19.02.2019

Markt und Konkurrenz: 6 Fragen aus Investorenperspektive

Im Gastbeitrag erklärt Speedinvest-Co-Founder und Partner Michael Schuster, welche Parameter aus InvestorInnen-Sicht in Sachen Markt und Konkurrenz relevant sind.
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Speedinvest: Co-Founder und Partner Michael Schuster üner die Investorensicht auf Markt und konkurrenz
(c) Speedinvest: Co-Founder und Partner Michael Schuster

Es ist der Moment, den jede Gründerin und jeder Gründer fürchtet: Ein Internetgigant launcht ein Service, dass dem eigenen Produkt ähnelt, oder ein Konkurrent verkündet eine gigantische Finanzierungsrunde, mit der man nicht gerechnet hat. Die Achterbahnfahrt jeder UnternehmerIn führt an dieser Stelle oft in tiefe Abgründe. Man stellt sich die Frage, ob man weitermachen soll, ob jetzt noch InvestorInnen zu finden sind, die Geld investieren und was das für den Markt insgesamt bedeutet. Gleichzeitig liest man in Startup-Medien von Unternehmen die mit hohen Summen finanziert werden, obwohl es bereits viel Konkurrenz gibt. Für Gründer ist es oft schwierig hier durchzublicken, wann und warum ist ein Markt „hot“ ist und andere „zu crowded“. Was geht da in den Köpfen der InvestorInnen vor? Der Versuch einer Antwort.

+++ Speedinvest: Dos and Don’ts bei der Investorenansprache +++


Investments sind immer noch Wetten

Home Delivery Services, Ride Sharing, Scooter oder Paymentservices: In der Tat gibt es einige Produkte oder Services die mit viel Investorengeld finanziert, schwindelerregende Bewertungen aufweisen, trotz starker Konkurrenz. Da stellt man sich oft die Frage: Warum wird hier in so viele Unternehmen investiert und man selbst hört von VCs oft die Antwort, dass der Markt schon „zu crowded“ sei. Was unterscheidet die einen von den anderen? Welche Argumente braucht es um Investoren zu überzeugen? Eine Antwort darauf ist schwierig, denn bei Investments handelt es sich immer noch um Wetten, und die sind höchst individuell. Aber einige Anhaltspunkte lassen sich finden.

Markt und Konkurrenz: 6 Punkte, auf die InvestorInnen schauen

1. Marktgröße

Wenn der Markt ausreichend groß und disruptiv ist (zB. wie bei Ride Sharing oder Scootern, die völlig neue Wege der Mobilität eröffnet haben), dann ist es vielfach einfacher Investoren zu überzeugen. Die Hypothese: wenn sich das Verhalten der KonsumentInnen verändert, dann verspricht das hohe Gewinne. Je grösser und globaler der Markt, desto höher der Appetit. In Europa wird Marktgröße tendenziell unterbewertet, für US-InvestorInnen ist sie eines der Hauptargumente für oder gegen ein Investment.

2. Marktdominanz

Gibt es einen Player der den Markt beherrscht? Hat er signifikanten Vorsprung, der kaum mehr einzuholen ist? Gibt es ein Unternehmen, dass deutlich mehr Geld zur Verfügung hat? Wenn das der Fall ist, dann sinkt der Appetit, denn wer gegen Google, Apple oder Facebook in den Ring steigt braucht einen langen Atem (= viel Kapital) und eine gute Idee oder ein besonderes Produkt. Ausnahmen gibt es natürlich (zB. Instagram und Snapchat), aber in der Regel sucht man dabei nach einer Differenzierung, einer Lücke im Markt, zB. über Geografie oder Alter der KonsumentInnen.

