17.01.2019

Neue Arbeitswelten durch KI: Wie sich Arbeit in den nächsten Jahren verändert

Die nächste Revolution der Arbeitswelt ist im Gange und künstliche Intelligenz spielt dabei eine wesentliche Rolle. Stehen wir vor einer Krise oder einer riesigen Chance?
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Arbeit, KI, AI, Künstliche Intelligenuz, Artificial Intelligence
(c) zapp2photo/ fotolia.com

Digitalisierung – ein Wort das viele Menschen verzückt, anderen hingegen den Schweiß den Nacken hinuntertreibt. Die Welt war stets von Veränderung geprägt, Paradigmenwechsel gab es viele und das tägliche Leben erlebte immer wieder Wandel. Auch die Arbeitswelt war nie frei von Veränderungen; mal rascher, mal schleichend. Mit der fortschreitenden Technologisierung unserer Gesellschaft verändert sich die Arbeit aber weiter. Für einige Personen eine Entwicklung voller „Opportunities“, andere fürchten, durch künstliche Intelligenz ersetzt zu werden. Es spielen viele Faktoren mit hinein, die man beachten muss, um aktuelle und zukünftige Entwicklungen zu verstehen und dafür gerüstet zu sein.

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“Es werden sich Jobs ändern, Jobs wegfallen und neue Jobs entstehen”

Sepp Hochreiter ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. Er ist Leiter des Instituts für Bioinformatik an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz. Seit 2017 steht er im Linz Institute of Technology dem AI Lab vor. Er sagt: „Es werden sich Jobs ändern, Jobs wegfallen und neue Jobs entstehen.“ Der Erfinder der LSTM-Technik, einer Methode zur Verbesserung der Entwicklung künstlicher Intelligenz, sieht bereits jetzt Ansätze veränderter Arbeitswelten bzw. das Ersetzen von Menschen durch Maschinen, z.B. bei Chatbots, automatisierten Livetickern bei Fußballspielen, Tweets im Trump-Wahlkampf oder Beschwerdeservices.

Weitere Bereiche, in die AI zeitnah Einzug halten wird, seien unter anderem Telefonservices, Sales, Marketing, Mobility, Security, Kochen und Lektorat. „Jobs, bei denen durch KI leicht zu automatisieren ist“, präzisiert er. Die Quintessenz seiner Einschätzung ist, dass repetitive Jobs wegfallen. Hochreiter sieht darin jedoch keine Neuerung in der Arbeitsgeschichte. Denn solche Entwicklungen habe es immer schon gegeben. „Man denke nur an den Landwirt, der früher 20 Mitarbeiter hatte. Dann kamen Traktoren und Maschinen. Heutzutage hat der Landwirt ein bis zwei Mitarbeiter“, so der Experte weiter.

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Ähnlich sieht es Klaudia Bachinger von WisR, einer Internetplattform, die Unternehmen und Pensionisten zusammenbringt. „Repetitive Prozesse werden ersetzt werden, allerdings nicht im Servicebereich, da Maschinen Kontext und Empathie nicht können. Es mangelt ihnen an emotionaler Intelligenz“, sagt sie. In diesem Sinne bringt Hochreiter ein Beispiel aus den USA, das stellvertretend für die Problematik von AI in der Arbeitswelt gesehen werden kann: Dort wurde als Experiment einer AI aufgetragen, Gerichtsurteile vorherzusagen. Als Basis dazu diente eine Datenbank alter Urteile. „Am Anfang lief es gut, doch als eine Variable, die Hautfarbe der Beklagten, von Weiß auf Schwarz geändert wurde, stieg auch das Strafmaß. Ähnlich beim vorhergesagten Gehalt für diverse Berufe, als man das Geschlecht auf weiblich änderte: Es sank“, erklärt Hochreiter. Die AI habe menschliche Fehler übernommen.

