17.01.2019

Neue Arbeitswelten durch KI: Wie sich Arbeit in den nächsten Jahren verändert

Die nächste Revolution der Arbeitswelt ist im Gange und künstliche Intelligenz spielt dabei eine wesentliche Rolle. Stehen wir vor einer Krise oder einer riesigen Chance?
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Arbeit, KI, AI, Künstliche Intelligenuz, Artificial Intelligence
(c) zapp2photo/ fotolia.com

Digitalisierung – ein Wort das viele Menschen verzückt, anderen hingegen den Schweiß den Nacken hinuntertreibt. Die Welt war stets von Veränderung geprägt, Paradigmenwechsel gab es viele und das tägliche Leben erlebte immer wieder Wandel. Auch die Arbeitswelt war nie frei von Veränderungen; mal rascher, mal schleichend. Mit der fortschreitenden Technologisierung unserer Gesellschaft verändert sich die Arbeit aber weiter. Für einige Personen eine Entwicklung voller „Opportunities“, andere fürchten, durch künstliche Intelligenz ersetzt zu werden. Es spielen viele Faktoren mit hinein, die man beachten muss, um aktuelle und zukünftige Entwicklungen zu verstehen und dafür gerüstet zu sein.

+++ Xing New Work Sessions: Wie sieht die Arbeitswelt von Morgen aus? +++

“Es werden sich Jobs ändern, Jobs wegfallen und neue Jobs entstehen”

Sepp Hochreiter ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. Er ist Leiter des Instituts für Bioinformatik an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz. Seit 2017 steht er im Linz Institute of Technology dem AI Lab vor. Er sagt: „Es werden sich Jobs ändern, Jobs wegfallen und neue Jobs entstehen.“ Der Erfinder der LSTM-Technik, einer Methode zur Verbesserung der Entwicklung künstlicher Intelligenz, sieht bereits jetzt Ansätze veränderter Arbeitswelten bzw. das Ersetzen von Menschen durch Maschinen, z.B. bei Chatbots, automatisierten Livetickern bei Fußballspielen, Tweets im Trump-Wahlkampf oder Beschwerdeservices.

Weitere Bereiche, in die AI zeitnah Einzug halten wird, seien unter anderem Telefonservices, Sales, Marketing, Mobility, Security, Kochen und Lektorat. „Jobs, bei denen durch KI leicht zu automatisieren ist“, präzisiert er. Die Quintessenz seiner Einschätzung ist, dass repetitive Jobs wegfallen. Hochreiter sieht darin jedoch keine Neuerung in der Arbeitsgeschichte. Denn solche Entwicklungen habe es immer schon gegeben. „Man denke nur an den Landwirt, der früher 20 Mitarbeiter hatte. Dann kamen Traktoren und Maschinen. Heutzutage hat der Landwirt ein bis zwei Mitarbeiter“, so der Experte weiter.

+++ Studie: Künstliche Intelligenzen nehmen doch keine Arbeitsplätze weg +++

Ähnlich sieht es Klaudia Bachinger von WisR, einer Internetplattform, die Unternehmen und Pensionisten zusammenbringt. „Repetitive Prozesse werden ersetzt werden, allerdings nicht im Servicebereich, da Maschinen Kontext und Empathie nicht können. Es mangelt ihnen an emotionaler Intelligenz“, sagt sie. In diesem Sinne bringt Hochreiter ein Beispiel aus den USA, das stellvertretend für die Problematik von AI in der Arbeitswelt gesehen werden kann: Dort wurde als Experiment einer AI aufgetragen, Gerichtsurteile vorherzusagen. Als Basis dazu diente eine Datenbank alter Urteile. „Am Anfang lief es gut, doch als eine Variable, die Hautfarbe der Beklagten, von Weiß auf Schwarz geändert wurde, stieg auch das Strafmaß. Ähnlich beim vorhergesagten Gehalt für diverse Berufe, als man das Geschlecht auf weiblich änderte: Es sank“, erklärt Hochreiter. Die AI habe menschliche Fehler übernommen.

Intelligent Designer

Was Bachinger im Gespräch menschliche Skills und Storytelling nennt, kann man mit Hochreiters Begriff des Intelligent-Designers vergleichen, betrachtet man die Arbeitswelt in ein paar Jahren. Zukünftige Jobs in Bereichen, in denen der Mensch unerlässlich bleibt, drehen sich alle um Daten und Design. Hochreiters Aufzählung gibt einen kleinen Aus- und Einblick darin, welche Professionen fürs Arbeiten Seite an Seite mit künstlicher Intelligenz vonnöten sein werden. Er nennt Data Evangelist, Data Scientist, Robotics, Digital Knowledge Manager, AI-Design und Robot-Psychologie als essenzielle Felder, die im Entstehen sind.

Zudem werde es noch weitere Probleme geben, die weiterhin von menschlicher Hand gelöst werden müssten. Selbstfahrende Autos etwa werden über kurz oder lang Taxifahrer und Chauffeur ersetzen. Man müsse aber klären, so Hochreiter, welche Auswirkungen dies im Straßenverkehr habe. „Heute hat man als Fußgänger Blickkontakt mit dem Fahrer, der einen dann über die Straße lässt. Das selbstfahrende Auto muss zu erkennen geben, dass es den Passanten gesehen hat. Wie macht es das? Es geht vor allem um die Interaktion zwischen Mensch und Maschine“, sagt der AI-Pionier.

