10.09.2020

LegalTech: So verändert die Coronakrise die Zukunft der Rechtsbranche

Als Follow-up zu einer Blitzumfrage im Mai dieses Jahres führte Future-Law gemeinsam mit LexisNexis und ADVOKAT erneut eine Erhebung zur COVID-19 Arbeitssituation in Kanzleien und Rechtsabteilungen in ganz Österreich durch. Das Ergebnis: Die durch die Pandemie geschaffene Herausforderung bei Digitalisierung und Technologie scheint noch nicht zur Gänze überwunden.
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LegalTech
(c) AdobeStock
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Mehr als 180 MitarbeiterInnen aus österreichischen Anwaltskanzleien und Rechtsabteilungen haben an einer aktuellen Umfrage teilgenommen, die von Future-Law gemeinsam mit LexisNexis und ADVOKAT durchgeführt wurde. Ziel war es, die Auswirkungen der Coronakrise auf die heimischen Rechtsbranche zu erheben und herauszufinden, wie sich die Arbeitsmodalitäten in Bezug auf LegalTech verändern.

Die Key-Findings

“Auch einige Monate nach Ausbruch von COVID-19 spüren noch mehr als 50 Prozent der Kanzleien die Auswirkungen der Pandemie zumindest intensiv, viele sogar noch sehr intensiv. Die potentiellen Auswirkungen davon haben uns beschäftigt – was erwartet die Branche vom Herbst?”, so Sophie Martinetz, Managing Partnerin Future-Law über die Intention der aktuellen Umfrage.

Über 80 Prozent der teilnehmenden Betriebe glauben, dass die Nutzung von digitalen (Legal) Tech Tools zunehmen wird, weitere 13 Prozent gehen zumindest von einer unveränderten Nutzung aus. Auch digitale Recherchelösungen und Legal Analytics haben in den Augen der Befragten durch die aktuelle Situation großes Potential zur Weiterentwicklung: über 70 Prozent gehen davon aus, dass solche Tools in Zukunft vermehrt genutzt werden. 

LegalTech: Die neue Arbeitswelt

In der Umfrage wurde zudem erhoben, wie sich die Arbeitsmodalitäten nachhaltig verändern: Über 40 Prozent gaben an, zumindest einen Teil der Belegschaft künftig dauerhaft im Home Office beschäftigen zu wollen. 

Angestellte empfinden die Heimarbeit laut den Initiatoren der Umfrage als zusätzlichen Stressfaktor, geben aber an, teils dennoch produktiver zu sein als am Arbeitsplatz. Die Produktivität könnte den Befragten zufolge durch verbesserte Zugriffsmodalitäten auf Unterlagen gesteigert werden – ein barrierefreier Zugriff auf arbeitsrelevante Dokumente war eines der Hauptanliegen der Befragten.

Ein Angebot diesbezüglich schafft bereits LexisNexis. Susanne Mortimore, CEO LexisNexis, erläutert diesbezüglich: “LexisNexis hat Kanzleien über den “Corona Infopoint” mit schneller und kostenloser Rechtinformation durch die Krise begleitet. Dieses Angebot wurde – und wird immer noch – sehr intensiv genutzt und wir sind froh, dass wir so einen Beitrag leisten konnten. 65 Prozent der UmfrageteilnehmerInnen wollen noch heuer zumindest ein neues Legal Tech Tool in ihrem Betrieb implementieren: Dieser Trend bestätigt uns darin, dass der Stellenwert und der Bedarf an Legal Tech- und Legal Intelligence-Produkten in Kanzleien steigen.”

Auch ADVOKAT-Geschäftsführer, Manfred Wurz, sieht ebenfalls eine verstärkte Relevanz von LegalTech-Anwendungen: “Wer jetzt in Digitalisierung und Legal Tech Produkte investiert, dem gehört die Zukunft!”

Relevanz von LegalTech nimmt weiter zu

Die Relevanz der Digitalisierung nimmt laufend zu, viele Unternehmen orientieren sich neu. Die Auswahl von neuen Produkten ist jedoch immer eine Herausforderung. Immerhin gaben aber knapp 60 Prozent der Befragten an, seit 2018 Legal Tech Projekte im eigenen Unternehmen umgesetzt zu haben, ein Drittel davon sogar vier oder mehr Projekte. 

Die Aussicht ist vielversprechend: lediglich 35 Prozent der Befragten gaben an, in 2020 kein neues Legal Tech Projekt mehr implementieren zu wollen und nur 18 Prozent der TeilnehmerInnen gaben an, kein Budget für neue Legal Tech Software zur Verfügung zu haben. 

Starker Anstieg von Arbeits-und Insolvenzrecht

Im Mai sahen fast 40 Prozent einen Anstieg an Anfragen. Höhere Beratungsnachfragen werden derzeit vor allem in den Bereichen Arbeits- und Insolvenzrecht erwartet.  Im Gegensatz dazu vermerkten allerdings 32 Prozent einen Einbruch der Nachfrage. Eine Rückkehr in den Pre-Corona Arbeitsalltag erwarten sich die Befragten frühestens 2021, mit damit einhergehenden Veränderungen in der internen und externen Kommunikation.


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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


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AI Summaries

LegalTech: So verändert die Coronakrise die Zukunft der Rechtsbranche

  • Als Follow-up zu einer Blitzumfrage im Mai dieses Jahres führte Future-Law gemeinsam mit LexisNexis und ADVOKAT erneut eine Erhebung zur COVID-19 Arbeitssituation in Kanzleien und Rechtsabteilungen in ganz Österreich durch.
  • Das Ergebnis: Die durch die Pandemie geschaffene Herausforderung bei Digitalisierung und Technologie scheint noch nicht zur Gänze überwunden.
  • Die Aussicht ist vielversprechend: lediglich 35 Prozent der Befragten gaben an, in 2020 kein neues Legal Tech Projekt mehr implementieren zu wollen und nur 18 Prozent der TeilnehmerInnen gaben an, kein Budget für neue Legal Tech Software zur Verfügung zu haben.
  • Im Mai sahen fast 40 Prozent einen Anstieg an Anfragen.
  • Im Gegensatz dazu vermerkten allerdings 32 Prozent einen Einbruch der Nachfrage.
  • Die Umfrage zeigt, wie heterogen die Branche ist und, dass die COVID-19 Krise ganz unterschiedlich erlebt wird.

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