05.11.2017

Midnight Deal: Reise-Auktionshaus mit Gamification-Ansatz

Das Wiener Startup Midnight Deal verkauft Reisen. Und zwar zu Mitternacht mit "flexiblen Preisen". Rechtlich gilt es als Auktionshaus.
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(c) Midnight Deal: Das Founder-Team um Lukas Zirker (mitte)

Es ist 23:59 Uhr. Martin aus Wien Alsergrund sitzt am Schreibtisch vor seinem Laptop. Theresa aus Klosterneuburg ist kurz vor den Club gegangen, um in Ruhe auf ihr Smartphone sehen zu können. Und Maria aus Wien Donaustadt hat auf ihrem Sofa gemeinsam mit ihrem Freund Murat ihr Tablet zur Hand genommen. Alle haben das gleiche Ziel: Sie wollen ein Reise-Schnäppchen ergattern. Auf das Reiseziel und das Datum sind sie nicht selber gekommen. Denn der Urlaub, um den es geht, wird quasi versteigert. Es sind zwei Nächte für zwei Personen in einem edlen Wellness-Hotel in den Alpen in ein paar Wochen. Und es gibt nur einige wenige dieser “Deals”.

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Der richtige Moment

Genau um 0:00 Uhr geht es los. Bis jetzt sind 380 Euro als Preis angezeigt worden. Nun sinkt der Preis – Cent um Cent – Euro um Euro. Jetzt heißt es Nerven bewahren. Wer klickt zuerst auf den “Kaufen”-Button? Wie weit sind die anderen bereit, den Preis purzeln zu lassen, bevor sie zuschlagen? Wann sind alle Deals vergriffen? Und aus.

Zweieinhalb Minuten hat es gedauert. Martin und Maria und Murat sind leer ausgegangen. Theresa hat sich 13 Sekunden vor dem Ende noch einen Deal zu einem guten Preis gesichert. Der Zuschlag für die anderen Deals ging an irgendwelche anderen User da draußen.

Gamification: Preisdynamik als USP

Wenn es nach Midnight Deal-Co-Founder Lukas Zirker geht, sollen es schon bald Tausende sein, die auf seiner Plattform um Reise-Schnäppchen zittern. “Alles, was man kauft, hat einen fixierten Preis. Wir wollen mit unserem preisdynamischen Ansatz mehr Spaß am Kaufen schaffen”, sagt der Gründer. Das Stichwort ist Gamification. Diese wird zusätzlich über ein Bonuspunkte-System erreicht, durch das man weitere Vergünstigungen bekommt. Genau das Verspielte sei es auch, das Midnight Deal von anderen Reiseplattformen unterscheide. “Wir wissen natürlich, dass Travel ein hartes Segment mit viel Konkurrenz ist”, sagt Zirker. Mehrere internationale Travel-Startups hätten erst kürzlich achtstellige Investments bekommen. Doch er biete eben auch nicht das gleiche an wie diese Startups, booking.com und Co. Das drückt sich auch in der Rechtslage aus: Midnight Deal ist vor dem Gesetz ein Auktionshaus.

“Wenn einer es teurer kauft, bekommt es ein anderer billiger”

Potenzielle Leerstände ausnutzen

Außerdem biete man garantiert günstigere Preise als die Konkurrenz. Der Grund dafür liege im B2B-Modell des Wiener Startups. “Wir erfüllen den Wunsch der Hotels, jederzeit gut ausgelastet zu sein”, erklärt Zirker. Die Deals sind Termine, an denen die Hotels sonst Leerstände hätten. Daher bekommt Midnight Deal sie besonders günstig. “Dafür gelten unsere Deals als Termingeschäfte. Sie können nicht, wie eine normale Buchung, storniert werden”, erklärt Zirker.

Algorithmus passt Mindestpreis an

Zusätzlich arbeitet ein Algorithmus für die User. Denn der Preis sinkt zwar prinzipiell nur bis zu einem festgelegten Mindestniveau. Doch jedes Mal, wenn ein User bereits früher, über einer gewissen Preisgrenze zuschlägt, sinkt dieses Mindestniveau. Etwa, wenn der Deal bereits zum Startpreis gekauft wird. Das geht übrigens schon, sobald er online ist, also lange vor Mitternacht am Stichtag. “Wenn einer es teurer kauft, bekommt es ein anderer billiger”, erklärt Zirker. Die ersten Deals stehen bereits online und werden nun nach und nach angeboten. Im Moment liegt der Fokus noch auf österreichischen Wellness-Hotels und kurzen Städte-Trips. Man sei bereits mit mehreren weiteren Hotelketten in Gesprächen, sagt der Founder. Die Zielgruppe sind fürs Erste Millenials aus Wien und Umgebung.