Bachinger hat in diesem Zusammenhang fehlende emotionale Intelligenz, kritisches Denken und Kreativität (laut dem World Economic Forum drei der wichtigsten Skills im Jahr 2030) als Knackpunkte genannt, wieso der Mensch durch AI nicht komplett ersetzt werden kann. Hochreiter geht weiter und nennt es „Weltwissen“, welches sich künstliche Intelligenz erst aneignen müsse. „Körperliche und monotone geistige Tätigkeiten werden verschwinden, dafür wird die Arbeit interessanter“, denkt der AI-Experte. „Die Maschine wird zum Lehrbuben.“

“Human Robot-Interaction”

Bis sie aufhöre, den Menschen als „Lehrer“ nötig zu haben und es eine AGI (Artificial General Intelligence), die selbstständig lernt, gebe, würden noch 20 Jahre vergehen, wie Clemens Wasner, CEO von Enlite.ai und Organisator der AAIC (Applied Artificial Intelligence Conference), zu diesem Thema erwähnt: „Alle Expertenmeinungen sehen das frühestens bis 2040. Keiner der aktuellen Ansätze kann bis zu einer AGI skalieren und wir stehen, was neue Methoden betrifft, noch ganz am Anfang, vergleichbar mit der Situation von neuronalen Netzen in den1980ern“, sagt er. Bemerkenswerte Entwicklungen gebe es jedoch heute bereits, so Wasner weiter. „In der Robotik zeichnen sich bereits wesentliche Fortschritte durch selbstlernende Systeme ab, die nicht nur zu neuen Graden der Automatisierung führen. Auch die Zusammenarbeit von Robotern und Menschen wird dadurch erst wirklich möglich, sogenannte ‚Human-Robot-Interaction‘. Dies wird sich zuallererst in der Produktion, etwa von Autos, bemerkbar machen, wo bisher Roboter und Menschen getrennt gearbeitet haben. Auch im Delivery-Center von Amazon wird es diese Art der Kollaboration sehr bald flächendeckend geben, Stichwort Packaging.“

Laut dem Report des Marktforschungs- und IT Analyse-Unternehmens Gartner werden bis 2020 durch AI 1,8 Millionen Jobs vernichtet, dafür 2,3 Millionen geschaffen werden. Wasner meint, dass es Technologieverlierer immer gebe; die eigentliche Frage sei, ob Gesellschaft, Politik und Wirtschaft dies als gottgegeben hinnehmen oder aktiv Schritte setzen, um die Folgen abzufedern. „Die Auswirkungen werden sich hier aber sehr stark regional unterscheiden. Beispiel Handel in Österreich: Laut Statistik arbeiten rund 360.000 Personen im Einzelhandel, viele davon sind Frauen. Man muss kein Hellseher sein, um vor allem in diesem Bereich eine große Automatisierungswelle bis 2030 vorherzusagen“, so Wasner.

Lebenslanges Lernen als Credo

Während im Startup-Bereich Begriffe wie Digitalisierung, Arbeitszeitflexibilisierung und AI mit offenen Armen willkommen geheißen werden, würde der Niedriglohnsektor die Veränderung drastisch spüren.

„Das Gegenbeispiel zum Handel sind klassische Männerberufe wie etwa Fernfahrer in Emerging Markets. Aufgrund des Mangels an qualifizierten Fernfahrern sind europäische Lkw Hersteller sehr darum bemüht, so schnell wie möglich autonom fahrende Lkws herzustellen. Dies hat für Westeuropa einen positiven Impact, wirkt sich aber auf Emerging Markets, wo es noch eine sehr hohe Zahl an Fernfahrern gibt, fatal aus“, sagt Wasner. Der allgemeine Tenor dabei: Wer nicht bereit ist, sich umzustellen, wird abgehängt. Als Begriff wird hier von Expertenseite „lebenslanges Lernen“ eingeworfen, was bei der Betrachtung der nahenden Neo-Arbeitswelt wiederum weitere Aspekte öffnet: Umschulung, Fachkräfte, bedingungsloses Grundeinkommen und Arbeitspsychologie.

Nach der bisherigen Aufzählung neuer Jobs, die kommen mögen, und Rahmenbedingungen, die eine Gesellschaft braucht, um auf den digitalen Wandel zu reagieren, ist ersichtlich, dass Neuorientierungen und Umschulungen Faktoren sein werden, ohne die ein geregelter Übergang nicht möglich sein wird.

+++ Live Interview: CEO und Founder von JobRocker im LIVE Gespräch +++

„Die neuen Technologien werden in allen Arbeitsbereichen Einzug halten und es wird immer wieder Neues dazukommen. Weiterbildung wird in manchen Bereichen notwendiger sein, um in der neuen Zeit mithalten zu können. Es müssten theoretisch jetzt schon erste Umschulungen stattfinden, damit die Gesellschaft in zwei, drei Jahren bereit ist für Neues“, sagt der CEO des Headhunting-Startups JobRocker, Günther Strenn. „Gerade diejenigen, die nicht bereit sind, sich zu ändern, werden verlieren und auf der Strecke bleiben. Da die technischen Fortschritte immer schneller und größer werden, sind lebenslanges Lernen und ständige Weiterbildung nicht nur notwendig, sondern unbedingt erforderlich. Es gibt keine Garantie mehr, bis zur Pension im selben Job zu sein.“

Umdenken zu Migration nötig

Ein weiterer immer wieder gehörter Begriff, wenn Digitalisierung zum Thema wird, ist der Fachkräftemangel. In Deutschland etwa steht 2025 eine Pensionierungswelle bevor, die einen weiteren Mangel an Spezialisten erzeugt, der ohne Automatisierung kaum geschlossen werden kann. In Japan sind aufgrund restriktiver Immigrationspolitik der Pflege und Gesundheitsbereich stark betroffen.

