperte erinnert sich an einen Fall, der nicht gelöst werden konnte, um präziser zu erläutern, was Unternehmer:innen heute fehlt. Die Causa damals befasste sich mit der Auflösung eines Dienstverhältnisses eines jungen Mitarbeiters, der mehr als 50 Prozent Fehlzeiten zu Buche stehen hatte. Das Spannende an dem jungen Mann war sein Selbstbild, das jedoch nicht mit der Außenwahrnehmung übereinstimmte.

„Die Person hat gedacht, sie könne Dinge viel besser als die anderen, müsse nichts Neues lernen und sei zum Führen bestimmt“, erinnert sich Dostal. „Sie konnte aber nicht nachweisen, dass sie diese Dinge tatsächlich beherrscht.“

Der Mediator sieht in dem jungen Mann von einst ein typisches „Goldlöffelkind“, dem man ständig unreflektiert positives Feedback gegeben hatte – und damit die „Self Perception“ fütterte, fehlerfrei zu sein.

„Niemand agiert fehlerfrei“, betont Dostal. „Doch der junge Mann konnte Kritik nicht annehmen. Es war spannend zu beobachten, denn die Wahrnehmung des jungen Mitarbeiters ist seine persönliche Realität; und das müssen Arbeitgeber realisieren und lernen, mit Menschen umzugehen.

Konkret geht es öfter auch darum, gewisse Dinge aus der Vergangenheit einer Person zu kompensieren. Dazu muss man eine neue Art des Führens lernen. Als ‚Arschloch-Chef’ – Sternekoch Tim Raue hat den Begriff geprägt – hat man heute keinen Erfolg mehr. Es braucht keinen mehr, der brüllt, sondern einen, der konstruktives Feedback liefern kann; auch bei Menschen, die Schwierigkeiten haben, mit Kritik umzugehen.“

„Konflikte benötigen Reife“

Alles andere könne zu einer veritablen Persönlichkeitskrise führen, in der sich vor allem junge Personen verletzt zurückziehen. „Um Konflikte zu lösen, benötigt es Reife“, so Dostal. Eine Reife, über die Lisa Smith vom Lieferketten-Startup Prewave verfügt, ruft man sich ihre Worte aus dem November 2023 in Erinnerung: Ein Jahr zuvor war sie mit ihrem Scaleup in ein größeres Office gezogen und musste mit ihrem FlexDesk-System über 100 Leute unter einen Hut bringen.

„Da sind ein paar Sachen aufgekommen und wir haben versucht, aufeinander zuzugehen“, erzählte sie damals über den Firmenumzug. Für die Gründerin war es in diesen Konfliktsituationen wichtig, das Gespräch zu suchen und als ersten Schritt herauszufinden, was überhaupt passiert ist, so ihr Zugang: „In größeren Firmen wird das aber immer schwieriger. Wichtig ist, das Gegenüber zu verstehen, damit man konstruktiv zusammenarbeiten kann; um den gemeinsamen Blick auf den Weg in die Zukunft zu richten und den Konflikt zu begraben.“

Prewave hat in der Vergangenheit bei Streitfällen konkret die HR-Abteilung involviert und die Parteien zu direkten Gesprächen geladen. „So direkt wie möglich und nicht über die Team-Leads“, betonte Smith. „Wir überlegen uns immer, was eine rasche, pragmatische Lösung sein kann.“

Kämpfe und Warnzeichen

Weniger pragmatisch war ein anderes Beispiel aus Dostals Erlebnisrepertoire: Ein Unternehmen hatte es für eine gute Idee gehalten, konkurrierende Ziele zwischen den Abteilungen auszurufen, und hat die einzelnen Abteilungen gegeneinander ausgespielt. „Man wollte sehen, ob sie in der Lage sind, mehr Energie aufzubringen“, erinnert sich der Mediator. „Sie haben sich jedoch hart bekämpft; letztendlich gab es nur Stillstand.“

Deswegen sei es gemäß eines modernen Leaderships nicht nur essenziell, sich Konfliktlösungsskills, wie oben beschrieben, anzueignen, sondern auch auf Warnzeichen zu achten – wie es Personio in seiner Ausführung vorschlägt.

Warnzeichen sind: Mitarbeiter:innen reden nicht mehr miteinander. Sie äußern sich negativ und herablassend übereinander. Mitarbeitende zeigen in ihrer Mimik und ihrer Körpersprache Ablehnung. Sie missachten bewusst Entscheidungen oder Arbeitsanweisungen – und reagieren aggressiv; beim kleinsten Anlass gibt es Streit.

„Wenn Konflikte am Arbeitsplatz frühzeitig erkannt und konstruktiv behandelt werden, wirken sie sich durchaus positiv auf ein Unternehmen aus“, rät Personio. „Konflikte zeigen, wo Veränderungsbedarf besteht, und erhöhen den Druck auf die Beteiligten, zu handeln. Sie zwingen, sich im Konfliktmanagement mit möglichen Lösungen auseinanderzusetzen. Dabei werden oft neue, kreative Ansätze gefunden.“

Positiv sei, so Dostal, dass sich Führungskräfte und Mitarbeitende im DACH-Raum entsprechende Skills zur Konfliktlösung wünschen. „Es gibt eine hohe Bereitschaft, besser mit Konflikten umzugehen“, sagt er. „Wenn die Effektivität im Umgang mit Konflikten nicht besteht, führt dies zu schwerwiegenden Problemen, die in Unternehmen für weitaus höhere Kosten sorgen können, als wenn man Grundlagen schafft und Führungskräfte mit Konfliktlösungsskills ausstattet – und zwar mit jenen, die auch mit unterschiedlichen Werten, Emotionen und Hintergründen umgehen können.“


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