20.07.2022

Die vielen Probleme von Madame Lagarde

Der Euro schmiert ab, die Inflation ist extrem hoch und in Italien herrscht Regierungskrise. EZB-Chefin Christine Lagarde hat viel zu tun - aber was kann sie wirklich erreichen?
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brutkasten-Kolumnist Niko Jilch über EZB-Chefin Christine Lagarde
brutkasten-Kolumnist Niko Jilch über EZB-Chefin Christine Lagarde | (c) brutkasten / Europäisches Parlament
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Es klingt nach einem Scherz, aber zum Lachen ist es nicht: In Nigeria weigern viele Wechselstuben sich inzwischen, den Euro anzunehmen. Weil der Kurs “zu instabil” sei. Das berichtet Reuters.

Die Geldwechsler haben Angst, auf den rasch abwertenden Euros sitzen zu bleiben. Viele Ausländer hätten ihre Euro-Bestände in den vergangenen Wochen bereits in Dollar gewechselt, wird berichtet. Jetzt wird der Euro oft gar nicht mehr gewechselt, wie ein Ökonom erklärt: “Sie wollen sich nicht einer Währung aussetzen, die volatil ist und sich in einer unberechenbaren Situation befindet, weil das Risiko hoch ist.”

Ein toxischer Cocktail für die Eurozone

Am anderen Ende der Welt, in Österreich, kann man das inzwischen verstehen. Die Inflation ist zuletzt auf 8,7 Prozent geklettert, den höchsten Stand seit 47 Jahren. In der Vorbereitung auf einen Winter mit extrem hohen Gaspreisen kaufen die Menschen Öfen. Brennholz ist ebenfalls bereits teuer und an vielen Orten ausverkauft.

Der Krieg in der Ukraine, die Sanktionen des Westens und die Gelddruckerei der vergangenen Jahre ergeben einen extrem toxischen Cocktail, der Wirtschaft und Gesellschaft in Westeuropa vergiftet.

Die EZB-Chefin Christine Lagarde ist in einer schwierigen Situation. Seit ihrem Antritt macht die Französin eine unglückliche Figur. Bei ihren ersten Pressekonferenzen ließ sie noch erkennen, wie wenig sie wirklich von den geldpolitischen Instrumenten der Notenbank versteht. Dann kam ihr Sager in der Inflation: Die Europäer sollten froh sein, “einen Job zu haben” – und sich nicht um ihre Ersparnisse sorgen.

Und erst vor einigen Wochen blamierte sich Lagarde im holländischen Fernsehen. Sie konnte (oder wollte) partout die Frage nicht beantworten, wie die EZB ihre durchs Gelddrucken extrem aufgeblasene Bilanz wieder runterfahren wird. Solche verbalen Ausrutscher haben in der Geldpolitik größere Relevanz als man glauben mag. Denn die Steuerung der öffentlichen Meinung ist mindestens genauso wichtig wie eine Zinsentscheidung.

Gleich mehrere Zwickmühlen plagen die EZB-Chefin

Am Donnerstag bekommt Lagarde wieder eine Chance. Gleich zweifach. Zuerst darf sie (gemeinsam mit den Kollegen im EZB-Rat) die Zinsen festlegen. Und dann muss sie bei einer Pressekonferenz ihren Plan erklären. Das alles vor dem Hintergrund absolut verrückter Inflation im Euroraum, von fast neun Prozent in Österreich bis zu 20 Prozent im Baltikum.

Aber Lagarde steckt in einer mehrfachen Zwickmühle: Die Märkte erwarten einen Zinsschritt. Das ist der einfache Teil. Aber mit Geldpolitik alleine wird sie die Teuerung garantiert nicht in den Griff bekommen. Krieg und Pandemie spielen da auch eine Rolle. Sie wird in ihrer Rede sicherlich darauf hinweisen.

Wie will Lagarde Italien retten?

Besonders heikel ist aber die Sache mit Italien: Das wichtige Euroland ist schon wieder in einer Regierungskrise und kann höhere Zinsen mit seinen hohen Schulden nicht verkraften. Daher will Lagarde gleichzeitig mit der Zinsanhebung ein Speziallprogramm zur Rettung Italiens starten. Das soll der “Fragmentierung” des Euroraums vorbeugen – aber wer glaubt es ihr?

Alleine dass es so ein Programm braucht, ist schon ein Eingeständnis. Wir haben ein Problem! Und das ist das Drama der Christine Lagarde. Sie ist angetreten mit (umstrittenen) Plänen, per Geldpolitik die Umwelt zu retten. Sie wollte den (umstrittenen) “Digitalen Euro” einführen.

Jetzt muss sie die schlimmste Inflationskrise seit fast fünf Jahrzehnten durchstehen. Und eine Neuauflage der europäischen Schuldenkrise verhindern. Man kann ihr nur viel Glück wünschen, denn von Lagardes Geschick hängt die Zukunft von Millionen Europäern ab.

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Das "Expedition Zukunft"-Team, Annamaria Andres (erste links) | (c) FFG

In Zeiten großer gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen braucht es mutige Ideen, die nicht nur schrittweise verbessern, sondern bestehende Systeme grundlegend neu denken. Genau hier setzt das Förderprogramm „Expedition Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) an. Annamaria Andres, die das Programm maßgeblich mitentwickelt hat, betont: “Die EU und auch Österreich sind sehr gut in inkrementellen Innovationen und Grundlagenforschung, doch es braucht auch disruptive Ansätze, um die Welt zu einem besseren, gerechteren und nachhaltigeren Ort zu verändern.”

