07.06.2023

Manufacturing Day 2023: “Die nächsten 10 Jahre werden mehr Veränderungen bringen, als die letzten 100”

Auf der ViennaUP’23 soll die Fertigungsindustrie nicht zu kurz kommen. Der Manufacturing Day von EIT Manufacturing brachte bereits zum dritten Mal wichtige Vertreter:innen der Branche auf die Bühne in Wien.
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V.l.: Mariana Mazzucato, Michael Friedl (Advantage Austria), Werner Wutscher (New Venture Scouting), Johannes Hunschofsky (EIT Manufacturing) auf der Bühne des Manufacturing Days 2023 in Wien. © Matthias Heschl
V.l.: Mariana Mazzucato, Michael Friedl (Advantage Austria), Werner Wutscher (New Venture Scouting) und Johannes Hunschofsky (EIT Manufacturing) auf der Bühne des Manufacturing Days 2023 in Wien. © Matthias Heschl
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Auch in diesem Jahr fand im Rahmen der ViennaUP’23 der Manufacturing Day in Wien statt. Die dritte Version des EIT Manufacturing Ökosystem-Events bot erneut eine Plattform für das Netzwerk der europäischen Fertigungsindustrie. Ziel ist dabei nicht nur, die heimische Industrie zu fördern, sondern auch internationale Player aus der Branche in die Donaumetropole zu holen. Mehr als 200 Menschen kamen für Paneldiskussionen, Matchmaking und Keynotes unter dem Motto “Green is the new black – From Smokestacks to Sustainability” in die Seestadt in Wien.

Das Netzwerk der Manufacturing Industrie

“Wir haben in unserer Arbeit auf der ViennaUP den Auftrag, den Manufacturing-Bereich abzudecken. Unser Ziel ist es, internationale Startups anzuziehen und sie mit Unternehmen sowie Investor:innen zu vernetzen und Austausch und Kooperationen in der Industrie anzuregen”, erklärt Johannes Hunschofsky, Managing Director, EIT Manufacturing East. Um Innovationen zu fördern, sollen somit unterschiedlich große Player miteinander vernetzt werden. 

Der EIT Manufacturing Day 2023

Und das ist auch in diesem Jahr wieder gelungen. Zeitgleich zur ersten Woche der ViennaUP’23 fand auch das gemeinsame Programm von EIT Manufacturing und der Wirtschaftsagentur Wien “Discover Vienna: Manufacturing Edition” statt. Im Zuge dieses Programms werden internationale Industrie-Startups nach Wien eingeladen und mit dem lokalen Ökosystem vernetzt. Neben Firmenvorstellungen und Meetings, sind Netzwerkveranstaltungen wie der Manufacturing Day wichtige Eckpunkte auf der Agenda der Startups. 

Drei Revolutionen für die Fertigungsindustrie

Zwei besondere Highlights am Manufacturing Day waren die beiden Keynotes von Futurist Gerd Leonhard und Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato. Leonhard stellte in seinem Eröffnungsvortrag die These auf, dass die kommenden zehn Jahre mehr Veränderungen mit sich bringen werden, als die vergangenen 100 Jahre. Grund dafür seien die aktuell drei fortschreitenden Revolutionen: Die digitale Revolution, die Nachhaltigkeits-Revolution und die Sinnhaftigkeits-Revolution (engl.: digital revolution, sustainability revolution and purpose revolution). 

Diese Revolutionen würden nicht nur die Gesellschaft, sondern auch speziell den Fertigungssektor betreffen. “Besonders die Weiterentwicklung der Manufacturing-Technologien wird sich in diese Richtung bewegen. Sustainability ist dabei der größte Faktor”, meint Leonhard im Gespräch.

Grüne Transformation der Manufacturing Industrie

Mariana Mazzucato wurde für ihre Keynote auf dem Manufacturing Day 2023 live zugeschaltet. Darin sprach sie über die grüne Transformation der Fertigungsindustrie und inwieweit Innovationen gefördert werden müssen, um die nötigen Schritte zu forcieren. Schließlich sei die Fertigungsindustrie ein großer Hebel für die Nachhaltigkeit.

Direkt im Anschluss an ihre eigene Präsentation, stieg Mazzucato in die Paneldiskussion mit Michael Friedl (Advantage Austria) und Werner Wutscher (New Venture Scouting) ein. Abgerundet wurde das Programm durch ein weiteres Highlight – Die Startup-Pitches. 

