16.09.2016

Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben”

Gastkommentar. Der innovationsberater, Autor und Silicon Valley-Experte Mario Herger schreibt, warum derzeitige Entwicklungen die Arbeitswelt dramatisch ändern werden und wie ein Grundeinkommen helfen könnte.
/artikel/mario-herger-sie-sind-arbeitswillig-aber-es-wird-einfach-keine-arbeit-geben
(c) fotolia - chombosan: Läuft die Arbeitswelt einer düsteren Zukunft entgegen?

Google, Facebook, Smartphone, Computer, Kickstarter. Das Silicon Valley ist zuverlässig darin, uns neue Technologien zu geben, ohne die wir uns das Leben wenig später kaum mehr vorstellen können. Hard- und Software, die in dieser innovativsten Region konzipiert wurden, bestimmen wie wir kommunizieren, einkaufen, Informationen abrufen und konsumieren . Das Silicon Valley schuf ganze Industrien. Und die machten neue Berufsbilder erforderlich. Gleichzeitig aber nimmt das Silicon Valley. Nicht nur unser Geld, sondern auch Arbeitsplätze. Technologische Änderungen führen immer zu Änderungen am Arbeitsmarkt. Uber bedroht Taxifahrer, Airbnb die Tourismusbranche, Kickstarter, Square und Bitcoin die Finanzdienstleister. Klar, solche Änderungen hat es immer gegeben.

+++ Mario Herger: “Österreich ist Nörgelweltmeister” +++

47 Prozent der Arbeitsplätze werden verschwinden

Vor zweihundert Jahren etwa, waren fast vier von fünf Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt. Heute ist es gerade mal einer von hundert. Diese Änderung ging aber vergleichsweise langsam voran. Jedes Jahr verringerte sich die Zahl um ein halbes bis ein Prozent. Es kam nicht zu diesen dramatischen Änderungen, die wir heute erleben und die uns teilweise noch gar nicht bewusst sind. Forschern der Oxford University zufolge werden innerhalb weniger Jahre 47 Prozent aller Arbeitsplätze verschwinden und die Menschen durch Maschinen abgelöst werden. Dabei sprechen wir hier nicht von Jobs mit geringen Qualifikationsanforderungen. Wir reden von Rechtsanwälten, Ärzten, Buchhaltern und Computerprogrammierern. Das sind alles Berufsgruppen, die lange Ausbildungszeiten verlangen, in der Gesellschaft hoch angesehen sind, und entsprechende Gehälter bringen.

KI übertrifft Menschen in immer mehr Feldern

Man nehme Watson, das von IBM erstellte Künstliche-Intelligenz-System, das vor einigen Jahren den Schachweltmeister besiegte und im TV-Wissensspiel Jeopardy die besten menschlichen Spieler besiegte. Vor wenigen Wochen erstellte es zum ersten Mal eine Diagnose zu einem Patienten, die genauer war, als menschliche Ärzte sie stellen konnten. Googles Go-Computer AlphaGo besiegte den südkoreanischen Go-Weltmeister diesen Februar nicht nur mit 4:1, sondern auch in einer Weise die die Go-Welt erstaunte. Die Maschine machte Züge, die ein menschlicher Spieler nie zuvor gemacht hatte und die die Go-Community nun von der Maschine lernt. Ein KI-System, das einen Kampfjet steuerte, ließ in einer Kampfflugsimulation einem Top-Piloten keine Chance.

Mit der Entwicklung kamen Ideologien

Dass uns Maschinen ersetzen ist nichts Neues. Traktoren und Erntemaschinen ersetzten die manuelle Arbeit der Knechte und Mägde, Baumaschinen die der Bauarbeiter. Und Roboter sind in Fertigungsprozessen schneller, präziser und unermüdlicher als Arbeiter. Die positive Seite davon ist, dass das alles zu einem nie gekannten Wohlstand aller Gesellschaften weltweit geführt hat. Diese Entwicklungen gingen aber auch nicht ohne Unbehagen vor sich. Im 19. Jahrhundert entstanden politische Ideologien, die das Verhältnis von Kapitalbesitzern und Arbeitnehmern beeinflussen wollten. Im Gegensatz zu den Hoffnungen der Erfinder, brachten sie oft Nachteile für große Bevölkerungsteile. “Maschinenstürmer”, “Umverteilung”, “Maschinensteuer” oder “Ausbeutung” sind Begriffe die damals geprägt wurden und im 21. Jahrhundert nach wie vor im Diskurs vorkommen. Teilweise zu Recht, teilweise zu Unrecht.

“Es droht ein Tsunami an Maschinen und KI-Systemen, die uns ersetzen und wegen denen weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird.”

