21.09.2018

Wien-CIO Ulrike Huemer: “In einer smarten Stadt ist der Weg das Ziel”

Als Chief Information Officer (CIO) der Stadt Wien ist Ulrike Huemer nicht nur hauptverantwortlich für die IT der städtischen Verwaltung. Es geht um die Digitalisierung der ganzen Stadt und ihrer BürgerInnen. Im Interview spricht sie u.a. über Wiens Fortschritt auf dem Weg zur smart City und die Ziele der Digital Days.
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Ulrike Huemer - Digital Days - Ulrike Huemer unterstützt Uber-Petition
(c) Bohmann: Ulrike Huemer
kooperation

Es sind – wenn man will – zwei Mega-Projekte, die Ulrike Huemer, Chief Information Officer (CIO) der Stadt Wien betreibt. Einerseits ist sie als IT-Chefin der Stadt für die Digitalisierung der Verwaltung verantwortlich. Andererseits – und das ist wohl die noch viel größere Aufgabe – arbeitet sie daran, ganz Wien mit seinen BürgerInnen zur digitalisierten “Smart City” zum machen. Im Vorfeld des Flagship-Events der Smart City-Initiative DigitalCity.Wien, den Digital Days 2018 am 3. und 4. Oktober, haben wir Ulrike Huemer u.a. gefragt, wie man alle Generationen für die Digitalisierung fit machen will und wie weit Wien auf dem Weg zur Smart City ist.

+++ Digital Days 2018: Stadt Wien lädt die Digital-Community zur Diskussion +++


Was ist das übergeordnete Ziel hinter den Digital Days?

Wir leben in einem Zeitalter der Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche in dem die Informations- und Kommunikationstechnologien zum Nervensystem der “smarten” Stadt geworden sind. “DigitalCity.Wien” nimmt in diesem Kontext einen ganz besonderen Stellenwert ein. Als Initiative, die im Schulterschluss zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft zur Förderung der Digitalkompetenz in der Bevölkerung vorangetrieben wird, verfolgt sie den Zweck, Wien als digitale IKT-Metropole und innovative Vorreiterin im internationalen IKT-Kontext zu unterstützen. Es geht dabei darum, wichtige Themen der Digitalisierung wie städtische Infrastruktur, Mobilität, Security, Datenschutz, Medienverantwortung, HighTech, Jugendförderung, lebenslanges Lernen, Gesundheit, Generation 60+ und Digitalkompetenz in Aus- und Weiterbildung in den Vordergrund zu rücken.

Die DigitalDays sind der Hauptevent der Community und zeigen auf, was der Digital-Hotspot Wien bereits heute für Menschen aller Altersgruppen zu bieten hat. Sie sind Netzwerk- und Austauschplattform für unterschiedliche Generationen und all jene, die sich die Zukunft ihrer Stadt interessieren und mit Themen der Digitalisierung auseinandersetzen möchten. Hier trifft unter anderem digitale Grundbildung auf Unternehmertum, Hochschulwesen auf Bürgerin und Bürger oder Verwaltung auf Maker-Szene, um die neusten Trends und Entwicklungen in einem städtischen und sozialen Kontext zu diskutieren und neue Technologien kennenzulernen und auszuprobieren.

Die Veranstaltung soll alle Generationen ansprechen. Was sind allgemein die Ziele der Stadt Wien für die älteren Generationen in Zusammenhang mit Digitalisierung?

Das übergeordnete Ziel der Stadt Wien ist es, auch ältere Menschen nicht mit der Digitalisierung und all ihren Fragen in diesem Kontext alleine zu lassen, sondern diese aktiv daran teilhaben zu lassen. Dazu gehört, dieser stetig wachsenden Bevölkerungsgruppe den Zugang zu E-Government, digitalen Services oder Apps zu ermöglichen. Mit unterschiedlichen Pilotprojekten will die Stadt Wien Seniorinnen und Senioren den Einstieg in die digitale Welt erleichtern und verschiedene Formate auszutesten.

