20.12.2023
THEMENPARTNERSCHAFT

Martin Schiefer: „Vergaberecht ist ein Belohnungstool“

Klimaschutz ist in allen Bereichen des Lebens angekommen – aber auch im Vergaberecht? Rechtsanwalt und Vergaberechtsexperte Martin Schiefer zu Möglichkeiten, durch die die öffentliche Hand Nachhaltigkeit forcieren kann.
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Rechtsanwalt Martin Schiefer
Rechtsanwalt Martin Schiefer | Foto: Studio Koekart

Mittels Vergaberecht das Klima retten? Eine These, die im ersten Moment nicht unbedingt selbsterklärend ist, doch auf den zweiten Blick umso mehr Sinn macht. Martin Schiefer, Rechtsanwalt bei Schiefer Rechtsanwälte und Vergaberechtsexperte, war zu diesem Thema zu Gast im brutkasten-Studio. Gemeinsam mit Klimawissenschaftler Holger Hoff von der Karl-Franzens-Universität Graz diskutierte er mit Dejan Jovicevic, CEO und Co-Founder von brutkasten, über Klimaneutralität, Incentives und Zukunftschancen.

Der Konnex zum Vergaberecht ist in Klimafragen schnell vorhanden: „Vergaberecht ist ein Belohnungstool“, so Martin Schiefer gleich zu Beginn des Talks – nämlich dann, wenn Eignungs-, Auswahl- und Zuschlagskriterien in Ausschreibungen stärker unter Berücksichtigung konkreter Nachhaltigkeitsziele definiert werden. Dann müssen auch Unternehmen den Umweltgedanken in ihre Entscheidungen miteinbeziehen. In der Praxis bedeute das, die von der EU vorgeschriebenen ESG-Kriterien großzügig zu berücksichtigen und, so Schiefer, im Idealfall sogar darüber hinauszugehen.

Holger Hoff will “ins Handeln kommen”

Klimaforscher Hoff ist an der Uni Graz Interface Manager im Field of Excellence with Climate Change. Was das genau heißt? „‚Ins Handeln kommen‘ ist genau die Umschreibung, die unser Tun sehr gut charakterisiert.“ Schon in den 1990ern habe er, damals in Potsdam, Erkenntnisse auf den Tisch gelegt, die ein Handeln erforderlich gemacht hätten. „Damals hätte man auch mit einem Prozent Reduktion der Treibhausgasemissionen pro Jahr das 2050er-Neutralitätsziel erreicht.“ Der derzeitige Modus Operandi würde aber keine Handlung forcieren – es fehle auch an Anreizsystemen. Sein Feld befasse sich daher mit der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxispartnern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, so Hoff.

Wie das jetzt mit dem Vergaberecht zusammenpasst? „Die Frage, die wir uns beide stellen, ist, welche Zugänge man bei Unternehmen belohnt“, so Schiefer. Die Idee: Firmen, die sich freiwillig mit der Thematik der Nachhaltigkeit beschäftigen, könnten schlicht bevorzugt werden; beispielsweise in der deutschen Automobilbranche: Diese verlange von österreichischen Zulieferern laut Schiefer, ökologischer zu produzieren und die Sicherheit von Lieferketten herzustellen. „Das kostet natürlich Geld, Energie und Fantasie, macht sich mittel- und langfristig aber bezahlt.“

Öffentliche Gelder seien dabei nicht nur ein großer wirtschaftlicher Faktor – sie haben auch Gestaltungskraft. „Wir appellieren an die öffentliche Hand: Warten wir nicht, bis alle EU-Regulatorik umgesetzt ist, sondern fördern wir bereits jetzt Unternehmen, die sich schon auf diesem Pfad befinden, und berücksichtigen diese entsprechend in Vergabeprozessen.“

Martin Schiefer: Klimaschutz mehr als nur CO2-Reduktion

Die konkreten belohnenswerten Ansätze beginnen bei der nachhaltigen Mitarbeiter:innen-verpflegung und reichen bis zu Transportwegen oder Maßnahmen in der Logistik. Auch im Bau gebe es wünschenswerte Ansätze: „Klimaschutz ist ja nicht nur CO2-Reduktion, sondern auch das Verhindern von weiterer Bodenversiegelung sowie Werterhaltung und Förderung der Gesundheit der Mitarbeiter:innen“, so Schiefer.

