29.06.2023

Metta Space: “Frauen kündigen eher ihren Job, als dass sie sexuelle Belästigung melden”

Das Tech-Startup Metta Space bietet Unternehmen eine Hilfestellung bei Vorfällen von sexueller Belästigung oder anderem Fehlverhalten am Arbeitsplatz. Co-Founderin Manley erklärt, wie sie auf die Gründungsidee kam und wieso externe Reporting-Tools besser funktionieren als interne Feedbackbögen.
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Metta Space möchte mit ihrer Technologie eine bessere Arbeitswelt schaffen. Das Team (v.l.): Eleanor Manley (Co-Founder) , Helena Oettingen (Co-Founder) und Nora Marji (CTO) © Metta Space
Metta Space möchte mit ihrer Technologie eine bessere Arbeitswelt schaffen. Das Team (v.l.): Eleanor Manley (Co-Founder) , Helena Oettingen (Co-Founder) und Nora Marji (CTO) © Metta Space

“Helping Prevent Misconduct”, steht in der LinkedIn-Bio der Gründerin Eleanor Manley geschrieben. Das hat sie sich nicht nur zum Motto, sondern auch zum Geschäftsmodell gemacht. Gemeinsam mit der Cybersecurity Expertin Helena Oettingen gründete Manley 2021 das Tech-Startup Metta Space. Das junge Unternehmen hat eine Technologie entwickelt, mit der Arbeitnehmer:innen Fälle von “Misconduct” (deutsch: Fehlverhalten) anonym bei ihrem Arbeitgeber melden können. Zudem unterstützt die Software die Unternehmen dabei, derartige Fälle aufzuarbeiten. Das Ziel ist klar: Mithilfe neuer Technologien eine bessere Arbeitswelt zu schaffen (wie es Oettingen wiederum in ihrer Bio formuliert). 

Metta Space ist international ausgerichtet – sowohl in der internen Aufstellung, als auch in der Zusammenarbeit mit Kund:innen. Ihre Technologie bietet Metta Space global an, erst im November 2022 ist das Startup im Zuge einer Finanzierungsrunde in die USA gezogen und fokussiert sich seither stark auf die Expansion in den Vereinigten Staaten.

Metta Space bleibt allerdings eine Remote-First-Company. Eleanor Manley teilt ihre Zeit beispielsweise zwischen Ibiza, Madrid und Los Angeles auf. Das Interview mit Manley findet virtuell statt. Der eine Bildschirm steht im brutkasten-Büro in Wien, der andere in einem Coworking Space auf Ibiza. Dort hat sich Manley in ihrem vollgepackten Terminkalender Zeit genommen, um über Metta Space zu sprechen. Sie erzählt von eigenen quantitativen Umfragen zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, von internen Reporting-Tools in Unternehmen und sie erklärt, wieso es eine absolute “Red Flag” ist, wenn eine Firma null Reportings von ihren Angestellten erhält.


Wer ist Metta Space und wie seid ihr auf die Idee zur Gründung gekommen?

Wir helfen Unternehmen beim Reporten und bei der Aufarbeitung von Fehlverhalten am Arbeitsplatz. Meine Co-Founderin Helena und ich sind beide in der Tech-Branche tätig. Metta Space haben wir gegründet, nachdem wir Zeuginnen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz wurden. 

Etwa die Hälfte der Frauen, die wir aus unserem Umfeld kannten, haben sexuelle Belästigung im Job erlebt. Mit der Zeit haben Helena und ich dabei Muster identifiziert, die immer wieder auftraten. Wir haben beide verschiedene Tech-Hintergründe: Während Helena Cybersecurity studiert hat, liegt meine Expertise im Machine Learning. Wir haben über acht Monate hinweg Daten zum Thema “Misconduct” erhoben, für weitere Recherchen drei Monate lang das Internet durchforstet und sind letztendlich zu dem Ergebnis gekommen, dass das Thema in so gut wie jedem Unternehmen vorkommt. 

Wie genau sah diese Datenerhebung aus?

Nach den qualitativen Befragungen in unserem Umfeld haben wir beschlossen, eine Umfrage zu machen. Dafür haben wir etwa 1.200 Personen aus verschiedenen Unternehmen und Universitäten über ein Google-Survey befragt, um noch mehr Daten zu sammeln.

Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört, dass 98 Prozent der Betroffenen ihre Erfahrung nicht beim Arbeitgeber gemeldet haben. Gründe dafür waren, dass sie entweder nicht wussten, wie sie es in ihrem Unternehmen reporten können, sie dem Reporting-System nicht vertrauten, sie Angst vor negativen Konsequenzen hatten oder, dass sie es schlichtweg für sinnlos hielten, da ihrer Meinung nach sowieso nichts passieren würde.

