19.08.2021

Marie Ringler: “Mir macht die Zukunft auch manchmal Angst”

Marie Ringler war Politikerin, leitet Ashoka in Österreich und ist Vize-Präsidentin des Forums Alpbach. Ein Gespräch über Zukunftsängste und Lichtblicke.
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Marie Ringler leitet Ashoka in Österreich © Ashoka
Marie Ringler leitet Ashoka in Österreich © Ashoka

Marie Ringler war lange in der Politik tätig, brachte 2010 Ashoka nach Österreich, ist seit 2018 Europachefin von Ashoka und seit 2020 auch Vize-Präsidentin des Europäischen Forum Alpbach. Ashoka ist die weltweit größte Organisation zur Unterstützung von Social Entrepreneurs. Im brutkasten-Interview spricht sie über zufällige Begegnungen in Alpbach, Zukunftsängste, Herausforderungen wie Klimakrise und Pandemien und dem Mut junger Menschen.

Jungen Menschen haftet heute immer ein wenig das Vorurteil an, eine Wohlstandsgeneration ohne große Krisen und Kriege zu sein. Gleichzeitig scheint für Pandemien und Klimakrise kaum jemand einen ganz konkreten Plan zu haben. Wie kann man jungen Menschen wieder Mut machen?

Marie Ringler: Ich würde dem widersprechen, dass junge Menschen keinen Mut haben. Sie schauen nicht pessimistisch und tatenlos zu, ganz im Gegenteil. Einer der Gründe, warum die Klimakrise auf der Agenda ist, ist, weil junge Menschen auf die Straße gegangen sind.

In letzter Zeit hat man bei Politikern aber oft den Eindruck, dass sie sich vor konkreten Antworten etwas drücken. Und das, obwohl die Klimakrise in diesem Jahr besonders spürbar ist, auch hier in Zentraleuropa.

Ich würde provokant sagen: vielleicht sollte man den Politikern nicht so viel zuhören. Es gibt sehr viele Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, Menschen mit unternehmerischem Hintergrund und zivilgesellschaftlichem Engagement, die ganz genau wissen, was zu tun ist und es auch tun. Ich wehre mich gegen diesen Kulturpessimismus. Die Politik ist sicher oft viel zu langsam, aber das ist ja kein neues Phänomen.

Kann es helfen, die Politik agiler zu machen?

Ich habe in den letzten Jahren meine Aufmerksamkeit immer weniger der Politik geschenkt. Ich sehe ganz andere Akteure, die in der Gesellschaft einen wichtigen Beitrag leisten. Zum Beispiel Social Entrepreneurs mit ihren innovativen Lösungen, auch aus dem Netzwerk Ashoka. Es sind Unternehmen, durchaus auch mit einem For-Profit-Anspruch, die hier eine Vorreiterrolle haben. Natürlich gibt es auch Greenwashing und Menschen, die noch ein paar Jahre in ihrem Porsche sitzen bleiben. Ich schaue aber immer dorthin, wo die Energie ist. Die ist bei innovativen Unternehmern und Unternehmerinnen und ich denke, dass es uns allen gut tun würde, den Fokus zu verlagern.

Unternehmen haben gerade in Österreich nicht immer das beste Image, wie im Frühjahr auch eine Deloitte-Umfrage unter jungen Menschen gezeigt hat. Wie kann man das ändern?

Es ist ja gut so, dass die Jungen da einen kritischen Blick haben. Das ist einer der Gründe, warum sich viele Unternehmen ändern. Es braucht die lauten und frechen Stimmen. Das ist einer der Antriebsmotoren von Veränderung in der Gesellschaft. Wer diese Stimmen nicht hören will, findet vielleicht irgendwann keine Mitarbeiter mehr. Dann habe ich kein Mitleid.

Findest du es verständlich, dass einem die Zukunft heute Angst machen kann?