Mehr als inkrementelle Verbesserungen

Das Ziel von “Expedition Zukunft” ist es, Projekte zu unterstützen, die einen echten Paradigmenwechsel bewirken können. Während traditionelle Innovationsprogramme oft auf Verbesserungen bestehender Technologien und Prozesse abzielen, sucht „Expedition Zukunft“ nach bahnbrechenden Ideen. Es geht darum, mit komplett neuen Ansätzen die jetzigen Herausforderungen anzugehen. Diese Herausforderungen könnten technologischer, gesellschaftlicher oder ökologischer Natur sein.

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Zwei Wege in die Zukunft: #START – Business Edition und #INNOVATION

Das Programm gliedert sich in mehrere Ausschreibungsschienen. Hier ein Überblick zu zwei Förderschienen, die sich besonders für Gründer:innen von Startups und KMU eignen:

  • #START – Business Edition: Hier können Gründer:innen und KMU einreichen, die ganz am Anfang stehen. Sie haben eine visionäre Idee, aber noch kein ausgearbeitetes Konzept. Es geht darum, die Durchführbarkeit zu testen – nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch in Bezug auf soziale Aspekte, strategische und rechtliche Rahmenbedingungen. Für diesen Schritt stellt die FFG bis zu 80.000 Euro zur Verfügung.
  • #INNOVATION: In dieser Schiene wurde ein Problem bereits klar definiert, die Lösung ist jedoch noch offen. Mit einer Förderung von bis zu 150.000 Euro bei einer Förderquote von 50 Prozent unterstützt das Programm die Lösungsfindung in Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern. Hier geht es um iterative Innovationsprozesse, wie zum Beispiel Open Innovation und Design Thinking, um eine optimale Lösung für eine Zielgruppe oder ein disruptives Geschäftsmodell zu entwickeln.

Weitere Ausschreibungsschienen findet ihr auf der Programm-Website.

Mut zum Risiko und zur Veränderung

Disruptive Innovationen sind riskanter als schrittweise Verbesserungen. Sie bewegen sich oft in unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen, müssen neue Märkte erschließen und kulturelle Veränderungen anstoßen. Diese bahnbrechenden Ideen haben ein höheres Umsetzungsrisiko. Deshalb bietet das Programm neben finanzieller Unterstützung auch umfassende Beratungsservices und Expeditionsguides.

Die Expeditionsguides sind Expert:innen, die die geförderten Projekte begleiten. Neben der individuellen Begleitung bietet das Programm auch Netzwerktreffen, bei denen sich die Fördernehmer:innen untereinander austauschen können.

Von der Vision zur Umsetzung

Ein zentrales Kriterium für die Förderung ist der Mut zur großen Vision. Dahingehend werden Fördernehmer:innen gesucht, die größer denken und bereit sind, neue Wege zu gehen. Diese Vision muss auch einen gesellschaftlichen oder ökologischen Mehrwert bieten. Es geht nicht nur um Profit, sondern um Impact – sei es in der Umwelt, der Gesellschaft oder der Wirtschaft.

Ein Beispiel für solche visionären Projekte sind Innovationen in der Raumfahrt, der Krebsbekämpfung, sozialen Inklusion oder Pflegekonzepte für eine alternde Gesellschaft.

Solche Ideen stoßen jedoch oft auf große gesellschaftliche Herausforderungen. So stellt beispielsweise die Bereitschaft der Menschen, eingefahrene Verhaltensmuster zu ändern, eine Hürde dar. Genau hier setzt das Programm an, um den notwendigen Wandel zu unterstützen und den Weg für zukunftsweisende Innovationen zu ebnen.

Unterstützung, die über Geld hinausgeht

Neben der finanziellen Förderung bietet „Expedition Zukunft“ auch umfangreiche Beratungsleistungen. Dazu gehören Workshops zu Geschäftsmodellen, Strategieberatung oder Hilfe bei IP-Fragen. So soll sichergestellt werden, dass die Projekte nicht nur technisch funktionieren, sondern auch erfolgreich umgesetzt werden können.

Das Programm „Expedition Zukunft“ vernetzt die Teilnehmenden gezielt mit relevanten Partner:innen aus Wirtschaft, Forschung und öffentlichem Sektor. Ein starkes Netzwerk aus Wirtschaftsagenturen, Ministerien und internationalen Partnern unterstützt dabei, die richtigen Kontakte zur richtigen Zeit zu knüpfen – oft der Schlüssel zum Erfolg eines Projekts.

Bewerbungsfrist und Kriterien

Die Einreichfrist für die #START Business Edition endet am 28. Januar um 12:00 Uhr. Die Schiene #INNOVATION ist als laufende Ausschreibung angelegt. Bewerber:innen müssen neben einer bahnbrechenden Idee auch den Willen mitbringen, Risiken einzugehen und groß zu denken. Diversität, gesellschaftlicher Impact und die Bereitschaft zur Veränderung sind entscheidend.

Abschließend merkt Andres an: “Wir suchen Visionär:innen, die bereit sind, die Welt zu verändern. Die Expedition Zukunft ist für diejenigen, die über den Tellerrand hinaus denken, die mutig sind und größer denken. Wer bereit ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, findet in dieser Initiative der FFG nicht nur einen Förderer, sondern einen Partner auf dem Weg in die Zukunft.”

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