Wir haben dann festgestellt, dass Frauen viel eher kündigen als ein Fehlverhalten beim Arbeitgeber zu melden. Einfach weil sie keinen Sinn darin sehen. Im Grunde genommen haben wir es also mit einer massiven Abwanderung von Talenten zu tun, die einfach kein Fehlverhalten melden. Ein essentieller Punkt ist das fehlende Vertrauen in die vorhandenen Meldesysteme und das dahinter stehende Verfahren. Das wäre vermeidbar und leicht zu beheben.

Was genau versteht ihr unter “Misconduct”? Welche Aspekte gehören dazu?

Bei “Misconduct” bzw. “Fehlverhalten” unterscheidet man zwischen zwischenmenschlichen und finanziellem Fehlverhalten. Einerseits gehört dazu alles, was mit sexueller Belästigung, Diskriminierung und Mobbing zu tun hat. Andererseits gehören dazu auch Dinge wie Betrug oder Bestechung. 

Sexuelle Belästigung ist die häufigste Form von Misconduct. Als Datenanalystin (Data Analyst) bin ich aber vorsichtig mit den uns vorliegenden Daten. Es ist zu beachten, dass es hier mehrere Variablen gibt, die in Betracht gezogen werden müssen. Man muss also auch das Meldeverhalten gegenüber dem Nicht-Melden beachten. Sexuelle Belästigung ist die Form von Misconduct, die am häufigsten in Unternehmen gemeldet wird.

Gibt es Bereiche, die mehr oder weniger unterschätzt werden?

Viele Firmen gehen davon aus, dass Misconduct nur in größeren Unternehmen vorkommt. Das ist aber nicht der Fall. Auch kleine Unternehmen, wie beispielsweise Startups, können davon betroffen sein. Aufgrund der flachen Hierarchien in Startups, ist die Struktur sehr stark auf den bzw. die Founder und das (finanzielle) Überleben der Firma fokussiert. Dadurch werden viele People-Themen vergessen oder unter den Teppich gekehrt. 

Gibt es besondere Herausforderungen in eurer Arbeit?

Ich halte es für sehr wichtig, dass die Möglichkeit für anonymes Feedback geboten wird. Auf der anderen Seite muss ermöglicht werden, dass der Arbeitgeber auch auf das anonyme Feedback reagieren kann. Das ist etwas, das für Unternehmen ohne ein integriertes System nur schwer möglich ist. Wir bieten genau das an.

Wie funktioniert eure Software?

Wenn ein Unternehmen Metta Space nutzt, geben wir den Mitarbeiter:innen Zugriff auf unsere Reporting-App, die dann auf ihren mobilen Endgeräten verfügbar ist. Damit können sie Reportings zu jeglichem Fehlverhalten abgeben – wann sie wollen, wo sie wollen und wie sie wollen. Wenn sie möchten, können sie den Meldeprozess anonym durchlaufen. Wenn sie das nicht möchten, können sie das Reporting vertraulich umsetzen, wobei ihre Identität weiterhin geschützt bleibt – denn unsere Daten sind alle verschlüsselt. 

Abschließend können sie den Bericht entweder als Entwurf auf ihrem mobilen Endgerät speichern und später einreichen, oder sie können ihn sofort an ihr Unternehmen senden. Der Arbeitgeber erhält dann die Informationen, die im Bericht zur Verfügung gestellt wurden – auch wenn sie anonym sind.

Je nach Art, Ort und Zeitpunkt der Übermittlung und je nachdem, ob die Person anonym ist oder nicht, werden dem Unternehmen Schritte zur Aufarbeitung des Falles vorgeschlagen. Das bedeutet, dass wir bestimmte Dinge – wie bspw. ein Nachrichtensystem – integriert haben, das es den Unternehmen ermöglicht, mit jemandem für weitere Informationen zu kommunizieren, auch wenn die Person anonym bleibt.

Was unterscheidet euer externes B2B-Angebot von einem internen Reporting-System, das ein Unternehmen seinen Mitarbeiter:innen anbietet?

Häufig werden in Unternehmen die alten, eher dezentralen Whistleblowing-Systeme genutzt. Solche werden aber von den Angestellten kaum genutzt. Mit Metta Space wollen wir den Mitarbeiter:innen eine Art objektiven externen Dienstleister zur Seite stellen, der ihnen Anonymität und Vertraulichkeit gewährt, aber auch dem Unternehmen Ratschläge gibt, wie es den jeweiligen Fall aufarbeiten kann.