Öffentliche Auftraggeber dürften ruhig hohe Anforderungen stellen und sich beispielsweise auch eine Transformation bei ihren Auftragnehmern wünschen, die gewisse Geschäftsmodelle schlicht nicht mehr zulässt.

Was bei allen Nachhaltigkeitsbestrebungen allerdings vermieden werden müsse, sei eine potenzielle Abwanderung von Auftragsvergaben in Regionen, in denen niedrigere Umweltstandards herrschen. Dann hätte man mit Regulierungsmaßnahmen einzig eine Verschlechterung derheimischen Wirtschaft erreicht. Daher sind laut Schiefer auch Fragen der Lieferketten in Ausschreibungen essenziell, um gerade im öffentlichen Bereich der Umgehung nicht Tür und Tor zu öffnen.

Schiefer: Klimaschutz globales Thema – und kein regionales

Anders sehe die Sache aus, wenn Nachhaltigkeit auch bei einer Produktion im Ausland sichergestellt werden kann. Grüner Wasserstoff könne beispielsweise laut Hoff in anderen Gebieten der Welt durch bessere Ressourcenverfügbarkeit effizienter hergestellt werden. Durch europäisches Know-how in Verbindung mit Produktionskraft könnten sich sogar Win-win-Situationen ergeben, wie es etwa in Namibia oder Marokko der Fall ist. Klimaschutz sei immerhin ein „globales Thema und kein regionales“, so Schiefer.

Alle Nachhaltigkeit der Welt habe aber leider wenig Nutzen, wenn das Produkt dann keine Nachfrage erfahre, so Hoff. Hier komme die Werbung ins Spiel: „Im Moment ist die Zielsetzung von Werbung nicht, nachhaltige Produkte stärker am Markt zu pushen. Aber man könnte es forcieren“, so der Klimawissenschaftler. Dabei müsse allerdings sichergestellt werden, dass es sich um „echte“ Nachhaltigkeit handle – und nicht um Greenwashing.

Hoff: Preis in der Klimawandelbekämpfung immer ein Faktor

Der Preis werde in Fragen der Klimawandelbekämpfung immer ein ausschlaggebender Faktor bleiben. Allerdings sei auch hier die Weitsicht eines eventuellen Skalierungseffekts notwendig. Hoff nennt als Beispiel die Solarpanelindustrie in Brandenburg: Mit staatlicher Unterstützung wurde diese Branche dort aufgebaut, dann sei das Ganze nach China abgewandert.

Aus lokaler und wirtschaftlicher Sicht sei so etwas natürlich bedauerlich, aus klimatechnischer Sicht sei der Prozess allerdings ideal verlaufen: „Die Etablierung erfolgte durch die öffentliche Hand, die Skalierung in einem billigeren Markt“, so Hoff. „Wichtig ist, dass eine Skalierung stattgefunden hat. Denn nur so kann Strom aus erneuerbaren Energien billiger als Strom aus fossilen Energien werden.“

Der gesamte Videotalk mit Martin Schiefer und Holger Hoff:


Nachhaltige Beschaffung in Österreich

2003 wurden alle EU-Mitgliedsstaaten von der Europäischen Kommission dazu aufgefordert, nationale Aktionspläne zur Ökologisierung der öffentlichen Beschaffung zu erstellen. So entstand der österreichische Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung, kurz „naBe-Aktionsplan“. 14 % des BIP in Österreich werden für Aufträge im Rahmen der öffentlichen Beschaffung vergeben – öffentliche Auftragsvergabe spielt also eine immense wirtschaftliche Rolle.

2010 wurde die Erarbeitung des „naBe-Aktionsplans“ von der österreichischen Regierung beschlossen und das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) mit der Koordination der dafür notwendigen Maßnahmen betraut. 2021 hat Bundesregierung den aktualisierten „naBe-Aktionsplan“ abgesegnet – nach einer Evaluierungs- und Überarbeitungsphase wurden 16 Produktgruppen wie etwa Hochbau, Fahrzeuge oder Lebensmittel festgelegt.

Mit dem „naBe-Aktionsplan“ werden drei Ziele angestrebt: Verankerung der nachhaltigen Beschaffung in allen Bundesinstitutionen, Harmonisierung der Kriterien hinsichtlich der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung und Sicherung der Vorreiterrolle Österreichs bei der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung in der EU. Alle drei Dimensionen sind zu beachten: Umwelt, Soziales und Ökonomie. Im besten Falle ist eine nachhaltige öffentliche Beschaffung mit Verbesserungen in allen drei Kategorien verbunden. Mindestens notwendig sind jedoch positive Effekte in einer Dimension – ohne Verschlechterung in den anderen beiden.