Neun Startup-Pitches: Preisgeld, Business Support und Nachhaltigkeitspreis

Insgesamt präsentierten sich neun internationale Startups aus der Fertigungsindustrie auf der Bühne des Manufacturing Days. Die drei besten wurden von der Jury mit Preisen gekürt. Neben diversen Preisgeldern sponserte die Wirtschaftsagentur Wien einen Special-Award für das Startup mit der nachhaltigsten Businesslösung. Zudem wurden die teilnehmenden Startups auch mit Business Support-Preisen gekürt. Im Zuge dessen werden die jungen Unternehmen für einige Monate Unterstützung in der Geschäftsentwicklung sowie Mentoring und Coaching von EIT Manufacturing erhalten.

Den ersten Platz konnte sich das Startup 7LYTIX aus Linz sichern. Durch die Analyse von (Sensor)-Daten und den Einsatz künstlicher Intelligenz kann das Team den optimalen Zeitpunkt für die Wartung von Maschinen oder Produktionsanlagen ermitteln. Auf dem zweiten Platz landete das tschechische Startup InovecTechnology. Mithilfe ihres KI-gesteuerten digitalen Zwillings eines Industrielagers können Echtzeit- und Bestandsanalysen von Material und Fahrzeugen generiert werden. Das Wiener Unternehmen Holloid konnte sich gleich zwei Preise sichern. Mit ihrer Lösung für eine bildbasierte 24/7 Echtzeit-Inline-Überwachung von Flüssigkeiten, zur Kostensenkung, Qualitätsverbesserung und erhöhter Sicherheit bei Herstellern von Lebensmitteln, Pharamzeutika und Energie, ergatterte das Startup nicht nur den dritten Platz, sondern gewann auch den GreenTech Award der Wirtschaftsagentur Wien.

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Stimmen aus der Szene zu Blau-Schwarz: vlonru.: Johannes Mansbart, Kosima Kovar, Kilian Kaminski, Berthold Baurek-Karlic, Walter Kreisel, Sander van de Rijdt, Hannah Wundsam und Marcus Lebesmühlbacher
vlonru.: Johannes Mansbart, Kosima Kovar, Kilian Kaminski, Berthold Baurek-Karlic, Walter Kreisel, Sander van de Rijdt, Hannah Wundsam und Marcus Lebesmühlbacher | © Chatarmin / Philipp Lipiarski / refurbed / Foto Wilke / brutkasten / brutkasten / AustrianStartups / Holloid

Es sei “wirklich nicht einfach öffentlich zu beantworten”. “In diesem Fall mag ich eher kein Statement abgeben.” Und sogar: “Ich will ich mich aus Sorge vor zukünftigen Repressalien nicht öffentlich äußern.” Das sind Antworten auf einen brutkasten-Rundruf in der Startup-Szene zur aktuell verhandelten blau-schwarzen Regierung. Schnell wird klar: Anders als über der Grenze in Deutschland, wo im Vorfeld der Bundestagswahl aus der Startup-Welt mitunter sehr klare politische Statements kommen, dominiert hierzulande die Vorsicht. Viele äußern sich lieber gar nicht, um keinen Interpretationsspielraum offenzulassen. Und von jenen, die sich äußern, kommt meist keine konkrete Positionierung.

“Siehst Du die Entwicklung positiv, negativ oder mit gemischten Gefühlen? Was könnten die Vorteile, was die Nachteile für heimische Startups bzw. die Wirtschaft im Allgemeinen, aber auch Teilbereiche wie GreenTech werden?” – so lautete die Fragestellung in der brutkasten-Anfrage. Während es, wie erwähnt, ein paar dezidierte Absagen gab und andere gar nicht auf die Anfrage reagierten, bekam brutkasten doch einige Statements zurück, die mal mehr und mal weniger auf die von Blau-Schwarz zu erwartenden Schwerpunktsetzungen eingehen.

Wundsam mahnt Pro-EU-Kurs ein

Hannah Wundsam
Hannah Wundsam, Co-Managing-Director bei AustrianStartups | (c) AustrianStartups

Eine klare Anspielung auf die bekannte EU-Skepsis der FPÖ macht etwa AustrianStartups-Co-Managing-Director Hannah Wundsam: “Eine der zentralen Grundlagen für Österreichs Wettbewerbsfähigkeit ist ein starkes Europa. Damit die Startup-Szene wachsen kann, braucht es einen gemeinsamen Kapitalmarkt, den Abbau bürokratischer Hürden und eine klare europäische Vision. Meine Hoffnung ist, dass auch eine schwarz-blaue Regierung diese Prioritäten erkennt und Initiativen wie eine ‘EU Inc’, die eine einfachere Skalierung innerhalb Europas ermöglichen, unterstützt.”

