20.11.2019

Lernsieg: Bildungssystem vs. Entrepreneurship – 1:0

Kommentar. Es gibt legitime Gründe, die App "Lernsieg" zu kritisieren. Doch was dem mittlerweile 18-jährigen Gründer Benjamin Hadrigan gelungen ist, ist zweifelsfrei beachtlich. Für das Bildungssystem ist der Umgang mit ihm ein Armutszeugnis.
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Lernsieg: Gründer Benjamin Hadrigan
(c) Lernsieg: Gründer Benjamin Hadrigan (Bildquelle: https://www.bettercademy.eu/lernsieg/wordpress/wp-content/themes/lernsieg/benn.jpg)

Es liest sich doch eigentlich wie eine Startup-Story aus dem Bilderbuch. Ein Gründer, obendrein bereits Buch-Autor, der erst dieser Tage seinen 18. Geburtstag feierte, holt sich für seine Idee ein sechsstelliges Investment und zieht noch vor dem Launch seiner App Lernsieg das Interesse der großen Medien des Landes auf sich. Nach dem Start reißen die Beiträge nicht ab – sogar internationale Medien beginnen zu berichten. Das ganze Land diskutiert hoch emotional über das Produkt – mehr als 70.000 Downloads in wenigen Tagen zeigen eindeutig, dass die Nachfrage groß ist.

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Der wahre Skandal

Österreich hat mittlerweile einige sehr junge Gründer, doch was Benjamin Hadrigan da gelungen ist, sucht seinesgleichen. Die Kritik, die Lernsieg entgegenkommt, ist mitunter durchaus legitim und nachvollziehbar – etwa wenn es um Datenschutzbestimmungen geht. Dass dem 18-jährige Gründer Hadrigan aber eine so heftige Welle an Hass entgegenschlägt, durch die er sich veranlasst sieht, die App wieder abzudrehen, ist aber der wahre Skandal, den Kritiker – allen voran die Lehrergewerkschaft – eigentlich in der App orten.

Beachtliche Gründer-Leistung

Denn die oben beschriebenen Parameter zeigen: Benjamin Hadrigans Lernsieg-App ist kein einfacher Lausbubenstreich, keine simple Rache-Aktion gegenüber seinen Lehrern. Der Gründer hat neben der Schule zu studieren begonnen, arbeitet als Lerncoach und hat ein Buch über Lernmethoden verfasst (die man legitimerweise pädagogisch hinterfragen kann). Er muss seinen Investoren ein sinnhaftes Geschäftsmodell vorgelegt haben (über dieses gibt es wilde Spekulationen). Er hat eine solide funktionstüchtige App gelauncht und die Server haben dem Massenansturm standgehalten. Das ist eine beachtliche Leistung für einen 17-/18-jährigen Gründer.

Der Musterschüler

Hadrigan ist der Typ Schüler, den sich Lehrer eigentlich wünschen sollten. Er ist engagiert, motiviert, selbstständig, lösungs- und zielorientiert. All das sind Eigenschaften, die die Pädagogik eigentlich zu fördern trachtet, Eigenschaften, die sich auch in den Präambeln der Lehrpläne wiederfinden. Wenn über notwendige Änderungen im Bildungssystem gesprochen wird, die das Land zukunftsfit machen sollen, wird genau davon mehr eingefordert.

Lernsieg: Armutszeugnis für das Bildungssystem

Nochmal: Die Bedenken, die seitens der Lehrerschaft bei Lernsieg bezüglich Datenschutz bestehen, sind legitim (- sich darüber zu echauffieren, dass man nach demselben Prinzip beurteilt wird, wie die Beurteilenden, weniger). Den jungen Gründer dafür mit Hass zu überschütten ist aber vollkommen daneben, eine Schande für den Berufsstand der Pädagogen und ein Armutszeugnis für das Bildungssystem.

“Pädagogen” vs. Entrepreneurship – 1:0

Das korrekte Feedback eines wahren Pädagogen an Benjamin Hadrigan müsste nämlich in etwa so lauten: “Tolle Leistung, tolles Engagement – das braucht unsere Gesellschaft. Aber es gibt inhaltliche Bedenken, die es sachlich nach unterschiedlichen Kriterien zu diskutieren gilt”. Solange man das hierzulande nicht auf die Reihe bekommt, braucht man über Motivation zum Entrepreneurship nicht zur reden. Doch der Stand der Dinge ist: Die App ist abgedreht und das Ministerium “ermittelt” in Kooperation mit der vor Wut schäumenden Gewerkschaft. Sprich: Bildungssystem vs. Entrepreneurship – 1:0.

⇒ Zum Blog des Gründers

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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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