So werden im Forschungsprojekt WAALTeR (Wiener AAL-TestRegion) beispielsweise vorhandene Technologien (z.B. mobile Endgeräte, smarte Sensorik) einfach aufbereitet und in Testhaushalten von Seniorinnen und Senioren über einen festgelegten Zeitraum hinweg ausprobiert, um – auf Basis von Feedback und Erfahrung – Aussagen zu Usability und Gebrauchstauglichkeit treffen zu können.

“SeniorInnen sind eine der Bevölkerungsgruppen, die am meisten von der Digitalisierung profitieren können.”

Die Nutzung dieser Technologien soll hilfreich und sinnvoll in den Alltag integriert werden, zu einer gesteigerten Lebensqualität beitragen und unterschiedliche Aspekte wie Sicherheit oder Gesundheit behandeln sowie Seniorinnen und Senioren die Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten und die Teilnahme am städtischen Leben ermöglichen.

Wichtig ist also die grundlegende Schulung an den technischen Geräten: Smartphone, Tablet oder PC, auf die die Stadt Wien in Zukunft verstärkt Fokus legen möchte. Insbesondere da Seniorinnen und Senioren eine der Bevölkerungsgruppen sind, die am meisten von den Möglichkeiten der Digitalisierung profitieren können, wenn z.B. die Mobilität nachlässt und so Wege vermieden werden können. Gleichzeitig müssen grundlegende Datenschutz- und Sicherheitsaspekte vermitteln werden, damit sie ruhigen Gewissens agieren können und sich sicher fühlen.

Die Stadt Wien ist sich in diesem Kontext der besonderen Verantwortung gegenüber einer wichtigen und vor allem großen Bevölkerungsgruppe bewusst, deren Lebensqualität sich durch den gezielten Einsatz von Technologien maßgeblich erhöhen kann.

Man sieht Sie auf einschlägigen Veranstaltungen zu Themen wie AI und Blockchain. Was passiert in Wien gerade auf kommunaler Ebene im Bereich dieser Technologien?

Als Stadt Wien geben wir in regelmäßigen Abständen Unternehmen die Möglichkeit der Vernetzung zu den Themengebieten, von denen wir uns im Kontext der Smart City Strategie und der Digitalen Agenda** Lösungsansätze versprechen – unter anderem z.B. für Themengebiete der applied AI sowie zu bestimmten Blockchain-Themen. Hier ist das Ziel, die Chancen, die der Einsatz dieser Technologien birgt, im Sinne einer Smarten Stadt aktiv zu nutzen.

Diese Zusammentreffen ermöglichen die Vernetzung der Stadt Wien (als Infrastruktureigentümerin) bzw. stadtnahen Unternehmen mit privatwirtschaftlichen Unternehmen unter Einbeziehung der ansässigen Forschungslandschaft. Wir setzen bewusst Maßnahmen und fördern diese Vernetzung auf Augenhöhe, um die Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Öffentlichkeit dauerhaft zu stärken und gemeinsame Projekte zu entwickeln.

Der erste Blockchain-Pilot, den die Stadt Wien umgesetzt hat, betrifft Open Government Data (OGD) und hat zum Ziel, die Integrität von Daten abzusichern. So werden seit 2017 die Prüfsummen von OGD der Stadt Wien in öffentlichen Blockchains abgelegt und können von der interessierten Öffentlichkeit abgerufen werden. Die Nutzerinnen und Nutzer können somit die Authentizität und Historie der Daten – unabhängig von einer zwischengeschalteten Institution – selbst einsehen und prüfen, ob Datensätze der Stadt Wien zu einem bestimmten Zeitpunkt existiert haben.

Blockchain haben wir u.a. auch bei Wien Energie erfolgreich getestet. Der Technologie werden für die Zukunft des Energiemarktes große Potenziale eingeräumt. Für den Einsatz der angewandten künstlichen Intelligenz (KI) sowie Blockchain leuchten wir Potentiale aus und es entstehen, eingebettet in Standort-Strategien, Pilotprojekte. Im KI-Bereich arbeiten wir zudem bereits an einer KI-Strategie für die Stadt Wien.

Wie weit ist Wien aus Ihrer Sicht auf dem Weg zur “Smart City”?