Intelligent Designer

Was Bachinger im Gespräch menschliche Skills und Storytelling nennt, kann man mit Hochreiters Begriff des Intelligent-Designers vergleichen, betrachtet man die Arbeitswelt in ein paar Jahren. Zukünftige Jobs in Bereichen, in denen der Mensch unerlässlich bleibt, drehen sich alle um Daten und Design. Hochreiters Aufzählung gibt einen kleinen Aus- und Einblick darin, welche Professionen fürs Arbeiten Seite an Seite mit künstlicher Intelligenz vonnöten sein werden. Er nennt Data Evangelist, Data Scientist, Robotics, Digital Knowledge Manager, AI-Design und Robot-Psychologie als essenzielle Felder, die im Entstehen sind.

Zudem werde es noch weitere Probleme geben, die weiterhin von menschlicher Hand gelöst werden müssten. Selbstfahrende Autos etwa werden über kurz oder lang Taxifahrer und Chauffeur ersetzen. Man müsse aber klären, so Hochreiter, welche Auswirkungen dies im Straßenverkehr habe. „Heute hat man als Fußgänger Blickkontakt mit dem Fahrer, der einen dann über die Straße lässt. Das selbstfahrende Auto muss zu erkennen geben, dass es den Passanten gesehen hat. Wie macht es das? Es geht vor allem um die Interaktion zwischen Mensch und Maschine“, sagt der AI-Pionier.

Bachinger hat in diesem Zusammenhang fehlende emotionale Intelligenz, kritisches Denken und Kreativität (laut dem World Economic Forum drei der wichtigsten Skills im Jahr 2030) als Knackpunkte genannt, wieso der Mensch durch AI nicht komplett ersetzt werden kann. Hochreiter geht weiter und nennt es „Weltwissen“, welches sich künstliche Intelligenz erst aneignen müsse. „Körperliche und monotone geistige Tätigkeiten werden verschwinden, dafür wird die Arbeit interessanter“, denkt der AI-Experte. „Die Maschine wird zum Lehrbuben.“

“Human Robot-Interaction”

Bis sie aufhöre, den Menschen als „Lehrer“ nötig zu haben und es eine AGI (Artificial General Intelligence), die selbstständig lernt, gebe, würden noch 20 Jahre vergehen, wie Clemens Wasner, CEO von Enlite.ai und Organisator der AAIC (Applied Artificial Intelligence Conference), zu diesem Thema erwähnt: „Alle Expertenmeinungen sehen das frühestens bis 2040. Keiner der aktuellen Ansätze kann bis zu einer AGI skalieren und wir stehen, was neue Methoden betrifft, noch ganz am Anfang, vergleichbar mit der Situation von neuronalen Netzen in den1980ern“, sagt er. Bemerkenswerte Entwicklungen gebe es jedoch heute bereits, so Wasner weiter. „In der Robotik zeichnen sich bereits wesentliche Fortschritte durch selbstlernende Systeme ab, die nicht nur zu neuen Graden der Automatisierung führen. Auch die Zusammenarbeit von Robotern und Menschen wird dadurch erst wirklich möglich, sogenannte ‚Human-Robot-Interaction‘. Dies wird sich zuallererst in der Produktion, etwa von Autos, bemerkbar machen, wo bisher Roboter und Menschen getrennt gearbeitet haben. Auch im Delivery-Center von Amazon wird es diese Art der Kollaboration sehr bald flächendeckend geben, Stichwort Packaging.“

Laut dem Report des Marktforschungs- und IT Analyse-Unternehmens Gartner werden bis 2020 durch AI 1,8 Millionen Jobs vernichtet, dafür 2,3 Millionen geschaffen werden. Wasner meint, dass es Technologieverlierer immer gebe; die eigentliche Frage sei, ob Gesellschaft, Politik und Wirtschaft dies als gottgegeben hinnehmen oder aktiv Schritte setzen, um die Folgen abzufedern. „Die Auswirkungen werden sich hier aber sehr stark regional unterscheiden. Beispiel Handel in Österreich: Laut Statistik arbeiten rund 360.000 Personen im Einzelhandel, viele davon sind Frauen. Man muss kein Hellseher sein, um vor allem in diesem Bereich eine große Automatisierungswelle bis 2030 vorherzusagen“, so Wasner.