Ja, ich verstehe das. Mir macht die Zukunft auch manchmal Angst. Sie macht mir manchmal Angst, wenn ich mir überlege, was all das, was auf uns zukommt für meine Tochter oder meine möglichen Enkelkinder bedeutet. Aber gleichzeitig beschäftige ich mich aus einem Interesse heraus mit unserer „deep past“, also damit, wie Menschen vor 12.000 Jahren oder 40.000Jahren gelebt haben. Wie sind wir überhaupt zu den Kulturwesen geworden, die wir heute sind? Das beruhigt mich, denn wenn man sich überlegt, was die Menschheit bereits an Katastrophen, Veränderungen, Herausforderungen bewältigt hat, bin ich mir ziemlich sicher, dass wir auch die Herausforderungen, die wir gerade haben, gut meisten können. Die letzten Jahrzehnte waren sehr bequem und haben uns vermittelt, dass eigentlich alles immer besser wird. Das war ein bisschen trügerisch und unsere Unsicherheit heute ist vielleicht auch eine Trauer darum, dass wir uns von etwas Bequemheit verabschieden.

Also doch persönlicher Verzicht, um auf die aktuelle politische Debatte rund um die Klimakrise zu referenzieren.

Ich glaube, dass wir die Art und Weise, wie wir leben, verändern werden. Damit werden Veränderungen verbunden sein, die auf den ersten Blick ein Verzicht sind. Alles andere wäre naiv und ein ungeschickter Versuch, um Menschen in Sicherheit zu wiegen. Der wesentliche Punkt ist, wie wir alle auf diesem Weg der Gestaltung mitnehmen können. Wenn wir als einzelne das Gefühl haben, etwas bewirken und bewegen zu können, dann werden wir mit diesen Veränderungen auch positiver umgehen können.

In der Coronakrise gab es auch einen Konflikt zwischen Alt und Jung. Zuerst hieß es, junge Menschen müssen zurückstecken, um Alte und Schwache zu beschützen. Dann gab es einen gewissen Impfneid zwischen den Generationen und jetzt müssen sich Junge wieder anhören, dass sie die Treiber der Pandemie sind. Hat Corona Generationenkonflikte verstärkt?

Eine große Herausforderung für uns Menschen ist, dass die meisten von uns ein ziemlich schlechtes Gedächtnis haben. Wir vergessen relativ schnell, wie es war, als wir Teenager waren. Irgendwann fühlt sich das Jetzt als das einzige Richtige an. Das ist vielleicht eine legitime psychologische Reaktion. Es ist aber auch einer der Gründe, warum wir so schnell vergessen, wie es ist, jung zu sein. Und wir vergessen vielleicht auch, wie viel Veränderung wir in unserem Leben schon bewältigt haben. Zu sagen, Ich war immer so, ist natürlich Blödsinn. Wir können diese Herausforderungen nur mit viel Empathie lösen. Da ging es in der Pandemie nicht nur um Konflikte zwischen Generationen, sondern auch zwischen Frauen und Männern, zwischen Menschen, die einen Balkon haben und Familien, die in winzigen Wohnungen leben. Am Ende des Tages sollte man nicht den Fehler begehen, zu glauben, dass die eigene Perspektive die einzige richtige ist.

Ich will nicht schwarzmalen, aber es sind ja nicht nur Pandemien und Klimakrise, die jungen Menschen Sorgen bereiten können. Der Arbeitsmarkt ist auch nicht für alle einfach. Eine höhere Ausbildung ist schon lange keine Jobgarantie mehr. Einstiegsgehälter bleiben oft sehr lange niedrig. Und bei berufsorientierten Ausbildungen besteht angesichts der schnellen technologischen Entwicklung die Gefahr, dass sie veraltet ist, sobald man sie abgeschlossen hat. Wie kann man sich heute am besten auf den Arbeitsmarkt vorbereiten?

Unser Schulsystem versagt, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche auf diese unsichere Zukunft vorzubereiten. Wir sollten die Problemlösungskompetenz viel stärker fördern. Stattdessen gaukeln wir vor, dass das was man heute in der Schule lernt auch in 30 Jahren noch relevant ist. Wir wissen ja eigentlich alle, dass das nicht so ist. Die Zukunftskompetenzen liegen in Problemlösung, in sozialen Kompetenzen wie, in Teams zu arbeiten, empathisch zu sein und auf andere zuzugehen.

