23.10.2017

“Roaming”: Wenn Öffi-Betreiber zu Carsharing-Anbietern werden

Das portugiesische Startup Mobiag will alle Shared-Mobility-Angebote vereinen. Im Rahmen der Kapsch Factory1 wird mit der Kapsch-Tochter Fluidtime an einer Whitelabel-App für Mobilitätsdienstleister gearbeitet.
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(c) Kapsch: Cornelia Wolf (Kapsch) und João Felix (Mobiag)
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Es gibt inzwischen eine ganze Menge Carsharing- und Bike-Sharing-Plattformen. Manche sind weniger spezialisiert, andere dagegen sehr stark, etwa auf E-Scooter im urbanen Raum. “Unsere Vision ist es, dass alle Autos, Mopeds oder Fahrräder aus jedem Sharing-System für jeden User auf seiner persönlich bevorzugten Plattform verfügbar sind”, erklärt João Felix, Founder und CEO des portugiesischen Startups Mobiag, das beim Accelerator-Programm Kapsch Factory1 dabei ist. Für diesen universellen Zugriff auf verschiedenste Sharing-Dienste verwendet Mobiag den Begriff “Roaming”.

+++ Kapsch: Hinter den Kulissen von Factory1 +++

Mit der Car2Go-App ein DriveNow-Fahrzeug buchen

Das Startup, das seinen Service seit zwei Jahren betreibt, bewegt sich dabei nur im Whitelabel- bzw. B2B-Bereich und betreibt keine eigene App. “Man hat seinen bevorzugten Sharing-Service, in Wien könnte das zum Beispiel Car2Go sein. Mit unserem Dienst findet man nun über die Car2Go-App etwa auch die Fahrzeuge von DriveNow und vielen anderen”, erklärt Felix. Noch klarer werde der Vorteil, wenn man die Heimatstadt verlässt: In Mobiags Vision kann man dann mit seiner bevorzugten App weltweit Sharing-Angebote finden. “Voraussetzung ist natürlich, dass die Anbieter Teil unseres Netzwerks sind”, sagt Felix. Das System gehe dabei smart vor: “Die Anbieter haben unterschiedliche Restriktionen, etwa was das Alter der Fahrer angeht. Es werden einem nur Fahrzeuge angezeigt, die tatsächlich infrage kommen.”

Banken und Telekom-Firmen als “Virtual Operators”

Die Vernetzung der Sharing-Anbieter zugunsten der Endkunden sei aber nur ein Teil des Konzepts. In weiterer Folge wolle man sogenannte “Virtual Operators” ermöglichen. “Das sind Firmen, die über keine eigene Flotte verfügen, aber den Service anbieten wollen und dazu auf unseren Pool zugreifen”, erklärt Felix. Damit ermögliche man Firmen, die bislang nicht im Mobility-Bereich tätig sind, in diesen einzusteigen. Dabei ginge es um Unternehmen mit vielen bestehenden Kunden, etwa Banken oder Telekom-Konzerne, die ihren Nutzern weitere Services anbieten wollen. “Sie können damit mit sehr geringen Kosten den Umsatz mit ihren bestehenden Kunden vergrößern”, erklärt Felix.

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Das ganze System profitiert

Davon profitiere letztlich das gesamte System. “Es wird hier bestehenden Kunden, die dem Unternehmen bereits vertrauen, ein neues Service angeboten. Durchschnittlich kostet es 20 bis 30 Euro im Shared-Mobility-Bereich einen neuen Kunden zu akquirieren”, erklärt Felix. Eine Million neue Kunden, die nur einen Bruchteil der Bestandskunden vieler dieser Unternehmen ausmachten, würden aber etwa  20 bis 30 Millionen Euro in das System einbringen. “Deswegen sind alle Beteiligten sehr an dieser Lösung interessiert”, erläutert der Mobiag-CEO. Felix zieht einen Vergleich zu Uber: “Sie haben Millionen Kunden, aber keine eigenen Autos.”

Gemeinsam mit Fluidtime zu Städten als Kunden

Im Rahmen der Kapsch Factory1 arbeitet Mobiag mit dem österreichischen Unternehmen Fluidtime zusammen, an dem Kapsch mehrheitlich beteiligt ist. Die Firma steht unter anderem hinter der ehemals offiziellen Wiener Öffi-App Quando. Für die neue Whitelabel-Mobility-as-a-Service-App des Unternehmens, die weltweit an Mobilitätsdienstleister angeboten werden wird, wird Mobiag den Shared-Mobility-Part übernehmen. “Wir gelangen damit an für uns neue Märkte, da Kapsch und Fluidtime vorwiegend mit Städten und offiziellen Stellen zusammenarbeiten, mit denen wir bislang wenig zu tun hatten”, sagt Felix. Dadurch könnten etwa Unternehmen des öffentlichen Verkehrs zu Virtual Operators werden. Eine Demo-Version ist im Rahmen der Kooperation bereits entstanden. Beim Factory1-Demo-Day in Montreal Ende Oktober soll der funktionierende Prototyp präsentiert werden.

Kapsch liefert Go-to-Market-Analyse

“Die technische Integration der beiden Services ist aber die kleinere Aufgabe”, ergänzt Cornelia Wolf von Kapsch, die bei der Factory1 als Mobiags Lead Mentor fungiert. “Wir arbeiten an einer Go-to-Market-Lösung, wo wir das Potenzial dieser gemeinsamen Lösung von Mobiag und Fluidtime analysieren.” Kundengespräche seien bereits angelaufen. Geographisch wird man in der Kooperation übrigens vorerst nicht in Österreich aktiv werden: “Wir widmen uns zunächst großen Märkten in Südeuropa und Südostasien”, erklärt Felix. Generell fokussiere man sich auf lange Sicht eher auf Wachstumsmärkte: “Europa ist in diesem Bereich schon ziemlich weit. Weniger entwickelte Märkte wie Südamerika sind für uns daher besonders spannend”, sagt der Gründer.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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