Mit der Smart City Rahmenstrategie hat sich die Stadt Wien Leitlinien gegeben, wie den Herausforderungen der Zukunft begegnet werden soll. Im Zentrum stehen dabei die hohe Lebensqualität der Bevölkerung, die Schonung von Ressourcen sowie der Mehrwert von Innovationen. Wien ist in Europa und weltweit ein Vorreiter als Smart City. Um unsere Ziele auch weiterhin erreichen zu können, benötigt es den Einsatz moderner Technologien und Prozesse. Die Digitalisierung von Infrastrukturen, Organisationen und Lebenswelten (z.B. Bildungs- oder Gesundheitswesen) ist daher eine zentrale strategische Aufgabe der Stadt.

“In einer smarten Stadt ist der Weg das Ziel”

Mit der Digitalisierung wird uns ein Instrument in die Hände gelegt, das uns bei verantwortungsvollem Umgang viele neue Türen öffnen kann und ein ungeahntes Potential an Möglichkeiten mit sich bringt. Und dieses Potential gilt es, optimal auszuschöpfen. Digitalisierung zieht sich durch alle Lebensbereiche und wird in Zukunft einen immer wichtigeren Stellenwert für die Smart City Wien einnehmen. Dabei handelt es sich um einen fließenden, sich kontinuierlichen verändernden Prozess, den es nicht gilt abzuschließen, sondern weiterzuentwickeln und zu adaptieren. Denn in einer smarten Stadt ist der Weg das Ziel.

Wie rüstet sich die Stadt in Bezug auf die erwarteten technologischen Umbrüche der kommenden Jahre noch?

Der Veränderungsprozess, der im Zusammenhang mit der Digitalisierung aktuell vollzogen wird, ist kein kurzfristiger Trend. Er wird die Stadt Wien die nächsten Jahrzehnte beschäftigen und ist kein ausschließliches Thema der IT-Abteilungen, sondern originär strategisch und von größter Bedeutung für die Zukunft öffentlicher Institutionen wie der Wirtschaft und Gesellschaft an sich. Er erfordert sowohl das Hinterfragen bisheriger Denkmuster als auch das Erlernen neuer technologischer Fähigkeiten und Management-Ansätze.

Weder die Stadtreinigung, die Energieversorgung, die Schulen, der Verkehr, die Gesundheitseinrichtungen, die Lebensmittelversorgung noch die allgemeine Verwaltung Wiens kommen heutzutage ohne IKT aus. Als Stadt tragen wir die besonders wichtige Verantwortung, sorgsam und überlegt mit diesen neuen technologischen Errungenschaften und Lösungsansätzen umzugehen. In erster Linie müssen städtische Infrastrukturen und Aspekte der Sicherheit in den Vordergrund gerückt werden.

Mit der Schaffung der MA 01 und der Zusammenlegung der IT-Abteilungen des Wiener Magistrats, des Allgemeinen Krankenhauses sowie des Krankenanstaltverbundes (KAV), gibt es beispielsweise künftig eine zentrale Anlaufstelle für alle IT-Services und Leistungen. Die Konsolidierung der IT-Aufgaben ist eine nachhaltige Kostenbremse in Zeiten steigender Anforderungen und steuert zentral und effizient Verwaltung und Einsatz der IT. Ein einheitliches Portfoliomanagement ermöglicht den gezielten Einsatz innovativer Lösungen, die langfristig Vorteile für die Wienerinnen und Wiener und Einsparungen für die Verwaltung erzielen. So können beispielsweise neue Serviceangebote, wie etwa die Entwicklung elektronischer Behördewege oder die Nutzung gemeinsamer Synergien, effizienter entwickelt und Sicherheitsstandards in Zukunft noch besser gewährleistet werden.

Darüber hinaus braucht es für eine erfolgreiche Etablierung der Digitalisierung in der Stadt die notwendigen Soft Skills. Wir müssen auf Herausforderungen wie Fachkräftemangel, städtisches Wachstum oder Überalterung der Bevölkerung adäquat reagieren, in dem wir dort ansetzen, wo es notwendig ist: In Aus- und Weiterbildung, in der Integration sowie Inklusion.

Digitalisierung kann erst dann smart sein, wenn sie jeder Bürgerin und jedem Bürger nützt. Aus diesem Grund haben wir als Stadt die Verantwortung, die notwendigen Rahmenbedingungen für einen niederschwelligen Zugang zu digitalen Lösungen und Hilfsmittel zu gewährleisten.