„In beiden Fällen bedeutet dies – auf Wunsch – längere Beschäftigung im Unternehmen bei gleichzeitigen Bemühungen zu mehr Automatisierung. Österreichwirkt in dieser Diskussion oft etwas unbeholfen, um nicht zu sagen unaufrichtig: So wird oft im selben Atemzug über den großen Fachkräftemangel und zu hohe Immigration geklagt, was für ein reiches Land ein Widerspruch in sich sein sollte“, sagt Wasner zu diesem Thema. „Hier ist ein Umdenken, was Ausbildung, Einstellung zu Migration und Qualifikation betrifft, dringend notwendig, da unser bestehendes System viel zu träge für die immer kürzer werdenden Zyklen ist. Erst, wenn dieses Umdenken stattgefunden hat, werden wichtige Initiativen wie Coding Ausbildung auch auf die notwendige Akzeptanz stoßen.“

Klaudia Bachinger sieht einen Weg, diesem Mangel entgegenzutreten, darin, Pensionisten wieder in den Arbeitsmarkt zu holen. „Rund 50 Prozent im DACH-Raum wollen wieder arbeiten“, sagt sie. Dabei stützt sie sich auf Studien von Leopold Stieger, Gründer von Seniors4sucess und Autor des Buchs „Pension – Lust oder Frust?“. Darin heißt es: Während 2014 rund ein Drittel der Rentner nach der Pensionierung noch Lust aufs Arbeiten gehabt hätte, wäre dieser Wert 2016 bereits bei rund der Hälfte der rund 2,7 Millionen Pensionisten im Land gewesen. Davon sehen sich zwei Drittel in einem Ehrenamt, ein Drittel in der bezahlten Arbeit. „Der Grund dafür ist die Wertschätzung beim Ausüben einer sinnvollen Tätigkeit, das soziale Gefüge, das man unter Kollegen spürt, und die mentale Bestätigung, die man erhält. Zudem hält Arbeit Menschen länger fit – geistig und körperlich. Das haben auch die Japaner in ihrem ‚Silver Human Resources Center‘ in einer Langzeitstudie belegen können“, erklärt Bachinger. Die Lücke, die durch Fachkräftemangel entstehe, ließe sich durch Frauen, Migranten und Pensionisten gut schließen, meint sie.

“Junge schneller, Ältere mit Abkürzung”

Auch JobRocker CEO Strenn sieht in dieser Idee einen Mehrwert, wenn er sagt: „Die Jungen sind schneller, aber die Alten kennen die Abkürzung. Das Knowhow der älteren Generation ist wertvoll, und das Ziel sollte sein, ihr Wissen mit den neuen Technologien zu vereinen. Gerade im Dienstleistungsbereich, in dem die Digitalisierung noch nicht überhandgenommen hat, kann man Pensionisten in den Arbeitsmarkt integrieren.“

Laut der WKO wird es hierzulande bis zum Jahr 2030 rund 3,9 Millionen über 50Jährige geben, und bis 2050 mehr als 4,4 Millionen Menschen, die das halbe Jahrhundert an Lebensjahren überschritten haben werden. „Die Babyboomer Generation geht in Pension. In Deutschland etwa werden rund acht Millionen Menschen am Arbeitsmarkt fehlen, das sind 20 Prozent der gesamten Arbeitskräfte“, sagt Bachinger, die aus Erfahrung weiß, dass ältere Semester für projektbezogene Arbeit im Sinne der Gig-Economy oder auch für Teilzeit berufe empfänglich sind.

Flexible Arbeit

Während Gedanken hinsichtlich des Fachkräftemangels um Immigration und „Demographic Aging“ kreisen, wird die zukünftige Arbeitswelt auch stark von dem umstrittenen Begriff Arbeitszeitflexibilisierung geprägt sein. Der Zwölfstundentag hat enorme Kritik ausgelöst, aber auch Befürworter gefunden. Globaler Konkurrenzdruck wird von Unternehmern gerne ins Feld geführt, wenn es darum geht, gesetzliche Freiheiten zu haben, um Mitarbeiter nach Bedarf länger einzusetzen.

Dazu nennt Bernhard Niesner vom sozialen Netzwerk für Sprachenlernen busuu die Formel 996 aus China als Beispiel des harten Wettbewerbs. „In China praktizieren manche Firmen das sogenannte ‚996‘, ‚working 9 a. m. to 9 p. m., 6 days a week‘. Natürlich ist dies nicht im Sinne der Arbeitnehmer und wirkt sich sicherlich mittel- bis langfristig auch extrem negativ auf die Kultur in einer Firma und auf die Effizienz – Stichwort Burnout – aus. Aber dies ist leider die Realität, wenn man mit solchen hoch aggressiven Firmen im Wettbewerb steht“, sagt er und betont deutlich, dass er kein Befürworter einer „100-Stunden- Arbeitswoche“ sei, ein wenig mehr Flexibilität teilweise jedoch nicht schaden würde, „um es Firmen und Mitarbeitern zu ermöglichen, wenn es mal wirklich wichtig ist und ums Überleben der Firma geht, auch mal mehr zu arbeiten“.

