14.09.2023

Lotuscrafts: “Wir dachten, die Yoga-Leute werden auf Amazon nichts kaufen”

Yoga-Matten und Meditationskissen: Mit Bootstrapping baute Wolfgang Fuchs seine Marke Lotuscrafts auf. Warum sich für ihn Amazon und Yoga nicht widersprechen
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Yoga ist seit Jahren Trend. Wolfgang Fuchs erkannte ihn früh. Foto: (c) Lotuscrafts
Yoga ist seit Jahren Trend. Wolfgang Fuchs erkannte ihn früh. Foto: (c) Lotuscrafts

Im Büro von Lotuscrafts in der Wiener Josefstadt öffnet Wolfgang Fuchs die Tür. Sonst ist niemand da, denn die Mitarbeiter:innen arbeiten heute remote. Ein paar befinden sich sogar im Ausland. Dabei ist es fast schade – es ist ein schönes Büro mit hellen Räumen und Parkblick. Viel ist nicht öffentlich bekannt über das Wiener Unternehmen, das Yoga-Zubehör verkauft. Aber Yoga-Begeisterte kennen die Produkte von Lotuscrafts meistens. Wer auf Amazon nach “Meditationskissen” oder “Yogamatte” sucht, stößt schnell auf die Marke Lotuscrafts, viele Yoga-Studios verwenden die Produkte, auf denen eine große Lotusblüte prangt.

Brainstorming in indischem Yoga-Retreat

Die Lotusblüte stach dem Unternehmensgründer in Indien ins Auge, die er dort überall sah. Sie stehe für Reinheit, Schönheit und Spiritualität, erklärt er im brutkasten-Interview. “Crafts” stehe wiederum für die Wertschätzung des Handwerks – für Haptik und qualitätsvolle Materialien. Nachhaltigkeit und eine gewissenhafte Produktion spielen bei dem Wiener Unternehmen eine wesentliche Rolle.

Wolfgang Fuchs gründete Lotuscrafts 2011. “Die Geschichte ist nicht ganz geradlinig”, meint er. Seine ersten beruflichen Erfahrungen machte er nach seinem BWL-Studium beim Henkel-Konzern. “Ich bin unfreiwillig gegangen und dachte dann, dass ich was Eigenes machen will”, erklärt Fuchs. Für ein Sabbatical zog er sich nach Indien in einen Yoga-Ashram zum Nachdenken zurück – “am Fluss Ganges, dort, wo er noch ganz kühl und klein ist”, erzählt er. Danach arbeitete er zunächst als Yogalehrer und verkaufte Yoga-Artikel über einen Webshop.

Wohnzimmer-Bastelwerkstatt

In seinem Wiener Wohnzimmer saß Fuchs dann und befüllte sein erstes Produkt – ein Meditationskissen mit Dinkelspelz. Die Hüllen dafür lässt er bis heute in Indien nähen. “Da lagen dann bei mir noch jahrelang irgendwo in den Ecken die Spelzen herum”, erzählt er über diese erste Phase seines Unternehmens.

Ab dem ersten Tag eröffnete er parallel dazu auch einen Onlineshop auf Amazon Marktplatz. “Das war der Kick-Start”, so Fuchs. “Davor habe ich bereits gelernt, dass es aus Österreich fast unmöglich ist, Onlinehandel zu betreiben”, erläutert er. Der Versand nach Deutschland sei zu teuer gewesen. Das Fullfillment-by-Amazon-Programm (FBA) war sein Erfolgsrezept, weil er Lagerung und Versand durch Amazon abwickelte. “Für Österreich war das ein spannendes Geschäftsmodell, weil die Versandkosten sehr günstig waren”, so der Gründer. Geschäftsmodell und Produkt hätten zum Zeitpunkt gepasst, erzählt Fuchs.

Bootstrapping und organisches Wachstum

“Lotuscrafts ist dann organisch Schritt für Schritt gewachsen”, erklärt Fuchs. Aus dem Stoff für die Meditationskissen ließen sie irgendwann auch Yoga-Taschen herstellen, 2013 folgte die erste Yogamatte. Die nächsten Jahre erfolgten Anpassungen. “Es war dann immer ganz klar, was das nächste aufgelegte Ding ist – etwa Yoga-Blöcke aus Kork, die jeder braucht”, erklärt Fuchs.