Lebenslanges Lernen als Credo

Während im Startup-Bereich Begriffe wie Digitalisierung, Arbeitszeitflexibilisierung und AI mit offenen Armen willkommen geheißen werden, würde der Niedriglohnsektor die Veränderung drastisch spüren.

„Das Gegenbeispiel zum Handel sind klassische Männerberufe wie etwa Fernfahrer in Emerging Markets. Aufgrund des Mangels an qualifizierten Fernfahrern sind europäische Lkw Hersteller sehr darum bemüht, so schnell wie möglich autonom fahrende Lkws herzustellen. Dies hat für Westeuropa einen positiven Impact, wirkt sich aber auf Emerging Markets, wo es noch eine sehr hohe Zahl an Fernfahrern gibt, fatal aus“, sagt Wasner. Der allgemeine Tenor dabei: Wer nicht bereit ist, sich umzustellen, wird abgehängt. Als Begriff wird hier von Expertenseite „lebenslanges Lernen“ eingeworfen, was bei der Betrachtung der nahenden Neo-Arbeitswelt wiederum weitere Aspekte öffnet: Umschulung, Fachkräfte, bedingungsloses Grundeinkommen und Arbeitspsychologie.

Nach der bisherigen Aufzählung neuer Jobs, die kommen mögen, und Rahmenbedingungen, die eine Gesellschaft braucht, um auf den digitalen Wandel zu reagieren, ist ersichtlich, dass Neuorientierungen und Umschulungen Faktoren sein werden, ohne die ein geregelter Übergang nicht möglich sein wird.

+++ Live Interview: CEO und Founder von JobRocker im LIVE Gespräch +++

„Die neuen Technologien werden in allen Arbeitsbereichen Einzug halten und es wird immer wieder Neues dazukommen. Weiterbildung wird in manchen Bereichen notwendiger sein, um in der neuen Zeit mithalten zu können. Es müssten theoretisch jetzt schon erste Umschulungen stattfinden, damit die Gesellschaft in zwei, drei Jahren bereit ist für Neues“, sagt der CEO des Headhunting-Startups JobRocker, Günther Strenn. „Gerade diejenigen, die nicht bereit sind, sich zu ändern, werden verlieren und auf der Strecke bleiben. Da die technischen Fortschritte immer schneller und größer werden, sind lebenslanges Lernen und ständige Weiterbildung nicht nur notwendig, sondern unbedingt erforderlich. Es gibt keine Garantie mehr, bis zur Pension im selben Job zu sein.“

Umdenken zu Migration nötig

Ein weiterer immer wieder gehörter Begriff, wenn Digitalisierung zum Thema wird, ist der Fachkräftemangel. In Deutschland etwa steht 2025 eine Pensionierungswelle bevor, die einen weiteren Mangel an Spezialisten erzeugt, der ohne Automatisierung kaum geschlossen werden kann. In Japan sind aufgrund restriktiver Immigrationspolitik der Pflege und Gesundheitsbereich stark betroffen.

„In beiden Fällen bedeutet dies – auf Wunsch – längere Beschäftigung im Unternehmen bei gleichzeitigen Bemühungen zu mehr Automatisierung. Österreichwirkt in dieser Diskussion oft etwas unbeholfen, um nicht zu sagen unaufrichtig: So wird oft im selben Atemzug über den großen Fachkräftemangel und zu hohe Immigration geklagt, was für ein reiches Land ein Widerspruch in sich sein sollte“, sagt Wasner zu diesem Thema. „Hier ist ein Umdenken, was Ausbildung, Einstellung zu Migration und Qualifikation betrifft, dringend notwendig, da unser bestehendes System viel zu träge für die immer kürzer werdenden Zyklen ist. Erst, wenn dieses Umdenken stattgefunden hat, werden wichtige Initiativen wie Coding Ausbildung auch auf die notwendige Akzeptanz stoßen.“