Über das Travel-Segment hinaus

Doch beim derzeitigen Modell soll es nicht lange bleiben. Neben einer angestrebten Internationalisierung will das Startup auch sein System bald verändern und erweitern. “Der nächste Schritt ist etwa ein Bot, mit dem man schon vor Mitternacht seine persönliche Preisschwelle festlegen kann und dann in der Früh erfährt, ob man den Zuschlag erhalten hat”, erzählt Zirker. Auch eine generelle Änderung des Zeitpunkts der Auktionen sei angedacht. Langfristig wolle man auch nicht nur im Travel-Segment bleiben. “Tickets für Konzerte und Events sind zum Beispiel ein Riesenmarkt, für den unser System interessant ist”, verrät Zirker.

App ab Anfang 2018

Über die Beta-Plattform kann in der Nacht von 5. auf 6. November um 0:00 Uhr der erste Deal ergattert werden. Mit dem nun startenden Testlauf sollen auch sukzessive Verbesserungen der Beta-Version starten. Ab Anfang Dezember werde es weitere Features auf der Plattform geben, sagt Zirker. Anfang 2018 soll es dann eine App geben. “Wir sind aber schon mit der mobilen Browser-Version sehr zufrieden”, sagt der Gründer. Auch B2B-seitig wird sich einiges tun. Noch werden die Deals nämlich händisch eingespeist. Der Vorgang soll schon bald automatisiert werden. Finanziert wird das Startup im Moment übrigens privat vom Founder-Team und über eine ffg-Förderung.

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(c) Quan Nguyen, Unsplash

Die Fakten sind nichts gänzlich Neues. Und langweilen wollen wir unsere Leser:innen auch nicht. Man könnte also aufhören, darüber zu berichten. Oder eben genau das mit Nachdruck tun – und Lösungen aufzeigen, um doch Mini-Schritte in Richtung Besserung zu unterstützen.

Frauenquote sinkt, obwohl sie eigentlich steigt

Die Frauenquote in der österreichischen Startup-Szene sank im Vorjahr wieder. Im Jahr 2018 lag der Frauenanteil heimischer Gründer:innen bei 12 Prozent. Drei weitere Jahre stagnierte die Quote bei 17 Prozent (2019 bis 2021). 2022 waren 19 Prozent der heimischen Gründer:innen Frauen. 2023 ging es wieder bergab.

Das sagt die neueste Erhebung einer in Österreich und darüber hinaus angesehenen Quelle: Der Austrian Startup Monitor, herausgegeben vom AIT Austrian Institute of Technology in Zusammenarbeit mit AustrianStartups und dem Gründungszentrum der WU Wien.

Im jüngsten Report steht nun auf Seite acht in weißer Schrift: “Der Anteil von Frauen an allen Gründer:innen liegt bei 17 Prozent und ist im Vergleich zum Vorjahr gesunken.”

Auch der Anteil an Startups, bei denen zumindest eine Frau im Gründungsteam saß, lag im Jahr 2022 auf 39 Prozent. Ein Jahr später rutschten Gründungsteams mit mindestens einer Frau auf 33 Prozent zurück. Neuere Zahlen sind noch in Auswertung.

Noch nie so viele

Gesamtwirtschaftlich steigt die Frauenquote im Unternehmertum aber. Laut der Mitglieder- und Gründungsstatistik der WKÖ von Dezember 2023 wurde “mehr als jedes dritte Unternehmen in Österreich von einer Frau geleitet”. Der Frauenanteil an heimischen Unternehmer:innen liegt damit bei 39,3 Prozent.