Diese Themenpartnerschaft wurde in Kooperation mit Schiefer Rechtsanwälte umgesetzt.

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(c) Sensotix

Im Schadensfall sehen sich Versicherte oft mit einem langwierigen bürokratischen Prozess konfrontiert. Formulare müssen ausgefüllt und Dokumente eingereicht werden. Häufig erfordert die Schadenmeldung zudem die Nutzung spezieller Apps oder Online-Portale, die den Aufwand für die Betroffenen weiter erhöhen.

Abhilfe möchte das Wiener Startup Sensotix schaffen. Die beiden Gründer und Geschäftsführer Gernot Habel und Christoph Kovacs entwickelten einen sogenannten Smartsticker, der die Schadensmeldung bei Versicherungen vereinfacht. Die Idee entstand 2016 aus Gesprächen und Brainstorming-Sitzungen mit ihrem Umfeld. Offiziell wurde Sensotix im Mai 2017 gegründet – damals noch als Zwei-Mann-Betrieb.

Wie der Smartsticker funktioniert

Der Smartsticker fungiert als „digitaler Touchpoint“ und wird als Sticker direkt auf Objekten, wie beispielsweise Autos, angebracht. Über einen QR-Code bietet er eine einfache Alternative zu herkömmlichen Apps. Speziell soll der Smartsticker den Schadenmeldeprozess bei Versicherungen erleichtern. Im Schadensfall können Nutzer:innen den QR-Code scannen und direkt bei der Versicherung melden, ohne eine App oder einen Login zu benötigen. Dies sei unkompliziert, da der QR-Code mit der Kundenpolizze verknüpft ist.

Zudem funktioniert der Smartsticker unabhängig von Smartphone und Person. „Alles, was benötigt wird, ist ein internetfähiges Gerät“, so das Produktversprechen. Die Hauptzielgruppe für dieses Produkt umfasst Versicherungen, Flottenmanager und Karosseriewerke. Mit seinen Smartsticker möchte Sensotix „langwierige Prozesse des Verknüpfens eliminieren“.

Und das Unternehmen kann namhafte Kunden vorweisen. So werden auf der Website beispielsweise die international tätige Helvetia Versicherung genannt. Aber auch das bekannte Bau- und Fuhrunternehmen Felbermayer sowie Adia-Kreuzfahrten setzen auf die Lösung des Wiener Startups.

Teraforms: Software zur Digitalisierung von Formularen

Im Jänner dieses Jahres brachte Sensotix sein zweites Produkt namens Teraforms auf den Markt. Konkret handelt es sich dabei um eine Online-Software zur Digitalisierung von Papierformularen. Nutzer:innen laden Formulare entweder als Foto oder PDF in die Software hoch, wo eine speziell trainierte Künstliche Intelligenz dann eine digitale Version erstellt. Die Geschäftsführer betonen, dass Teraforms weniger finanzielle und personelle Ressourcen erfordert, als es für den Formularbau durch einen IT-Techniker nötig wäre. So können auch kleinere Unternehmen ihre Formulare digitalisieren. Beide Produkte werden im Monats-Abonnement angeboten.

Darüber hinaus bietet Sensotix Beratungsleistungen sowie verschiedene Dienstleistungen in den Bereichen Projektmanagement und Softwareentwicklung an. Die sechs Mitarbeiter:innen bringen jahrzehntelange Berufserfahrung mit, die den Kunden zur Verfügung steht.

Sensotix hofft zukünftig auf mehr Wachstum und Innovation

Gründer Gernot Habel blickt „auf jedes Jahr mit neuen Kunden und spannenden Projekten positiv zurück“. Aktuell strebt das Startup an, nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland und der Schweiz präsenter zu werden. Der nächste Schritt wäre eine Expansion in den englischsprachigen Raum. Habel betont: „Wir möchten auch weiterhin neue Möglichkeiten nutzen und Technologiesprünge in unsere Anwendungen einbauen, um Prozesse immer weiter zu vereinfachen und langfristig zu optimieren“. Für die Zukunft erhofft sich Sensotix Unterstützung durch Förderprogramme und Investoren. Das Startup finanziert sich seit Beginn „vollständig durch Eigenkapital und aus dem Cashflow“.

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