Finanziert wurde Lotuscrafts von Anfang an aus den finanziellen Mitteln von Fuchs. “Am Anfang war ich ein bisschen naiv: Ich habe eine große Menge an Kissenbezügen bestellt und sogar Seefracht bezahlt”, erinnert sich Fuchs heute an die Anfangsphase. 10.000 Euro kostete die erste Bestellung in Indien. “Das war unsere größte Investition”, erinnert sich Fuchs. Privat Erspartes und die Teilnahme an einem Gründerprogramm mit Kleinkreditfinanzierung bildeten den Grundstein dafür. “Von da weg hat es eigentlich organisch funktioniert – bis heute”, erzählt Fuchs.

100 Prozent der Unternehmensanteile

Investor:innen wollte sich Fuchs nie in sein Unternehmen holen. Auch, weil er Lotuscrafts nicht als Startup sieht – die Hebel seien im E-Commerce nicht groß genug: “Du brauchst diesen Runway. Bei uns gibts diesen Runway nicht direkt, weil der Cashflow immer da ist”, erklärt er.

In einem speziellen Jahr sei Lotuscraft um 60 bis 70 Prozent gewachsen. “Das geht sich mit Bootstrapping aber organisch gar nicht aus”, erklärt Fuchs. Er musste dann einen Kredit aufnehmen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Im Laufe der Zeit habe es zwar auch Gespräche mit Investor:innen gegeben, aber für Fuchs war ihr Einstieg keine Option. “Eine Vielzahl waren Aggregatoren, die sich die Marke einverleiben wollten”, erklärt Fuchs.

Zeiten von Unsicherheit, Konsolidierung und Umsatzverluste werden noch schwieriger, wenn Investoren oder andere Stakeholder drin sind, die dann vielleicht Druck machen.

Wolfgang Fuchs, CEO von Lotuscrafts

Im Grunde behält er auch gerne auch die Kontrolle – das ist ihm deutlich anzumerken. Bis jetzt gehören 100 Prozent der Unternehmensanteile ihm. “Es ist eine bequeme Position, alle Anteile zu haben”, erklärt Fuchs. “Wir hatten einen Corona-Boom, aber dann auch eine Flaute. Zeiten von Unsicherheit, Konsolidierung und Umsatzverluste werden noch schwieriger, wenn Investoren oder andere Stakeholder drin sind, die dann vielleicht Druck machen”, erklärt Fuchs. Mittlerweile sei es für ihn aber auch “kein Tabu” mehr, Anteile zu verkaufen.

Vor FBA-Hype auf Amazon

“Gleich am ersten Tag gab es auf Amazon Verkäufe”, erzählt Fuchs. Er sei zur rechten Zeit auf der Plattform aktiv geworden – noch vor dem FBA-Hype in Amerika, ein Geschäftsmodell, das erst später boomte, mit Billigprodukten aus China, ohne eigenes Lager. Aber Lotuscrafts war mit seinen Qualitätsprodukten schon vorher da. “Wir haben von Tag eins den Content und das Angebot auf Amazon optimiert”, erzählt Fuchs. Sie haben den Content von Anfang an für Amazon angepasst. Wenn Amazon neue Programme anbot, z.B. für bestimmte Werbeformen, nahmen sie gleich teil, sie lernten, wie sie den Algorithmus pushen können: Nachfrage und Conversion Rate.

“Die Konkurrenz ist angewachsen, aber wir hatten den First-Mover-Vorteil”, erklärt Fuchs. Aber die Anpassung sei nicht immer einfach gewesen: “Oben sind vielleicht zwei Produkte, die sich sehr gut verkaufen, dann fällt die Kurve stark ab und die unten verkaufen zu wenig. Dort hinaufzukommen, ist immer schwieriger geworden”, meint Fuchs. Denn Lotuscrafts konkurriere mit Billigprodukten aus China. Mittlerweile seien sie bei den Matten nicht mehr so weit vorne, bei den Blöcken und Kissen aber immer noch in führender Platzierung. “Unser ultimatives Ziel ist es ein Massenprodukt zu sein, aber es besser und ökologischer zu machen, gleichzeitig aber oben bei Amazon mitzumischen”, sagt Fuchs.

Erster Popup-Store

Mittlerweile liege der Fokus jedoch stärker auf dem eigenen Onlineshop. Jetzt eröffnet Lotuscrafts sogar seinen ersten physischen Popup-Store. Dem B2C-Modell will Fuchs jedoch treu bleiben, da es große Flexibilität ermögliche.

