22.05.2023

Kreislaufwirtschaft: Diese aktuellen Entwicklungen sollten Unternehmen am Radar haben

Interview. Harald Friedl zählt zu den global führenden Experten für Kreislaufwirtschaft. Im Interview spricht Friedl darüber, wie Österreich in diesem Bereich abschneidet, warum Kreislaufwirtschaft auch Sicherheitspolitik ist und welche EU-Regularien Unternehmen im Blick behalten müssen.
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Harald Friedl
(c) der brutkasten / Viktoria Waba

Als ein global führender Circular-Economy-Experte berät Harald Friedl international Regierungen, Unternehmen und Kommunen in der Erarbeitung und Umsetzung von Aktionsplänen sowie Maßnahmen im Bereich der Kreislaufwirtschaft. Zudem war Friedl von 2017–2020 CEO von Circle Economy, einer Impact-Organisation aus Amsterdam, die seit 2018 in regelmäßigen Abständen den Circularity Gap Report veröffentlicht. Der Report erhebt weltweit die wichtigsten Kennzahlen zur Kreislaufwirtschaft. Im Interview spricht Friedl über aktuelle Entwicklungen & Trends, die Unternehmen am Radar haben sollten.


Im Jänner 2023 wurde der jüngste Circularity Gap Report veröffentlicht. Dabei zeigt sich, dass die Kreislaufwirtschaft weltweit schrumpft. Was sind die Gründe dafür?

Das System funktioniert leider noch immer sehr linear. Wir denken unsere Wirtschaft nicht in Kreisläufen und dementsprechend produzieren wir auch so. Zudem braucht es Zeit, bis sich das System umstellt. Wir haben den Report vor rund fünf Jahren 2018 erstmalig veröffentlicht. Damals lag die Zirkularitätsrate bei rund neun Prozent, das heißt zu 90 Prozent war die globale Wirtschaft nicht zirkulär. Jetzt ist der Wert auf sieben Prozent gesunken. Warum ist das so? Global verbrauchen wir nämlich immer mehr Ressourcen. Dennoch gewinnt das Thema “Kreislaufwirtschaft” viel mehr Öffentlichkeit und Breite. Viele Unternehmen beschäftigen sich mittlerweile mit dem Thema. Es braucht aber natürlich ein paar Jahre bis sich auch die Produktionsprozesse, das Konsumentenverhalten und die Vorschriften umstellen.

Wie schneidet Österreich bei der Kreislaufwirtschaft ab?

Österreich wird in der Regel als “Recycling-Weltmeister” bezeichnet. Recycling ist allerdings nur ein Teil der Kreislaufwirtschaft. Über die Jahre hinweg sieht man aber, dass Österreich in Sachen Kreislaufwirtschaft im guten EU-Durchschnitt liegt. Natürlich gibt es Länder, wie beispielsweise die Niederlande, die noch besser als Österreich abschneiden und dann gibt es Länder wie die Slowakei oder Rumänien, die schlechter sind. Natürlich ist die österreichische Volkswirtschaft auch abhängig von Importen und daher wird es noch eine Zeit lang brauchen, bis man sich umstellt. Ja, wir sind zwar Recycling-Weltmeister, zum Circular-Economy-Weltmeister müssen wir allerdings noch ein wenig Gas geben. Die Kreislaufwirtschafts-Strategie der Regierung ist hier ein wichtiger Schritt gewesen. 

Stichwort Circular-Economy-Weltmeister. Die Niederlande haben angekündigt, ihre Wirtschaft bis 2050 komplett auf Kreislaufwirtschaft umzustellen. Was können wir davon lernen?

Die Niederlanden sind natürlich ein interessantes Beispiel. Sie gelten in Europa auf jeden Fall als Vorreiter. Die Regierung fördert seit 2016 die Kreislaufwirtschaft sehr aktiv. Damals hat der Premierminister gesagt: “Wir müssen bis 2050 ein 100 Prozent zirkuläres Land werden.” Kreislaufwirtschaft ist mittlerweile ein sehr spannendes politisches Thema geworden. Dazu hat auch der Ukraine-Russland-Konflikt beigetragen. Als unabhängige und offene Volkswirtschaften müssen wir künftig sehr genau auf unsere Ressourcen achten. Kreislaufwirtschaft ist dementsprechend auch ein sicherheitspolitisches Thema. Hier braucht es viel Aktion, die nicht von der Privatwirtschaft und nicht von den Regierungen alleine kommen kann. Hier müssen wir künftig stärker zusammenarbeiten. Auch die Konsument:innen spielen dabei eine ganz entscheidende Rolle.

