24.08.2022

Mikrokredite: Diese Initiative erleichtert Arbeitslosen den Einstieg in die Selbstständigkeit

Das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft sowie die Erste Bank und Sparkassen teilten heute im Rahmen einer Pressekonferenz in Alpbach die Verlängerung und Aufstockung der Mikrokredite mit. Zudem sollen diese neulich auch für ukrainische Geflüchtete zugänglich sein.
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Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde heute die Verlängerung und Aufstockung der Mikrokredite bekanntgegeben. (c) Erste Bank

Im Rahmen einer Pressekonferenz im Forum Alpbach kündigten Bundesminister Martin Kocher und Erste Bank-CEO Gerda Holzinger-Burgstaller kürzlich die Verlängerung und Aufstockung der Initiative “Der Mikrokredit” bis 2025 an. Das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft sowie die Partner der Initiative, Erste Bank und Sparkassen, unterstützen mit dem Mikrokredit Arbeitssuchende auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit. Die schon im Jahr 2010 eingeführte Initiative hat bisher rund 1.000 Gründungen mit einem potentiellen Kreditvolumen von über 10 Mio. Euro ermöglicht. 

Seit dem ersten Mikrokredit macht das eine Gründung alle viereinhalb Tage. Der Mikrokredit wird mit einer Laufzeit von fünf Jahren verliehen. Zudem wird die Initiative neulich auch ukrainische Geflüchtete mit ihrem Wunsch der Selbstbestimmung unterstützen. Hierzu wurde eine Kreditlaufzeit von zwei Jahren festgelegt. In einem Interview mit brutkasten-CEO Dejan Jovicevic erklärt Burgstaller, wie der Mikrokredit funktioniert und zu welchen Erfolgsgeschichten dieser bisher geführt hat. 

Was ist der Mikrokredit und was bewirkt er?

Holzinger-Burgstaller: Der Mikrokredit ist ein Instrument für die „Hilfe zur Selbsthilfe“. Das ist uns ganz wichtig. Es geht darum, dass Menschen, die aufgrund ihrer aktuellen Situation keinen Kredit von einer Bank bekommen, dennoch eine Finanzierung erhalten. Somit möchten wir die Menschen aus der Arbeitslosigkeit und aus ihrer prekären Lage holen und sie auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben unterstützen. 

Der Mikrokredit ist ein Instrument, der für viele aber nicht für alle gedacht ist. Welche Zielgruppe spricht ihr damit an?

Das Programm steht allen Menschen offen. Wir sehen einen großen Zulauf von Personen, die über den Arbeitsmarktservice und über die Wirtschaftskammer kommen. Denn es gibt viele Arbeitslose, die schon einmal in der Selbstständigkeit waren. Manche kommen auch mit einem guten Businessplan oder mit einer guten Idee, die aber keine Erfahrung haben. Und diese Menschen möchten wir unterstützen. 

Wie hoch ist der Mikrokredit und besteht kein Risiko für Banken?

Das Programm läuft seit 2010, wir haben nun beschlossen, den Maximalbetrag von 12.500 Euro ab September 2022 auf 15.000 Euro aufzustocken, da wir gesehen haben, dass der Bedarf höher ist. Das Ganze wäre nicht möglich, wenn wir nicht die Garantie des Europäischen Investitionsfonds(EIF) hätten, der sich mit uns das Risiko teilt. Aus der Erfahrung der letzten Jahre wissen wir, dass vier von fünf gegründeten Unternehmen es schaffen. Das bedeutet leider auch, dass 20 Prozent der Unternehmer:innen es nicht schaffen und genau bei diesen 20 Prozent teilen wir uns das Risiko mit dem EIF.

Für die Erste Bank und Sparkassen ist der Mikrokredit vermutlich kein Milliardengeschäft, dennoch ein wichtiges Anliegen. Trotzdem werden Ressourcen in diese Initiative investiert. Was ist die übergeordnete Triebkraft zu diesem Thema? 

Als Erste Bank ist es uns natürlich sehr wichtig, Menschen bei ihrer finanziellen Entwicklung und Gesundheit zu unterstützen. Deshalb ist es uns ein großes Anliegen. Wir reden von rund 1.000 Gründer:innen, die wir bisher mit Mikrokrediten unterstützen konnten. Das ist kein riesiges Volumen, aber man darf die zusätzlichen Effekte wie die Umwegrentabilität nicht unterschätzen. Zudem ist es uns wichtig, dass diese Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen, eine Familie erhalten oder eine Mitarbeiter:in einstellen können. 

