20.08.2015

Martin Winkler von Oracle: “Jeder hat eine zweite Chance verdient”

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(c) Anna Rauchenberger - Oracle Country Manager für Österreich Martin Winkler

Glauben Top-Manager ans Quentchen Glück? Verlassen Sie sich aufs eigene “Bauchgefühl”? Nach welchen Kriterien suchen sie sich ein starkes Team aus? Martin Winkler ist Österreich-Chef für den US-amerikanischen Soft- und Hardwarehersteller Oracle, wo er für rund 300 Mitarbeiter verantwortlich ist. Seit 2009 ist Winkler Country Manager für Oracle Österreich. Davor war er unter anderem bei IBM und Xerox tätig. Dem Brutkasten beantwortet er diese und andere Fragen in einem sehr persönlichen Interview.

Oracle wurde von Larry Ellison, Bob Miner und Ed Oates im Jahr 1977 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Kalifornien, im Silicon Valley. Der Konzern ist weltweit tätig und beschäftigt insgesamt über 120.000 Mitarbeiter. Alleine die Oracle-Datenbank wird von mehr als 310.000 Kunden genutzt.

Das Interview dreht sich auch um die Frage des größten Unterschiedes zwischen amerikanischer und europäisches Sichtweise, wenn es um Innovationen geht…

Glauben Sie an die Existenz des „Bauchgefühls“ und vertrauen Sie darauf?

Martin Winkler: Ja. Das gibt es definitiv und ich kann mich auch darauf verlassen. Ich schätze Situationen als auch Menschen zuallererst nach dem Bauch ein. Im Endeffekt bedeutet des nichts anderes, als seiner inneren Stimme zu folgen, die auch die eigene Erfahrung berücksichtigt. Ich glaube, ich hatte das Glück, dass ich in meiner Erziehung wichtige Werte vermittelt bekommen habe, die ich ebenfalls im Entscheidungsprozess berücksichtige – wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit oder zu halten, was man zusagt. Viele Entscheidungen, Urteile über Kollegen, Mitarbeiter, Gesprächspartner messe ich an diesen Dingen und nicht daran, ob er der Experte im Fachgebiet XY ist.

Interessant, wonach beurteilen sie dann genau?

Ich frage mich oft: Kann ich mich auf mein Gegenüber verlassen? Will er oder sie mir etwas verkaufen? Das spür ich im Gespräch sofort. Dann: Vertraue ich dem Menschen, der mir zu einer Entscheidung rät? Hat er ein ehrliches Interesse daran, dass ich mich richtig entscheide? Anhand solcher Fragen rationalisiere ich in meine Entscheidungsprozesse zusätzlich. Und damit bin ich nie schlecht gefahren.

Solange solche Entscheidungen nicht existenzgefährdend sind, treffe ich sie aus dem Bauch heraus. Und auch wenn man sich einmal irrt: der Lerneffekt ist gerade dann unschätzbar hoch.

Dabei sagt man Technik-Studenten genau das Gegenteil nach…

Stimmt. Ein Techniker verlässt sich normalerweise überhaupt nicht aufs Gefühl, da geht es um Zahlen und Fakten, die stimmen müssen. So kann man natürlich auch erfolgreich durchs Leben gehen – mir wäre das zu eindimensional. Gerade auch in der Position, die ich innehabe, wo ich für rund 300 Mitarbeiter verantwortlich bin. Natürlich sind Zahlen extrem wichtig, aber nicht alles. Wenn ein Kollege keine guten Ergebnisse erbringt, ist er dann automatisch schlecht? Man muss die Gesamtsituation miteinbeziehen: seine Einstellung, sein Verhalten, Erfahrungen mit dem Mitarbeiter in kritischen Situationen. Hat man sich auf ihn verlassen können? Das zusammen ergibt ein Gesamtbild, wonach man besser beurteilen kann. 

Wie sind Sie denn nach dem Studium in Leoben zu IBM gekommen?

