Business-Netzwerken ist mehr als nur Kontakte sammeln – es ist ein Beziehungsaufbau-Prozess, der mitunter auch einige Jahre dauern kann. Und selten zeigt sich so deutlich die unterschiedliche, kulturelle Art und Weise beim Netzwerken wie beim Business-Lunch. Während in Wien der „etwas grantige Herr Ober“ fast schon zur Erfahrung dazugehört, geht man in den USA direkt in medias res – und in China entscheidet oft die Hierarchie, wer zuerst spricht (oder isst).
Ich habe in den letzten Jahren viele unterschiedliche Netzwerk-Treffen beim Essen erlebt – manche inspirierend, manche lehrreich, andere einfach nur gut fürs Karma. Was sie alle gemeinsam hatten: Sie waren nie „nur“ Mittagessen.
Dieser Artikel ist eine Einladung, beim Netzwerken über den Tellerrand zu schauen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Österreich: Zwischen Höflichkeit, Charme und strukturiertem Miteinander
In Wien ist der Business-Lunch eine stilsichere Angelegenheit – irgendwo zwischen verbindlich und gemütlich. Oft trifft man sich in traditionellen Gaststätten oder Kaffeehäusern wie dem Landtmann, Café Central oder Diglas. Und ja: Das Klischee des leicht mürrischen Oberkellners erfüllt sich erstaunlich oft. Aber das gehört hier fast schon zum Wiener Charme.
Ich reserviere frühzeitig, bitte explizit um einen ruhigen Platz (Stichwort: nicht mitten im Lokal) und bin selbst immer einige Minuten früher da. Wenn man sich noch nie gesehen hat, reserviere ich unter meinem vollen Namen – das erspart den peinlichen „Wo sitzt sie denn?“-Moment. Und ja: Ich frage vorab nach kulinarischen Vorlieben und gebe zwei bis drei Restaurantvorschläge zur Auswahl. Lieber einen Schritt mehr – aber dafür ein echtes Willkommensgefühl. Bei mir steht die zwischenmenschliche Wertschätzung ganz oben.
Auch organisatorisch ist Vorbereitung Gold wert: Ich überprüfe jede Reservierung doppelt, bitte um schriftliche Bestätigung oder nutze Tools mit sofortiger Online-Bestätigung. Denn: Kein Tisch beim Eintreffen ist ein echter Networking-Killer.
Inhaltlich gilt: Small Talk ja, aber fundierte Vorbereitung ist Pflicht. Ich informiere mich über mein Gegenüber – keine Basics wie „Was machen Sie eigentlich genau?“ oder gar falsche Namensnennung. Und wenn man etwas verspricht – etwa ein bestimmtes Dokument, eine Kontaktempfehlung oder einen Link – dann schicke ich das auch später verlässlich nach! Ich setze mir dafür einen Reminder direkt nach dem Gespräch. Denn nach dem Espresso ist vor dem nächsten Zoom-Call – und was vergessen wurde, wirkt schnell nachlässig.
Wie habe ich nun die Kombination Netzwerken und Business-Lunch zwischen Ost und West bzw. Nord und Süd erlebt?
Großbritannien: „Let’s do lunch“ – höflich, präzise, dezent
Der britische Lunch ist effizient, aber freundlich. Small Talk über das Wetter, Kultur oder Sport ist fixer Bestandteil, bevor es zum Geschäftlichen geht – das geschieht jedoch meist ohne Umschweife, aber stets mit einem Schuss Understatement.
Die Rechnung? Wird vom Einladenden diskret übernommen – kein großes Thema. Alkohol ist möglich (ein Glas Wein oder ein Pint), aber in Maßen.
Spanien: Beziehung geht vor Business
In Spanien ist der Lunch ein soziales Ritual. Es wird für unsere Verhältnisse spät gegessen (ab 14:00 Uhr), lange geredet, viel gelacht – und oft erst gegen Ende übers Business gesprochen. Vertrauen wird über Zeit und Nähe aufgebaut. Persönliche Gespräche gehören dazu – Familie, Werte, Politik. Ein kurzer, nüchterner Business-Lunch wäre hier fast schon unhöflich.
Schweden: Struktur & Augenhöhe
Pünktlich, sachlich, respektvoll. Der schwedische Business-Lunch ist effizient organisiert – oft als Buffet oder leichter Lunch (sehr oft mit Sandwiches in alle Varianten). Geschäftliches wird direkt besprochen, aber in ruhigem Ton. Small Talk ist minimal. Auffällig: Schweigen ist okay – und oft ein Zeichen von Reflexion. Und: Hierarchie wird kaum betont – man spricht auf Augenhöhe.
USA: Direkt, dynamisch, zielorientiert
Time is money – das spürt man beim Business-Lunch in den USA sofort. Nach einem kurzen Small Talk – zumeist für uns auf eine fast übertrieben freundschaftliche Art, selbst wenn man sich kaum kennt – wird meist schnell zum Geschäftlichen übergegangen. Lunch-Termine sind eher kurz (45–60 Minuten) und dienen oft als Entscheidungshilfe. Trinkgeld ist Pflicht, Bezahlung unkompliziert – geteilt oder vom Gastgeber übernommen, beides ist möglich.
China: Respekt, Ritual & Rangordnung
Business-Lunches in China folgen klaren sozialen Regeln. Wer wo sitzt, wer zuerst bedient wird, wer beim Anstoßen das Glas höher hält – all das zeigt Respekt und Rangverständnis. Gespräche beginnen persönlich, Geschäftliches wird oft indirekt und diplomatisch angesprochen. Die Einladung ist meist großzügig, oft opulent – und als Geste der Beziehungspflege zu verstehen. Gastgeschenke gehören in China zum guten Ton, denn alles andere wäre unhöflich. Und es müssen stets Reste von den Speisen am Tisch bleiben: ein leerer Tisch wird als „geizig“ gedeutet und lässt vermuten, dass die Gäste nicht satt wurden.