Die DigitalDays sollen auch den Dialog mit der Bevölkerung fördern. Über welche Wege können BürgerInnen noch an den Entscheidungen teilhaben?

Seitens der Bevölkerung besteht ein zunehmender Wunsch nach Partizipation, Kollaboration und einem an das eigene Nutzungsverhalten bzw. der persönlichen Lebenslage orientierten Serviceangebot. Die digitale Demokratie, die gesellschaftliche Mitbestimmung und Transparenz ist ein zentrales Anliegen der Stadt Wien.

Mit kreativen und innovativen Angeboten tritt die Stadt Wien in den Dialog mit den Wienerinnen und Wienern und trägt so zur Demokratisierung von Wissen bei. Mit der Digitalen Agenda wird die innovative IKT-Strategie der Stadt Wien beispielsweise partizipativ umgesetzt. Es handelt sich dabei um einen Prozess, an dem sowohl online als auch offline engagierte Wienerinnen und Wiener, Unternehmen und Kreative beteiligt sind. Das macht die neue Agenda der Stadt so einzigartig, denn digitale Demokratie muss partizipativ sein.

Ein paar anschauliche Beispiele, wie die “Sag’s Wien”-App, die Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, ihre Anliegen der Stadt Wien digital mitzuteilen oder der “WienBot”, der als digitaler Amtshelfer der Stadt Antworten auf Fragen zu gewünschten Informationen liefert, sind nur zwei Beispiele aus einem Pool an Aktivitäten, die die Stadt Wien in diesem Bereich bereits umgesetzt hat. Und auch in Zukunft wird das digitale Ökosystem der Stadt noch durch Programme wie beispielsweise “Wien gibt Raum”, als digitaler One Stop-Shop für die Bewilligung und Verwaltung von Objekten und Aktivitäten im öffentlichen Raum, bereichert werden.

Wien hat 1,8 Millionen Köpfe, wir können als Stadt nicht darauf verzichten, diese auch zu nutzen. In der Digitalisierung geht es nicht darum, Menschen durch Technologie zu ersetzen, sondern vor allem darum, sie damit zu unterstützen und zu entlasten.


**Im Rahmen der Digitalen Agenda Wien werden eine Reihe an IKT-Projekten („Leuchtturmprojekte“) gestartet um auf diese Weise zur Erreichung der Smart City Ziele beizutragen. Die Agenda definiert folgende Schwerpunktbereiche: Informationssicherheit, Serviceangebot der Stadt Wien, die Erhöhung der IKT-Kompetenzen, Unterstützung für IKT-Unternehmen, IT-Infrastruktur und IT-Governance.


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Diskussionsrunde der Folge 2: Harald Herzog, Moritz Mitterer, Carina Zehetmaier, Bernd Konnerth, Markus Fallenböck (c) brutkasten

„No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Gut zwei Jahre ist es her, dass ChatGPT einen Hype rund um generative KI-Modelle auslöste. Doch es stellen sich auch viele kritische Fragen beim Einsatz von KI – besonders in sensiblen Bereichen. Klar ist: Künstliche Intelligenz bietet viele Vorteile und vereinfacht komplexe Prozesse. Gleichzeitig wirft sie jedoch auch Herausforderungen und Ängste auf, mit denen man sich kritisch auseinandersetzen muss.

Was KI in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten kann, diskutierten in der zweiten Folge „No Hype KI”:

  • Bernd Konnerth (Microsoft Österreich | Public Sector Lead)
  • Carina Zehetmaier (Women in AI Austria | Präsidentin)
  • Harald Herzog (Österreichische Gesundheitskasse | Leiter Digitalisierung und Innovation)
  • Moritz Mitterer (ITSV | Aufsichtsratsvorsitzender)
  • Markus Fallenböck (Universität Graz | Vizerektor für Personal und Digitalisierung).
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Menschenzentrierter Ansatz im Mittelpunkt