Mittlerweile konzentriert sich Lotuscrafts vor allem auf den DACH-Raum, nachdem sich Expansionsversuche in andere Länder als schwierig erwiesen hatten. Abgesehen davon sei Italien ihr größter Markt, erklärt Fuchs. “Ich sehe, dass im E-Commerce der Trend eher ist, zu konsolidieren und sich eher auf die Heimatmärkte zu spezialisieren. Da hat man auch noch immer genug zu tun und genug zu machen”, glaubt er.

“Was wir jetzt austesten, ist zum ersten Mal ein physisches Geschäft zu machen. Und das ist eher etwas, was fast wieder diesen lokalen Charakter widerspiegelt”, so Fuchs. “Im Sporthandel sind in den letzten Jahren sehr starke Nischen entstanden. Im Fahrradbereich gibt es eigene Geschäfte, die nur Rennräder oder E-Bikes verkaufen. Die Sporthändler schaffen es nicht, diese Breite abzudecken. Es gibt dann 50 Fahrräder, die niemanden interessieren, weil jeder irgendwas ganz Billiges oder Teures oder Spezielles haben will. Im Sporthandel hat sich auch Yoga nie als Ecke etabliert, dafür ist es wieder zu klein”, erklärt er.

Amazon schreckt Yogis moralisch nicht ab

Yoga ist aufgrund seiner Herkunft stärker mit moralischen Fragen verbunden, als andere Sportarten. Amazon steht hingegen moralisch immer massiv unter Kritik – Stichwort Marktdominanz, Ausbeutung von Mitarbeiter:innen.

Fuchs steht dem US-Konzern jedoch bis heute positiv gegenüber. “Amazon hat uns damals die Chance gegeben, als kleine Marke Reichweite zu kriegen”, meint er. “Wir dachten, die Yoga-Leute werden auf Amazon nichts kaufen. Aber der Bedarf ist da. Wir bieten ein schönes Produkt an und nicht irgendeinen Schrott”, erklärt Fuchs.

Wir dachten, die Yoga-Leute werden auf Amazon nichts kaufen. Aber der Bedarf ist da.

Wolfgang Fuchs, CEO von Lotuscrafts

Die Marktdominanz des IT-Konzerns stört ihn persönlich am meisten. Kleinen Marken wie Lotuscrafts hätte die Plattform jedoch erhebliche Reichweite verschafft. Das passt zu seinem Unternehmen: “Unsere Firmenvision ist es, mit Yoga möglichst viele Menschen zu erreichen”.

Amazon ist gut zu Unternehmer:innen

Mit der Präsenz auf Amazon gehe das Unternehmen transparent um, die Sachen würden dort schließlich auch gekauft, meint Fuchs. “Erstaunlicherweise ist der Gegenwind gering. Es ist eine Tatsache, dass die Yoga-Sachen auf Amazon gekauft werden”, so der Gründer. Amazon beherrsche einen großen Marktanteil vom Yoga-Markt. “Ich als Unternehmer habe mich von Amazon immer extrem gut behandelt gefühlt”, fügt Fuchs außerdem hinzu. Denn Amazon nehme seine User:innen im Gegensatz zu anderen Plattformen ernst.

Fuchs ist selbst nach wie vor praktizierender Yogi – angefangen hat er in den 2000er Jahren. “Meine erste Yoga-Stunde war ein AHA-Erlebnis, ich war voll geflasht”, meint er. Das neue Erlebnis und Körpergefühl haben es ihm angetan und er blieb dabei. Auch wenn Fuchs mittlerweile meistens andere Trainingsformen bevorzugt – einmal pro Woche gehört Yoga auch zu seinem Training, genauso wie die Meditation, die er auch noch regelmäßig macht.

Wolfgang Fuchs gründete Lotuscrafts 2011. Foto: (c) Lotuscrafts

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Speedinvest-Partner Markus Lang über die Notwendigkeit eines Dachfonds in Österreich

Interview. Auf der invest-austria-conference haben wir mit Markus Lang, Partner bei Speedinvest und Board Member bei invest.austria, über die mögliche Ausgestaltung eines Dachfonds in Österreich gesprochen. Zudem äußert sich Lang auch zur europäischen Technologiesouveränität vor dem Hintergrund der jüngsten US-Wahlen.
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Markus Lang im Rahmen der invest.austria conference | brutkasten / martin pacher

Die Forderung nach einem Dachfonds besteht in Österreich seit längerer Zeit. Während in anderen europäischen Ländern vergleichbare Fondsmodelle bereits etabliert wurden, fehlt es in Österreich bislang an einer solchen Struktur. Ein Dachfonds funktioniert als Fund-of-Funds, bei dem das Kapital in verschiedene Venture-Capital-Fonds investiert wird, die wiederum gezielt in heimische Startups und Technologieunternehmen investieren.