Auch Strenn schlägt in eine ähnliche Kerbe, wenn er sagt: „Wenn Unternehmen weiterhin wettbewerbsfähig bleiben wollen, ist die Flexibilität der Unternehmen und der Mitarbeiter gefragt. Dadurch, dass Fließbandarbeit immer mehr ersetzt wird und outputbezogene Arbeit kaum messbar ist, müssen auch Unternehmen umdenken. Gerade durch Technologien ist ein effizienteres Arbeiten möglich, und es sollte projektbezogen und zielorientiert gedacht und gearbeitet werden.“ Bachinger spricht sich zudem dafür aus, dass flexiblere Arbeitszeit in Absprache mit Arbeitnehmern zu implementieren ist. Sie weiß, dass es in manchen Branchen nötig ist, flexibel zu sein, und denkt nicht, dass es sich heutzutage Arbeitgeber – wie befürchtet – leisten können, ihre Angestellten auszunützen und damit ihrer Arbeitgebermarke („Employer Brand“) maßgeblich zu schaden. Durch die Transparenz mit Kununuu, Glassdoor, LinkedIn und Co. wissen die Bewerber ganz genau, wie Arbeitsklima und Leadership eines Unternehmens sind.

Information ≠ Wissen

Aus unternehmerischer Sicht scheint die Übereinkunft zu herrschen, dass mit dem globalen Markt, der Digitalisierung, dem Konkurrenzdruck und Phasen, in denen mehr Arbeitskraft benötigt wird, die eingeführte Flexibilisierung Unternehmen mehr Spielraum gewährt, um zu agieren und zu reagieren, wo es verlangt ist. Aus arbeitspsychologischer Sicht spielen da noch andere Punkte hinein, wie Mario Schuster, Founder von Mental Synergy, Mentaltrainer sowie auch Berater bei arbeitspsychologischen Fragestellungen, erzählt. Er arbeitet mit CEOs und Managern großer Konzerne (darunter Personen aus der Automobilindustrie) zusammen und hilft dabei, mentale Kompetenzen zu steigern. „Die Digitalisierung löst bei Manchen Ängste aus und ist nur schwer greifbar. Digitalisierungsprozesse an sich gibt es bereits seit über 20 Jahren, dennoch braucht es jetzt Orientierung und Aufklärung, da der Mensch mit der technologischen Entwicklung teilweise nicht mehr mitkommt“, sagt er.

Da man heutzutage einen unendlichen Zugriff auf Information habe, finde ein „Information-Overload“ statt, der nicht automatisch zur Generierung von mehr Wissen führe. Schuster nennt es das „Crackberry-Phänomen“, welches beschreibt, dass man den inneren Zwang hat, immer und überall erreichbar sein zu müssen und seine Nachrichten zu checken.

Arbeit, AI, KI
(c) Google – Ein “Informations-Overload” – wie es ihn heutzutage gibt – führt nicht automatisch zur Aneignung von mehr Wissen.

Ähnlich einer Sucht

Schuster erkennt auch im Arbeitsbereich eine übertriebene Smartphone-Nutzung und ein exzessives Verhalten, das beinahe einer Sucht gleichkommt. Rückbezogen auf die Arbeitszeitflexibilisierung bringt der Psychologe den Vergleich eines Marathonläufers A, der jeden Tag zehn und am vierten Tag zwölf Kilometer läuft, während Person B den Marathon an einem Tag bewältigt. „Beim zweiten Fall ist die individuelle Beanspruchung deutlich höher und die notwendigen Erholungsphasen sind überproportional länger“, sagt er. Ähnlich verhalte es sich beim Arbeiten.

„Nach sieben, acht Stunden steigt das Unfallrisiko deutlich an und Erschöpfung setzt ein. Bei einer Arbeitszeit von viermal zwölf Stunden in der Woche reichen drei Tage Erholung nicht aus, um die Belastung dieser Zeit abzubauen“, so Schuster weiter. Der Mensch sei zwar kein fragiles Wesen und könne über kurze Zeiten ein solches Arbeitspensum durchaus aushalten, jedoch benötigt er auch sinnvolle Belastungs- und Regenerationszyklen, um Leistungseinbußen oder gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Die Konsequenz sei, dass es dann immer schwerer falle, nach der Arbeit abzuschalten.

Cybertariat

Auch dadurch, dass Arbeit und Freizeit und zeitliche und räumliche Dimension verschmelzen – etwa Arbeiten aus dem Zug per Laptop –, werden Erholungsprozesse gehemmt. Andrea Birbaumer, ihres Zeichens stellvertretende Obfrau der Gesellschaft kritischer Psychologen und Psychologinnen, Fachabteilung A&O Psychologie, möchte in dieser Hinsicht ebenfalls nicht schwarzmalen, führt aber den Begriff „Cybertariat“ von Ursula Huws, Professorin an der University of Hertfordshire, ins Feld.