Vereinigte Arabische Emirate: Gastfreundschaft als Business-Prinzip
Essen ist hier ein Ausdruck von Ehre und Verbindung. Alkohol ist tabu, Schweinefleisch ebenso. Gespräche sind höflich, aber nicht forsch. Persönliche Beziehungen stehen klar vor Business-Themen. Der Lunch dient dem Aufbau von Vertrauen – wer zu schnell zum Punkt kommt, wirkt ungeduldig oder gar respektlos. Sonst gehen Türen zu noch bevor sie halb offen waren. Geduld ist hier eine Business-Währung.
Checkliste für den Business-Lunch
Zusammenfassend möchte ich aus meiner persönliche Erfahrung hier einige praktische Tipps für den nächsten Business Lunch geben:
- Organisation & Setting
- Frühzeitig reservieren und um einen ruhigen Platz bitten.
- Vorab die kulinarischen Vorlieben klären und dann einige Restaurantoptionen zur Auswahl anbieten
- Reservierung immer doppelt überprüfen
- Immer einige Minuten vor dem Gast da sein
- Unter vollständigem Namen reservieren – bei „Blind-Date-Meetings“ hilft das enorm
- Angemessene Kleiderwahl
- Ich würde Kleidung wählen, die dem Anlass, dem kulturellen Kontext und dem Ort entspricht
- In formelleren Settings ist Business Chic angebracht, in kreativeren Branchen darf es etwas lockerer sein – aber immer gepflegt
- Achte darauf, dass Äußerlichkeiten nicht vom Gespräch ablenken, sondern stets die Professionalität unterstreichen
- Auswahl der Speisen
- Gerichte auswählen, welche leicht zu essen sind und keine Ablenkung verursachen
- Fingerfood, stark riechende Speisen oder „Klecker-Kandidaten“ lieber vermeiden
- Essgewohnheiten oder Einschränkungen des Gegenübers berücksichtigen (z. B. vegetarisch, vegan, keine Meeresfrüchte etc.)
- Auf Speisen verzichten, bei denen man ununterbrochen schneiden, pulen oder auslöffeln muss – das Gespräch sollte im Vordergrund stehen
- Höflichkeit gegenüber dem Servicepersonal
- Der Umgang mit dem Personal sagt viel über jemanden aus – Freundlichkeit, Blickkontakt und ein einfaches „Danke“ machen tatsächlichen einen Unterschied
- Gern auch das Personal höflich ansprechen – mit Titel oder Nachnamen, wenn angebracht
- Auch im Stress oder bei kleinen Missverständnissen: Geduld und Respekt bleiben oberstes Gebot
- Vorbereitung als Basis
- Gut auf das Gegenüber vorbereitet sein
- Keine banalen Informationen erfragen, die man online hätte nachlesen können
- Namen korrekt aussprechen – klingt selbstverständlich, ist es aber nicht immer (leider selber erlebt)
- Small Talk & Gesprächsthemen
- Besser mit unverfänglichen Themen starten wie Wetter, Kulinarik, Reiseerlebnissen oder aktuellen Events
- Heikle Themen sollten vermieden werden (Religion, Politik, Gehalt) – außer es ergibt sich im freundlichen Rahmen oder man ist gut bekannt
- Immer immer immer echtes Interesse zeigen und aktiv hin-hören – Small Talk ist beim Netzwerken kein Lückenfüller, sondern Beziehungsarbeit
- Übergang ins Geschäftliche sollte sensibel und natürlich passieren, z. B. nach dem Hauptgang oder mit einem Bezug zum vorherigen Thema
- Bezahlung & Compliance
- Früher: Wer einlädt, zahlt – heute: Regeln prüfen
- Vorab klären, ob Einladung akzeptiert werden darf und bis zu welcher Höhe (Stichwort Compliance)
- Keine großen Gesten nötig – Diskretion zählt mehr
- Follow-up & Nachbereitung
- Versprochene Informationen nach dem Lunch zeitnah senden
- Notizen oder Kalender-Reminder nutzen, um nichts zu vergessen
- Anschließend schriftlich bedanken – kleine Geste, große Wirkung
Fazit: Der Business-Lunch ist mehr als nur ein Essen
Ob im Wiener Kaffeehaus, im Londoner Pub oder in der Rooftop-Lounge in Shanghai – gemeinsames Essen ist ein Türöffner. Doch der Schlüssel liegt im Detail: kulturelles Feingefühl, gute Vorbereitung und echte Aufmerksamkeit sind dabei Grundvoraussetzung für nachhaltigen Netzwerkaufbau.
Wer sich darauf einlässt, wird merken: Der beste Networking-Effekt liegt oft nicht in der Präsentation, sondern in der Pause zwischen Hauptgang und Dessert.
Über die Autorin
Catharina Rieder verfügt über 25 Jahre Erfahrung in der Kommunikationsbranche – unter anderem auch als PR & Communications Director in einem globalen Konzern. In dieser Zeit war ihr Netzwerk ihr ständiger Business-Begleiter. Über die Plattform einfach.netzwerken teilt sie ihr Wissen mit Menschen aus unterschiedlichsten Branchen und Bereichen. Neben einem Netzwerk-Buddy Programm und einem Netzwerk-Starter-Training bietet sie zudem einen Netzwerk-Guide inklusive Selbst Check an. Zudem produziert Rieder einen Business-Podcast rund um das Thema Netzwerken namens NETZWERK-ZIRKEL. Bist du bereit, das volle Potenzial deines Netzwerks zu entfalten? Catharina Rieder freut sich mit dir in Kontakt zu treten!