Klaudia Bachinger sieht einen Weg, diesem Mangel entgegenzutreten, darin, Pensionisten wieder in den Arbeitsmarkt zu holen. „Rund 50 Prozent im DACH-Raum wollen wieder arbeiten“, sagt sie. Dabei stützt sie sich auf Studien von Leopold Stieger, Gründer von Seniors4sucess und Autor des Buchs „Pension – Lust oder Frust?“. Darin heißt es: Während 2014 rund ein Drittel der Rentner nach der Pensionierung noch Lust aufs Arbeiten gehabt hätte, wäre dieser Wert 2016 bereits bei rund der Hälfte der rund 2,7 Millionen Pensionisten im Land gewesen. Davon sehen sich zwei Drittel in einem Ehrenamt, ein Drittel in der bezahlten Arbeit. „Der Grund dafür ist die Wertschätzung beim Ausüben einer sinnvollen Tätigkeit, das soziale Gefüge, das man unter Kollegen spürt, und die mentale Bestätigung, die man erhält. Zudem hält Arbeit Menschen länger fit – geistig und körperlich. Das haben auch die Japaner in ihrem ‚Silver Human Resources Center‘ in einer Langzeitstudie belegen können“, erklärt Bachinger. Die Lücke, die durch Fachkräftemangel entstehe, ließe sich durch Frauen, Migranten und Pensionisten gut schließen, meint sie.

“Junge schneller, Ältere mit Abkürzung”

Auch JobRocker CEO Strenn sieht in dieser Idee einen Mehrwert, wenn er sagt: „Die Jungen sind schneller, aber die Alten kennen die Abkürzung. Das Knowhow der älteren Generation ist wertvoll, und das Ziel sollte sein, ihr Wissen mit den neuen Technologien zu vereinen. Gerade im Dienstleistungsbereich, in dem die Digitalisierung noch nicht überhandgenommen hat, kann man Pensionisten in den Arbeitsmarkt integrieren.“

Laut der WKO wird es hierzulande bis zum Jahr 2030 rund 3,9 Millionen über 50Jährige geben, und bis 2050 mehr als 4,4 Millionen Menschen, die das halbe Jahrhundert an Lebensjahren überschritten haben werden. „Die Babyboomer Generation geht in Pension. In Deutschland etwa werden rund acht Millionen Menschen am Arbeitsmarkt fehlen, das sind 20 Prozent der gesamten Arbeitskräfte“, sagt Bachinger, die aus Erfahrung weiß, dass ältere Semester für projektbezogene Arbeit im Sinne der Gig-Economy oder auch für Teilzeit berufe empfänglich sind.

Flexible Arbeit

Während Gedanken hinsichtlich des Fachkräftemangels um Immigration und „Demographic Aging“ kreisen, wird die zukünftige Arbeitswelt auch stark von dem umstrittenen Begriff Arbeitszeitflexibilisierung geprägt sein. Der Zwölfstundentag hat enorme Kritik ausgelöst, aber auch Befürworter gefunden. Globaler Konkurrenzdruck wird von Unternehmern gerne ins Feld geführt, wenn es darum geht, gesetzliche Freiheiten zu haben, um Mitarbeiter nach Bedarf länger einzusetzen.

Dazu nennt Bernhard Niesner vom sozialen Netzwerk für Sprachenlernen busuu die Formel 996 aus China als Beispiel des harten Wettbewerbs. „In China praktizieren manche Firmen das sogenannte ‚996‘, ‚working 9 a. m. to 9 p. m., 6 days a week‘. Natürlich ist dies nicht im Sinne der Arbeitnehmer und wirkt sich sicherlich mittel- bis langfristig auch extrem negativ auf die Kultur in einer Firma und auf die Effizienz – Stichwort Burnout – aus. Aber dies ist leider die Realität, wenn man mit solchen hoch aggressiven Firmen im Wettbewerb steht“, sagt er und betont deutlich, dass er kein Befürworter einer „100-Stunden- Arbeitswoche“ sei, ein wenig mehr Flexibilität teilweise jedoch nicht schaden würde, „um es Firmen und Mitarbeitern zu ermöglichen, wenn es mal wirklich wichtig ist und ums Überleben der Firma geht, auch mal mehr zu arbeiten“.

