26.04.2022

Prewave: Wiener Startup hilft BMW bei Lieferkettengesetz

Die BMW Group setzt auf die KI-basierte Lieferkettengesetz-Lösung von Prewave, um gesetzliche Sorgfaltspflichten ganzheitlich abzudecken.
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Prewave: Gründer-Duo Lisa Smith und Harald Nitschinger
(c) Renée-Mercedes Pokorny/Prewave - Das Gründer-Duo Lisa Smith und Harald Nitschinger.

Risiken in Lieferketten gewinnen nicht zuletzt durch das kürzlich in Deutschland verabschiedete Lieferkettengesetz zunehmend an Bedeutung. Die auf künstlicher Intelligenz basierende Lösung des österreichischen Startups Prewave ermöglicht es der BMW Group derartige Nachhaltigkeitsrisiken wie Umweltverschmutzung, Menschenrechtsverstöße oder Korruption bei tausenden direkten und indirekten Lieferanten frühzeitig zu erkennen.

Lieferkettengesetz: Probleme und Risiken in Echtzeit erfassen

Dank der intelligenten Technologie des Wiener Startups sei es nun möglich, lieferantenbezogene Risiken aus öffentlich zugänglichen Medien und sozialen Netzwerken in mehr als 50 Sprachen und aus über 150 Ländern in Echtzeit zu analysieren.

“Die umfangreiche Lieferkette der BMW Group mit tausenden, global verteilten Lieferanten transparent zu machen, ist eine komplexe Herausforderung, der wir uns gerne gestellt haben. Dank Künstlicher Intelligenz und automatisierter Sprachverarbeitung ist es möglich, Lieferkettenprobleme und Nachhaltigkeitsrisiken in Echtzeit sichtbar zu machen. Damit wird Transparenz über die gesamte Lieferkette hergestellt und ein Management der Risiken über die gesamte Lieferkette ermöglicht”, betont Co-Founder Harald Nitschinger, CEO Prewave, der das Startup gemeinsam mit Lisa Smith gegründet hat.

Prewave und BMW kooperieren seit 2018

Das Frühwarnsystem des Startups unterstützt die BMW Group konkret dabei, die rechtlichen Voraussetzungen aus dem Lieferkettengesetz und auch internationale Standards im Nachhaltigkeitsmanagement (OECD Due Diligence Guidance, UN Global Compact, SDGs) einzuhalten bzw. in das Verhalten der Lieferanten einzugreifen. Oder gar präventive Maßnahmen zu setzen.

Über Prewave ist es neben dem Nachhaltigkeitsaspekt auch möglich Warnungen zu kritischen Lieferanten und zu bestimmten Risikofaktoren wie beispielsweise zu Arbeiterunruhen, politischen Unsicherheiten, finanziellen oder rechtlichen Problemen bzw. den Auswirkungen der Pandemie zu erhalten. So könnten Lieferengpässe und Produktionsstopps verhindert werden.

Bereits in 2018 wurde die erste Kooperation mit Prewave über die BMW Startup Garage initiiert. Mit Februar 2022 ging das Projekt nun mit über 10.000 Lieferanten in den Regelbetrieb.


Was ist das deutsche Lieferkettengesetz?

Das Lieferkettengesetz (LkSG) tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Mit dem Gesetz wird erstmals die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den Lieferketten geregelt.

Es verpflichtet Unternehmen in Deutschland zur Achtung von Menschenrechten durch die Umsetzung definierter Sorgfaltspflichten.

Strafen bei Nichteinhaltung

Dazu gehören die Einrichtung eines Risikomanagements, um die Risiken von Menschenrechts­verletzungen und Schädigungen der Umwelt zu identifizieren, zu vermeiden oder zu minimieren. Das Gesetz regelt, welche Präventions- und Abhilfemaßahmen notwendig sind, verpflichtet zu Beschwerdeverfahren und regelmäßiger Berichterstattung.

Eine weitere Klarstellung ist es, dass die Verantwortung von Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette besteht und nicht am Eingang der Firma endet. Es gilt ab nächstem Jahr für Companys mit 3.000 Mitarbeitern im Inland, 2024 ab 1.000.

Gegen Kinderarbeit und für mehr Arbeitsrechte

Weiters regelt das Lieferkettengesetz elf international anerkannten Menschenrechtsübereinkommen durch Verhaltensvorgaben und Verbote. Das betrifft Themen wie Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit, die Missachtung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie die Vorenthaltung eines angemessenen Lohns. Weiters zählen dazu: die Missachtung des Rechts, Gewerkschaften bzw. Mitarbeitervertretungen zu bilden, die Verwehrung des Zugangs zu Nahrung und Wasser und der widerrechtliche Entzug von Land und Lebensgrundlagen.

Werden Unternehmen straffällig, kann es Bußgelder in Höhe von acht Millionen Euro oder zwei Prozent des globalen Umsatzes geben (zweiter Punkt gilt für Firmen, mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz).

EU-Gesetz

Auf EU-Ebene wird noch über ein EU-Lieferkettengesetz verhandelt. Im März des heurigen Jahres hat die Europäische Kommission ihren Entwurf dafür vorgestellt. Erfassen soll dieses Gesetz alle Unternehmen im EU-Binnenmarkt mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen und einem jährlichen Nettoumsatz von 150 Millionen Euro. In manchen Sektoren, wie Textil, Landwirtschaft und Bergbau soll dies bereits ab 250 Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz von 40 Millionen Euro gelten.

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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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