Abgesichert ist aber das Risiko der Bank und nicht die Rückzahlungen der Privatperson – muss diese jedenfalls zahlen? 

Genau so funktioniert das System. Aufgenommen wird der Mikrokredit als ein normaler Kredit, der mit einer Kreditprüfung eingeht. Wir brauchen in diesem Prozess auch einen Businessplan und eine Idee, die nachhaltig und belastbar ist. Es gibt natürlich auch Fälle, wo wir Geschäftsideen nicht finanzieren können, weil bestimmte Kriterien nicht erfüllt werden. Würden wir in diesen Angelegenheiten auch einen Kredit gewähren, wäre weder unserer Bank noch unseren Kund:innen etwas Gutes getan. Deshalb sind wir in der Auswahl auch entsprechend sorgsam. 

Wie sind die Konditionen? Wie funktioniert der Mikrokredit?

Es handelt sich um einen Fixzins-Kredit der auf fünf Jahre läuft. Die ersten sechs Monate können tilgungsfrei sein – wenn man das möchte. Wir haben uns dazu entschlossen, bei drei Prozent fix zu bleiben, obwohl die Europäische Zentralbank kürzlich eine Zinserhöhung ausgeführt hat. 

Gibt es einen Volumen-Deckel oder ein Gesamtvolumen für die Mikrokredite?

Wir sind offen und haben keinen Deckel. 

Ihr habt spannende Erfolgsgeschichten zu erzählen. Von Familienunternehmen bis hin zu trendigen Pop-Up-Stores. In welchen Branchen ist das Geld bisher eingeflossen?

Wir sehen ein sehr buntes Bild in sämtlichen Bereichen. Natürlich ist der Dienstleistungssektor sehr dominant, hier sind viele tätig geworden. Wir können zwei Beispiele nennen: Zum einen ein junger Herr, der eine große Leidenschaft für Burger hatte und mit seinem mobilen Burger-Truck „The Burgery“ durchstartete. Nun ist er in Wien unterwegs und es funktioniert seit Jahren gut für ihn. Das zeigt den Erfolg. Zum anderen hatte “Der Greißler” mitten im Trend die Idee, einen Laden mit regionalen, nachhaltigen und unverpackten Produkten zu öffnen, wo man mit eigenen Behältern einkaufen kann. An diesen Beispielen sehen wir, dass es gelingt und das ist sehr erfreulich. 

Viele Ökonomen sehen die Hilfe zur Selbsthilfe als ein ganz wichtiges Instrument. Man kennt das auch aus Entwicklungsländern. Wie siehst du das? Kann man das auch auf entwickelte Länder übertragen, um bei uns mit ähnlichen Instrumenten das Unternehmertum weiter anzutreiben?

Ich denke schon, dass sie die Zugangshürde zur Selbstständigkeit senkt. Die Erste Bank und Sparkassen haben speziell hierfür Ressourcen aufgebaut, um genau dieses Thema zu unterstützen. Wenn alles gut geht, werden diese Unternehmer:innen zu Kund:innen unserer Bank und fragen um Anschlussfinanzierungen an, da sie mit ihrem Unternehmen wachsen möchten. Das ist die Zielvorstellung der Erste Bank und Sparkassen. 

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Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
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„No Hype KI“ wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie „No Hype KI“ diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

„Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“

„Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. „Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören“, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als „Key Technology“ im KI-Bereich. Für „Women in AI“ spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: „Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.“ Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was „open“ sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: „Wir setzen genau so auf hybrid.“

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. „Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden“, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in „Compliance-Fallen“ führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: „Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.“ Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: „Man kann nicht immer gleich die neueste ‚bleeding edge‘-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.“

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. „Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich“, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. „KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht“, so Böttcher.

„Rechenleistungs-Hunger“ von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. „Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur“, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der „Rechenleistungs-Hunger“ sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: „Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.“ Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. „Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar“, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. „Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben“, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: „Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.“

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: „Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.“ Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. „Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann“, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. „Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist“, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? „Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen“, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: „Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.“ Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die „Pioniere“ im Unternehmen. „AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen“, so Ratheiser.

„Einfach einmal ausprobieren“

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: „Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.“ Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: „Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.“ Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.

„No Hype KI“ wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie „No Hype KI“ diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

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Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

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Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: „Wir setzen genau so auf hybrid.“

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

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Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: „Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.“ Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: „Man kann nicht immer gleich die neueste ‚bleeding edge‘-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.“

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Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

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