Hierzulande setzt sich invest.austria im Rahmen ihrer Vision 2030 für die Schaffung eines Dachfonds ein, um den Kapitalzugang für Startups und etablierte Unternehmen zu verbessern. Auch bei der jüngsten invest.austria-conference am vergangen Mittwoch in Wien stand dieses Thema im Zentrum der Diskussion (brutkasten berichtete).

Im Interview mit Markus Lang, Partner bei Speedinvest und Board Member von invest.austria, sprachen wir über eine mögliche Ausgestaltung eines solchen Fondsmodells und die potenziellen Auswirkungen auf das österreichische Innovationsökosystem.


brutkasten: Warum brauchen wir aus deiner Sicht einen Dachfonds in Österreich?

Markus Lang: Ein erfolgreiches Ökosystem braucht zwei Dinge: Kapital und Talent. Während Österreich zweifelsfrei über viel Talent verfügt, gibt es im Bereich Kapital noch deutlichen Aufholbedarf, insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und globalen Märkten. Ein Dachfonds würde institutionelle Investoren verstärkt motivieren, in Venture Capital und Private Equity zu investieren, und so mehr Kapital, das in heimische Unternehmen fließt, freisetzen. Unser zukünftiger Wohlstand wird entscheidend davon abhängen, ob wir Hightech in Österreich ausreichend finanzieren können. Dazu zählen nicht nur Startups, sondern auch etablierte Unternehmen. Ein bewährtes Mittel, wie wir im europäischen Vergleich sehen, sind diese Dachfonds-Konzepte (Fund-of-Funds). Mit staatlicher Unterstützung setzen sie einen Stimulus, damit in weiterer Folge privates Kapital in den Markt fließen kann.

Du sprichst den staatlichen Support an. Wie müsste dieser deiner Meinung nach erfolgen? 

Für mich ist entscheidend, dass ein Management-Team vorhanden ist, das nach wirtschaftlichen Kriterien weitgehend frei agieren kann. Wichtig ist, dass das Fundmanagement die Entscheidungen so treffen kann, wie institutionelle Anleger es erwarten, und dass die öffentliche Einflussnahme minimal bleibt.

Eine Möglichkeit wäre ein finanzielles Commitment der öffentlichen Hand, um diesen Fonds zu ankern, ohne ihn allein zu tragen. Ebenso wichtig wäre ein Setup, das einerseits die Interessen der Steuerzahler wahrt, andererseits aber attraktiv genug ist, um institutionelle Anleger und Fondsmanager anzuziehen. Es gibt in Europa zahlreiche erfolgreiche Beispiele – mit dem nötigen Willen und etwas Rücksicht auf österreichische Besonderheiten ließe sich so ein Modell auch hier umsetzen. Aber dafür braucht es Mut – und die Infrastruktur, also der institutionelle Rahmen, muss jedenfalls von der öffentlichen Hand gesetzt werden.

Aktuell wird sehr viel darüber diskutiert, wo dieser Dachfonds am besten angesiedelt werden soll. Unter anderem wird dabei die Austria Wirtschaftsservice (aws) ins Spiel gebracht. Wie siehst du das?

Das österreichische Startup-Ökosystem wäre nicht dort, wo es heute ist, ohne die Austria Wirtschaftsservice (aws). Sie ist zweifellos einer der wichtigsten Unterstützer für Startups in Österreich. Für mich ist es essenziell, dass das Fondsmanagement nach marktwirtschaftlichen Kriterien entscheidet. Entscheidend ist schlussendlich, dass man hier mit dem Mindset eines Fund-of-Fund-Managers herangeht und nicht wie eine Förderbank agiert. Wenn dieses Mindset und die nötige Handlungsfreiheit in der aws, der ÖBAG oder einer neuen Entity gegeben sind, dann ist der Standort egal – Hauptsache, es wird professionell und marktnah geführt.

Wie viel staatliche Einflussnahme kann ein Dachfonds vertragen?  