Durch unsere Umfragen wissen wir, dass die Wahrscheinlichkeit doppelt so hoch ist, dass Angestellte ein Erlebnis über uns melden, als über irgendein anderes System. Wir wissen auch, dass es im Durchschnitt leider 318 Tage dauert, einen Fall aufzuarbeiten. Unser Ziel ist es, diese Zeitspanne um 80 Prozent zu verkürzen, indem wir die Personalabteilung Schritt für Schritt unterstützen, sodass sie weiß, was zu tun ist. Wir versuchen also, das Einschalten der Rechtsabteilung bei kleineren Fällen zu vermeiden, bei denen es sich eher um einen Verstoß gegen den Verhaltenskodex (Code of Conduct) handelt. In 80 Prozent der gemeldeten Fälle, die wir bisher gesehen haben, handelt es sich nicht um einen Gesetzesverstoß, sondern um einen Verstoß gegen den Code of Conduct des Unternehmens.

Im Moment haben wir also nur die grundlegenden Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Es ist wichtig, hier zu erwähnen, dass wir uns nicht mit Fällen befassen. Das ist Sache der Personalabteilung. Wir stellen ihr lediglich die Details und Informationen zur Verfügung, die offen zugänglich sind und zeigen die besten Herangehensweisen auf. 

Aber unsere Vision ist es, im Zuge unserer Weiterentwicklung auch eine Anpassung an die individuelle Unternehmenskultur und an die Kultur des Landes zu integrieren.

Was sind die größten Missverständnisse, mit denen ihr bei eurer Arbeit konfrontiert werdet?

Ich glaube, dass die Anzahl der Reportings nicht das Ausmaß der vorhandenen Grenzüberschreitungen widerspiegelt. Wenn ein Unternehmen eine hohe Anzahl an Meldungen erhält, dann ist das eigentlich sogar ein gutes Zeichen. Es weist darauf hin, dass Leute eher bereit sind, zu reporten, als ihren Arbeitgeber zu verlassen. Das ist eines der größten Missverständnisse. Wir versuchen den Unternehmen immer wieder zu vermitteln, dass es viel positiver ist, Meldungen zu erhalten, als gar keine zu erhalten – denn Null sollte die größte Red Flag sein.

Bild © Metta Space

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Michaela Stephen von MATR und Eric Weisz von Circly | Foto: MATR, Tanja Schalling

Dieser Text ist zuerst im brutkasten-Printmagazin von März 2025 “Hoch hinaus” erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Wiener Schnitzel, Kaspressknödel und Kaiserschmarrn haben einiges gemeinsam: Sie sind typisch österreichisch. Typisch österreichisch ist leider auch: Bürokratie, Zettelwirtschaft, lange Amtswege und – klarerweise – die deutsche Sprache. Und: Hier und da eine allgemeine Skepsis vor “Unbekanntem”.

In etwa diese Meinung vertreten Founder aus dem Ausland, die ihr Startup in Österreich gegründet haben. Statistisch gesehen sind das gar nicht so wenige: Rund ein Viertel der in Österreich sitzenden Gründer:innen kommen aus dem Ausland. 37 Prozent der heimischen Founder stammen aus Deutschland, 29 Prozent aus anderen EU-Ländern und 18 Prozent aus europäischen Nicht-EU-Staaten. 16 Prozent der zugezogenen Gründer:innen kommen aus Ländern außerhalb Europas.

Abgesehen von Kulinarik und Zettelwirtschaft: Wie sehen migrantische Gründer:innen die (wirtschaftliche) Situation in Österreich? Wird ihnen hierzulande das geboten, was sie sich erhoffen? Und ist es attraktiv, im Alpenland zu bleiben? Wir haben bei zwei internationalen Founder:innen nachgefragt.

Michaela Stephen, Co-Founder von MATR

Michaela Stephen, Co-Founder von MATR | Foto: MATR

Eine erfolgreiche Founderin hierzulande ist die Schottin Michaela Stephen. Im Jahr 2022 gründete sie mit Verena Judmayer das ClimateTech-Startup MATR. Die beiden arbeiten an einer nachhaltigen Matratzen-Lösung für die Hotellerie. Das soll Kosten, Ressourcen und Müll sparen und die CO2-Emissionen rund um Kauf, Verwendung und Entsorgung von Matratzen um 40 Prozent reduzieren.

Nach Österreich kam die Schottin nicht primär dem Business, sondern der Liebe wegen. Gegründet hat sie nach ihrem Consulting-Job bei Pioneers.io, wo sie ihre jetzige Business-Partnerin Judmayer kennenlernte.