Nach diesen Zahlen wurden “noch nie so viele Einzelunternehmen von Frauen gegründet” – nämlich knapp die Hälfte (44,5 Prozent) aller im Jahr 2023 gegründeten. Das passierte vor allem in den Bereichen Fußpflege, Kosmetik und Massage sowie Direktvertrieb und Mode. Wohlgemerkt handelt es sich dabei nicht um die Gründung und Führung von Startups – und damit auch nicht primär um den unternehmerischen Fokus auf Wachstum und Skalierung.

Der Wunsch nach Vereinbarkeit

“Tatsächlich sieht man in den Zahlen der WKO, dass die Unternehmen, die in Österreich von Frauen gegründet werden, hauptsächlich Ein-Personen-Unternehmen und Kleinstunternehmen sind.” Das sagt uns Hannah Wundsam, Co-Managing Director von AustrianStartups, im Interview. “Ein Großteil der Frauen gibt hier an, die Selbstständigkeit gewählt zu haben, um den Beruf besser mit der Familie vereinbaren zu können”, so Wundsam weiter.

Hannah Wundsam, Co-Managing Director von AustrianStartups
(c) AustrianStartups

Tatsächlich zeigt eine Motivumfrage der WKÖ aus 2023, dass die Selbstständigkeit für Frauen – konkret für 76,54 Prozent der Befragten – besonders aufgrund der flexiblen Zeit- und Lebensgestaltung sowie aufgrund ihres Wunsches nach Eigenverantwortung attraktiv ist. Dies gestaltet sich im Startup-Kosmos allerdings schwierig.

Startups und Stereotypen

Das begründet Hannah Wundsam einerseits durch gelebte Stereotypen in Berufsrollen: “Es ist eine gesamtgesellschaftliche Problematik, dass die Care-Arbeit vermehrt bei der Frau liegt. Zusätzlich ist vor allem im ländlichen Raum Kinderbetreuung, vor allem für Kleinkinder, viel zu wenig verfügbar.”

Das Problem hinter der sinkenden Frauen-Startup-Quote liegt jedoch nicht nur bei der Care-Arbeit: “Startups brauchen Kapital, um zu wachsen”, so Wundsam, “und wir sehen, dass immer noch ein negativer Bias gegenüber Frauen in Gründungsteams besteht. Laut dem State of European Tech Report von Atomico werden von jedem Euro, der in Europa von VCs in Startups investiert wird, 90 Cent in rein männliche, neun Cent in gemischte und ein Cent in rein weibliche Teams investiert.”

Hannah Wundsam spricht hier vom Gender Funding Gap der Startup-Szene. Auch der jüngste Funding Index der Wirtschaftsberatung EY zeigt: “Jede:r zehnte bei einer Finanzierungsrunde beteiligte Gründer:in ist weiblich”. Konkret erhielten 151 Männer und 18 Frauen im ersten Halbjahr 2024 frisches Kapital für ihr Startup.

Vier Frauenteams gegen 71 Männerteams

Laut brutkasten-Berichterstattung haben über das vergangene Jahr 2024 nur vier reine Frauenteams ein Investment erhalten. Dagegen floss Kapital in 26 gemischte Gründerteams und 71 Mal gab es eine Finanzspritze für reine Männerteams. Zu beachten ist hierbei, dass der Anteil an rein von Frauen gegründeten Startups bei 17 Prozent liegt. Gender Gaps kann man so gesehen weder aus der Founding- noch aus der Funding-Perspektive bestreiten.

Bias, Geld und Bildung

Ein Bias lässt sich Wundsam zufolge nicht nur in puncto Care-Arbeit und Finanzierung vernehmen. Sie sieht ein drittes und großes Problem der Gender-Imbalance in der geringen Förderung von MINT-Fächern und unternehmerischen Fähigkeiten von Mädchen in der Schulbildung.

“Wenn man Mädchen die Chance gibt, brillieren sie. Bei der Youth Entrepreneurship Week sehen wir, dass viele Mädchen innovative Ideen haben, diese großartig pitchen können und das Potenzial haben, impactvolle Führungspersönlichkeiten und Gründerinnen zu werden”, meint Wundsam.

“Over-mentored & under-funded”

Nur Fakten zu nennen, die zeigen, dass Vieles falsch läuft, bringt bekanntlich wenig. Es braucht konkrete Lösungen. Und Vorschläge, die Gleichberechtigung fördern und damit am besten auch Wirtschaft und Gesellschaft gut tun.

