30.08.2019

Nachgefragt: Wie digitalisiert sich ein KMU?

In der Öffentlichkeit ist viel vom Aufholbedarf der österreichischen KMU in Sachen Digitalisierung zu lesen. Doch wie digitalisiert sich ein KMU eigentlich? Der brutkasten hat beim oberösterreichischen Unternehmens- und Digitalisierungsberater, Herbert Furch, nachgefragt, der seit mehreren Jahren mittelständische Industrieunternehmen bei der digitalen Transformation extern betreut.
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Internet Ungarn
Quellen: U.S. Energy Information Administration; BP; Weltbank; EDGAR

Dass die österreichischen KMU-Landschaft einen großen Aufholbedarf in Sachen Digitalisierung hat, ist schon lange kein Geheimnis mehr. In der Öffentlichkeit kursieren in Bezug auf diese Thematik zahlreiche wirtschaftspolitische Analysen und Handlungsempfehlungen. Eine Frage, die eigentlich auf der Hand liegt, dabei des Öfteren aber zu kurz kommt, lautet: Wie digitalisiert sich ein KMU eigentlich?

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Der brutkasten hat dies zum Anlass genommen und beim oberösterreichischen Unternehmens- und Digitalisierungsberater, Herbert Furch, nachgefragt, der seit mehreren Jahren mittelständische Industrieunternehmen extern bei der digitalen Transformation betreut.

Welche Methoden gibt es, um ein KMU zu digitalisieren?

Für die Digitalisierung von Unternehmen gibt es unterschiedliche Modelle. Ich persönlich greife in meiner Arbeit auf das “Reifegradmodell Industrie 4.0” von Business Upper Austria zurück. Dabei handelt es sich um ein Vorgehensmodell, um zunächst den Ist-Zustand zu erheben und anschließend den Soll-Zustand zu bestimmen. Anschließend werden Maßnahmen für die digitale Transformation eines Betriebes anhand von 50 bis 60 Kriterien erarbeitet.

Wie wird das “Reifegradmodell Industrie 4.0” konkret angewandt?

Als erstes definiert man einen spezifischen Bereich im Unternehmen, wie beispielsweise den Einkaufsprozess, die Fertigung, den Logistikbereich oder die Buchhaltung. In einem nächsten Schritt wird erhoben, welche digitalen Instrumente für die jeweiligen Bereiche eingesetzt werden. 

In der Regel macht es Sinn, sich zunächst nur einen Bereich anzuschauen. Dafür führt man zunächst Interviews mit den Mitarbeitern und bekommt einen ersten Überblick über den Ist-Zustand.

Die digitale Transformation ist nicht nur ein IT-Thema, sondern auch ein Thema des Change Managements.

Nehmen wir das Beispiel Einkauf. Wie kann dieser Bereich, beispielsweise in einer klassischen Tischlerei, digitalisiert werden?

Als erstes schaue ich mir an, welche Daten zur Verfügung stehen und wie sie verwertbar sind. Dabei wird auch ein Quervergleich mit anderen Firmen gemacht. Daraus kann man dann auf einer Skala von eins bis zehn ableiten, welchen digitalen Reifegrad eine Firma hat.

Im nächsten Schritt werden dann Maßnahmen erarbeitet, um auf der Skala weiter aufzusteigen. Diese Maßnahmen werden dann teilweise von den eigenen Mitarbeitern umgesetzt oder es werden Firmen beauftragt, die auch einzelne Maßnahmen umsetzen dazu zählen beispielsweise IT-Dienstleister. 

Wichtig ist allerdings zu wissen: Die digitale Transformation ist nicht nur ein IT-Thema, sondern auch ein Thema des Change Managements. 

In vielen KMU sind leider noch immer sehr alte Strukturen präsent.

Welche Aspekte umfasst das Change Management?

Wenn man einen Prozess in der Firma digitalisiert, muss man auch überlegen, wie die Organisation und die Struktur im Unternehmen geregelt ist insbesondere wie die Mitarbeiter in einer Firma in die jeweiligen Prozesse eingebunden sind. Herrschen beispielsweise hierarchische Strukturen vor oder muss man das Teamwork verstärken bzw. Verantwortungen delegieren lassen? 

In vielen KMU, die ich in meiner Arbeit betreue, sind leider noch immer sehr alte Strukturen präsent. Um dies zu analysieren, greife ich auf ein zweites Reifegradmodell zurück, nämlich das “Human-Resource-Reifegradmodell”, das ich im Beirat von Business Upper Austria selbst mitentwickelt habe.