3. Reifegrad

Wie reif sind die Produkte der anderen Marktteilnehmer? Wie reif das eigene Produkt? Ist der Markt im Wachstum begriffen, oder entsteht er gerade erst? Wenn absehbar ist, dass es im Markt nur schlechtere Produkte gibt und vielleicht auch gerade eine Gelegenheit besteht, bisher dominante Player zu verdrängen, wird oft investiert, auch wenn es viel Konkurrenz gibt. Ein Klassiker ist hier der Markt der Collaboration Software. Die einstige Dominanz von Microsoft ist gebrochen, eine neue Generation von Tools auf dem Markt, die allerdings erneut von Slack & Co unter Druck gesetzt wird.

4. Netzwerkeffekte / Viralität / Lock-in Effekte

Gibt es Eigenschaften des Produktes, die es anderen Marktteilnehmern schwerer machen, in den Markt einzutreten? Gibt es Gründe warum sich die Lösung schneller verbreiten kann, vor allem mit weniger Marketingausgaben? Alles, was dazu beiträgt um in einem umkämpften Markt zu Marktanteilen zu kommen und diese zu halten, hilft in der Argumentation. Wer einmal die Uber App heruntergeladen hat, wird überall auf der Welt Uber nutzen, sofern verfügbar. Wer sieht, wie andere N26 oder Revolut verwenden, will die Karte auch haben. Wer alle seine Freunde auf Facebook hat, tut sich schwerer zu wechseln.

5. „Outsized Returns“

Am Ende sind alle InvestorInnen an Geld interessiert. Das ist ihr Geschäftsmodell. Wenn ein Investment hohes Risiko bedeutet, aber im Erfolgsfall dafür umso mehr Rückflüsse bringt, dann erhöht das ebenfalls die Chance. Die Suche nach „Unicorns“ ist sichtbares Ergebnis dieser Tendenz, denn jedes Investment bedeutet gleich viel Aufwand. Da investiert man doch lieber in jene, die die Chance haben richtig groß und bedeutsam zu werden. Natürlich stimmt das nicht für die ganze Welt und für jeden Bereich, aber es gibt wohl keinen Investor der sich dieser Logik vollständig entziehen kann oder will.

6. Team

Viele Investoren vertreten die Hypothese, dass in hart umkämpften Märkten das Team und dessen Exzellenz noch wichtiger ist und mehr zählt. First-time Founders sind besser beraten in Märkte zu gehen, die weniger umkämpft sind. Dort sind Fehler in der Umsetzung („Execution“) nicht so folgenschwer wie in jenen Märkten mit starkem Wettkampf. Das klingt nachvollziehbar: Wer will schon in seinem ersten Skirennen gegen Michaela Shiffrin antreten.

Fazit: Auch ein hart umkämpfter Markt kann noch lukrativ sein

Ganz generell lässt sich feststellen, dass wir in Europa einen anderen Zugang haben, wenn es um Markt und Konkurrenz geht. Während US-InvestorInnen eine große Finanzierungsrunde eines Wettbewerbers als Validierung des Marktes sehen, schrecken europäische Investoren eher davor zurück. Doch auch das ändert sich, denn mit jedem Jahr wird das Ökosystem reifer und Erfolgsgeschichten wie Deliveroo und Delivery Hero zeigen, dass auch ein hart umkämpfter Markt noch lukrativ sein kann.

⇒ Michael Schuster auf speedinvest.com

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Sebastian Kurz in Tel Aviv | (c) Dream Group

Im zehnten Stock von WE TLV, einem der Hochhäuser im Herzen von Tel Aviv, liegt das Büro von Dream. Der Eingang ist unscheinbar, lediglich eine Glastür mit dem Schriftzug „Dream“ zeigt von außen, dass hier eines der aufstrebendsten Startups Israels seinen Sitz hat, das Sebastian Kurz gemeinsam mit Shalev Hulio – Ex-CEO der Spionagefirma NSO – gegründet hat. Erst im Feber gab das Unternehmen den Abschluss einer Finanzierungsrunde in Höhe von 100 Millionen US-Dollar bekannt und konnte mit einer Bewertung von 1,3 Milliarden US-Dollar in den Kreis der Unicorns aufsteigen (brutkasten berichtete). Kurz selbst hält nach der Finanzierungsrunde 15 Prozent am Unternehmen.