Die wichtigste Lektion im Silicon Valley: Die Welt hat sich geändert

Vor einigen Monaten war ich mit ein paar europäischen Parlamentariern im Silicon Valley unterwegs. Sie waren gekommen um zu lernen, was das Silicon Valley technologisch und unternehmerisch so herausstechend machte. Im Gespräch im Auto echauffierte sich einer der konservativen Parlamentarier über Leute, die Leistungen erwarten, aber selbst nichts dazu beitragen wollen. “Wenn man nicht arbeiten will, dann kriegt man eben kein Geld!” war die Quintessenz. Dabei verpasste dieser Parlamentarier die wichtigste Lektion seines Besuchs im Silicon Valley: Die Welt hat sich geändert. Es droht ein Tsunami an Maschinen und KI-Systemen, die uns ersetzen und wegen denen weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird. Sehen wir uns nur die Autoindustrie an. Diese recherchiere ich für mein kommendes Buch “Der letzte Führerscheinneuling” gerade ausführlich. Und die Zahlen und Fakten zeigen, wie weit die Entwicklungen bereits vorangeschritten sind.

+++ Silicon Valley – Das Tal der Einhörner +++

In Deutschland werden eine halbe Million LKW-Fahrer überflüssig

Selbstfahrende Fahrzeuge brauchen keine Fahrer. Damit werden alleine in Deutschland 540.000 Lastwagenfahrer bis 2030 überflüssig, in den USA über drei Millionen. Hunderttausende Taxifahrer und Chauffeure ebenso. Autonome Fahrzeuge, die sich an Regeln halten brauchen keine Verkehrspolizisten oder Verkehrsrichter mehr. Wenn solche Autos sicherer fahren und weniger Unfälle verursachen, dann fallen die Jobs von Mechanikern und Krankenpflegern weg, die heute weltweit 10 Millionen Verletzte und 1,2 Millionen Verkehrstote versorgen müssen. Sie benötigen weniger Infrastruktur wie Straßen und Parkplätze. Davon ist die Baubranche betroffen.

“Kutscher um 1900 konnten noch auf den Chauffeurberuf umsatteln, aber was machen LKW- und Taxifahrer mit selbstfahrenden Fahrzeugen?”

E-Mobility und Sharing kosten weitere Jobs

Auch die Autoherstellung selbst wird hart getroffen. Ein Achtzylindermotor besteht aus 1.200 Einzelteilen. Rechnet man die Teile von Getriebe, Abgasanlage und Tank hinzu, dann kommt man auf 2.000 Teile die zusammengesetzt und gewartet werden müssen. Elektrische Fahrzeuge haben weniger als zwei Dutzend bewegliche Teile. Dadurch wird ein Drittel aller in der Automobilindustrie Beschäftigten überflüssig, die heute allesamt mit Motorteilen arbeiten. Und wir können diese Motorexperten nicht einfach auf Batteriechemie umschulen. Kutscher um 1900 konnten noch auf den Chauffeurberuf umsatteln, aber was machen LKW- und Taxifahrer mit selbstfahrenden Fahrzeugen? Dabei sind die Jobverluste durch Sharing-Modelle noch gar nicht berücksichtigt. Nach Vorhersagen könnte durch Uber, Zipcar und Co. die Anzahl der Autos auf den Straßen um zwei Drittel bis neun Zehntel verringert werden.

Jobverluste werden diesmal nicht ausgeglichen

Eines ist klar: Diese Änderungen kommen schnell. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass bis 2030 drei Viertel dieser automobilrelevanten Jobs verloren gehen werden. Wir sprechen vom Verlust einer halben Million Arbeitsplätze in der Autoherstellung, alleine durch die Einführung von selbstfahrenden, elektrischen Ubers. Und das ist nur eine Branche, eine Industrie. Gleichzeitig ist nicht zu erkennen, dass durch die neuen Technologien Jobs in einem Maße geschaffen werden, die die Jobverluste ausgleichen werden. In der Vergangenheit war das oft der Fall, heute aber scheinen sich Experten einig, dass es diesmal anders sein wird.

“Niemand kann behaupten, dass diese Menschen nicht arbeiten wollen. Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben.”

Wir stehen vor einer in der menschlichen Geschichte beispiellosen Umwälzung in der Arbeitswelt, die nicht nur gering qualifizierte, sondern hoch angesehene Berufsgruppen betreffen wird. Niemand kann behaupten, dass diese Menschen nicht arbeiten wollen. Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben. Was sollen sie machen? Was machen wir mit ihnen?

“Das 21. Jhd. erfordert Lösungen, die nicht aus dem 19. Jhd. stammen”

Politik und Gesellschaft stehen vor einer immensen Herausforderung. Einige der Probleme, die uns heute beschäftigen, sind bereits Vorboten dieser digitalen Revolution. Wir müssen eine Diskussion zu Lösungen für das 21. Jahrhundert führen, die losgelöst ist von den ideologischen Diskussionen des 19. Jahrhunderts. Es hilft nicht mehr reflexartig mit Begriffen wie “Klassenkampf” und “Maschinensteuer” um sich zu werfen. Wir müssen verstehen, dass das 21. Jahrhundert sich grundlegend vom 19. unterscheidet. Das 21. Jahrhundert erfordert Lösungen, die nicht aus dem 19. Jahrhundert stammen, sondern aus dem 21. Jahrhundert. Bei den Fragen ist es schließlich auch so.

