22.02.2016

Michael Wieser: Vom Juristen zum High Tech–VC

Michael Wieser, selbst ehemaliger Gründer zweier Startups, ist Senior Investment Manager beim High-Tech Gründerfonds. Im Interview mit dem Brutkasten spricht er unter anderem darüber, warum er damals als angehender Jurist ein Startup gründete, was einen guten Venture Capitalist ausmacht, wie er die österreichische Startup-Szene sieht und was ein Startup für den High-Tech Gründerfonds interessant macht.
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Der High-Tech Gründerfonds in Deutschland (kurz: HTGF) investiert seit 2005 in junge, innovative Tech-Startups, die noch in einer sehr frühen Entwicklungsphase stecken. Das Fonds-Kapital stammt aus einer öffentlich-privaten Partnerschaft mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, der KfW-Bankengruppe, sowie 18 Wirtschaftsunternehmen. Seit der Gründung hat das Unternehmen in über 400 High-Tech Startups investiert.

Was unterscheidet den HTGF von anderen VCs?

In erster Linie, dass wir Technologie-Risiken übernehmen. Das heißt, wir machen risikoreiche Investments in einer sehr frühen Phase. In zweiter Linie bemühen wir uns, Mehrwert zu stiften: Junge Tech-Unternehmen brauchen sehr viel Support an allen Ecken und Enden. Durch unsere bisherigen Investments, die wir gemacht haben, können wir einen großen Erfahrungsschatz weitergeben.

“Ein Pitch ist letztendlich eine große Verkaufsshow, wo auch oft geflunkert wird”, Michael Wieser vom High-Tech Gründerfonds.

Wann entscheidet sich der HTGF dazu, in ein Jung-Unternehmen zu investieren? Was sind die Kriterien?

Es zählt der Gesamteindruck, kein einzelner Punkt ist ausschlaggebend. Was dennoch sehr wichtig ist, ist das Team. Dabei ist es egal, ob das Team ganz jung ist oder sehr erfahren. Wichtig ist auch, dass die Vision des Startups glaubhaft und mitreißend ist. Ein Pitch ist letztendlich eine große Verkaufsshow, wo auch oft geflunkert wird. Am Ende des Tages müssen wir feststellen, wie glaubhaft das Ganze ist. Davon abgesehen, ist es natürlich auch bedeutend, wie spannend die Technologie ist, wie viel Phantasie darin steckt und ob die Idee auch eine Lücke füllt, die wir auf dem Markt sehen.

Wer entscheidet, ob in ein Startup investiert wird?

Das Investment-Team besteht aktuell aus 27 Personen. Juniors wie Seniors. Wir schauen uns im Team alle Deals gemeinsam an. Das heißt, wir evaluieren die Startups nicht nur im Team, sondern entscheiden auch im Team.

Du bist Jurist, der schon während seines Studiums ein erfolgreiches Startup gegründet hat und zu einem mittelständischen Unternehmen aufgebaut hat – eine eher ungewöhnliche Karriere. Wie kam es dazu?

Ich fand Jus damals eigentlich spannend und finde es auch heute noch, aber es hat mir nicht sonderlich viel Freude bereitet, damals mit 500, 600 Studenten in einem überfüllten Vorlesungssaal zu sitzen und nur selten direkten Input von einem Professor zu bekommen. Und aus Frustration und Langeweile heraus, habe ich damals mit einem Freund einen IT-Provider gegründet, ohne irgendein Wissen über die IT-Branche zu haben (lacht). Völlig blauäugig und naiv. Man bringt sich dann alles Schritt für Schritt bei und macht abertausende von Fehlern. Aber auch tausend Sachen offenbar richtig. Irgendwann führt eines zum anderen. Ich wollte meine Zeit sinnvoller füllen, habe aber Jus letztendlich doch fertig gemacht (lacht).

Wie bist du zum HTGF gekommen?

Ich habe zweimal in meinem Leben selbst gegründet. Beide Unternehmen gibt es auch heute noch. Allerdings bin ich irgendwann an den Punkt gekommen, an dem ich meine Learnings weitergeben wollte. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ich Nachwuchs bekommen habe. Als Gründer war ich immer sehr leidenschaftlich und habe Tag und Nacht nur gearbeitet. Nachwuchs und Startups vertragen sich aber aus meiner Sicht nicht besonders gut, weil man als Gründer sowohl für sein Kind, als auch für die eigenen Mitarbeiter verantwortlich ist. Man sollte sich Zeit für die Familie nehmen, Zeit, die einem dann vielleicht im eigenen Unternehmen abgeht. Nun, da ich die Seiten gewechselt habe, kann ich anderen Gründern meine Erfahrungen weitergeben – und für meine Familie da sein.

Was war bisher dein größter beruflicher Erfolg?