Ein Blick ins Office

Innen erstreckt sich das Büro über zwei Etagen. In Tel Aviv sitzen aktuell rund 200 Mitarbeiter:innen, die unter anderem für Forschung und Entwicklung zuständig sind. Bald soll eine dritte Etage angemietet werden, denn das Unternehmen hat große Ambitionen. „Im nächsten Jahr wollen wir die Mitarbeiter verdoppeln“, erläutert Kurz gegenüber einer Runde österreichischer Journalist:innen.

Über eine Stiege gelangt man zu einer Dachterrasse, auf der sich ein eigener Basketballplatz befindet. Dort erklärt Kurz gegenüber brutkasten, dass das Unternehmen mittlerweile profitabel sei. Für ein Tech-Scaleup, das erst 2023 gegründet wurde, ist das ein beachtlicher Erfolg. Für das nächste Geschäftsjahr strebe man einen Jahresumsatz von rund 150 Millionen US-Dollar an.

Die Dachterasse von Dream | (c) Martin Pacher / brutkasten

Das Gründerteam

Doch was macht Dream zu einem der aufstrebendsten Startups in Israel und wie verteilen sich die Rollen im Gründerteam? Auf der einen Seite steht Sebastian Kurz, der ehemalige Kanzler, der Sicherheitskonferenzen besucht, geopolitische Zusammenhänge einordnet und den Zugang zu staatlichen Entscheidungsträgern eröffnet. Auf der anderen Seite Shalev Hulio, der an diesem Tag im schwarzen T-Shirt mit dem Fahrrad ins Office kommt und mit seiner langjährigen Erfahrung aus der Cyber- und Intelligence-Welt die operative Seite führt.

Sebastian Kurz und Shalev Hulio | (c) Dream Group

Die beiden verbindet, dass sie ihre bisherigen Karrieren hinter sich gelassen haben, um mit Dream einen neuen defensiven Standard für Cybersecurity in Regierungen und kritischer Infrastruktur zu setzen. Hulio spart dabei nicht mit Lob für seinen Mitgründer: „Sebastian ist ein Rockstar.“ Besonders schätzt er Kurz’ Rolle im Umfeld von staatlichen Entscheidungsträger:innen: „Bevor du einem Staat Technologie verkaufst, brauchst du Vertrauen und Gravitas – und das bringt Sebastian mit.“

Kurz wiederum beschreibt die Rolle seines Mitgründers so: „Als CEO hat Shalev den Überblick über das gesamte Geschäft, von Investor:innen über Strategie bis hin zu der Frage, wie wir wachsen wollen, was wir zukaufen, wo wir investieren.“ Dritter Co-Founder im Bunde ist Gil Dolev, der als CTO agiert.

Die Technologie: Cyber Language Model

Dreams Technologie basiert auf einem selbst entwickelten Cyber Language Model (CLM), einem KI-Sprachmodell, das ausschließlich auf Cyberdaten trainiert wurde und gezielt für die Abwehr staatlicher Angriffe ausgelegt ist. „Dream ist kein Cyber-Unternehmen, das auch KI einsetzt. Dream ist vielmehr ein KI-Unternehmen mit einem Cyber-Language-Model, das vollständig auf Defense ausgerichtet ist“, so Hulio.

Das Office von Dream | (c) Martin Pacher

Das CLM analysiert permanent globale Cyberaktivitäten, erkennt Muster, leitet neue Angriffstechniken ab und setzt mehrere KI-Agenten ein, die das Internet kontinuierlich nach Anomalien durchsuchen. Ein prominenter Use Case: Dream identifizierte und rekonstruierte laut Hulio eine groß angelegte Kampagne des iranischen Geheimdienstes, bei der Botschaften weltweit über kompromittierte Diplomaten-E-Mails infiltriert wurden. Binnen weniger Stunden konnte laut Hulio der Angriffspfad identifiziert werden.