Eine perfekte Lösung, bei der der Staat involviert ist, aber keinerlei Einfluss nimmt, ist unrealistisch. Es ist nicht ehrlich, staatliche Unterstützung zu fordern und zugleich vollständige Unabhängigkeit zu erwarten. Ich glaube jedoch fest an ein Modell, in dem Staat und private Investoren in einer Public-Private-Partnership zusammenarbeiten, da es auf vielen Ebenen sinnvoll ist. Der Staat stellt den institutionellen Rahmen und aus meiner Sicht auch ein Ankerticket für den Dachfonds, die Mehrheit des Kapitals kommt jedoch von privaten Investoren. Wenn man ein solches Projekt richtig aufsetzt, hat es nicht nur nachhaltig positiven Einfluss auf das Tech-Ökosystem in Österreich, sondern verdient der Republik auch gutes Geld. Hierfür gibt es international unzählige Beispiele auch aus anderen kleineren europäischen Ländern wie Portugal oder den baltischen Staaten.

Was das Management angeht, ist weniger entscheidend, wo der Fonds angesiedelt ist, sondern wer ihn führt. Entscheidend ist, dass erfahrene Personen aus dem privaten oder halböffentlichen Fundmanagement das Mandat und die Freiheit haben, ihre hohen Standards zu halten, ohne in einen starren regulatorischen Rahmen zu agieren, der die Flexibilität des Fonds einschränkt.

Der European Investment Fund (EIF) ist ein hervorragendes Beispiel: Er verwaltet öffentliches Geld, hat aber unter institutionellen Anlegern einen hervorragenden Ruf und gilt als Qualitätsindikator. Bei Speedinvest haben wir erlebt, wie der Prozess mit dem EIF als Gütesiegel bei privaten Anlegern wirkt – auch wenn er manchmal langwierig ist. Diese Mischung aus öffentlichem Engagement und privatem Qualitätsanspruch ist entscheidend für den Erfolg eines solchen Fonds.

Die Grundintention eines Dachfonds in Österreich sollte die Stärkung des heimischen Startup-Ökosystems sein. Ein zu starker nationalstaatlicher Fokus könnte jedoch die Attraktivität für Investoren mindern, oder? 

Es gibt verschiedene Modelle, die die Balance finden müssen zwischen der Freiheit, die ein privater Fundmanager braucht, und den Anforderungen, die mit der Investition von staatlichen Geldern verbunden sind. Ein privater Fundmanager muss genügend Flexibilität haben, um Investoren an Bord zu holen, denn das Produkt muss attraktiv sein. Gleichzeitig ist es verständlich, dass bei einem Beteiligungsvehikel, in das auch Steuerzahlergeld fließt, ein Interesse besteht, dieses Kapital innerhalb Österreichs zu investieren.

In Europa gibt es unterschiedliche Modelle. In größeren Ländern wird ein Ansatz genutzt, bei dem ein Fondsmanager vom Dachfonds etwa zehn Millionen Euro erhält und sich im Gegenzug verpflichtet, über die Laufzeit des Fonds dieselbe Summe im jeweiligen Land zu investieren. Dies ermöglicht es Fonds aus anderen Ländern auf das Kapital zuzugreifen, solange sie eine überzeugende Investmentstrategie vorweisen und die Investition in Österreich tätigen. Gleichzeitig wird man das nicht so 1:1 in Österreich umsetzen können, weil der Markt noch sehr klein ist und eine solche Regel wohl Fondsmanager zu sehr einschränkt. Ein anderer Ansatz wäre, die “Österreich-Komponente” über den Standort der Fondsmanager zu definieren und damit Österreich als Fondsstandort zu positionieren. 

Hierbei gibt es oft unterschiedliche Ansichten: Private Fondsmanager bevorzugen ein breiter gefasstes Modell, während die Politik eher auf ein stärker Österreich fokussiertes Modell drängt. Ein Kompromiss wäre notwendig, um beide Seiten zufriedenzustellen. Den “Wachstumfsfonds Deutschland” verwaltet durch die KfW Capital könnte man aber als Blueprint heranziehen und dann mit ein paar Änderungen für die Eigenheiten des österreichischen Marktes schnell umsetzen.

Auf der invest.austria-Konferenz wurde unter anderem von erfolgreichen Dachfonds-Modellen in anderen europäischen Ländern gesprochen. Warum gibt es in Österreich bis dato noch keinen Dachfonds?

Am Ende des Tages – und das wurde auch auf der Konferenz im Panel deutlich – ist die Initialzündung für die Umsetzung eines solchen Modells eine, die von öffentlicher Seite kommen muss. Aktuell gibt es zur neuen Regierungsbildung ein positives Momentum und wir wollen auch weiterhin alles daran setzen, um das Konzept voranzutreiben. 