Der Begriff ist an das Wort Prekariat angelehnt und beschreibt die neue Arbeitsorganisation. „Menschen sind permanent ‚on‘ und suchen sich online Arbeit. Die Gig-Economy erzeugt Spannung, das Stresslevel steigt. Es gibt keine Absicherung“, sagt sie. „Aus gesellschaftlicher und gesundheitlicher Sicht muss man sagen, dass nicht jeder es schafft, sich ständig neu zu orientieren und zu netzwerken, um sich Arbeit zu beschaffen.“

Auch die Psychologin sagt, dass es Tendenzen der Digitalisierung bereits es seit zwei Jahrzehnten gebe; das sei nicht neu, jedoch führe das ständige Arbeiten-Können-und-Müssen zu einer Reihe von Nachteilen. Es fehle an Regenerationsphasen, was zu gastrovaskulären oder Herz- Kreislauf- Beschwerden führen könne.

Allerdings sei die Anpassung auch eine Generationsfrage. Junge Menschen seien durch ihre Sozialisierung mit neuer Technologie anpassungsfähiger, jedoch gebe es dazu noch keine konkreten Daten. „Tendenzen zeigen aber, dass all das nicht folgenlos bleibt“, so Birbaumer.

Die Psychologin denkt zudem, dass Arbeit künftig wegen der Technologisierung auch von einem großen Kontrollaspekt geprägt sein wird. Permanentes Dokumentieren und Eingeben von Daten könne zu einem Super-GAU führen, wenn sich die Frage stellt, wann die eigentliche Arbeit getan werde. Besonders Führungskräfte würden zukünftig stark gefordert sein. Zwischen Vorgaben der Politik und Unternehmenskonzepten müssten sie auch gleichzeitig Mitarbeiter stützen. „Dies könnte die Qualität der Arbeit steigern, etwa bei Transparenz und dem Vergleich, ist aber zugleich auch stark branchenabhängig“, so Birbaumer.

Digitalisierung der Arbeit, Fachkräftemangel, Demographic Aging, Arbeitspsychologie, Arbeitsplatzvernichtung vs. Neue Jobs, Umdenken und Umschulung – all diese Begriffe, die in ein paar Jahren wesentliche Themen des gesellschaftspolitischen Prozesses sein werden, deuten bereits heute an, dass es bald passende Rahmenbedingungen braucht.

BGE als „Power“

Ein Punkt, der alle genannten Faktoren umfasst und immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Kritiker sehen darin eine soziale Hängematte, die das Ende der Arbeit einläutet. Andere möchten damit den Druck auf die Arbeitnehmer mindern. Clemens Wasner dazu: „Am BGE wird kein Weg vorbeiführen. Die Erklärung hierfür ist simpel: Mit zunehmender Geschwindigkeit, in der sich neue Technologien und Methoden im Berufsalltag ausbreiten, wird es unumgänglich, den Bürgern auch die Zeit einzuräumen, diese zu erlernen. In dem Zusammenhang finde ich es kurios, dass etwa die internen Trainingsprogramme und Mitarbeiterfreistellungen im Silicon Valley allseits gelobt werden, gleichzeitig aber auf die Bildungskarenz, die ein noch weitaus progressiveres Instrument ist, geschimpft wird“, sagt er. „Arbeit als soziale Bedeutung heißt, Anerkennung erfahren, den Sinn darin sehen und Motivation besitzen – und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Wenn man aber nur ums Überleben kämpft, fehlt es an Qualität“, sagt Birbaumer. Kreativität hätte unter einem BGE Platz, bei dem es nicht darum ginge, dass man sich die nächste vom Staat finanzierte Villa leisten könne, sondern den Druck des Alltags entferne. „Die Leute hätten mehr Energie für Engagement. Ich sehe darin keine Hängematte, sondern Power.“ Jedoch müsse man differenzieren, für welche Gruppe es bestimmt sei. Und die Frage der Höhe gelte es ebenfalls abzuklopfen.

“Innovation durch Erholung”

Auch Mario Schuster erkennt im BGE ein sensibles Thema. „Tätigkeiten mit geringerer, aber auch mittlerer Qualifikation fallen weg, dafür wird es mehr Spezialisten brauchen. Bei 300.000 Arbeitslosen heißt das aber nicht, dass daraus 300.000 neue IT-Techniker werden“, so Schuster. Der Arbeitspsychologe nennt dazu drei psychologische Grundbedürfnisse des Menschen, die bei diesem Thema richtungsweisend sein könnten und das Killerargument „faule Haut“ etwas entkräften: Das Individuum brauche nach der Self-Determination-Theory der Forscher Edward L. Deci und Richard M. Ryan (erstmals 1985 an der University of Rochester vorgestellt) Anerkennung, Weiterentwicklung und Autonomie. In ihrem Paper heißt es zudem, „Menschen, die über ihre Tätigkeit frei entscheiden können, sind wesentlich motivierter“. Dabei soll diese Freiheit nicht als „frei von Pflichten und Arbeit“ verstanden werden, sondern als „frei von Überlebenskampf und Druck“, was zugleich als Entspannungsfaktor in einer veränderten Arbeitswelt mit hohen Anforderungen gelten kann. Denn Schusters Worten nach verhält es sich so: „Innovation entsteht nicht durch mehr Arbeit, sondern durch Erholung.“

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #7 “Die Welt in 5 Jahren”


 

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Im Wiener Museumsquartier lud das AIT zu den Technology Talks. Hier im aws-Workshop mit (v.l.n.r.) Moderator Dejan Jovicevic, Georg Kopetz, Birgit Hochenegger-Stoirer, Markus Wanko, Anna Pölzl, Manon Sarah Littek und Bernhard Sagmeister (c) Tanja Spennlingwimmer, aws

Alle Jahre wieder versammeln sich heimische und internationale Köpfe der Tech- und Wirtschaftsbranche zu den Technology Talks des Austrian Institute of Technology (AIT). Heuer allerdings mit einem besonderen Pivot: Die Technologiegespräche luden in das Wiener Museumsquartier.