Regierungen als Hauptkunden

Das Unternehmen entwickelt Lösungen, die sich besonders an staatliche Akteure und Betreiber kritischer Infrastruktur richten. „Die IT-Infrastruktur von Regierungen ist meist alt, läuft On-Premise und darf häufig nicht einmal mit dem Internet verbunden sein“, sagt Hulio. Klassische Cloud-Sicherheitsprodukte stoßen in solchen Umgebungen schnell an Grenzen.

Dream gestaltet seine Technologie deshalb von Beginn an für hochsensible, isolierte Deployments. Die KI-Modelle laufen lokal, die Systeme funktionieren auch in komplett air-gapped Infrastrukturen, und operative Daten müssen die Organisation nicht verlassen. Damit adressiert Dream ein Segment, auf das viele etablierte Cybersecurity-Anbieter mit ihren primär enterpriseorientierten Lösungen nicht ausgelegt sind.

Sebastian Kurz in Gespräch mit Dovi Frances | (c) Dream Group

Auf der Dachterrasse des Offices erklärt Dovi Frances, Investor von Group 11 und größter Anteilseigner des Startups, dass Dream auf dem Weg sei, „zum Goldstandard für den Schutz kritischer Infrastruktur von Nationen“ zu werden. Offizielle Kundennamen nennt das Unternehmen nicht. Es heißt lediglich, dass neben staatlichen Stellen auch staatsnahe Betriebe wie Energieversorger und Telekommunikationsanbieter dazugehören.

Der 7. Oktober als Wendepunkt

Der 7. Oktober 2023, der Tag des Überfalls der Hamas auf Israel, markiert für Dream einen tiefen Einschnitt und zugleich einen Wendepunkt. Just in diesen Tagen wollte das junge Unternehmen seine nächste Finanzierungsrunde abschließen. „Ich dachte, es ist vorbei“, erinnert sich Sebastian Kurz. Mehr als die Hälfte des Teams wurde eingezogen, der Betrieb stand weitgehend still.

(c) Martin Pacher

Doch nur wenige Wochen später meldeten sich die Investoren zurück. Sie würden die Runde wie geplant durchziehen. Für Dovi Frances war das ein bewusstes Signal an die Welt. Am 30. Kriegstag unterzeichnete er gemeinsam mit Co-Investor Michael Eisenberg (Aleph VC) den Investmentvertrag. Zu diesem Zeitpunkt diente Shalev Hulio im Such- und Rettungsdienst im Gaza-Streifen; der Vertrag wurde symbolträchtig an der Grenze unterzeichnet.

Expansion, Börse und die Frage nach der Politik

Wie es nun mit Dream weitergehen soll, zeigt sich in den klaren Expansionsplänen. Hulio beschreibt die nächsten Schritte so: „Wir haben begonnen, in Europa, im Nahen Osten und in Südostasien zu verkaufen. Und wir werden wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres in die USA und nach Südamerika gehen.“

Auch Investor Michael Eisenberg sieht den europäischen Ausbau als strategisch entscheidend und betont, warum Dream bewusst auf Wien setzt: „Dream hat sein europäisches Headquarter in Wien aufgebaut, das erste meiner Portfolio-Unternehmen seit 30 Jahren, das diesen Schritt gemacht hat.“ Aus seiner Sicht könnte Österreich künftig eine wichtigere Rolle für israelische Tech-Unternehmen in Europa spielen.

Bei den langfristigen Perspektiven bleibt Dream flexibel. Ein Börsengang sei eine der möglichen Optionen, die das Unternehmen prüfe. Und auf die Frage, ob Sebastian Kurz irgendwann in die Politik zurückkehren könnte, antwortet er knapp, er fühle sich in seiner Rolle als Unternehmer derzeit „sehr glücklich“.


Disclaimer: Die Reise- und Übernachtungskosten wurden von der Dream Group übernommen.

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