Auch Strenn schlägt in eine ähnliche Kerbe, wenn er sagt: „Wenn Unternehmen weiterhin wettbewerbsfähig bleiben wollen, ist die Flexibilität der Unternehmen und der Mitarbeiter gefragt. Dadurch, dass Fließbandarbeit immer mehr ersetzt wird und outputbezogene Arbeit kaum messbar ist, müssen auch Unternehmen umdenken. Gerade durch Technologien ist ein effizienteres Arbeiten möglich, und es sollte projektbezogen und zielorientiert gedacht und gearbeitet werden.“ Bachinger spricht sich zudem dafür aus, dass flexiblere Arbeitszeit in Absprache mit Arbeitnehmern zu implementieren ist. Sie weiß, dass es in manchen Branchen nötig ist, flexibel zu sein, und denkt nicht, dass es sich heutzutage Arbeitgeber – wie befürchtet – leisten können, ihre Angestellten auszunützen und damit ihrer Arbeitgebermarke („Employer Brand“) maßgeblich zu schaden. Durch die Transparenz mit Kununuu, Glassdoor, LinkedIn und Co. wissen die Bewerber ganz genau, wie Arbeitsklima und Leadership eines Unternehmens sind.

Information ≠ Wissen

Aus unternehmerischer Sicht scheint die Übereinkunft zu herrschen, dass mit dem globalen Markt, der Digitalisierung, dem Konkurrenzdruck und Phasen, in denen mehr Arbeitskraft benötigt wird, die eingeführte Flexibilisierung Unternehmen mehr Spielraum gewährt, um zu agieren und zu reagieren, wo es verlangt ist. Aus arbeitspsychologischer Sicht spielen da noch andere Punkte hinein, wie Mario Schuster, Founder von Mental Synergy, Mentaltrainer sowie auch Berater bei arbeitspsychologischen Fragestellungen, erzählt. Er arbeitet mit CEOs und Managern großer Konzerne (darunter Personen aus der Automobilindustrie) zusammen und hilft dabei, mentale Kompetenzen zu steigern. „Die Digitalisierung löst bei Manchen Ängste aus und ist nur schwer greifbar. Digitalisierungsprozesse an sich gibt es bereits seit über 20 Jahren, dennoch braucht es jetzt Orientierung und Aufklärung, da der Mensch mit der technologischen Entwicklung teilweise nicht mehr mitkommt“, sagt er.

Da man heutzutage einen unendlichen Zugriff auf Information habe, finde ein „Information-Overload“ statt, der nicht automatisch zur Generierung von mehr Wissen führe. Schuster nennt es das „Crackberry-Phänomen“, welches beschreibt, dass man den inneren Zwang hat, immer und überall erreichbar sein zu müssen und seine Nachrichten zu checken.

Arbeit, AI, KI
(c) Google – Ein “Informations-Overload” – wie es ihn heutzutage gibt – führt nicht automatisch zur Aneignung von mehr Wissen.

Ähnlich einer Sucht

Schuster erkennt auch im Arbeitsbereich eine übertriebene Smartphone-Nutzung und ein exzessives Verhalten, das beinahe einer Sucht gleichkommt. Rückbezogen auf die Arbeitszeitflexibilisierung bringt der Psychologe den Vergleich eines Marathonläufers A, der jeden Tag zehn und am vierten Tag zwölf Kilometer läuft, während Person B den Marathon an einem Tag bewältigt. „Beim zweiten Fall ist die individuelle Beanspruchung deutlich höher und die notwendigen Erholungsphasen sind überproportional länger“, sagt er. Ähnlich verhalte es sich beim Arbeiten.

„Nach sieben, acht Stunden steigt das Unfallrisiko deutlich an und Erschöpfung setzt ein. Bei einer Arbeitszeit von viermal zwölf Stunden in der Woche reichen drei Tage Erholung nicht aus, um die Belastung dieser Zeit abzubauen“, so Schuster weiter. Der Mensch sei zwar kein fragiles Wesen und könne über kurze Zeiten ein solches Arbeitspensum durchaus aushalten, jedoch benötigt er auch sinnvolle Belastungs- und Regenerationszyklen, um Leistungseinbußen oder gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Die Konsequenz sei, dass es dann immer schwerer falle, nach der Arbeit abzuschalten.