+++ 5 Trends, die unsere Zukunft für immer verändern werden +++

Grundeinkommen könnte die Lösung sein

Das Silicon Valley gibt und das Silicon Valley nimmt. Wenn wir nicht aufpassen und uns nicht jetzt mit diesen Fragestellungen auseinandersetzen, dann verschlimmern wir unsere Situation. Die Schweiz ist da bereits einen Schritt weiter. Dort gab es dieses Jahr bereits eine breitere Diskussion zu einem Grundeinkommen, das eine mögliche Lösung für diese fundamentalen Änderungen sein könnte. Dieses Jahr wurde es noch mit breiter Mehrheit abgelehnt. Aber auch hier in Österreich sollten wir diese Diskussion beginnen. Ernsthaft, aufrichtig und mit der Bereitschaft die Ideologie aus dem 19. Jahrhundert beiseite zu legen, einen Schritt zurück zu nehmen, den Blick auf das größere ganze werfen, und Antworten aus dem Heute für die Menschen von heute und morgen zu finden.


Zur Person: 

Mario HergerDr. Mario Herger ist der CEO von Enterprise Garage Consultancy und lebt seit 2001 im Silicon Valley. Der langjährige SAP-Entwicklungsleiter und Innovationsstratege berät Unternehmen, wie sie den innovativen und entrepreneurischen Spirit aus dem Silicon Valley auf ihre Organisationen übertragen können. Als Autor ist er mit dem Buch “Das Silicon Valley Mindset” erfolgreich.

Deine ungelesenen Artikel:
19.12.2024

AI-Cybersecurity-Startup von Sebastian Kurz schreibt neunstellige Umsätze

Das Cybersecurity-Startup rund um Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz verzeichnet neunstellige Umsätze. Und feiert diesen und weitere Meilensteine in der Wüste.
/artikel/ai-cybersecurity-startup-von-sebastian-kurz-schreibt-neunstellige-umsaetze
19.12.2024

AI-Cybersecurity-Startup von Sebastian Kurz schreibt neunstellige Umsätze

Das Cybersecurity-Startup rund um Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz verzeichnet neunstellige Umsätze. Und feiert diesen und weitere Meilensteine in der Wüste.
/artikel/ai-cybersecurity-startup-von-sebastian-kurz-schreibt-neunstellige-umsaetze
Cocoon Capital Advisory Sebastian Kurz - Startups und Beteiligungen - Dream Security
Sebastian Kurz | (c) EVP via Wikimedia Commons

Vor gut zwei Jahren co-gründete der österreichische Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz das Cybersecurity-Startup Dream Security. Mit an Bord ist Shalev Hulio, Ex-CEO der Spionagefirma NSO. Bereits zum Start holte sich das Unternehmen 20 Millionen US-Dollar Kapital. Kurz hielt danach ein Drittel der Anteile.

Investment an Gaza-Grenze

Im November 2023 holte sich Dream ein neues Investment in Höhe von 33,6 Millionen US-Dollar. Kurz hielt danach noch rund 20 Prozent der Anteile. Das Kapital kam primär von den Bestandsinvestoren Aleph und Group 11 – beide aus Israel. Kurz darauf bezifferte das Wall Street Journal die Bewertung der Kurz-Startups mit rund 200 Millionen US-Dollar.

“Die heutige Cyberlandschaft erfordert innovative Ansätze, um aktuellen Bedrohungen effektiv und zielgerichtet zu begegnen. Dank dieser Finanzierungsrunde sind wir in der Lage, weiterhin rasch zu wachsen”, kommentierte der Ex-Kanzler in einem Statement, das brutkasten damals erhielt.

Seither zeigt der eskalierte Gaza-Konflikt Auswirkungen auf Dream Security. So war CEO Shalev Hulio zum Zeitpunkt des letztjährigen Investments selbst als Reservist in der israelischen Armee tätig. Unterschrieben wurde der damalige Investment-Vertrag von Hulio in Uniform an der Grenze zu Gaza.

125 Millionen US-Dollar Umsatz

Im November 2023 zählte das Unternehmen noch 70 Mitarbeiter:innen – 60 davon in Israel. Mittlerweile sei die Belegschaft auf 150 Mitarbeitende gewachsen. “Ihr seid der Grund dafür, dass wir heute dort stehen, wo wir sind”, so der Ex-Kanzler in einem seiner jüngsten LinkedIn-Postings. Gedankt wird auch den bisherigen Investor:innen, darunter Dovi Frances, der Group 11 und Michael Eisenberg, Partner bei Aleph. Überdies verkündet Ex-Kanzler Kurz, mit Dream bereits “über 125 Millionen US-Dollar Umsatz in Europa, dem Nahen Osten und Asien” erreicht zu haben.

Party in der Wüste

Darüber hinaus schreibt Kurz auf LinkedIn: “Für uns als Österreicher war es eine neue Erfahrung, eine Party in der Wüste zu feiern, und dazu noch dem Thema entsprechend gekleidet zu sein… das hat auf jeden Fall eine Menge Spaß gemacht!” Gefeiert wurden die genannten Meilensteine laut dem Posting im Rahmen eines “Tribe-Events”.

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben”

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben”

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben”

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben”