05.12.2019

IT-Fachkräfte aus dem Osten: Not macht leistungsfähig

Während hiesige Unternehmer den IT-Fachkräftemangel beklagen, sind die Staaten des CEE-Raums auf der Überholspur. Doch warum ist das so? Der brutkasten hat bei zwei Startups nachgefragt.
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IT-Fachkräfte aus dem Osten
(c) Adobe Stock - Maxim Khytra

Der Fachkräftemangel ist (nicht nur) in der heimischen Startup-Szene ein altbekanntes Problem. Laut “IKT-Statusreport 2019” fehlen in Österreich 10.000 hochqualifizierte IT-Spezialisten. Und einer Studie der Austrian Business Agency zufolge, beklagen bereits 40 Prozent der Unternehmen Umsatzeinbußen aufgrund fehlender Experten im Feld. Daher richten sich die Blicke der Unternehmer verstärkt ins Ausland. Doch es sind immer weniger die USA oder andere Länder, die bisher federführend im IT-Bereich waren, im Fokus. Die neuen IT-Stars findet man im CEE-Raum – IT-Fachkräfte aus dem Osten erfreuen sich auch bei heimischen Unternehmen immer größerer Beliebtheit.

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USA und Indien weit abgeschlagen

In einer von HackerRank publizierten Studie über die Qualität von Programmierern in einzelnen Ländern befinden sich unter den Top 12 eines Rankings sechs Staaten aus dem CEE-Raum. Die talentiertesten Developer stammen demnach aus China und Russland. Chinesische Entwickler brillieren in den Bereichen Mathematik, funktionale Programmierung und Datenstruktur, während sich die Russen bei Algorithmen auszeichnen. Im Vergleich dazu: Die USA und Indien stellen bei dieser Auswertung die meisten Teilnehmer, rangieren aber im Endergebnis auf Platz 28, beziehungsweise 31. Hinter den beiden Siegern reiht sich gleich Polen an dritter und Ungarn an fünfter Stelle ein. Tschechien belegt Rang neun und Bulgarien landet auf dem zwölften Platz.

Warum sind IT-Fachkräfte aus dem Osten besser als andere?

Zwar stellt diese Studie allein “bloß” eine stichprobenartige Darstellung der jeweiligen Communities dar – dennoch lässt sich ein gewisser Paradigmenwechsel erkennen, der dazu führt, dass auch Österreich im CEE-Raum zu fischen versucht, um etwa polnische Fachkräfte ins Land zu locken, wie René Siegl, Geschäftsführer der Austrian Business Agency im Sommer 2019 erklärte. Doch warum sind IT-Fachkräfte aus dem Osten besser als andere?

Drazen Ivanis, Entwickler der App wowflow (ehemals myhaustechniker) schreibt diesen Umstand einer Notwendigkeit zu, die in diesen Ländern vorherrscht. “Es lag einerseits an der allgemeinen Bildung und andererseits an einer Not, die dazu führte, dass sich junge Menschen dem IT-Bereich verschrieben haben”, sagt er. Damit spielt er auf die Knappheit an Arbeitsplätzen an, die etwa in Ländern wie Polen vorherrschte und zu einem “Turn” in Richtung Internet führte.

wowflow-Gründer Drazen Ivanis
(c) Markus Bacher: wowflow-Gründer Drazen Ivanis

Vererbte Ausbildung

Er gibt zudem an, dass die technische Ausbildung in den östlichen Ländern exzellente Grundlagen fürs Programmieren schaffe. Insgesamt gibt es laut einer von der Website infoshare.pl veröffentlichten Studie rund eine Million professionelle Softwareentwickler im CEE-Raum. An dieser Stelle spricht Ivanis von einer Art Ausbildungserbschaft in sogenannten IT-Familien, in denen die nächste Generation aufwachse – und von klein an auf im IT-Bereich getrimmt werde.

Ein weiterer nicht unwesentlicher Punkt, der die positive Entwicklung befeuert, sind die Gehälter, die man als Developer erhält. Durchschnittlich wird einem Softwareentwickler in Polen jährlich ein Gehalt in Höhe von knapp 97.000 Dollar gezahlt, heißt es auf der Website PayScale.

“Entwickler verdienen zwei bis drei Mal so viel”

Ähnlich sieht es David Turewicz, CEO und Founder des Wiener Startups Eastcode. “In den altkommunistischen Ländern waren die Naturwissenschaften extrem wichtig. Dort bekommt man Dinge gelehrt, die man woanders erst im Studium aufgreift”, sagt er: “Die Regierungen stecken viel Geld in IT. Zudem verdienen Entwickler für ihre Verhältnisse sehr viel. Zwei bis drei Mal so viel wie der Durchschnitt”.

Österreich sei dabei, diese Entwicklung zu verschlafen. Wenn innerhalb der nächsten zehn Jahre im IT-Sektor nichts geschehe, sehe es düster aus, meint Turewicz. Auf die Frage, was IT-Fachkräfte aus dem Osten besser machen als einheimische, meint der Gründer, man könne nicht behaupten, dass ein Developer besser sei als der andere. “Fakt ist jedoch, dass viele im CEE-Raum im IT-Bereich ihre Chance sehen, eine gute berufliche Laufbahn einzuschlagen. Sie nehmen das ernster als wir”, sagt er.