Cybertariat

Auch dadurch, dass Arbeit und Freizeit und zeitliche und räumliche Dimension verschmelzen – etwa Arbeiten aus dem Zug per Laptop –, werden Erholungsprozesse gehemmt. Andrea Birbaumer, ihres Zeichens stellvertretende Obfrau der Gesellschaft kritischer Psychologen und Psychologinnen, Fachabteilung A&O Psychologie, möchte in dieser Hinsicht ebenfalls nicht schwarzmalen, führt aber den Begriff „Cybertariat“ von Ursula Huws, Professorin an der University of Hertfordshire, ins Feld.

Der Begriff ist an das Wort Prekariat angelehnt und beschreibt die neue Arbeitsorganisation. „Menschen sind permanent ‚on‘ und suchen sich online Arbeit. Die Gig-Economy erzeugt Spannung, das Stresslevel steigt. Es gibt keine Absicherung“, sagt sie. „Aus gesellschaftlicher und gesundheitlicher Sicht muss man sagen, dass nicht jeder es schafft, sich ständig neu zu orientieren und zu netzwerken, um sich Arbeit zu beschaffen.“

Auch die Psychologin sagt, dass es Tendenzen der Digitalisierung bereits es seit zwei Jahrzehnten gebe; das sei nicht neu, jedoch führe das ständige Arbeiten-Können-und-Müssen zu einer Reihe von Nachteilen. Es fehle an Regenerationsphasen, was zu gastrovaskulären oder Herz- Kreislauf- Beschwerden führen könne.

Allerdings sei die Anpassung auch eine Generationsfrage. Junge Menschen seien durch ihre Sozialisierung mit neuer Technologie anpassungsfähiger, jedoch gebe es dazu noch keine konkreten Daten. „Tendenzen zeigen aber, dass all das nicht folgenlos bleibt“, so Birbaumer.

Die Psychologin denkt zudem, dass Arbeit künftig wegen der Technologisierung auch von einem großen Kontrollaspekt geprägt sein wird. Permanentes Dokumentieren und Eingeben von Daten könne zu einem Super-GAU führen, wenn sich die Frage stellt, wann die eigentliche Arbeit getan werde. Besonders Führungskräfte würden zukünftig stark gefordert sein. Zwischen Vorgaben der Politik und Unternehmenskonzepten müssten sie auch gleichzeitig Mitarbeiter stützen. „Dies könnte die Qualität der Arbeit steigern, etwa bei Transparenz und dem Vergleich, ist aber zugleich auch stark branchenabhängig“, so Birbaumer.

Digitalisierung der Arbeit, Fachkräftemangel, Demographic Aging, Arbeitspsychologie, Arbeitsplatzvernichtung vs. Neue Jobs, Umdenken und Umschulung – all diese Begriffe, die in ein paar Jahren wesentliche Themen des gesellschaftspolitischen Prozesses sein werden, deuten bereits heute an, dass es bald passende Rahmenbedingungen braucht.