“Wenn ich Verena nicht hätte – sie ist gebürtige Österreicherin – hätte ich wahrscheinlich kein Startup in Österreich gestartet. Oder es hätte dreimal so lange gebraucht”, sagt sie heute. Dreimal so lange ist noch lange nicht alles. Die Gründerin erzählt von einigen Hürden, die der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich abverlangen.

Ein erstes Hindernis im Gründungsprozess war die Bürokratie. Abgesehen von “viel Papierkram” läuft diese in Österreich fast lückenlos in deutscher Sprache ab, sagt Stephen. Englische Dokument-Versionen sind selten.

“Einen einheitlichen Kanal gibt es nicht”

Zudem findet sich auch ein nicht ganz transparenter Zugang zu Informationen rund um Gründung. “Ich würde mir wünschen, Gründungsinformationen für internationale Founder gesammelt zu finden. Das ist leider etwas zerstreut, einen einheitlichen Kanal gibt es nicht.”

Bürokratie bleibt einem Startup-Founder natürlich nie erspart. Hin und wieder ist es allerdings notwendig, sich Hilfe zu holen. Am besten von jenen, die dieselben oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Auch dahingehend hofft Stephen auf Besserung: “Ich würde mir wünschen, ein Netzwerk für internationale Founder zu haben, die nach Österreich kommen oder hier schon aktiv sind. Gerade am Anfang fehlten mir lokale Kontakte und Unterstützungssysteme. Organisationen wie die Vienna Business Agency machen das bereits sehr gut. Sie versuchen, ein internationales Netzwerk zu schaffen. Dennoch würde ich gerne noch mehr mit internationalen Founder:innen in Austausch treten.”

“Nicht dasselbe Support-System wie Männer”

Nicht zu vergessen: Die Situation rund um Female Founders in Österreich: “Es gibt bereits so viele tolle Anreize für Female Startups – zum Beispiel einen Female Bonus bei einigen Förderstellen”, sagt Stephen. “Dennoch glaube ich, dass Frauen immer noch nicht dasselbe Netzwerk und Support-System haben wie Männer.” Unterrepräsentiert sind sie immerhin nach wie vor, sie bekommen weniger Investments und sie gründen weniger häufiger als reine Männerteams.

Die Gründerin wünscht sich indes “mehr Diversität”, also mehr Frauen- aber auch viel mehr diverse Teams im heimischen Startup-Kosmos. Und sie fordert einen grundlegenden Mindset-Change. Ohne diesen helfen Initiativen nur wenig: “Es gibt viele Initiativen, die Frauen und Diversität fördern. Aber ein grundlegender, gesellschaftlicher Konsens ist dazu noch nicht da.”

Anfangen sollte man damit allerdings nicht erst in der Privatwirtschaft: “Junge Menschen, gerade Mädchen, sollte man schon in Schulen über das Unternehmertum informieren und ihnen mögliche Berufswege oder -chancen aufzeigen. Jede Schülerin sollte wissen, dass sie mit ihren Skills ein Unternehmen aufbauen kann und dafür auch die richtige Unterstützung erhält.”

“Wenn wir innovativ bleiben wollen, brauchen wir Talente aus anderen Ländern”

Stephen plädiert für ein allgemein einfacheres Gründen in Österreich. Unter anderem auch in Hinblick auf das Erhalten der Rot-Weiß-Rot-Karte. Auch Steuererleichterungen für Startups sieht sie als effizientes Vehikel. Barrieren – seien sie sprachlich, bürokratisch oder beides in Kombi – bremsen nicht nur die Gründungsaktivität, sondern beeinflussen vor allem die Stellung des Landes im internationalen Wettbewerb.

“Wenn wir innovativ bleiben wollen, brauchen wir Talente aus anderen Ländern und diverse Teams. Einige Studien zeigen, dass diverse Teams einfach besser performen als nicht-diverse. Ich bin für mehr Angebote, die es Fachkräften erleichtern, nach Österreich zu kommen. Und für mehr Vernetzung sowie für einfache Kommunikation, für mehr transparente Information und einen offenen Umgang miteinander.”

Eric Weisz, Co-Gründer von Circly

Eric Weisz, Co-Founder con Circly | Foto: Tanja Schalling

Auch der Zweifachgründer Eric Weisz hat sein Heimatland hinter sich gelassen. Der Deutsche ist – ebenso wie Michaela – der Liebe wegen nach Österreich gezogen. 2020 gründete er das DeepTech-Startup Circly.

Weisz hat sich mit Circly auf eine Lösung für KI-basierte Forecasts fokussiert. Die Modelle des Startup sind auf Produktions- und Handelsunternehmen spezialisiert, um Effizienz zu steigern und Kosten in der Logistik zu senken.