Hoffnung und deutliche Worte von van de Rijdt

PlanRadar-Co-Founder und -CEO Sander van de Rijdt setzt durchaus Hoffnungen in eine FPÖ-ÖVP Regierung: “Wie bereits mehrfach geäußert, glaube ich, dass wir eine sofortige Bremse bei den Staatsausgaben brauchen und keinesfalls zusätzliche steuerliche Belastungen kommen dürfen, um dem Wirtschaftswachstum nicht den endgültigen Todesstoß zu versetzen. Die Chance darauf ist mit Blau-Schwarz vielleicht etwas höher.”

PlanRadar Co-Founder und CEO Sander van de Rijdt
PlanRadar Co-Founder und CEO Sander van de Rijdt | (c) der brutkasten / Martin Pacher

Allerdings äußert van de Rijdt – mit für die heimische Szene ungewohnt deutlichen Worten – auch Kritik an der FPÖ: “Ich frage mich bei Blau oftmals, ob die handelnden Personen an ihre teils sehr bedenklichen Positionen und Stellungnahmen tatsächlich selbst glauben oder ob dies aus rein politischem Kalkül passiert”, so der Gründer. “Dementsprechend sehe ich dem ganzen mit eher gemischten Gefühlen entgegen, insbesondere auch nach der ganzen verlorenen Zeit. Wichtig wird es aber auf jeden Fall sein, jetzt endlich eine Entscheidung zu haben und ins Handeln zu kommen.”

“Besorgnis” und klare Position von Kaminski

“Als Unternehmen vertreten wir keine parteipolitischen Interessen. Für uns zählen solide politische Rahmenbedingungen, die Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt gleichermaßen fördern”, stellt refurbed-Co-Founder Kilian Kaminski auf brutkasten-Anfrage klar. Er kommentiert die blau-schwarzen Verhandlungen ausführlich. Diese beobachte man “mit Interesse, aber auch mit einer gewissen Besorgnis”. “Was bisher aus den Verhandlungen und den Programmen der beiden Parteien bekannt ist, widerspricht unseren Vorstellungen zukunftsfähiger Maßnahmen”, so der Gründer. “Für uns ist klar: Eine neue Regierung muss langfristige Lösungen vorantreiben, statt kurzfristige Symptombekämpfung nach dem Gießkannenprinzip zu betreiben.”

So könne etwa eine Senkung der Körperschaftssteuer eine Entlastung für Unternehmen bedeuten, sollte laut Kaminski aber “gezielt genutzt werden, um unsere Wirtschaft zukunftsfähig zu machen – mit nachhaltigen, wettbewerbsfähigen Strukturen für die nächsten Jahrzehnte”. Es gelte, “Bedingungen für eine kreislauffähige Wirtschaft zu schaffen, innovative und nachhaltige Unternehmen zu fördern und schädliche Subventionen der Vergangenheit umzuwidmen”.

Besonders dringend sei die Bekämpfung von Klimawandel, Umweltverschmutzung und Artensterben, die langfristig oberste Priorität sein sollte. “Ohne entschlossene Maßnahmen wird unser Leben in 25 Jahren nicht mehr vergleichbar mit dem heutigen sein. Davor schützen uns weder Steuersenkungen, Grenzen noch Traditionen”, so Kaminski. In den Programmen von FPÖ und ÖVP vermisse man aber Vorschläge, die diesen Herausforderungen gerecht werden.

Und der refurbed-Co-Founder spricht noch ein weiteres Thema der FPÖ an. “Eine ‘Festung’ ist keine Grundlage für eine moderne, innovative Wirtschaft. Diversität und Offenheit sind essenziell für unseren Erfolg bei refurbed. Bei uns arbeiten Menschen aus 42 Nationen, und wir sind in elf europäischen Märkten aktiv. Unsere Wirtschaft und unser Pensionssystem hängen von Zuzug und internationaler Kooperation ab”, schreibt Kaminski. Es brauche Investitionen ins Bildungs- und Gesundheitssystem und “keine Abschottung oder Ausgrenzung”.