Welche Rolle spielen die Lieferketten in der Kreislaufwirtschaft?

Natürlich müssen wir uns auch die Frage stellen, wie europäische Unternehmen mit Zulieferern aus Asien künftig besser zusammenarbeiten können, damit man die Kreislaufwirtschaft auch in den Lieferketten sicherstellt. Hier sehe ich aber auch viel Interesse aus Asien, das zu tun. Wir leben in einer Welt, in der die Ressourcen immer teurer werden. Hier müssen wir uns die Frage stellen, wie man mehr Kontrolle über die Ressourcen erlangen kann. Derzeit wird dies auch von der EU-Politik ganz stark andiskutiert, wie wir die Abhängigkeit gegenüber Staaten, wie beispielsweise China, künftig abbauen können.

Was sind deiner Meinung nach wichtige EU-Regularien, die Unternehmen aktuell im Blick behalten müssen?

Ich arbeite mit sehr vielen Unternehmen zusammen und ich muss sagen, die Kreislaufwirtschaft ist ein sehr großes Feld. Im zweiten EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft, gibt es alleine über 30 Maßnahmen. Diese Maßnahmen kommen alle auch nach Österreich und sind daher auch teilweise in der österreichischen Kreislaufwirtschafts-Strategie verankert. Im Prinzip gibt es zwei große Bereiche. Es gibt das Kreislaufwirtschaftspaket der Europäischen Union und dann gibt es den European Green Deal, der Europa zu einem grünen Vorreiter-Standort machen soll. Hier gibt es natürlich viele Diskussionen darüber, wie weit man gehen kann und wie wettbewerbsverträglich die Maßnahmen sind.

Im Kreislaufwirtschaftspaket gibt es zwei Themenbereiche, die sich Unternehmen wirklich anschauen müssen. Mit der sogenannten Green Claims Verordnung möchte die EU künftig Greenwashsing vorbeugen. Zudem versucht die EU Konsument:innen zu stärken, indem sie Tools zur Verfügung stellt, damit wir unterscheiden können, ob es sich um Greenwashing oder wirklich nachhaltige Produkte handelt. Das zweite: Die EU versucht Regularien zu schaffen, die vorschreiben, dass Produkte länger in Verwendung bleiben müssen. Das “Right to Repair” macht mich als Europäer persönlich sehr stolz, da die Europäische Union hier weltweit eine Vorreiterrolle spielt. 

Wie wird das Thema Kreislaufwirtschaft außerhalb der EU wahrgenommen?

Ich sehe, dass in der EU aktuell am meisten weitergeht. Ich arbeite aber auch viel mit afrikanischen Länder zusammen. Am afrikanischen Markt tun sich auch unglaublich spannende Sachen, vor allem weil dort die Kosten der Arbeitskräfte viel geringer sind. Am sekundären Automarkt werden beispielsweise zehntausende Arbeitsplätze im Bereich der Reparatur geschaffen. Sie sind einfach sehr innovativ darin, Produkten ein zweites Leben zu geben.

Aber auch in den USA tut sich etwas. Mit dem Inflation-Reduction-Act werden Milliarden an US-Dollar in eine grüne Wirtschaft hineingepumpt. Generell ist aber das Konsum- und Produktionsmodell in den USA nicht so nachhaltig ausgerichtet wie in Europa. Zudem beschäftigen sich die Chinesen massiv mit dem Thema, obgleich sie es nicht als Kreislaufwirtschaft, sondern als “harmonische Wirtschaft” bezeichnen. In den letzten 15 Jahren haben sie den Schutz der eigenen Ressourcen verstärkt.

Welche großen Zukunftstrends siehst du im Bereich der Kreislaufwirtschaft?

Die Verknüpfung der Kreislaufwirtschaft mit dem Bereich der Bioökonomie finde ich aktuell sehr spannend. Hier geht es beispielsweise um die Frage, wie man Textilien aus lebenden Materialien, wie Holzstoff herstellt. Zudem gibt es den Bereich der Sharing Economy, der natürlich eng mit der Kreislaufwirtschaft verbunden ist. In letzter Zeit wird natürlich auch das Thema der künstlichen Intelligenz sehr heiß diskutiert. Mit diesem Thema beschäftige ich mich aktuell sehr intensiv. Ich würde gerne künftig eine Plattform zur Verfügung stellen, die in wenigen Stunden jedem Unternehmen in Österreich ganz automatisch eine Circle-Economy-Strategie anbietet. Künstliche Intelligenz bietet viele Chancen, weil es in den Unternehmen immer mehr Datenpunkte gibt. 