Hannah Wundsam hat davon ganz konkrete, nämlich den Ausbau der Kinderbetreuung österreichweit. Und überdies ein stärkeres Anreizsystem, um Karenz-Zeiten zwischen Männern und Frauen gleichmäßig aufzuteilen. Und: “Deutlich mehr Initiativen zur Förderung von Mädchen in Schulen - mit weiblichen Role Models aus der Startup-Szene.”

Außerdem zitiert sie Lisa Fassl, Gründerin von Female Founders: ”Lisa hat mal zu mir gesagt: 'Women are over-mentored and under-funded'. Um Investments in Frauen-geführte Teams zu stärken, sollte man Investor:innen in Bezug auf ihren Bias weiterbilden, weibliche VCs fördern und Investments in Frauen-geführte Unternehmen honorieren.”

Doch damit Frauenförderung im Startup- und VC-Sektor funktioniert, braucht es einen verbesserten Kapitalzugang, darunter “spezielle Venture-Capital-Fonds wie Fund F oder staatliche Matching-Funds für Investor:innen”, so Wundsam. Außerdem schlägt sie steuerliche Anreize für Investor:innen vor, die in “Female Startups” investieren.

Fördern, finanzieren und feiern

Kontextualisieren sollte man das Frauen-Startup-Thema auch. Angesichts der anhaltenden Rezession braucht es gerade jetzt ”skalierende Unternehmen, um in Österreich und Europa weiterhin wirtschaftlich kompetitiv zu sein und unseren Wohlstand zu erhalten”, so Wundsam.

“Aus sozialer und ökologischer Sicht braucht es die klügsten Köpfe, die mit neuen Ideen die Herausforderungen unserer Zeit angehen - von der Klimakrise über das veraltete Pensionssystem bis hin zu Gesundheitsrisiken”, sagt Wundsam weiter.

Dass es sich gerade angesichts einer derartigen Komplexität als logisch erweisen würde, Diversität in Unternehmen und damit eine Vielfalt an Wissen und Lösungskompetenzen zu fördern, sieht auch Hannah Wundsam als notwendigen Weg:

“Diverse Teams gestalten nachweislich nachhaltigere, profitablere und erfolgreiche Unternehmen. Daher sollte es im Sinne jedes Unternehmens und der Gesellschaft allgemein sein, Gründerinnen zu fördern, ihre Ideen zu finanzieren und ihre Erfolge zu feiern.”

Neujahrswunsch

Schließlich formuliert Wundsam ihren Neujahrswunsch mit den Worten: “Let us put our money where our mouth is. Wir sprechen schon so lange darüber, dass es gesellschaftlich wichtig und finanziell sinnvoll ist, Gründerinnen zu fördern. Trotzdem passiert, abgesehen von den großartigen Initiativen von Female Founders, noch relativ wenig.”

Um das zu ändern, bräuchte es als ersten Schritt “mehr weibliche Investorinnen in VCs“. Um das Problem allerdings an der Wurzel zu packen, wünscht sich Wundsam, “Mädchen schon in der Schule zu ermutigen, ihren Stärken nachzugehen und ihre Ideen umzusetzen. So, wie es die Youth Entrepreneurship Week macht.”

Lange Rede, langer Sinn

Einige Zeilen und Forderungen später wissen wir: Unser Gender Gap ist nicht ein-, sondern vielschichtig. Genauso wie dessen Lösungsansätze. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Frauen gleichberechtigt in das Wirtschafts- und Sozialsystem integriert werden und dieses mit ihrer Leistung stärken können.

Dass sich eine Umstrukturierung und Re-Definition bisheriger Strukturen und Glaubenssätze nicht nur positiv auf unser Bildungs- und Sozialsystem, sondern auch positiv auf Wirtschaft und Umwelt auswirken könnte, sollte mittlerweile Grund genug sein, um den Ball der Gleichberechtigung ins Rollen zu bringen.

Sollte dieser im Rollen auch noch die gläserne Decke durchbrechen und sie zu einem Phänomen werden lassen, dass sich lediglich in Geschichtsbüchern lesen lässt, können wir uns im nächsten Jahresrückblick auf andere Zahlen und eine etwas bessere wirtschaftliche Großwetterlage freuen. Doch das bleibt eine Geschichte für 2025.

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