Lebesmühlbacher mit Apell Richtung FPÖ und gemischten Erwartungen

Von Holloid-Gründer Marcus Lebesmühlbacher kommt ein Punkt, der sich recht eindeutig an die FPÖ richtet: “Unsere Gründer und Mitarbeiter aus zehn verschiedenen Nationen machen uns erfolgreich – unter anderem zu Österreichs Hightech-Jungunternehmen des Jahres. Ihre Beiträge stärken damit den heimischen Wirtschaftsstandort in dieser schwierigen Zeit. Ich kann nur an die zukünftigen Verantwortungsträger appellieren, sorgsam damit umzugehen.”

Holloid-Co-Founder Marcus Lebesmühlbacher | (c) Holloid

Gleichzeitig attestiert der Gründer der nun verhandelten Regierung, ihr eile ein “für österreichische Verhältnisse wirtschaftsfreundlicher Ruf voraus”. “Das ist für Startups zumindest ein positiver Faktor”, so Lebesmühlbacher, der auch konkretisiert, was er mit den “österreichischen Verhältnissen” meint: “Ich sehe hierzulande eine Bürokratie-Obsession mit wenig Hang zur Eigenverantwortung. Da kann ich ÖVP und FPÖ explizit nicht ausnehmen.”

Entsprechend wünscht er sich von der Regierung einen Bürokratieabbau, dazu noch eine Abschaffung der Pendlerpauschale und eine konsequente Anhebung des Pensionsantrittsalters. “Die Maßnahmen bringen viel und schaden dem Wirtschaftsstandort nicht. Wenn die Regierung das umsetzt, und daneben unsere Umwelt nicht zerstört wäre ich beeindruckt”, so der Holloid-Gründer. Allerdings: “Für GreenTech konkret rechne ich natürlich mit einem finanziellen und regulatorischen Dämpfer.”

Kovar pocht auf frauenfördernde Maßnahmen

Einen Appell an die wahrscheinliche kommende Regierung gibt es auf brutkasten-Anfrage von Viora-Gründerin Kosima Kovar: “Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen an einem Strang ziehen, um Österreichs Zukunft zu sichern. Als kleine, offene Volkswirtschaft ist unser Land stark von Exporten und einem leistungsfähigen Dienstleistungssektor abhängig. Studien zeigen, dass diverse Teams nicht nur besser wirtschaften, sondern auch das Arbeitsklima verbessern – und ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen ist dabei entscheidend.”

Viora-Co-Founderin und CEO Kosima Kovar | © Philipp Lipiarski

Die EU-Standards (ESRS) würden Unternehmen bereits verpflichten, Maßnahmen zur Frauenförderung zu setzen, was sowohl die Unternehmensreputation stärke als auch langfristig die Wirtschaft voranbringe. “Eine klare Erwartung an jede Regierung lautet daher: Frauen gezielt fördern. Denn wer die österreichische Wirtschaft stärken will, muss einen Fokus auf Geschlechtergleichheit (SDG5) legen”, so Kovar.

Hoffnungen und Wünsche von Baurek-Karlic, Mansbart und Kreisel

Er fände es zu früh um eine Einschätzung abzugeben, meint Venionaire-Gründer Berthold Baurek-Karlic. “Ich würde die Parteien mal arbeiten lassen”, sagt er, setzt aber nach: “Zu hoffen ist, dass die Belastungen für Unternehmer reduziert werden, Investitionen begünstigt werden, und für den Staat ein straffer Restrukturierungsplan entwickelt wird.”

Chatarmin-Co-Founder Johannes Mansbart ortet in Österreich Stagnation in den Bereichen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Steuern und sieht das Land als “Sanierungsfall”. “Daher bin ich traurig, frustriert, aber auch optimistisch, weil es kaum schlechter sein kann”, so der Gründer. Er äußert klare Wünsche an die mögliche blau-schwarze Regierung: “Den Förderdschungel auflösen, Steuerbefreiungen ermöglichen, Lohnnebenkosten in der Early-Stage attraktiver machen und die digitale Infrastruktur in der Öffentlichkeit erheblich verbessern” – konkret bei Bus, Bahn und Flug, so Mansbart.

“Weniger Einfluss auf die Wirtschaft als geringere Zinsen” attestiert neoom-Gründer Walter Kreisel auf brutkasten-Anfrage der verhandelten FPÖ-ÖVP-Regierung. Trotzdem äußert auch er Wünsche: “eine schnelle Regierung, um maximal Handlungsfähig zu werden, höchste Energieunabhängigkeit, einfachere Verfahren und schnellere Genehmigungen um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.”

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