Ich bin überzeugt, dass eine zentrale Frage unseres wirtschaftlichen Wohlstands davon abhängt, ob wir Schlüssel-Talente im Tech-Bereich nach Österreich holen, hier halten und Unternehmen aufbauen. Es geht nicht nur um Startups, sondern auch um Innovation in etablierten Unternehmen.

Frankreich ist hier ein inspirierendes Beispiel. Innerhalb weniger Jahre ist das Land von einer Randposition zu einem der europäischen Innovationszentren geworden. Durch gezielte Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Kapitalbereitstellung und Regulierung hat Frankreich gezeigt, dass ein starkes Ökosystem entstehen kann. Heute wollen alle, die im Tech-Bereich tätig sind, in Frankreich präsent sein. Das zeigt, dass man nicht 50 Jahre braucht, um hier Fortschritte zu erzielen – wenn man das Thema ernst nimmt und mutig ist.

Mit invest.austria lobbyiert ihr mit der Vision 2030 politisch für den Dachfonds. Welches Feedback habt ihr bisher von Seiten der Politik erhalten?

In den letzten sechs Monaten haben wir mit allen politischen Parteien gesprochen. Das gehört zu den Kern-Aufgaben von invest.austria. Ich denke, es ist sinnvoll, mit allen im Parlament vertretenen Parteien ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Insgesamt standen alle Parteien dem Thema offen gegenüber. Natürlich gibt es Unterschiede in der Tiefe des Verständnisses, die Parteien bringen je nach ihrer bisherigen Auseinandersetzung mit dem Thema unterschiedliche Perspektiven mit.

Grundsätzlich findet jeder das Thema spannend, aber die langfristige Bedeutung, die Investitionen in fünf oder zehn Jahren für den Wirtschaftsstandort Österreich haben können, ist noch nicht bei allen vollständig angekommen – das ist ein Punkt, den wir noch verdeutlichen müssen. Dennoch sehe ich durchweg positive Signale. Letztlich wird es darauf ankommen, wie das Regierungsprogramm aussieht und wer im Finanz- sowie im Wirtschaftsministerium sitzt.

In Europa wird vielfach das Fehlen des viel besagten IPO-Fensters beklagt. Wie bewertest du aktuell die Situation?

In Europa waren IPOs in den letzten zehn Jahren eher ein Randthema, wenn es um Liquidität und Exits geht. Erfolgreicher waren oft Unternehmensverkäufe an etablierte Unternehmen, was die wichtige Rolle von Startups für Innovation unterstreicht. Startups schaffen direkte Innovation, indem sie eigenständig wachsen und Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig bringen sie durch Übernahmen Innovation in traditionelle Unternehmen, was langfristig ebenfalls zur wirtschaftlichen Dynamik beiträgt.

Ich denke, dass Trade-Sales in absehbarer Zukunft in Europa eine wesentliche Rolle spielen werden. Dennoch brauchen wir dringend harmonisierte Kapitalmärkte und eine echte Kapitalmarktunion. Es wäre großartig, wenn die neue EU-Kommission Themen wie die Kapitalmarktunion als zentrale Priorität setzt – erste Anzeichen deuten darauf hin. Es gibt enorme Hürden, etwa sprachliche und kulturelle Unterschiede, aber meine Frage ist immer: Was ist die Alternative? Aufgeben ist die schlechteste aller Alternativen und das funktioniert in einer zunehmend globalisierten Welt immer schlechter.

Die US-Wahlen sind geschlagen. Donald Trump wird der neue US-Präsident. Wie wird sich dies deiner Meinung nach auf den europäischen Wirtschafts- und Innovationsstandort auswirken?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Europa in Zukunft stärker auf sich selbst gestellt sein wird. Der Wahlkampf deutete bereits darauf hin, dass eine „America-first“-Politik kommen wird, die wenig weltoffen ist. Das bedeutet, dass Europa umso entschlossener, schneller und autonomer agieren muss – insbesondere in Bereichen wie Technologieführerschaft, Kapitalmarktunion und Investitionen in Technologie. Ohne solche Maßnahmen riskieren wir, als Verlierer aus dieser Entwicklung hervorzugehen. Der Druck auf Europa wird weiter steigen, und wie es heißt: „Unter Druck entstehen Diamanten.“ Vielleicht kann dieser Druck in schwierigen Zeiten dabei helfen, schneller zu Lösungen zu kommen.


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