08.09.2022

JW Summit 2022: “Werdet nicht leise!”

Der JW Summit 2022 in Graz stand im Zeichen der Krise, aber auch der Freude über ein physisches Event nach zwei Jahren Corona-Pause.
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Die Main Stage beim JW Summit 2022 im Congress Graz
Die Main Stage beim JW Summit 2022 im Congress Graz | (c) Peter Reiter Photography
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“Endlich wieder Live!” – mit diesen Worten begann Christiane Holzinger, Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft (JW), ihre Eröffnungsrede beim diesjährigen JW Summit. Dieser fand als physisches Event in Graz unter dem Motto “Stoak steirisch” statt. Das Netzwerken und auch die Party kämen nach zweijähriger Zwangspause durch Corona endlich wieder zurück, so Holzinger. Doch sie räumt ein: “Die Zeiten sind hart. Krise ist das neue Normal und auch als Organisation stehen wir vor großen Herausforderungen”. Umso motivierter sei man, noch mehr für die Mitglieder umzusetzen.

JW Sumit 2022 - JW-Bundesvorsitzende Christiane Holzinger bei ihrer Eröffnungsrede
JW-Bundesvorsitzende Christiane Holzinger bei ihrer Eröffnungsrede | (c) Peter Reiter Photography

Mahrer: “Ich brauche eine laute Junge Wirtschaft mit unkonventionellen Ideen”

“Wir haben schwierige Zeiten, die haben wir uns alle nicht ausgesucht”, sagt auch Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer in seiner Keynote, in der auch er die Stärke und Wichtigkeit, des JW-Netzwerks betont. Er wiederholt seine Kritik an fehlenden Maßnahmen, um den Konsequenzen der Russland-Sanktionen entgegenzuwirken und mahnt bei der Politik rasches Handeln ein. An das JW Summit-Publikum im Congress Graz gerichtet sagt Mahrer: “Meine große Bitte ist: Werdet nicht leise! Ich brauche eine laute Junge Wirtschaft, die sich auch traut, mit unkonventionellen Ideen zu mir zu kommen”. Das sei nicht nur eine Einladung, sondern auch eine Aufforderung “und am Ende des Tages ein Marschbefehl”.

WKÖ-Präsident Harald Mahrer bei seiner Keynote am JW Sumit
WKÖ-Präsident Harald Mahrer bei seiner Keynote am JW Sumit | (c) Peter Reiter Photography

Speaker:innen von Joey Kelly bis Hansi Hansmann beim JW Summit 2022

Doch nicht nur die aktuelle Lage war großes Thema beim JW Summit 2022. Den Teilnehmer:innen wurde ein umfangreiches Programm mit mehreren Masterclasses und einem Star-Speaker-Aufgebot geboten. Ex-Popstar Joey Kelly erzählte in seiner Keynote etwa, warum er immer 110 Prozent gibt, um seine Ziele zu erreichen und Business Angel Hansi Hansmann meinte in seiner Rede: “Wir stehen aktuell erst bei drei Prozent der Digitalisierung”. Bestsellerautorin Anitra Eggler gab in ihrer Keynote drei Tipps, um die persönliche Screen-Life-Balance zu verbessern und Genetiker Markus Hengstschläger sprach über den Zusammenhang von Innovation und Bildung.

Joey Kelly bei seiner Keynote am JW Sumit | (c) Peter Reiter Photography

Startup-Pitch und Viktoria Schnaderbeck-Keynote bei der “Langen Nacht der JW”

Ein besonderes Highlight war die “Lange Nacht der JW” in den Kasematten des Grazer Schlossberges. Dort gab es unter anderem einen kurzen 2 Minuten 2 Millionen Pitch, bei dem das Sieger-Startup gleich ein Ticket für die Puls4-Show erhielt. Und Viktoria Schnaderbeck, Ex-Kapitänin der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft, erklärte in ihrer Keynote dort, wie man mit Erfolgen und Misserfolgen umgehen kann. Insights von Zotter-Gründer Josef Zotter gab es dagegen beim “Frühschoppen”, wo er unter anderem erklärte, warum er Orthopädische Schuhe für 250 Mitarbeiter:innen anpassen ließ.