IBM hat quasi „Dolmetscher“ im Verkauf gesucht. Also Menschen, die zwischen den Kunden und den Technikern übersetzen können, die meist eine komplett unterschiedliche Sprache sprechen. Leute, die wie Kunden denken, aber Techniker verstehen. Ich hatte zwar nicht den benötigten idealen Background, aber ich war lernfähig und wollte unbedingt in den IT Bereich. Ich hatte Glück und habe von IBM die Chance bekommen, mich zu beweisen. Die Dynamik im IT-Bereich hat mich danach nicht mehr losgelassen.

Glauben sie an das Quentchen Glück?

Unbedingt.

An welches Glück glauben Sie, an eines, dem man zuarbeiten kann sodass die situation für einen spricht, oder das reine 50:50 Glück, das man nicht beeinflussen kann?

Glück ist meiner Meinung nach nicht vorprogrammierbar. Allerdings glaube ich an eine erfolgsversprechende Paarung von Fleiß, Ausdauer und Glück. Wenn man im Leben zurück schaut, fallen einem eher Situationen ein, in denen man Glück hatte. Dabei erinnert man sich selten an Begebenheiten, in denen man nicht erfolgsgekrönt war und es trotzdem probiert hat. Ich glaube, man verbindet Erfolg zu schnell mit Glück. Man kann Glück gewissermaßen herausfordern: indem man nicht aufgibt. Wenn ich etwas 10 Mal probiere und es beim 11 Mal funktioniert, dann war vielleicht auch ein bisschen Glück dabei. Wichtig ist aber vor allem das nötige Durchhaltevermögen, dass man nicht aufgibt, bis man es geschafft hat. Mitunter gehört dazu, zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der richtigen Botschaft zu sein. Das ist dann reines Glück.

Klingt ein bisschen wie ein Spiel? Ist Verkaufen Glückssache?

Nein. Verkauf ist kein Spiel. Verkauf ist überwiegend Vertrauenssache. Vertrauen kann man nicht erzwingen, das kann man sich höchstens erarbeiten: es basiert auf positiven Erfahrungen, die man gemacht hat. Wenn Kunden sich für unsere Leistung entscheiden, brauchen wir mit Sicherheit eine kompetitive Lösung oder Technologie – das ist die Grundvoraussetzung. Aber Vertrauen ist ebenso wichtig: Entscheidungsträger müssen uns vertrauen, dass sie sich die nächsten Jahre komplett auf unsere Lösungen verlassen können. Dass wir als Partner jederzeit in kritischen Situationen helfen und unterstützen können. Kunden wollen nicht immer die beste und passendste Technologie zum besten Preis – es geht um eine vertrauensvolle Partnerschaft.

Apropos Vertrauensfrage: Vertraut der Österreicher überhaupt einer amerikanischen Firma? „Was der Bauer nicht kennt…“

Wir sind ein gutes Beispiel, dass das gut funktioniert. Unser Mutterkonzern mag amerikanisch sein, unsere Mitarbeiter sind ÖsterreicherInnen. Das Vertrauen entsteht durch die Kollegen vor Ort und durch exzellente Produkte. Da ist es egal, ob sie für ein asiatisches, amerikanisches oder europäisches Unternehmen arbeiten.

Mit der Digitalisierung wächst die Angst, der Mensch werde von der Maschine ersetzt. Ist das etwas, was auch bei Oracle passiert?

Im Gegenteil. Der menschliche Kontakt wird immer wichtig sein. Unser Geschäft wächst und die Anzahl unserer Mitarbeiter wächst ebenfalls. Solange wir neue Kunden gewinnen, wird dies auch so bleiben. Wir mögen uns vielleicht umorganisieren, indem wir Servicecenter in Rumänien oder in Indien schaffen, aber der menschliche Faktor wird bei uns nicht durch Technologie ersetzt werden.

Wer ist eigentlich ein guter Verkäufer?