Dies sei allgemein ein Punkt, der den Osten vom Westen unterscheide. “Es ist zum Beispiel in Polen nicht unüblich, gleichzeitig zwei volle Studien zu absolvieren. Mit 25 Jahren ziehen dann alle aus. Sie erhalten wenig Unterstützung von den Eltern oder vom Staat. Da herrscht eine ganz andere Ernsthaftigkeit”, so Turewicz weiter.

Aus der Not zur Qualität

Mit dieser Aussage schließt der Eastcode-Gründer den Kreis, den Ivanis bei dieser Fragestellung geöffnet hat. Heruntergebrochen lässt sich sagen: Developing ist für junge Leute im Osten die Chance, ihren Weg in einer problematischen Arbeitswelt zu gehen. Wo Not herrscht, da scheint Qualität zu entstehen.

Auch wenn beide Gründer sich schwer tun, diesen Qualitätsunterschied in Form von “besser” und “schlechter” zu präzisieren, so fällt auf, dass Ivanis bei der Arbeitsweise von Programmierern im Osten von einer anderen “Arbeitskultur” spricht, wenn er sagt, als Entwickler habe man dort mehr Möglichkeiten zum Ausprobieren. Turewicz stimmt in diesen Tenor ein. Er glaubt, dass der Unterschied darin liege, dass Developer im CEE-Raum darauf achten müssten, aus den vorhanden Möglichkeiten das Beste zu machen. Er nennt es eine Kreativität, mit der man an Aufgaben herangeht und die jene Fachkräfte charakterisiert. “Während in Deutschland andere Ausbildungen oder Jobs wie etwa im Maschinenbau relativ leicht möglich sind, so ist es in den östlichen Ländern am einfachsten, ein Softwareunternehmen zu gründen. Die Leute dort sehen IT als ihre Chance und holen sich Kunden ganz einfach aus dem Ausland”, sagt er.


Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #9 “Vom Startup zum Scaleup” ⇒ hier online Lesen!


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Rechtsanwalt Christian Nordberg | (c) Nordberg

Mitten in der österreichischen Startup-Szene sorgte das Quantencomputing-Unternehmen ParityQC im April diesen Jahres für Aufsehen: Das Unternehmen rund um Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser sicherte sich ein Investment der B&C Innovation Investments GmbH, die mit einem nicht genannten Betrag beim Spin-off einstieg. Laut einer Aussendung der Uni Innsbruck und der Österreichische Akademie der Wissenschaften erreichte ParityQC eine Bewertung vergleichbar mit US-börsennotierten Quantenunternehmen. Diese Bewertungen bewegten sich zum damaligen Zeitpunkt meist im niedrigen neunstelligen Bereich. (brutkasten berichtete).

Aber wie läuft ein solcher Deal ab, insbesondere wenn es um hochsensible Technologien wie Quantencomputing geht? brutkasten hatte die Gelegenheit, mit Christian Nordberg, dem Rechtsanwalt, der die Transaktion rechtlich begleitet hat, zu sprechen. Nordberg liefert Einblicke in die Dynamik einer solchen Finanzierung, die Rolle der IP-Rechte und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem liefert Nordberg auch Tipps für Startups, die sich in einer Finanzierungsrunde befinden.

Die Ausgangslage im Fall von ParityQC

Das 2019 gegründete Unternehmen ParityQC hat sich in kürzester Zeit einen Namen in der internationalen Quantencomputing-Szene gemacht. Die Gründer Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser entwickelten ein einzigartiges Architekturmodell für Quantencomputer, das speziell auf Optimierungsprobleme ausgerichtet ist. Diese Technologie ist in der Lage, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Systeme – ein entscheidender Vorteil in Bereichen wie Logistik, Energienetzwerken und Finanzmärkten.

Anders als viele Startups, die oft Jahre brauchen, um profitabel zu werden, hatte ParityQC in der Phase der Finanzierungsrunde bereits eine starke finanzielle Basis. Dank renommierten Kunden wie NEC ist das Unternehmen nach eigenen Angaben seit 2023 profitabel – eine Seltenheit in der Quantenbranche (brutkasten berichtete).

“Ein Unternehmen wie ParityQC, das bereits operativ erfolgreich ist, hat natürlich eine viel bessere Verhandlungsposition gegenüber Investoren als ein Startup in der Frühphase, das dringend Kapital benötigt,“ erklärt Nordberg. Die Profitabilität und die bereits bestehende Kundenbasis gaben dem Unternehmen eine gewisse Unabhängigkeit und Verhandlungsmacht.

Die Bedeutung von IP-Rechten

In der hochspezialisierten Welt des Quantencomputings kommen rechtliche Herausforderungen, wie die Bewertung und Absicherung geistigen Eigentums, besonders stark zum Tragen. Bei einer Due-Diligence-Prüfung wird das gesamte Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft – von den finanziellen Aspekten über das Geschäftsmodell bis hin zu den IP-Rechten.