Zur Gründungssituation in Österreich hat er eine klare Meinung: “Ich muss dir sagen, dass ich die permanente Frustration aller anderen kaum verstehe. Im Software- und DeepTech-Bereich waren die Bedingungen hier grandios.”

Informationspaket zur Gründung

Mit bürokratischen Abläufen war der Founder vertraut. Immerhin handelte es sich bei Circly um seine zweite Gründung: “Ich fand die Gründung super einfach. Und es wird ja mit der Zeit jetzt noch einfacher. Ich komme immerhin aus Deutschland und da bin ich Bürokratie gewohnt. Jedoch verstehe ich aber den Einwand von nicht-deutschsprachigen Kolleg:innen.” Von einem Einwand sollte man sich jedoch nicht abhalten lassen, sonst sei man als Gründer:in nicht geeignet, wenn es schon an Formalitäten scheitert, meint er.

“Es wäre vielen Foundern sehr geholfen, wenn wir die Grundinformation zum Gründen mitsamt allen Fristen, Terminen und Zahlungen in einer Art Informationspaket zur Verfügung hätten. Dann könnten sich die Leute auf den Aufbau ihres Startups fokussieren.”

“Internationale Gründer:innen gehen Probleme anders an”

Immerhin braucht der Staat Gründer:innen, denn “die Privatwirtschaft finanziert den Staat”. Und dass sich dafür vor allem Founder aus anderen Breiten- und Längengraden eignen, weiß Weisz aus Erfahrung:

“Wenn ich mit Gründer:innen aus den USA spreche, fällt mir immer wieder auf, dass wir in Österreich noch sehr konservativ sind. Wir denken meistens zwar nachhaltig, haben aber oft nicht das Big Picture im Kopf. Internationale Gründer:innen gehen anders an Probleme heran. Sie bringen andere Facetten und neue Technologien ein, die wir vielleicht übersehen hätten.”

Damit sei es noch nicht getan: “Was mich am Unternehmertum in Österreich leider wirklich stört: Die Nebenkosten.” Unternehmen ohne Risikokapital aufzubauen und wachsen zu lassen, sei im technologischen Umfeld selten möglich, so der Founder.

Finanziell brauche es Starthilfen: “Österreich hat eine sehr starke Förderlandschaft, gar keine Frage. Aber für wirkliches Unternehmertum braucht es in gewissen Bereichen ein Startkapital. Ich denke, dass die Kapitallandschaft hier wesentlich spannender strukturiert sein könnte.”

Schließlich würde eine offene Kapitalstruktur nicht nur den “Ecospace bekräftigen”, sondern auch den Standort attraktiv machen: “Ich denke, die Grundaufgabe von Gründern ist der Vertrieb, das Netzwerken, die Kundenkommunikation und der Fokus auf das Kerngeschäft. Das Drumherum sollte attraktiver gestaltet werden. Da rede ich nicht nur vom formellen Gründungsprozess, sondern auch von der Infrastruktur rund um Finanzierungen. Je nachdem, in welchem Markt man sich bewegt, kann nicht jeder einfach bootstrappen oder sich von heute auf morgen eine Sales-Maschinerie aufbauen.”

“Österreich ist wie ein gallisches Dorf”

Für Circly geht die Reise vorerst in den Zielmärkten Österreich, Deutschland und den Niederlanden weiter. In puncto Venture Capital blickt man über Landesgrenzen: “Für die erste Finanzierungsrunde geht es noch, aber spätestens für die zweite Runde ist Österreich oft nicht geeignet. Das ist keine Beschwerde, sondern das ist, glaube ich, einfach ein Fakt.”

“Österreich ist ein bisschen wie ein gallisches Dorf. Da würde ich mir einen kulturellen Wandel wünschen. Und zwar, dass man risikobereit ist und neue Dinge ausprobiert”, meint Weisz weiter. Aktuell sei Circly zu großen Teilen in Deutschland aktiv – von Österreich aus. “Weil wir in Deutschland merken, dass die Kultur etwas unternehmensfreudiger ist. Die Unternehmen hören uns zu und sie wollen neue Dinge ausprobieren. Das sehen wir in Österreich eher seltener.”

Der Founder sieht dies als Resultat einer konservativen Denkstruktur: “Hier ist man eher skeptischer oder zweifelt etwas an, bevor man es probiert.” Es sei an der Zeit, die “Ärmel hochzukrempeln”: “Andere Länder sind auch nicht perfekt, aber sie sind sicherlich ein bisschen offener.”

14.03.2025

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Eric Weisz, Co-Gründer von Circly

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