Das Highlight der diesjährigen Gespräche: Die Panels und Workshop-Sessions mit heimischen und internationalen Innovationspionieren. Thematisch bewegte man sich nicht nur im makroökonomischen Innovationsfeld auf internationaler Ebene, sondern richtete auch einen gezielten Blick auf treibende Kräfte des heimischen Ökosystems.

So lud die Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws) im Rahmen einer zweiteiligen Workshop-Session Key Player der heimischen und internationalen Startup-, Spinoff- und VC-Szene zur Diskussion auf die Bühne. Unter dem Titel “Startups und Spinoffs: Von der Gründer:innen-Idee zur VC-Finanzierung” wurde in zwei 90-minütigen Sessions über folgende Fragestellung diskutiert:

Warum bleibt Österreich im internationalen Gründungswettlauf zurück? Was braucht es, um ein starkes Ökosystem für akademische Spinoffs zu schaffen und Anforderungen von Risikokapitalgeber:innen gerecht zu werden? Und: Wie kann der Wirtschaftsstandort Europa im internationalen Wettbewerb mithalten? Die nahezu einstimmige Antwort: Länder- und branchenübergreifender Zusammenarbeit sowie mehr Mut zum Risiko.

Die Workshop Session 2 mit (v.l.n.r.) Moderator Dejan Jovicevic, Patrik Cesky, Christian Hoffmann, Dorothea Pittrich, Alexander Svejkovsky, Doris Agneter, Birgit Mitter und Johannes Bintinger (c) Tanja Spennlingwimmer, aws

Zur Workshop-Session geladen wurden Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der Austria Wirtschaftsservice GmbH, sowie Patrik Cesky, Geschäftsführer des aws Gründungsfonds. Außerdem zu Gast waren Doris Agneter, Geschäftsführerin von tecnet equity, Helmut Schönenberger, CEO der UnternehmerTUM GmbH der TU München, Birgit Hochenegger-Stoirer, Vizerektorin der Medizinischen Universität Innsbruck, Manon Sarah Littek des Green Generation Fund, Georg Kopetz, Geschäftsführer von TTTech, Christian Hoffmann der TU Wien sowie Alexander Svejkovsky, Managing Director des AIT.

Die Startup- und Spinoff-Szene wurde unter anderem von Anna Pölzl, Co-Founderin und CEO von nista.io, Markus Wanko von xISTA, Dorothea Pittrich von CellEctric, Birgit Mitter, Co-Founderin von Ensemo und Johannes Bintinger, CEO von n-Ink, vertreten.

“Wenn wir stehen bleiben, haben wir schon verloren”

“Lauft einfach los und macht. Wir müssen ständig rennen. Wenn wir stehen bleiben, haben wir schon verloren.” Klare Worte von Helmut Schönenberger, CEO der UnternehmerTUM GmbH der TU München, des Zentrums für Entrepreneurship in der Academia. Zum Start der Workshop-Reihe appelliert der CEO an mehr Tatendrang in der Universitätslandschaft: Ausgründungen und die Möglichkeit auf Entrepreneurship während oder nach der Ausbildung sollten in universitären Curricula noch breiteren Einklang finden. Erkenntnisse aus akademischer Forschung bringen großes Potenzial für Wirtschaft und Industrie.

Dennoch sieht Schönenberger eine Hürde im komplikationsfreien Zusammenspiel zwischen Academia und Entrepreneurship: Zugänge zu Risikokapital brauchen mehr Niederschwelligkeit und deutlich mehr Risikobereitschaft. Nicht zuletzt in ähnlicher Weise, wie sie in der US-amerikanischen VC-Landschaft präsent ist. Belegen lässt sich eine Disbalance investierter VC-Summen auch statistisch: Schönenberger zufolge käme das “meiste Geld aus den USA”.

Startups und Spinoffs noch besser “pushen”

Die zentrale Herausforderung: Startups und Spinoffs im Ökosystem noch besser zu pushen. Hier setzt als einer der wichtigsten heimischen Key Player die Austria Wirtschaftsservice (aws) an. Mit ihren Pre-Seed- und Seed-Förderprogrammen unterstützt sie Ausgründungen mehrdimensional. Strategisch und finanziell wird Unterstützung in der Frühphase geboten.

So half man unter anderem dem Tullner Startup und AIT Spinoff Ensemo rund um Birgit Mitter. Die Founderin sprach auch im Rahmen des Workshops über die Unterstützung durch die aws-Pre-Seed-Förderung und des niederösterreichischen Inkubators accent.

Inwiefern sich die Situation allerdings vonseiten der Founder:innen – teils frisch aus Universitäten und unbewusst dessen, welche Möglichkeiten im Startup- und Spinoff-Feld warten – gestaltet, wurde weiter im Rahmen der Workshop-Session diskutiert.