BGE als „Power“

Ein Punkt, der alle genannten Faktoren umfasst und immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Kritiker sehen darin eine soziale Hängematte, die das Ende der Arbeit einläutet. Andere möchten damit den Druck auf die Arbeitnehmer mindern. Clemens Wasner dazu: „Am BGE wird kein Weg vorbeiführen. Die Erklärung hierfür ist simpel: Mit zunehmender Geschwindigkeit, in der sich neue Technologien und Methoden im Berufsalltag ausbreiten, wird es unumgänglich, den Bürgern auch die Zeit einzuräumen, diese zu erlernen. In dem Zusammenhang finde ich es kurios, dass etwa die internen Trainingsprogramme und Mitarbeiterfreistellungen im Silicon Valley allseits gelobt werden, gleichzeitig aber auf die Bildungskarenz, die ein noch weitaus progressiveres Instrument ist, geschimpft wird“, sagt er. „Arbeit als soziale Bedeutung heißt, Anerkennung erfahren, den Sinn darin sehen und Motivation besitzen – und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Wenn man aber nur ums Überleben kämpft, fehlt es an Qualität“, sagt Birbaumer. Kreativität hätte unter einem BGE Platz, bei dem es nicht darum ginge, dass man sich die nächste vom Staat finanzierte Villa leisten könne, sondern den Druck des Alltags entferne. „Die Leute hätten mehr Energie für Engagement. Ich sehe darin keine Hängematte, sondern Power.“ Jedoch müsse man differenzieren, für welche Gruppe es bestimmt sei. Und die Frage der Höhe gelte es ebenfalls abzuklopfen.

“Innovation durch Erholung”

Auch Mario Schuster erkennt im BGE ein sensibles Thema. „Tätigkeiten mit geringerer, aber auch mittlerer Qualifikation fallen weg, dafür wird es mehr Spezialisten brauchen. Bei 300.000 Arbeitslosen heißt das aber nicht, dass daraus 300.000 neue IT-Techniker werden“, so Schuster. Der Arbeitspsychologe nennt dazu drei psychologische Grundbedürfnisse des Menschen, die bei diesem Thema richtungsweisend sein könnten und das Killerargument „faule Haut“ etwas entkräften: Das Individuum brauche nach der Self-Determination-Theory der Forscher Edward L. Deci und Richard M. Ryan (erstmals 1985 an der University of Rochester vorgestellt) Anerkennung, Weiterentwicklung und Autonomie. In ihrem Paper heißt es zudem, „Menschen, die über ihre Tätigkeit frei entscheiden können, sind wesentlich motivierter“. Dabei soll diese Freiheit nicht als „frei von Pflichten und Arbeit“ verstanden werden, sondern als „frei von Überlebenskampf und Druck“, was zugleich als Entspannungsfaktor in einer veränderten Arbeitswelt mit hohen Anforderungen gelten kann. Denn Schusters Worten nach verhält es sich so: „Innovation entsteht nicht durch mehr Arbeit, sondern durch Erholung.“

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #7 “Die Welt in 5 Jahren”


 

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Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
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“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie “No Hype KI” diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

“Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen”

“Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen”, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. “Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören”, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als “Key Technology” im KI-Bereich. Für “Women in AI” spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: “Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.” Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was “open” sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. “2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.” Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: “Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.” Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: “Wir setzen genau so auf hybrid.”

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. “Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.”

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. “Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden”, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in “Compliance-Fallen” führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: “Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.” Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: “Man kann nicht immer gleich die neueste ‘bleeding edge’-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.”

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. “Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich”, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. “KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht”, so Böttcher.

“Rechenleistungs-Hunger” von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. “Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur”, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der “Rechenleistungs-Hunger” sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: “Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.” Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. “Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar”, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. “Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben”, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: “Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.”

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: “Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.” Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. “Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann”, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. “Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist”, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? “Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen”, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: “Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.” Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die “Pioniere” im Unternehmen. “AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen”, so Ratheiser.

“Einfach einmal ausprobieren”

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: “Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.” Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: “Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.” Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
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Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als “Key Technology” im KI-Bereich. Für “Women in AI” spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: “Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.” Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was “open” sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. “2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.” Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: “Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.” Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: “Wir setzen genau so auf hybrid.”

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. “Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.”

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. “Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden”, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in “Compliance-Fallen” führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: “Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.” Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: “Man kann nicht immer gleich die neueste ‘bleeding edge’-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.”

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. “Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich”, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. “KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht”, so Böttcher.

“Rechenleistungs-Hunger” von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. “Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur”, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der “Rechenleistungs-Hunger” sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: “Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.” Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. “Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar”, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. “Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben”, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: “Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.”

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: “Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.” Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. “Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann”, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. “Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist”, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? “Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen”, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: “Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.” Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die “Pioniere” im Unternehmen. “AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen”, so Ratheiser.

“Einfach einmal ausprobieren”

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: “Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.” Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: “Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.” Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


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Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
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