05.08.2021

Hören wir endlich auf, uns mit der nervigen Klimakrise zu beschäftigen!

Kommentar. "Die Innovation" verspricht das Klimaproblem zu lösen. Warum sollten wir uns dann überhaupt noch mit der Krise auseinandersetzen? Eine Replik auf Mic Hirschbrich und den Bundeskanzler.
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Kommentar: Die Klimakrise, unnötiger Konsum und Degrowth
brutkasten-Redakteur Dominik Perlaki | Hintergrund: (c) Gerd Michael via Wikimedia Commons
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Kanzler Kurz sorgte damit vergangene Woche für Diskussionsstoff. Und unter anderem auch brutkasten-Kolumnist Mic Hirschbrich ist sich in unserem Podcast Editor’s Choice sicher: Technologie wird die Klimakrise lösen. Fusionsenergie, Laborfleisch und noch ein paar weitere “Wunderwaffen” werden schon bald den Kampf gegen den Klimawandel für uns entscheiden. Alles easy also. Die Sache ist quasi bereits gegessen. Warum noch darüber reden?

Nun ja, vielleicht hindern uns solche Dinge wie Überschwemmungen und tennisballgroße Hagelkörner im ganzen Land, Tornados direkt über der Grenze, täglich acht Milliarden Tonnen schmelzendes Eis in Grönland, Badewetter in Sibirien und massive Waldbrände in unseren Lieblings-Urlaubsdestinationen (das alles innerhalb weniger Wochen) daran, das Thema ganz zu ignorieren. Aber wir müssen nur mehr ein bisschen durchhalten und – natürlich ohne Verzicht! – so weiter machen wie bisher, dann wird alles wieder gut. Das wird für uns von “der Innovation” erledigt. Wir müssen uns um nichts kümmern.

Es braucht auch Gesetze…

Aufmerksamen Leser*innen dürfte der sarkastische Unterton in den ersten zwei Absätzen nicht entgangen sein. Fest steht: Ohne Innovationen haben wir überhaupt keine Chance, die Klimakrise zu bewältigen. Ebenfalls fest steht aber: Das ändert nichts daran, dass wir gleichzeitig klimaschädliches Verhalten stoppen müssen – und zwar per Gesetz. Der Markt hat sich nämlich als dazu nicht geeignet erwiesen.

Letztlich verbessert sich gar nichts, wenn Fusionsenergie und Laborfleisch – wenn sie denn wirklich so bald kommen – zusätzlich zu Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen und Massentierhaltung hinzukommen. Die Innovationen nutzen uns nur, wenn sie das aktuelle klimaschädliche Konzept möglichst vollständig ersetzen – und zwar sehr schnell. Dazu braucht es in einigen Fällen einen massiven regulatorischen Eingriff. Die politische Realität dazu: Selbst eine eigentlich nicht radikale Maßnahme wie die CO2-Steuer wird zum schier unlösbaren Dauer-Streitthema.

…und ein Problembewusstsein

Und mit Ausnahme von kleinen, punktuellen Lichtblicken, wie sie dem heute wegen eines Investments prominent bei uns vertretenen Scaleup refurbed, hat “die Innovation” noch nicht den Anflug einer Lösung für eines der absoluten Grundprobleme gefunden: unnötiger Konsum. Denn dieser wird zumeist überhaupt nicht als Problem eingestuft.

Shopping ist eine beliebte Freizeitbeschäftigung, die oft gänzlich von der Befriedigung tatsächlicher Bedürfnisse abgekoppelt ist. Wie andere Süchte bringt es eine kurzfristige Hormonausschüttung, die ständig wiederholt werden muss, ohne jemals nachhaltige Zufriedenheit zu bringen – sei es mit Elektronik, Kleidung oder Lifestyle-Produkten aller Art. Im E-Commerce wird Ware, die man zurückschickt, bekanntlich oft vernichtet, weil das für die Unternehmen günstiger ist, als sie neu zu verpacken. Auch im Lebensmittelbereich werfen wir einen beachtlichen Anteil der Produkte, die wir kaufen, wieder weg.

Reparatur, wie von refurbed für Elektrogeräte erfolgreich in Marktplatz-Form umgesetzt, ist die absolute Ausnahme. Anders wäre es auch kontraproduktiv im Sinne des Systems. Es braucht den Konsum und die Produktion mit all ihren Kettengliedern, um das Werk am Laufen zu halten. Und es braucht immer mehr Konsum und immer mehr Produktion, um das Wachstum aufrechtzuerhalten. Dass sich das auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen nicht ewig ausgehen kann, ist keine neue Erkenntnis durch die Klimakrise. Die wissenschaftliche Theorie dazu (die seitdem freilich adaptiert wurde) ist zumindest seit dem Bericht “Die Grenzen des Wachstums” des Club of Rome aus 1972 einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Das Paper wurde übrigens am MIT mit Geld der Volkswagenstiftung erstellt, ist also kein Machwerk verträumter Idealisten.

Ein Naturgesetz

Mic Hirschbrich bringt im Podcast einige sehr gute Argumente, warum das kapitalistische System (mit sozialistischen Einflüssen) das in der Menschheitsgeschichte bislang überzeugendste ist und warum Wirtschaftswachstum notwendig ist, um unsere Gesellschaft stabil und wohlhabend zu halten. Das mag alles stimmen, ändert aber nichts daran, dass das Wachstum in seiner derzeitigen Form – und auch ein angestrebtes “grünes Wachstum” – niemals in einer langfristigen Rechnung aufgehen können. Wachstum ist so oder so immer natürlich begrenzt. Das ist ein Naturgesetz – im Gegensatz zur Wirtschaftsordnung, die gerne als solches behandelt wird.