Keynote verpasst?

Für all jene, die entweder nicht am JW Sumit 2022 waren, oder einzelne Programmpunkte verpasst haben, bzw. noch einmal ansehen wollen, gibt es ab 23. September die Online-Nachschau zum Summit unter diesem Link.

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Coworking Salzburg
(c) Romy Sigl -

Früher hieß es, steig nicht zu Fremden ins Auto. Oder: Lass keine Fremden in deine Wohnung. Dann folgten “absurde” Ideen und daraus Uber und Airbnb. Dies sind zwei Beispiele von Visionen, die anfänglich auf Skepsis gestoßen sind, sich dann aber zu weltweiten Erfolgen entwickelt haben. Zugegeben, die Thematik rund um das Ende von Coworking Salzburg – siehe hier – ist nun eine, die zu einem Teil der Scheiterkultur in Österreich geworden ist. Aber durch die Botschaft eines anonymen Kritikers das offenbart, womit man heutzutage noch in der Republik als Teil des Startup-Ökosystems zu tun hat.

Scheiterkultur in Österreich

Bereits vor zehn Jahren meinte Hansi Hansmann, dass Österreich eine schlechte Scheiterkultur habe. Dabei sei gerade hier der Lernprozess extrem hoch, sagte der Business Angel damals. Seitdem gab es immer wieder Beispiele von einem gesunden Umgang mit Fehlern und Fehleinschätzungen, etwa von CrowdFarming oder von Direct Sales. Vor knapp fünf Jahren machte sich zudem das Labor für schönes Scheitern dafür stark, einen “lockeren Umgang” im Scheitern zu pflegen.

“Die letzten zehn Jahre haben mir gezeigt, dass echte Veränderung dort beginnt, wo wir uns trauen, unsere Fehler anzunehmen und darüber zu sprechen – egal ob als Einzelperson, in einem Team oder in einer Organisation”, sagte auch Fuckup-Nights-Initiator Dejan Stojanovic im November des vorigen Jahres, als seine Idee die erste Dekade feierte.

Offener Umgang

Romy Sigl ging mit dem Ende von Coworking Salzburg, wie oftmals von der Szene empfohlen, dementsprechend offen um, kämpfte um die Rettung und musste sich schlussendlich mit dem Aus ihrer Vision abfinden. Wie sie kürzlich auf LinkedIn schrieb, erreichte sie jedoch eine anonyme Botschaft, die einige kritische Fragen zum Coworking-Space und der Startup-Kultur in Salzburg aufwarf. Sigl machte sie öffentlich und startete damit einen Diskurs rund um die Art und Weise von Kritik und das allgemeine österreichische Mindset, das ab und an mit Missgunst und Schadenfreude einhergeht.

Die Nachricht an die Founderin enthielt u.a. folgende Aussagen: “Die sogenannte ‘Startup-Bubble’ rund um den Coworking Space in Salzburg ist für mich eine reine Illusion. Sie besteht aus Menschen, die glauben, Geschäftsideen zu haben, die jedoch oft absurd und nicht realisierbar sind. (…) Ich sehe es positiv, dass dadurch Coworking-Spaces, die sich als vermeintliche Top-Adressen darstellen, letztlich verschwinden. Aus meinen eigenen Einblicken in diesen Coworking-Space kann ich nur sagen, dass ich es äußerst kritisch finde, wenn Menschen in ihren Ideen bestärkt werden, obwohl von Anfang an klar ist, dass diese nicht funktionieren können.”