Ein weiterer Trend ist, dass Kreislaufwirtschaft aus dem “Recycling-Eck” herauskommt und künftig stärker designgetrieben ist. Hier könnte auch Österreich mit seinen Designer:innen eine starke Rolle spielen, die Produkte einfach neu denken. Und ich glaube, dass die österreichische Kultur auch eine Kultur ist, die die Natur respektiert. Wir sind nämlich Leute, die auch eng mit der Natur leben und gern in der Natur sind. Zudem kann die Kreislaufwirtschaft auch wieder die Balance zwischen den Menschen, Unternehmen und der Regierung herstellen und bietet somit auch einen sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft.


Harald Friedl publiziert mit dem CIRCLETTER einen monatlichen Newsletter zum Thema Kreislaufwirtschaft. Mehr darüber könnt ihr hier erfahren.


Tipp der Redaktion:

Mit Jänner 2023 startet die brutkasten-Redaktion einen neuen thematischen Schwerpunkt zum Thema Kreislaufwirtschaft. Im Zentrum stehen Innovationen von Startups, Corporates und Mittelstand, die eine ressourceneffiziente und schadstoffarme Produktion ermöglichen. Zudem berichten wir über aktuelle Entwicklungen und Hintergründe rund um eine kreislauforientierte Wirtschaft.

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Tractive, Hauster Versicherung, Insurance, Pet Cover
(c) Tractive - Michael Hurnaus, CEO von Tractive.

Er hat es bereits im Mai angekündigt und nun erreicht. Beim Pet-Tracking-Scaleup Tractive stehen aktuell 100 Millionen Euro jährlich wiederkehrender Umsatz zu Buche. Gründer Michael Hurnaus sieht mehrere Aspekte, die dem Erfolg zugrundeliegen.

Tractive: “Mitarbeiterwachstum kein Indikator”

“Wir hatten immer schon 40 bis 50 Prozent Wachstum, haben aber dabei immer im Vordergrund gehabt, nicht das Mitarbeiterwachstum als Indikator zu sehen, sondern nachhaltig zu wachsen”, sagt er. “Wir bewegen uns mit dem Haustiermarkt in einem dankbaren Markt, ja. Aber unsere gute Arbeitsleistung kommt nun zurück. Da hat uns die 4-Tage-Woche sehr geholfen. Wir haben nicht die faulen Mitarbeiter bekommen, die nur vier Tage arbeiten wollen, sondern gute Leute, die sich mit der Firma identifizieren.”

Das Paschinger Startup wagte erst vor rund dreieinhalb Jahren den Sprung in die USA, der auch gut vorbereitet war. “Wir haben acht Jahre lang gewartet, diesen Schritt zu gehen”, erklärt Hurnaus. “Wir wussten, wenn wir ‘in Europa gewinnen’, dann wird es leichter für uns, als für einen US-Amerikaner, der nach Europa will. Wir haben hier verschiedenen Länder, mehr Sprachen und unterschiedliche Währungen. Für uns war es die richtige Entscheidung.”

USA überholt Deutschland

Mittlerweile hat der US-Markt den bisherigen Spitzenreiter Deutschland überholt. Schätzungsweise 66 Prozent der US-Haushalte oder etwa 86,9 Millionen Familien besitzen in den Vereinigten Staaten ein Haustier. Dies geht aus der National Pet Owners Survey 2023–2024 der American Pet Products Association (APPA) hervor.

“Unsere Marktpenetration ist wesentlich geringer als in Deutschland”, sagt Hurnaus. “Wir werden im ersten Quartal 2025 auch in Mexiko launchen, in den nächsten beiden Jahren aber keine weitere Erweiterung anstreben. Der Fokus bleibt auf diesen Märkten.”

Tractive bald in Mexiko

Tractive hat in der Zeit seines Bestehens eine Wandlung erfahren. Jedes zweite Jahr hat man bisher ein Produkt für Hund und Katze herausgebracht – vor wenige Wochen den neusten Tracker. Dabei aber “sehr stark eine Transformation durchlaufen”, wie der Founder erklärt. Weg vom einfachen GPS-Tracker hin zum Gesundheitstracker.

“Es ist ein Frühwarnsystem und soll nicht den Tierarzt ersetzen. Wir sagen nur, dass wir etwas bemerkt haben, eine Veränderung im Verhalten oder bei der Bewegung, etc…”, erklärt Hurnaus. “Da steckt viel Potential darin. Denn wir haben erkannt, dass Leute den Bedarf haben, zu wissen, wie es dem eigenen Haustier wirklich geht.”

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