Nordberg erklärt: „Für den Investor steht die Frage im Vordergrund, wie gut die einzigartigen Technologien von ParityQC rechtlich geschützt und risikominimiert werden können.“ IP-Rechte, insbesondere bei einer technologischen Innovation, die wie bei ParityQC eine Zukunftsbranche vorantreibt, sind ein entscheidender Faktor, um das Investment langfristig abzusichern.

In diesem Fall wurde ein technischer Berater hinzugezogen, der die Patente und Technologien im Detail analysierte. Neben dem rechtlichen Schutz ist es hier wichtig, dass der Inhalt und die Funktionsweise der Technologie verstanden werden. “Bei Quantencomputing war das auch für uns als Kanzlei eine besondere Herausforderung, da es sich um hochkomplexe technologische Entwicklungen handelt”, so Nordberg.

Weit mehr als reine Paragraphen

Die Rechtsberatung spielte in der Verhandlungsphase von ParityQC eine zentrale Rolle. Neben der Prüfung der rechtlichen Aspekte war es für Nordberg und sein Team essenziell, das Unternehmen durch die Verhandlungen zu begleiten und strategisch zu beraten. Der Unterschied zu größeren Unternehmen besteht oft darin, dass Startups keine eigenen Rechtsabteilungen oder Corporate-Strukturen besitzen. “Bei ParityQC war das zwar nicht der Fall, Startups in der Frühphase benötigen allerdings oft nicht nur rechtliche, sondern auch strukturelle Unterstützung, um den Anforderungen von Investoren gerecht zu werden“, betont Nordberg.

Die Anforderung an den Rechtsberater ist nicht nur eine klassische Rechtsberatung zu liefern, sondern auch ein Verständnis für unternehmerische Abläufe mitzubringen. “Wenn Startups Unterstützung bei Verhandlungen benötigen, dann geht es häufig auch darum, die Verhandlungsposition zu stärken und sicherzustellen, dass das Startup langfristig von der Partnerschaft mit dem Investor profitiert,“ erklärt Nordberg.

Ein zusätzlicher, oft unterschätzter Aspekt sind dabei die vertraglichen Feinheiten, die sich aus der Investmentrunde ergeben. Hierzu zählt etwa der Gesellschaftsvertrag, der neu aufgesetzt wird, um Investoren Mitsprache- und Vetorechte einzuräumen, ohne dabei die Gründungsgesellschaften in ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung zu stark einzuschränken.

Tipps für Startups in Finanzierungsphasen

Nordberg gibt zudem auch Ratschläge für Startups, die sich in einer Finanzierungsphase befinden. „Investoren wollen sehen, dass ein Startup eine gewisse Struktur aufweist, da dies Vertrauen schafft“, betont er. Dabei gehe es keinesfalls darum, die Atmosphäre eines Konzerns zu simulieren, sondern vielmehr darum, grundlegende Prozesse und Abläufe klar zu definieren. “Wenn ein Startup strukturiert auftritt und den genauen Finanzierungsbedarf kennt, zeigt das den Investoren, dass sie es mit einer professionellen Organisation zu tun haben,“ so Nordberg.

Ein weiterer Tipp des erfahrenen Anwalts betrifft die Wahl des Investors. Hier sollten Gründer:innen darauf achten, dass der Investor zur Unternehmenskultur und den Zielen passt. Neben dem finanziellen Beitrag sind es oft die Netzwerke, Branchenkenntnisse und die Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Produkts oder der Dienstleistung, die ein Investor bieten kann. “Ein Startup sollte sich gut überlegen, ob der Investor lediglich Kapital bereitstellt oder auch strategischen Mehrwert bringt,“ erklärt Nordberg.

Arbeit mit Startups erfordert Dynamik und Flexibität

Nordberg teilt zudem auch seine persönlichen Learnings. Für Rechtsanwälte, die sich mit Startup-Beratung beschäftigen, bringt diese Arbeit eine besondere Dynamik und Flexibilität mit sich. Die oft noch jungen Gründer:innen sind stark auf die Entwicklung ihrer Produkte und Ideen fokussiert, und Rechtsberatung muss daher effizient und verständlich sein. „Die Gründer haben selten die Zeit und Kapazität, sich in komplexe juristische Details einzuarbeiten. Da ist es unsere Aufgabe, sie praxisnah und lösungsorientiert zu unterstützen,“ sagt Nordberg.

Abschließend betont Nordberg, dass es für die österreichische Gründerszene ein positives Signal sei, dass ein so komplexes Thema wie Quantencomputing in Österreich erfolgreich im Zuge einer Eigenkapitalrunde finanziert werden konnte. Der Anwalt ist überzeugt, dass derartige Deals dazu beitragen, den Innovationsstandort Österreich zu stärken. Mit seiner Kanzlei sieht er sich gut aufgestellt, um weiteren Startups den Weg durch die komplexe Welt der Investorengespräche zu ebnen – eine Rolle, die in einer wachsenden Startup-Landschaft immer wichtiger wird.


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