“Das Gründen war wenig auf meinem Radar”

Eine wichtige Stimme war dabei die nista.io-Founderin Anna Pölzl: Die TU-Absolventin hat ein Spinoff gegründet, ohne “im Studium je das Wort Startup gehört zu haben”. “Ich bin vor fünf Jahren auf der TU fertig geworden und habe meinen Co-Founder aus Zufall kennengelernt. Davor hab ich im Studium im Grunde nichts von Startups mitbekommen. Das Gründen war dementsprechend wenig auf meinem Radar”, erinnert sich die Founderin.

Schließlich kam es doch zur Gründung ihres EnergyTech-Startups. Allerdings sprang sie dabei “naiv ins kalte Wasser” – mangels Vorwissen. In ähnlicher Situation befand sich auch Birgit Mitter mit ihrem AIT-Spinoff Ensemo. Auch hierbei halfen Inkubatoren und die Pre-Seed-Förderung durch die aws dabei, sich vom “klassischen Wissenschaftsdenken und der akademischen Detailverliebtheit” zu lösen und unternehmerische Skills aufzubauen.

Eine nicht unwesentliche Rolle schreibt Mitter auch der Unterstützung des Startup Centers des AIT Austrian Institute of Technology zu: “Abgesehen von der tollen Unterstützung vonseiten des AITs sowie heimischer Inkubatoren was Betriebswirtschaft, Führung und unseren Proof of Concept anbelangt, haben wir vor allem eines gelernt: Gewisse Dinge brauchen Zeit. Und das Wichtigste ist, dass unser Produkt funktioniert. Wie und warum, das ist den Kunden egal. Hauptsache, es funktioniert.”

Mittlerweile hat sich auch Anna Pölzl zu einer der wichtigsten Startup-Founder:innen unseres Landes entwickelt. Mit einigen Jahren Erfahrung im Gepäck spricht die CEO die “verängstigte VC-Mentalität” in Österreich an: “Hierzulande sind wir schon sehr vorsichtig und von Angst getrieben – was in der VC-Szene ja durchaus ein Vorteil sein kann. Allerdings merken wir – gerade in puncto Fehlerkultur und Optimismus – viel mehr Potenzial, wenn wir über die Grenzen hinaus schauen.”

“Denkt ihr überhaupt groß genug?”

Aus Erfahrung verrät Pölzl einen “Geheimtrick” heimischer Startup-Founder:innen für Pitches vor ausländischen Investor:innen: “Unter österreichischen Gründer:innen ist das so ein Ding, dass man zwei Pitch Decks vorbereitet: Einmal für heimische und einmal für internationale Pitches. Hierzulande haben wir nämlich die Erfahrung gemacht: Wenn man zu hohe Summen fordert, wird man schief angeschaut. International wird man für dieselbe Summe allerdings auch schief angeschaut – weil die geforderte Summe zu niedrig ist. Dann hört man meistens: ‘Denkt ihr überhaupt groß genug?’”

Was Pölzl anspricht, könnte dem heimischen Ökosystem langfristig zum Verhängnis werden: Startups wandern ab, wenn sie anstreben, zu wachsen. Das liegt schlichtweg daran, dass es hierzulande an Wachstums- und Expansionskapital für Scaleups mangelt. Die Risiko- und Investitionsbereitschaft sei Übersee höher – sprich: In den USA und China, mit Großbritannien als Sprungbrett.

Das Problem, das im Zuge der Workshops aufgegriffen wird, ist kein neues. Dennoch muss darüber gesprochen und aktiv Maßnahmen gesetzt werden, um das Abwandern heimischer Scaleups zu verhindern, Innovation in Europa zu beheimaten und fortan auch Fachkräfte anzuziehen, um dem Wirtschaftskontinent Europa jenen Status zu verleihen, den er verdient hat. Nämlich: Eine Vorreiterrolle.

Viele Vorreiter befänden sich aktuell allerdings vermehrt in China und den USA. Unter anderem aufgrund höherer Risikobereitschaft, unter anderem aber auch aufgrund flexiblerer Regulierungen.

Mehr Verständnis in der Gesellschaft

Auch dazu brauche es hierzulande deutlich mehr Innovationsaffinität – vor allem in puncto Bio- und HealthTec. Und ein breites Verständnis für branchen- und sektorübergreifende Datenanalysen wie jener von anonymisierten Gesundheitsdaten. Dazu ergänzt Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der aws: „Wir alle sollten durch konsequente Kommunikation überzeugender Beispiele in der Breite der Gesellschaft mehr Verständnis für Innovation als den Treiber bzw. die Garantie unseres Wohlstandes erzeugen.”

Ähnlicher Ansicht ist Birgit Hochenegger-Stoirer, Vizerektorin für Finanzen und Digitalisierung an der Medizinischen Universität Innsbruck:

“Wir sind uns bewusst, dass der Umgang mit Gesundheitsdaten ein kritisches Thema ist. Auf der anderen Seite muss dieses Thema großflächig kommuniziert und Verständnis dafür geschaffen werden. Gesundheitsdaten werden anonymisiert und verantwortungsvoll gehandhabt – und können die Zukunft unseres Innovationssystems deutlich mitgestalten. Anonymisierte Daten müssen nach einer klar definierten Governance an die Industrie weitergegeben werden, um Austausch, Forschungsfortschritt und Innovation zu schaffen. Die universitäre Grundlagenforschung muss sich in Richtung klinische Forschung entwickeln. Und dafür ist ein Rechtsrahmen notwendig, den es aktuell noch nicht gibt.”