In Alpbach spielen junge Menschen eine große Rolle – es gibt die Seminarwoche, Stipendien, Challenges. Bekannt ist das EFA aber für das Networking abseits des Programms, wo Politiker und Firmenchefs dann oft wieder unter sich sind. Wird dieses Image im seit letzten Jahr großteils neuen Präsidium diskutiert?

Ich sehe einen großen Wert im informellen Austausch. Wir diskutieren aber im Präsidium, wie wir diese Räume so gestalten können, dass die Vielfalt der Stimmen derer vor Ort gehört wird. Wir wollen diese zufälligen Begegnungen fördern, die oft ganz wesentlich sind im Leben und für Aha-Momente. Wir arbeiten daran, dass diese Zufälligkeiten noch zufälliger und überraschender werden. Wir laden auch unsere Firmenchefs und Politiker dazu ein, sich überraschen zu lassen.

Auf welche Alpbach-Highlights freust du dich heuer besonders?

Ich freue mich auf einige spannende neue Format-Ideen, die das Team entwickelt hat. Das reicht von Einladungen zum Wandern über eine noch stärkere Verwebung von Kunst und Programm. Es gibt aber auch einige Kapazunder und Vordenker:innen, die kommen werden. Zum Beispiel Sandrine Dixson-Declève, die Co-Präsidentin des Club of Rome. Ich freue mich aber auch auf Gonzalo Muñoz, einen Social Entrepreneur, der am letzten Klimagipfel in Chile zum Climate Champion gekürt wurde und das, was bei COP25 entstanden ist, nach Alpbach mitnehmen wird, auch, um Gedanken zum nächsten Klimagipfel anzustoßen. Diese Bandbreite von Menschen, die aus klassischen Unternehmen kommen, aber auch Leuten wie Lubomilla Jordanova, die ein ClimateTech-Startup gegründet hat, kann für viele überraschende Momente sorgen.

Das Europäische Forum Alpbach findet 2021 als hybrides Event von 18. August bis 3. September statt. Der brutkasten ist Medienpartner und setzt unter anderem gemeinsam mit dem Forum Alpbach Network das tägliche Live-Video-Format “Good Morning, Alpbach” um. Ein Reporter-Team führ vor Ort Interviews mit Expert:innen und Vordenker:innen und berichtet von den spannenden Zukunftsdebatten.

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CEO und Gründer Arnulf Sorgo (c) Ging It

Das Klagenfurter Startup Ging It entstand beinahe zufällig. Während der Corona-Pandemie sah sich der langjährige Immobilienmakler Arnulf Sorgo vor einer großen Herausforderung: Das Immobiliengeschäft war zeitweise zum Erliegen gekommen. Sorgo musste kreativ werden, um mit Kund:innen den Kontakt zu halten. So kam ihm eine Idee: Anstatt gewöhnliche Visitenkarten zu verschicken, begann er, handgemachte Ingwer Shots zu versenden. Auf den Fläschchen druckte er QR-Codes, die zu seinen Immobilienprojekten führten.

Diese Idee fand großen Anklang, sodass die Immobilien fast in den Hintergrund rückten, erzählte Sorgo. Im April 2022 gründete er daraufhin das Startup Ging It. Vordergründig geht es dem Unternehmen nicht nur um den Verkauf von gesunden Ingwer Shots –  vielmehr steckt hinter der Geschäftsidee von Ging It ein durchdachtes Marketingtool.

Ging It verkauft “gesunde Visitenkarte” an Unternehmen

Anstatt nur gewöhnliche Ingwer-Shots zu verkaufen, verfolgt Ging It die Vision, eine „gesunde Visitenkarte“ im B2B-Bereich zu schaffen. Die handgemachten Shots sollen Unternehmen die Chance bieten, „einen bleibenden Eindruck“ zu hinterlassen. Ging It-Shots eignen sich als „Give-Away, Mitarbeiter-Benefit oder Welcome-Drink“ und sollen eine klare Botschaft vermitteln: „Hier geht es nicht nur um das Business, sondern auch um das Wohlbefinden“. Unternehmen können die Produkte auf der Ging It-Website erwerben und dann als Marketingtool verschenken. Im Interview mit brutkasten erklärt CEO Sorgo, dass sein Startup „den verstaubten Ingwer aus der Schublade“ holt und daraus „eine coole Lifestyle-Marke macht, die man gerne verschenkt“. Auf diese Weise möchte Ging It zu einem positiven Image seiner Kund:innen beitragen.