Das ist schwer zu sagen (lacht). Ich bin sehr stolz darauf, mit dem HTGF tolle Investments gemacht zu haben im letzten Jahr. Und zwar deswegen, weil zwei, drei Investments nicht ganz einfach zu akquirieren waren. Sie haben meinen vollsten Einsatz benötigt, auf sachlicher, aber auch auf persönlicher Ebene. Letztendlich haben die Startups mir bzw. dem HTGF ihr Vertrauen geschenkt.

Wenn man investiert, ist es zu wenig, sich zurück zu lehnen und zu sagen: “Super! Jetzt lass ich die Gründer mal machen” – Michael Wieser vom HTGF.

Was macht deiner Meinung nach einen guten VC aus?

Wert stiften. Gute VCs erkennt man daran, dass sie auch schon vor dem Investment versuchen, Wert zu stiften. Wir selbst bemühen uns auch, den Teams, denen wir absagen, Feedback mitzugeben. Wenn man investiert, ist es zu wenig, sich zurück zu lehnen und zu sagen: “Super! Jetzt lass ich die Gründer mal machen”. Gründer wollen den Austausch mit anderen Menschen haben, suchen die Challenge, suchen ab und zu ganz ausdrücklich auch Kritik. Das sollte ein guter VC auch immer berücksichtigen.

Was war bisher der erfolgreichste Exit des HTGF?

Der größte Exit, den wir bis jetzt gehabt haben, war Corimmun aus dem Life Science-Bereich. Aber um einen ganz interessanten Exit aus dem letzten Jahr zu erwähnen: Sunhill hat eine Software für bargeldloses Bezahlen von Parktickets und anderen Arten von Tickets entwickelt. Das Unternehmen haben wir sehr profitabel und gewinnbringend an Volkswagen verkauft. Der Exit war nicht nur für uns schön, sondern auch für die Gründer und alle Investoren, die daran beteiligt waren.

Was ist besonders wichtig im Exit-Prozess eines Startups?

Wichtig ist, wie wohl sich die Gründer dabei fühlen und auch, wie die Übergabe stattfindet. Bleiben die Gründer weiterhin beteiligt? Bleiben sie als Arbeitnehmer im neuen Konzern? Wie viel Freiraum wird den Gründern gelassen? Diese Fragen müssen im Exit-Prozess berücksichtigt werden.

Investiert der HTGF in österreichische Startups?

Ein Investment in Österreich haben wir aktuell keines. Wir haben aber einige österreichische Gründer im Portfolio und wir schauen uns auch immer Startups aus Österreich an. Wir haben auch schon ganz tolle Teams kennen gelernt. Aber bis wir das erste Investment in Österreich machen, werden vielleicht noch ein paar Monate vergehen. Es ist also nur eine Frage der Zeit.

Es wird oft gesagt, dass es in der österreichischen Startup-Szene an Geld mangelt – das glaube ich nicht. Es mangelt an Kompetenz, auch in Deutschland und ganz Europa.

Wie siehst du die Startup-Szene in Österreich?

Es hat sich unheimlich viel getan in den letzten Jahren. Wichtig finde ich, dass es nicht nur darum geht, was kreiert wird, sondern, dass Kompetenz aufgebaut wird. Die ganze Investmentszene soll sich nicht nur quantitativ vergrößern, sondern auch qualitativ besser werden. Es wird oft gesagt, dass es in der österreichischen Startup-Szene an Geld mangelt – das glaube ich nicht. Es mangelt an Kompetenz, auch in Deutschland und ganz Europa. Je professioneller, besser ausgebildet und erfahrener Business Angels und Investoren sind, desto mehr haben letztlich alle davon.

Welche universitäre Forschungsprojekte sind für den HTGF interessant?

Der HTGF selbst begleitet bereits in einer sehr frühen Phase Universitäts- und (technologische) Forschungsprojekte mit Marktpotenzial, die in einer Gründung münden. Eine finanzielle Förderung seitens des Fonds findet zu diesem Zeitpunkt aber nicht statt.

Welche Probleme ergeben sich daraus, dass universitäre Forschungsprojekte zum Teil aus Steuergeldern finanziert werden?

Es stellt sich hier immer auch die Frage, was der Steuerzahler davon letztendlich hat. Einerseits ist es toll, dass dabei Ideen kommerzialisiert werden, was auch wichtig für die Volkswirtschaft sein kann. Andererseits kann es aber auch nicht sein, dass sich oft ein paar wenige Gründer an einigen Millionen bereichern, die in ein Forschungsprojekt hineingesteckt werden.

Tipp an Startups von Michael Wieser: Es ist wichtig, eine realistische Einschätzung zu haben, wo man als Startup steht und wie man dort hinkommen kann, wo man hin möchte.

Wie lässt sich dieses Problem eingrenzen?

Der gute Weg liegt darin, für die Universität vorher einen gewissen Rahmen zu definieren. Manche Unis haben Leitfäden, die auch für Gründungen funktionieren müssen. Manche Professoren neigen dazu, sehr gerne viele Anteile nehmen zu wollen ohne, dass sie wertstiftend für das Unternehmen tätig werden. Auch da sollte es eine Leitlinie seitens der Uni geben. Wenn Professoren selbst aktiv Geld in die Hand nehmen und sich regelmäßig in das Unternehmen einbringen, z.B. als Beirat, dann ist das in Ordnung und auch gewünscht. Es ist wichtig für eine Volkswirtschaft, dass diese Projekte an der Uni auch sauber geregelt sind. Denn das ermöglicht letztlich den Transfer von Forschung und Entwicklung in marktwirtschaftlich erfolgreiche Produkte.

Welche Tipps würdest du Gründern geben, die vor einem Investment stehen?

Im Investoren-Findungs-Prozess sollten Gründer die wichtigsten Annahmen im eigenen Business verstehen und gemeinsam mit vielen Leuten kritisch hinterfragen. Es ist wichtig, eine realistische Einschätzung zu haben, wo man als Startup steht und wie man dort hinkommen kann, wo man hin möchte. Das ist oft auch ein bisschen diffus und man hat eine wage Vorstellung davon, wie der zukünftige Plan für das Unternehmen aussieht. Man sollte aber auch immer hinterfragen, ob der Plan, den man sich vorstellt, funktionieren kann oder, ob es vollkommener Blödsinn ist.

Danke für das Gespräch!

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Peter Gönitzer und Lorena Skiljan | (c) Nobile

Erst Mitte Mai gab das Wiener Energy-Startup Nobile die internationale Expansion nach Deutschland, Italien und die Schweiz bekannt. Mit der Energieplattform Nobile:Connected können sich Erzeuger in sogenannten Energiegemeinschaften (Energy-Hubs) zusammenschließen. Sie sollen künftig die Basis für die Dezentralisierung der Stromnetze bieten. Die Plattform des Wiener Startups ermöglicht dabei die direkte Versorgung von Verbrauchern mit erneuerbarer Energie auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene. Zudem können auch sogenannte micro Power Purchase Agreements (PPAs) mit Hilfe der Technologie abgewickelt werden (brutkasten berichtete).

Die Runde der Investoren

Nun erhält die internationale Expansion des Wiener Startups zusätzlich Rückwind. Wie das Unternehmen am Dienstag bekannt gab, konnte Nobile eine Finanzierungsrunde in Höhe von fünf Millionen Euro abschließen. Die letzte größere Finanzierungsrunde in Millionenhöhe kommunizierte das Unternehmen übrigens Anfang August 2023 (brutkasten berichtete).

Die Runde wird von 6 Degrees Capital angeführt. Konkret handelt es sich dabei um einen Frühphasen-VC-Fonds mit Sitz in London und Antwerpen, der in Startups von der Seed bis zur Series-B-Phase investiert. Laut eigenen Angaben fokussiert sich 6 Degrees Capital auf die Bereiche FinTech und SaaS. Zum Portfolio zählt beispielsweise auch das Linzer Startup Blockbit. Neben 6 Degrees Capital beteiligt sich auch D2 Fund, Doral Energy Tech und Helen Ventures an der jüngsten Finanzierungsrunde für Nobile.

“Wir werden tiefer in neue Märkte Märkte wie Deutschland, Italien, die Schweiz, Belgien und Niederlanden vorstoßen und unser Team von Energiespezialisten sowie von Produkt- und Ingenieurstalenten ausbauen“, so Lorena Skiljan, CEO und Mitbegründerin von Nobile, gegenüber brutkasten. Zudem soll die Plattform weiterentwickelt werden. Als ein Feature nennt Skiljan die Asset-Steuerung.

Die Wachstumspläne von Nobile

Derzeit werden über die Plattform des Unternehmens über 130 sogenannter Energy-Hubs betrieben, die laut Nobile eine Energieleistung von rund 17,5 GWH an erneuerbarer Energie produzieren. Für 2025 plant das Unternehmen zusätzlich 200 neue Energie-Hubs über die Plattform nobile:connected zu betreiben. Das Unternehmen kooperiert hierfür in erster Linie mit Industrieunternehmen, Gemeinden sowie Tourismusregionen.

Das Team des Startups | (c) Nobile

Für die Expansion baut das Startup derzeit neue Sales-Teams auf. In Deutschland und Italien sollen diese Teams direkt vor Ort über eigene Standorte agieren. Zudem möchte Nobile in den nächsten Monaten bis zu 15 Mitarbeiter:innen neu anstellen.

Die Basis für die Ausrollung in die neuen Märkte bildet die bereits erwähnte Energy-Sharing- und Serviceplattform nobile:connected. Künftig soll die Plattform in Deutschland auch über eine Whitelabel-Lösung an Stadtwerke vertrieben werden. In der Schweiz werden Energiegemeinschaften hingegen nach österreichischem Vorbild serviciert.

“Wir transformieren den Energiemarkt mit einem dezentralen, von unten nach oben gerichteten Modell, das traditionelle Versorger ergänzt und direkt lokale Gemeinschaften bedient“, so Peter Gönitzer, CEO und Mitgründer von Nobile.


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