Gute Verkäufer stellen mehr Fragen, als sie Antworten geben. Wenn sie die richtigen Fragen stellen, verstehen sie ihr gegenüber wesentlich besser: was will der Kunde wirklich? Wieso braucht er das? Was will er mit der Lösung erreichen? Dann kann er gut einschätzen, ob sein Produkt passt und wie ein Nutzen für den Kunden erzielbar ist. Im besten Fall denkt sich der Kunde „das ist genau das, was ich beschrieben habe“. Verkauf ist primär eine Tugend und ein Talent, es kann aber auch erlernt werden. Man muss nur wissen, worin man gut ist und den Mut haben, sich neu zu orientieren, wenn man doch falsch gelegen ist.

Das klingt nach einer sehr amerikanischen Sichtweise…

Ein vereinfachendes Beispiel. Ein Amerikaner, der einen Gipfel erklimmen will, plant grob, läuft rasch los und nimmt den direktesten Weg nach oben. Irgendwann steht er vielleicht an und muss hundert Schritte zurückgehen, um sich neuen Überblick zu verschaffen und dann an der Seite vorbei zu gehen. Der Europäer macht sich anhand einer Karte einen Plan. Bis der weggeht, ist der Amerikaner bei der Hälfte des Weges. Trotzdem kann es sein, dass man gleichzeitig am Gipfel ankommt.

Das Silicon Valley ist das Paradebeispiel einer Kultur, wo Fehler machen erlaubt ist. Dort sind Fehler erwünscht, denn aus ihnen lernt man am meisten. Wir leben in Europa mitunter in einer Kultur, wo Fehler machen automatisch mit Scheitern verbunden ist. Der amerikanische Zugang ist beim Thema Innovation erfolgsversprechender.

Trotzdem Sie sich dessen bewusst sind, passiert es ihnen trotzdem, dass sie europäisch entscheiden?

Ja, doch. Ich bin eher ein Mensch, der im Vorfeld mehr analysiert bevor er losgeht. Ich denke, am Besten fährt man, wenn man im Team alle Sichtweisen vereint. Dann kann sich viel Fruchtbares ergeben und es zu einer spannenden Kombination kommen: Ein amerikanisches Unternehmen smart mit der europäische Kultur kombiniert, kann unschlagbar sein. Jede Kultur hat seine Vorteile, die man zu vereinen wissen muss.

Sie sprechen von einem sehr flexiblen Modell- kann Oracle als großer Konzern tatsächlich so flexibel agieren?

Bis zu einem gewissen Grad, ja. Natürlich gibt es eine Menge Standardprozesse, über die man nicht so leicht hinausgehen kann. Wir agieren in der gesamten Unternehmensstruktur als einheitlich organisierte Firma, ob groß oder klein, ob in Australien oder Austria. Das mag im ersten Moment sehr unflexibel scheinen, ist es aber nicht. Es erleichtert unheimlich rasch auf Veränderungen im Markt oder im eigenen Haus zu reagieren, und das in einem globalen Kontext. Das empfinde ich als unschätzbaren Vorteil für unser Unternehmen. Und so verstehe ich auch den Begriff Flexibilität.

Das HQ in Kalifornien

Das HQ von Oracle in Kalifornien.

Welchen Ratschlag würden sie anderen mitgeben?

Erstens, jeder hat eine zweite Chance verdient. Diese würde ich jedem zugestehen, wenn echtes Bemühen spürbar ist. Zweitens, unabhängig davon wie erfahren man ist, ob jung oder alt, man muss sich immer eine eigene Meinung bilden und diese reflektieren. Ratschläge sind oft gut gemeint, aber man muss sie immer querchecken, denn die Konsequenzen trägt man selbst. Und Drittens, man darf keine Scheu davor haben, sich zu irren, denn die Erfahrung, die man daraus gewonnen hat, ist unschätzbar für die persönliche Weiterentwicklung.

Eine letzte Frage: Als IT-Experte – Geben Sie persönlich Daten im Internet preis?

Ja, aber bewusst und selektiv. Der eigene Hausverstand ist hier ein unglaublich wichtiger Ratgeber. Wenn ich eine e-Mail bekomme und unter einem kreativen Vorwand meine Kontonummer bekannt geben soll, dann mache ich das nicht. Ich würde dies auch sonst nicht tun.

Vielen Dank. 

(c) Foto HQ: Oracle Facebook.

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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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