Wenn wir die Klimakrise lösen wollen, kommen wir – neben Innovation – um den gerne dämonisierten Degrowth-Ansatz nicht umhin. Auch hier bringt Hirschbrich ein veritables Argument vor: Einen genauen Plan, wie das mit unserem hochkomplexen System als Ausgangslage funktionieren kann, gibt es noch nicht. Die Antwort darauf muss aber sein: Dann müssen wir gemeinsam mit Hochdruck an so einem Plan arbeiten. “Wir bauchen Wachstum für unseren Wohlstand, deswegen lassen wir die Welt untergehen” sollte jedenfalls keine Option sein. Es ist aber derzeit die Mehrheitsmeinung. Und auch die des Kanzlers.

Eine Mammut-Aufgabe

Noch einmal: Ohne Innovationen wie den oben genannten haben wir nicht die geringste Chance, die Krise zu bewältigen. Aber die andere unabdingbare Zutat ist Degrowth. Es gilt an einem System zu arbeiten, das ohne (künstlich mit sinnlosem Konsum befeuertes) Wachstum auskommt. Das ist eine Mammut-Aufgabe, an der Ökonom*innen und weitere Expert*innen aller politischen Richtungen gemeinsam arbeiten müssen. Und diese muss mit einem Philosophie-Wandel einhergehen: Unnötiger Konsum muss – ähnlich wie vor einigen Jahrzehnten das Rauchen – allgemein als Problem und nicht als “cool” eingestuft werden. Und noch ein paar weitere Dinge, wie etwa unnötige (Flug-)Reisen zu Meetings, die ohne weiteres auch virtuell stattfinden könnten (wie Corona uns bekanntlich gut vor Augen geführt hat).

Die Realität ist eine andere: Es wird herumargumentiert, warum der Status Quo unbedingt aufrechterhalten werden muss. Degrowth wird als Unmöglichkeit mit Totschlagargumenten beiseite geschoben und weil dann keine validen Argumente mehr übrig sind, wird “die Innovation” als messianische Wunderwaffe vorgeschoben. Hoffentlich klappt’s. Die Message von Kanzler und Co. ist jedenfalls klar: Hören wir endlich auf, uns mit der nervigen Klimakrise zu beschäftigen! Vielleicht hilft uns ja eh Gott oder so.

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Remitly, ein US-Online-Anbieter für Finanzdienstleistungen, hat 4.200 erwerbstätige Erwachsene aus 22 Ländern in einer Studie rund um das Thema Work-Life-Balance befragt. Im Zuge dessen ging es um tägliche Arbeitsstunden, die Länge des Arbeitsweges, die Schlafdauer vor einem Arbeitstag und und die Länge der täglichen Pausen. Auch die Zufriedenheit mit dem eigenen Arbeitsleben fand Einklang in die Studie. Nach Erhebung der Daten wurden die einzelnen Faktoren bewertet. Das Ziel: Herauszufinden, welche Länder weltweit die “beste Work-Life-Balance bieten”. Erfasst wurden die Daten diesen September.

Der Norden ist am Balance-freundlichsten

Nach dem Ranking des US-Finanzdienstleisters steht Österreich gar nicht so schlecht da: Platz 11 erreichten wir im Rahmen der Studie. Wenig überraschend gingen Platz eins und zwei wieder in den Norden – konkret an Finnland (Platz eins) und Dänemark (Platz zwei). An dritter Stelle im Work-Life-Ranking steht die Schweiz.

Finnland ist laut Remitly mit 73 von 100 Punkten im Index das Land mit den besten Rahmenbedingungen für eine Work-Life-Balance. Der Studie zufolge soll Finnland seinen Erwerbstätigen schon seit fast 30 Jahren flexible Arbeitsbedingungen bieten.

Dänemark auf Platz zwei erreichte 70 von 100 Punkten. Die Durchschnittsarbeitszeit pro Tag belief sich hier auf sieben Minuten und 25 Stunden. Auch laut OECD Better Life Index liegt die Zufriedenheit im Beruf sowie die allgemeine Lebenszufriedenheit in Dänemark über dem weltweiten Durchschnitt.

Trotz längerer täglicher Arbeitszeit und längerer Pendelzeit als Platz 1 und 2 landet die Schweiz auf Platz drei, was Remitly unter anderem mit den vier bis fünf bezahlten Urlaubswochen begründet. Auch die Pausenzeiten umfassen mit 56 Minuten täglich ein Maximum unter den befragten Ländern.

Platz vier ergattert Frankreich – unter anderem auch deshalb, da die Normalarbeitszeit in Frankreich bei 35 Wochenstunden liegt. Alles darüber wird als Überstunde gerechnet und dementsprechend in Zeitausgleich oder Bezahlung vergolten.

Für Work Life Balance wird umgezogen

Neun der zehn führenden Länder befinden sich in Europa. Der einzige Ausreißer: Neuseeland auf Platz 5. Außerdem gaben vier von zehn (42 Prozent) Befragten an, dass sie in den nächsten fünf Jahren auf der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen ins Ausland ziehen möchten.

In den Top zehn befinden sich nach den ersten vier Platzierten – nach Rangliste Finnland, Dänemark, Schweiz und Frankreich – schließlich Neuseeland (Platz 5), Schweden (Platz 6), die Niederlande (Platz 7), Portugal (Platz 8), Belgien (Platz 9) und Tschechien (Platz 10).

Österreich belegt Platz 11, gefolgt von Deutschland (Platz 12), Spanien (Platz 13), Italien (Platz 14) und Kanada (Platz 15).

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