Und weiter: “So schwer es für Romys Ego auch sein mag, es ist an der Zeit, die Realität zu akzeptieren: Es ist vorbei, und das Projekt kann nicht mehr künstlich am Leben gehalten werden. (…) Niemand möchte mit einem heruntergekommenen Gebäude und einer visionär überzogenen, aber wenig greifbaren Community in Verbindung gebracht werden. Es ist Zeit, loszulassen und die Realität anzunehmen. Liebe Romy, ich wünsche dir persönlich alles Gute, aber ich rate dir, dich in Zukunft von Startups und ähnlichen Projekten fernzuhalten.”

Auf eine inhaltliche Ebene heben

Sigl verlinkt in ihrem Post in den Kommentaren die komplette Botschaft des anonymen Absenders, macht aber noch weitaus mehr. Sie entbröselt die zum Teil persönliche Kritik und hebt sie auf eine inhaltliche Ebene, indem sie sachlich auf die einzelnen Kritikpunkte eingeht.

Sie schreibt: “Ein Vorwurf lautete, dass Coworking-Spaces ‘absurde und nicht realisierbare’ Geschäftsideen fördern. Hier möchten wir widersprechen: Innovation entsteht oft aus Experimenten und Ideen, die zunächst unkonventionell wirken. Airbnb, Uber oder Slack sind nur einige Beispiele von Unternehmen, die zunächst als unrealistisch abgetan wurden. Coworking-Spaces sind keine Erfolgsgaranten, sondern Plattformen. Sie bieten Gründern Zugang zu Netzwerken, Ressourcen und einer inspirierenden Umgebung. Es ist Teil des unternehmerischen Prozesses, Ideen zu testen – und manchmal auch zu scheitern. Wir sind stolz darauf, viele Startups auf ihrem Weg begleitet zu haben, von ersten Prototypen bis hin zu marktfähigen Produkten.”

Der Kritik, dass ihrer Community “jegliche echte Expertise” fehle, setzt sie entgegen, dass ihr Space von Beginn an eine bunte Mischung aus erfahrenen Unternehmer:innen, kreativen Köpfen und jungen Gründer:innen dargestellt habe: “Gerade diese Vielfalt macht Coworking-Spaces aus. Sie sind Orte des Austauschs, wo Wissen geteilt und gemeinschaftlich Lösungen gefunden werden. Darüber hinaus haben wir mit etablierten Organisationen wie Startup Salzburg und dem Techno-Z in Puch zusammengearbeitet, um unseren Mitgliedern Zugang zu weiterführenden Ressourcen und Programmen zu bieten. Expertise entsteht durch Zusammenarbeit, nicht durch Ausgrenzung”, so Sigl weiter.

“Feig” und “Schlag unter die Gürtellinie”

Weitere Punkte von Sigls Replik betreffen Förderungen, die Tragfähigkeit des Co-Working-Projekts und eine negative Stimmung als Folge, auf die sie eingeht. Unterstützung erhält sie dabei von Teilen der LinkedIn-Community, die die Anonymität des Kritikers “feige” bzw. seine Zeilen einen “Schlag unter die Gürtellinie” nennen und auf die nachhaltige Wirkung der Gründerin eingehen.

“Der Standort und die heimischen Startups, inklusive Symptoma, haben vom Beleben des Standorts eindeutig profitiert. Der Space hat viele Leute zusammengebracht – ein Grundbaustein für Innovationen”, schreibt etwa Jama Nateqi, Founder und CEO von Symptoma.

Und Sven Maikranz, Gründer von Upstrive hält einen besonderen Punkt fest, wo man eine große Chance verpasst hätte: “Menschen, die sich selbst nicht genug Signifkanz geben können, versuchen es dadurch zu erreichen, dass sie andere runter drücken und schlecht machen. Traurig und schade, weil es sicher zu den Themen eine konstruktive Diskussion geben könnte, der Autor durch die Form und Anonymität sich aber selbst disqualifiziert.”

Passend dazu zitiert Sigl den Buchschreiber und Berater Mario Kellermann: “Kritik ist nur dann wertvoll, wenn sie sagt, wie es besser geht. Alles andere ist sonst nur leeres Gerede und sinnlose Wichtigtuerei.”

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