Ging It konzentriert sich nach eigenen Angaben aktuell zu 90 Prozent auf den B2B-Bereich. Dennoch sind die Produkte auch für Privatkund:innen im Onlineshop und in ausgewählten Billa Corso-Filialen erhältlich.

Ging It-Produkte sollen Energie liefern und Wohlbefinden fördern

Das Kernprodukte von Ging It, die Energy-Shots, sind derzeit in zwei Sorten erhältlich: Ginger und Mango. Je nach Variante enthalten sie natürliche Zutaten wie Ingwer, Mango, Papaya und Kurkuma. Ergänzend dazu bietet der Onlineshop einen Ingwersirup und verschiedene Geschenkboxen an. Für besondere Anlässe können Unternehmen die Ging It-Produkte sogar individuell branden oder beschriften lassen.

Die Shots sind konzipiert als „Kraftpaket für das Immunsystem“ – mit entzündungshemmenden Inhaltsstoffen, die den Körper stärken und Erkältungen vorbeugen. Darüber sollen die Ging It-Produkte natürliche Energie liefern und das Wohlbefinden fördern. Sie sind reich an Vitamin C, Magnesium und Eisen.

Produktion erfolgt zu 100 Prozent in Kärnten

Alle Produkte von Ging It sind bio-zertifiziert, was durch die enge Zusammenarbeit mit Landwirt:innen gewährleistet werde. Die Produktion erfolgt zu 100 Prozent in Kärnten, womit das Unternehmen die lokale Landwirtschaft stärken möchte. So will Ging It „Frische und Geschmack direkt aus der Region“ sicherstellen. Die industrielle Abfüllung der Shots übernimmt die Firma Kärntner Frucht, während die “hochwertige Verpackung” von der ABC Auftragsfertigung aus Klagenfurt angefertigt wird.

Momentan besteht das Ging It-Kernteam aus drei Leuten: CEO Arnulf Sorgo wird von seinem Sohn Matteo unterstützt, der für den Social-Media-Auftritt und die Website des Unternehmens verantwortlich ist. Verena Geier, die als Visionary in Sales & Business tätig ist, kümmert sich unter anderem um die Weiterentwicklung der Produkte und den Export ins Ausland.

Kärntner Sparkasse zählt zu den größten Kunden

Die Geschäftsidee des Startups zeigt Erfolg: Zu den größten Kunden zählen inzwischen namhafte Unternehmen wie die Kärntner Sparkasse, die Raiffeisenbank und die Kärntner Landesversicherung. Unterstützung erhielt Ging It durch eine stille Beteiligung der “StartInvest” der Kärntner Sparkasse. Darüber hinaus finanziert sich das Startup aus seinen laufenden Umsätzen und hat bislang keine Investoren an Bord.

Neben Ging It ist CEO Sorgo weiterhin im Immobiliengeschäft tätig. Doch der Aufbau der Marke nimmt aktuell viel seiner Zeit in Anspruch. Die Weiterentwicklung des Startups empfindet er als „sehr spannend“ und „eine ganz neue Erfahrung im Vergleich zur Immobilienbranche“, äußert er gegenüber brutkasten.

Ging It gründet Vertriebsfirma in Dubai

Nun steht Ging It vor dem nächsten Schritt: „Das Unternehmen ist bereit für den großen Markt“, versichert Arnulf Sorgo. Derzeit arbeitet das Startup intensiv an der Gründung einer eigenen Vertriebsfirma in Dubai. Sorgo sieht dort großes Potenzial, da es in Dubai üblicher sei, Kund:innen zu beschenken. Außerdem könne Ging It mit seinen 100% Bio-Produkten aus Österreich bei den Dubai tätigen Unternehmer:innen punkten. Ziel ist es, beim nächsten Gulfood-Event im Februar 2025 in Dubai mit den Ging It-Produkten und der neuen Vertriebsfirma präsent zu sein.

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