Wie sieht dieses “Human-Resource-Reifegradmodell” aus?  

Zunächst überprüfe ich, ob der HR-Bereich einer Firma auch in der langfristigen Unternehmensstrategie berücksichtigt wird. Viele Firmen entwickeln Strategien und kommen dann erst drauf, dass sie keine Leute dafür haben. Dabei gibt es eine Vielzahl an Dimensionen zu berücksichtigen, wie beispielsweise Mitarbeiterentwicklung, Führung, Organisationsentwicklung, Arbeitsorganisation und Optimierungsprozesse. 

Change Management ist nur dann erfolgreich, wenn die Chefs davon überzeugt sind und auch bei den Mitarbeitern ansetzen. Generell lässt sich sagen, dass bei der digitalen Transformation die IT-Leistungen ein Drittel ausmachen und das Change Management zwei Drittel.

Meist treten die Eigentümer als “Patriarchen” auf, die alles kontrollieren möchten.

 Welchen Schwierigkeiten begegnen Sie in ihrer Arbeit? 

Das Schwierigste ist, Vertrauen aufzubauen, sowohl gegenüber der Chefetage, als auch den Mitarbeitern. Dabei positioniere ich mich in erster Linie als Moderator, um die unterschiedlichsten Ebenen in einer Firma miteinzubinden.

Bei klassisch eigentümergeführten Unternehmen und das sind die meisten KMU ist dieser Prozess oftmals schwer umsetzbar. Meist treten die Eigentümer als “Patriarchen” auf, die alles kontrollieren möchten. Wenn das Unternehmen wächst, ist dies jedoch nicht mehr möglich. Dann kann es schnell passieren, dass sie in der ersten Berichtsebene keine guten Leute haben und das Unternehmen in weiterer Folge den Bach hinunter geht. Ab einer gewissen Größe ist es daher unabdingbar, dass sich die Firma von einem eigentümergeführten zu einem managementgeführten Unternehmen entwickelt. 

KMU sind in ihren Bereichen sehr erfolgreich und sehen daher keine Notwendigkeit ihre Geschäftsmodelle ins digitale Zeitalter zu transformieren.

Warum tun sich KMU in der Regeln mit der digitalen Transformation so schwer? 

Viele KMU nehmen sich leider nicht die Zeit für strategische oder längerfristige Überlegungen. Grund dafür ist natürlich auch, dass sie aufgrund der derzeit noch guten Konjunktur in ihrem Tagesgeschäft versinken. 

Ein weiterer Grund: In der Regel sind KMU in ihren Bereichen sehr erfolgreich und sehen daher keine Notwendigkeit ihre Geschäftsmodelle ins digitale Zeitalter zu transformieren. Eine fehlende EDI-Anbindung kann im B2B-Bereich aber schnell zum Verlust von Kunden führen, wenn diese eine derartige einfordern. Trotz einer guten Positionierung der Produkte kann dies dann dazu führen, dass Kunden abspringen und zum Mitbewerber wechseln. 

Wie schätzen Sie die Entwicklung für die Zukunft ein?

Durch das prognostizierte Abflachen der Konjunktur und sinkenden Auftragslage werden KMU in ihrem Tagesgeschäft entlastet werden. Dadurch werden sie auch mehr Zeit haben, um sich mit längerfristigen Themen zu beschäftigen und sind gezwungen innovativ zu werden. Im Idealfall entstehen dadurch neue Produkte und Dienstleistungen.


KMU und Digitalisierung: Die brutkasten Roadshow

Der brutkasten nimmt diese Thematik zum Anlass und setzt sich in einer neuen Serie mit der Digitalisierung der österreichischen KMU-Landschaft auseinander. Dazu haben wir am 29. August gemeinsam mit dem Austria Wirtschaftsservice (aws), A1, der Erste Bank und Sparkasse, der Wiener Städtische Versicherung sowie regionalen Partnern eine zweimonatige Roadshow quer durch Österreich gestartet. Ziel ist die Vernetzung von KMU mit Startups und Corporates. Im Fokus stehen Erfahrungsaustausch, die Präsentation von Best-Practice-Beispielen aus der Region und das Aufzeigen von Chancen der Digitalisierung sowie Kooperationen mit anderen Unternehmen.


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Das Wiener Startup PowerBot automatisiert den physischen Stromhandel an Strombörsen. Damit leistet es einen Beitrag zur Energiewende. CEO Helmut Spindler hat uns vergangenen April mehr über die Technologie erzählt.

