12.06.2024
STATISTIK

KSV zu starkem Insolvenz-Anstieg: “man muss trotzdem die Kirche im Dorf lassen”

Nicht nur der Fall Signa sorgt für einen Passiva-Rekord bei den Unternehmensinsolvenzen. Bei der Anzahl gibt es eine Steigerung von 26 Prozent zum Vorjahr.
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P4 Therapeutics - Insolvenzen
(c) Adobe.Stock

Das Wort “Insolvenzwelle” nimmt man beim stets auf Beschwichtigung bedachten Kreditschutzverband KSV1870 auch Mitte 2024 nicht in den Mund (außer im Zusammenhang mit Signa). Die Zahlen in der aktuellen Insolvenzstatistik können dennoch nicht positiv gedeutet werden.

Großinsolvenzen von Signa und Fisker: Anstieg der Passiva um mehr als 900 Prozent

Im Vergleich zum bereits starken Vorjahreszeitraum stieg die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr um 26 Prozent. Insgesamt waren es 3.308 Pleiten – im Schnitt 18 pro Tag. Besonders auffällig ist ein Anstieg bei den Großinsolvenzen. Mit 36 Pleiten mit Passiva über zehn Millionen Euro wurde hier ein Rekord erreicht. Die Summe der Passiva stieg gar um mehr als 900 Prozent auf rund elf Milliarden Euro. Hierbei spielen die zahlreichen Pleiten von René Benko und seiner Signa eine entscheidende Rolle, aber auch Fisker als größte Insolvenz in der Geschichte der Steiermark trägt dazu bei.

“Insolvenzjahr, das es in der jüngeren Vergangenheit schon lange nicht mehr gegeben hat”

Die Lage dürfte noch eine Zeit lang angespannt bleiben. “Es ist aktuell davon auszugehen, dass sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen auch in den kommenden Monaten auf ähnlich hohem Niveau bewegen wird”, meint Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. Der Verband rechnet mit einer Gesamtzahl von rund 6.500 Unternehmensinsolvenzen zu Jahresende. “Es ist damit zu rechnen, dass wir im Dezember 2024 über ein Insolvenzjahr sprechen müssen, das es in der jüngeren Vergangenheit schon lange nicht mehr gegeben hat”, so der Experte.

Im historischen Vergleich trotzdem nicht so schlimm?

Im historischen Vergleich ist die Lage aber dennoch nicht so schlimm, legt der Verband nahe und führt den Insolvenzquotienten zur Einordnung an: Während rund um den Jahrtausendwechsel pro Jahr etwa zwei Prozent der Unternehmen insolvent geworden seien, seien es heute rund 1,4 Prozent. “Dass wir in absoluten Zahlen aktuell mehr Insolvenzfälle haben, liegt nicht ausschließlich an wirtschaftlichen Faktoren, sondern auch daran, dass es in Österreich aufgrund zahlreicher Neugründen mehr Unternehmen gibt. Wir haben zwar aktuell viele Insolvenzen, aber man muss trotzdem die Kirche im Dorf lassen”, meint Götze.

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Jumug Carbon Recovery Ataleo Insolvenzen
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Das Unternehmen ilvi mit Sitz in Gleisdorf, Steiermark, digitalisiert mit seiner Hardware-Software-Kombination die Erfassung von Vitalwerten von Patient:innen. 2018 gab es dafür eine knapp siebenstellige Kapitalspritze unter dem Lead von eQventure. Wie nun der KSV (Kreditschutzverband) bekannt gab, wurde ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung am Landesgericht Graz beantragt.

ilvi: Sanierungsplanquote von 20 Prozent

Es gibt 37 Gläubiger, elf Dienstnehmer:innen und rund 165.000 Euro Aktiva, bei 1,6 Millionen Euro Passiva. Das Unternehmen bietet eine Sanierungsplanquote von 20 Prozent, zahlbar innerhalb von zwei Jahren vom Tag der Annahme des Sanierungsplanvorschlages an.

Zu den Gründen für die Insolvenz zählen, dass die Umsatzerlöse der ilvi GmbH für das Jahr 2024 nicht erzielt werden konnten. Zudem wurde ein gewährtes Darlehen schneller verbraucht als ursprünglich angenommen. Eine weitere Darlehensvergabe war nicht möglich. Gespräche mit potentiellen Investoren führten ebenfalls zu keinem positiven Abschluss.

2018 gegründet

Zur Geschichte: Die ilvi GmbH wurde am 16. August 2018 von Erwin Berger und Christoph Kauer als Spin-off der Berger Medizintechnik GmbH gegründet. Nach mehreren Wechseln an der Spitze wird das Unternehmen seit dem 14. Mai 2024 durch Geschäftsführer Franz Salomon selbstständig vertreten.

Das Medtech fokussierte sich auf Softwareentwicklung im Bereich der Medizintechnik, insbesondere im Bereich mobiler Datenerfassung im Gesundheitsbereich. Darauf basierend entwickelt, produziert und vertreibt das Unternehmen Medizintechnikprodukte.

Die mobilen Softwarelösungen hingegen zielen darauf ab, die Lebens- und Versorgungsqualität der Patient:innen zu verbessern und gleichzeitig die Gesundheitsversorgung der Zukunft sicherzustellen. Der “Personal Digital Assistant”, der Gesundheitswerte direkt am Krankenbett erfasst, via Bluetooth mit unterschiedlichen Geräten kommuniziert und Daten an das Krankenhaus-Informationssystem überträgt, soll die Arbeitsprozesse des Pflegepersonals digitalisieren und dadurch zugleich optimieren.

Fortführung von ilvi geplant

Die ilvi GmbH beabsichtigt das Unternehmen unter Umsetzung einiger Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen fortzuführen: “Der zu bestellende Insolvenzverwalter wird nunmehr zu prüfen haben, ob eine Fortführung im Interesse der Gläubiger liegt und der vorgelegte Sanierungsplan eingehalten werden kann”, sagt Brigitte Peißl-Schickmair, Leiterin Unternehmensinsolvenz Graz.

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