“Wir müssen das Rad nicht neu erfinden”

Unis und Institute können den Schritt allerdings nicht alleine schaffen, sondern: Es braucht Hilfe vonseiten Politik und heimischer Wirtschaftstreiber. “Gerade Europa hat ein regulatorisches Mindset. Startups, Industrie und Universitäten müssen stärker zusammenarbeiten, denn BioTech wird immer wichtiger und endet nicht vor dem Krankenbett.”

Ein wesentlicher Appell der Vizerektorin: “Ich würde davor warnen, dass wir jetzt alle glauben, wir müssen das Rad neu erfinden. Wir dürfen keine Aliens produzieren, die für die Industrie unverwertbar sind. Lasst uns über den österreichischen Tellerrand hinausdenken. Die großen Player und Geldgeber sitzen außerhalb von Österreich. Wir müssen uns zusammenschließen und kollaborative Modelle entwickeln, damit wir für ausgewählte Branchen gute Lösungen haben.”

Im Lichte der Spinoff- und Forschungsthematik kam auch das Thema Intellectual Property (IP) zur Sprache. Die Vizerektorin appelliert an “gute Development-Möglichkeiten” und eine “aktive Transaktionskultur”, um geistiges Eigentum im Universitäts- und Industriekontext verwerten zu können. “Dabei dürfen wir nicht nur innerhalb der Uni- oder Förderlandschaft denken”, so Hochenegger.

“Sobald Skalierung ein Thema ist, gehen Startups hierzulande etwas unter. Unis müssen sich dafür professioneller aufstellen. Und zwar in Gremien, die nicht nur aus der Academia, sondern auch aus der Wirtschaft kommen. Dazu braucht es: Commitment, klare Transparenz und Nachhaltigkeit. Wenn wir in der Zusammenarbeit erfolgreich sein wollen, müssen wir durchhalten und nicht nach einem Jahr ungeduldig werden.”

Hier zeigt sich die aws Spinoff-Initiative als ein nationaler Wegweiser, der bereits einen erheblichen Mehrwert in puncto Awareness- und Transparenz-Steigerung von universitären Ausgründungen geschaffen hat. Die aws Spinoff Initiative Modul 1 für Hochschulen wurde im Rahmen der Workshops von den beiden anwesenden Hochschulvertreter:innen, namentlich Birgit Hochenegger-Stoirer der Med Uni Innsbruck und Christian Hoffmann der TU Wien, als sehr positiv hervorgehoben. So hieß es: “Hochgradige Forschung wird dank frühzeitiger Finanzierung durch die aws gut begleitet. Wir brauchen weitere Erfolgsmodelle wie diese, die zeigen, dass Ausgründungen unkompliziert, wirtschaftsfreundlich und innovationsgetrieben auch hierzulande funktionieren.”

“Das Ziel ist nicht nur Geld, sondern das Schaffen einer gemeinsamen Technologie”

Ganz so schlecht steht es um die heimische VC-Szene dann doch nicht – darüber spricht Anna Pölzl aus Erfahrung: “Es findet ein Umdenken statt: Risikokapital und Möglichkeiten des Corporate Venture Capitals werden vor allem in Hinblick auf strategische Partnerschaften immer wichtiger. Das Hauptziel ist nicht nur Geld, sondern das Schaffen einer gemeinsamen, zukunftsweisenden Technologie.”

Was Pölzl anspricht, lässt sich auch als allgemeiner Tenor der aws-Workshop-Sessions im Rahmen der diesjährigen Technology Talks wiedergeben: Es braucht mehr Kollaboration. Auch Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der Austria Wirtscaftsservice GmbH, stellt sich hinter dieses Credo.

Für fundierte, branchenübergreifende Zusammenarbeit sei Österreich allerdings zu klein. Sagmeister appelliert an länderübergreifende Zusammenarbeit auf Europaebene – auch in puncto Risikokapital. Wenn es zu einem allgemeinen Dachfonds kommen sollte, macht Sagmeister deutlich: „Für den Erfolg eines Dachfonds ist ein professionelles Management Voraussetzung.“

Sie ist nicht zu überlesen: Die Message, die heimische Wirtschafts- und Forschungstreibende an unser Ökosystem senden. Länder- und Sektorübergreifende Kollaboration ist gefragt. Fragmentierung sei zwar ein Zeichen von “Fokus und Spezialisierung”, so Doris Agneter, Geschäftsführerin von tecnet equity, sei aber auch ein Hindernis für überregionale Synergienutzung und Kollaboration.

“Wir wollen Anker in der Seed- bis Series-A-Phase sein”

Wie die aws mit Herausforderungen dieser Art umgeht, erklärt Patrik Cesky, Geschäftsführer des aws Gründungsfonds, abschließend in folgenden Worten: „Wir wollen Anker-Investor in der Seed- bis Series-A-Phase sein und internationale Investoren dazu bewegen gemeinsam mit uns in österreichische Innovation zu investieren. Es gibt in Österreich insgesamt nicht sehr viele Frühphaseninvestments im Jahr. Deswegen fokussieren wird nicht nur auf bestimmte Industrien, sondern brauchen etwas Pragmatismus bei der Auswahl der Investments. So leisten wir im Rahmen unserer Möglichkeiten, den bestmöglichen Beitrag, um Startups in Frühphasen zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Alles, was darüber hinausgeht, braucht einen funktionierenden Kapitalmarkt mit privaten Fonds zur Anschluss- und Wachstumsfinanzierung.”

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