Das SaaS-Unternehmen wurde im Jahr 2020 von Felix Diwok, Manuel Giselbrecht und Helmut Spindler gegründet. Mit dem Ziel, Handelsabläufe an den europäischen Strombörsen zu automatisieren und zu verbessern. Und damit die Energiewende voranzutreiben. CEO Spindler war jahrelang als Berater für Energiemarktfragen tätig. Als Spin-off der Energiemarktberatung Inercomp GmbH entstand dann 2020 PowerBot.

Exit an norwegischen Tech-Konzern

Am gestrigen Mittwoch verkündete das Wiener Startup, vom “europäischen Marktführer für Energiesoftware, Volue, offiziell übernommen” worden zu sein. Eine konkrete Summe wird nicht genannt. Gemeinsam habe man sich das Ziel gesetzt, den Markt “im algorithmischen kurzfristigen Stromhandel” anzuführen.

Das Käufer-Unternehmen Volue positioniert sich als Technologielieferant grüner Energie. Das norwegische Unternehmen arbeitet an Lösungen zur Optimierung von Produktion, Handel, Verteilung und Verbrauch von Energie.

Co-Founder Diwok hielt bislang 37,5 Prozent, Spindler und Giselbrecht je 18,74 Prozent. Auch das Partnerunternehmen der Armstrong Consulting GmbH unter Geschäftsführer Roger Armstrong hielt bislang 25,01 Prozent der Firmenanteile.

Schrittweise Integration

Mit dem Kauf des Wiener Energy-Startups soll das bestehende Portfolio von Volue erweitert werden. Die Integration soll Schrittweise erfolgen, ab Jänner 2025 sei die PowerBot-Lösung vollständig in das Volue-Portfolio integriert.

Volue-CEO Trond Straume wird in einem LinkedIn-Post von PowerBot zitiert: „Diese Übernahme ist ein entscheidender Schritt auf unserem Weg, bis 2030 der führende SaaS-Anbieter für das globale Energiesystem zu werden. Die hochmoderne Plattform von PowerBot ergänzt den Volue Algo Trader perfekt, indem sie Quants befähigt und unsere Expansion über Westeuropa hinaus beschleunigt.“

Das Wiener Energy-Startup soll fortan die bestehende Lösung des Käufers – namentlich “Volue Algo Trader Power” ergänzen. Dabei handelt es sich um eine SaaS-Lösungen für den kurzfristigen Stromhandel, kurz für “Intraday”-Stromhandel.

“Keinen besseren Partner”

Wie PowerBot weiter vermeldet, soll die Integration die Entwicklung von traderfreundlichen Benutzeroberflächen und Lösungen für Unternehmen begünstigen. PowerBot wird dabei eng mit dem Team rund um die SaaS-Lösung Volue Algo Trader Power zusammenarbeiten.

Für das PowerBot-Team sei der Exit “nur der nächste wichtige Schritt auf dem Weg des Wachstums”, heißt es. Auch weiterhin soll das bestehende PowerBot-Team, darunter Helmut Spindler, Maximilian Kiessler und Jakob Ahrer, “die Entwicklung des Produkts weiter vorantreiben und für Kontinuität und Innovation sorgen”. Das Startup will indes bereits baldige neue Produkte auf dem Markt verkünden.

Helmut Spindler, CEO von PowerBot, kommentiert: „Wir haben in den letzten Jahren ein unglaubliches Wachstum erlebt, und um weiter zu skalieren und zu internationalisieren, brauchten wir einen starken Partner. Volue ist aufgrund seiner umfassenden Branchenkenntnisse und seiner gemeinsamen Vision die perfekte Wahl. Ich könnte mir keinen besseren Partner vorstellen“.

Stärken kombinieren

Mittlerweile soll das Wiener Energy-Startup über 85 Kunden in 26 Ländern vorweisen. Handeln soll es derzeit an neun Börsen. Das Team sei 25-köpfig und in Wien sitzend. Auch die Zertifizierungen ISO 27001 und SOC2 Typ 2 – beides Zertifizierungen für Cybersicherheit und Datenschutz – weise man vor.

Roland Peetz, SVP von Volue Energy Software, fügt hinzu: „Indem wir unsere Stärken kombinieren, schaffen wir ein unübertroffenes Angebot, das den Anforderungen des sich schnell verändernden Stromhandelsmarktes gerecht wird.“

Aus dem Archiv: PowerBot-CEO Helmut Spindler im Studio

Der PowerBot-CEO und Mitgründer Helmut Spindler war zu Gast im brutkasten Studio.

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