Künstliche Intelligenz ist schon längst Teil unseres Alltags – ob bewusst oder unbewusst. Und obwohl KI bereits in vielen Lebensbereichen der Österreicher:innen präsent ist, bleibt die Skepsis bei vielen groß. Laut Carina Zehetmaier ist es daher ein besonders wichtiger Faktor, dass man jeder einzelnen Person KI näher bringt, sodass mehr Vertrauen in die Technologie entsteht: „Derzeit gibt es noch viele Ängste rund um KI. Aber es gibt auch noch gewisse Schwachstellen wie zum Beispiel das Halluzinieren, oder auch Vorurteile, die in den Systemen drinnen sind und widergespiegelt werden können. Es ist relevant, dass man sich hier von Anfang an mit den kritischen Fragenstellungen auseinandersetzt“.

Hierbei müsse an vorderster Stelle die öffentliche Hand hohe Standards setzen – vor allem aus menschenrechtlicher Sicht. Zehetmaier befürwortet in diesem Zusammenhang den AI Act, der klare gesetzliche Rahmenbedingungen schafft. „Die öffentliche Hand ist der direkte Adressat der Grund- und Menschenrechte“, sagt sie.

Ein weiterer wichtiger Punkt von Zehetmaier ist die Notwendigkeit, marginalisierte Gruppen nicht zu übersehen. Man müsse sich bemühen, geschlechtsspezifische und andere Vorurteile in Datensätzen zu vermeiden. „Wir wissen auch, dass Automatisierung den Gender-Pay-Gap öffnet anstatt schließt, das heißt, da müssen wir aktiv und gezielt gegensteuern“.

Verantwortungsvolle KI bedeute, aktiv an den Daten und Algorithmen zu arbeiten. Nur so könne sichergestellt werden, dass KI-Anwendungen nicht nur technologisch effizient, sondern auch ethisch und gesellschaftlich verantwortungsvoll gestaltet werden.

Responsible AI: Inklusivität, Fairness, Datenschutz

Dass die Anwendung von generativer KI nicht bloß Kosten senken soll, sondern den Menschen Nutzen bringen muss, ist auch für Bernd Konnerth von Microsoft klar. „Wir setzen auf Responsible-AI-Standards, bei denen es um Inklusivität, Fairness, Datenschutz und all diese Themen geht. Das sind Leitplanken in unserer Produktentwicklung“, sagt der Public Sector Lead von Microsoft Österreich.

Von der Unternehmenstransformation bis hin zum öffentlichen Dienst sei ein breites Umschulungsprogramm notwendig, um Ängste abzubauen: Es sei wichtig, „Umgebungen zu schaffen, die es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich machen, mit der Technologie zu interagieren, um den Berührungsängsten entgegen zu wirken”.

Universität Graz startete UniGPT für Mitarbeitende

Was Bildung angeht, betont Markus Fallenböck von der Universität Graz die Bedeutung einer breiten Wissensvermittlung. Es gehe nicht nur um Spezialist:innen für KI, sondern vor allem um die große Masse an Mitarbeitenden, die einen “sinnvollen Umgang mit KI erlernen” müssen: „Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, umso mehr können wir Chancen nutzen und Risiken minimieren“.

Die Universität Graz hat dazu eine eigene Micro-Credential-KI gestartet, um Studierenden ein Grundwissen zu KI zu vermitteln: “Das ist ein abgeschlossenes Studienpaket, das man in jedes Studium integrieren kann und das gerade in einer Pilotphase ist”, erläutert Fallenböck. Das Paket lasse sich in jedes Studium integrieren. “Da ist die Idee, dass in ein paar Jahren jeder Bachelor-Studierende, der in Graz einen Abschluss macht, ein Grundwissen hat zu KI-Bereich, Technik, Wirtschaft, Recht, Ethik”.

Für die eigenen Mitarbeiter:innen hat die Universität Graz im Mai 2024 außerdem den Chatbot UniGPT gestartet. Bereits mehrere hundert Mitarbeiter:innen wurden dafür bereits eingeschult. “Da sitzt die Universitätsprofessorin neben der Sekretariatskraft und beide interessieren sich für KI und werden es in ihrem Arbeitsalltag gut einsetzen”, schildert Fallenböck seine Eindrücke.

Über die eigenen Mitarbeitenden will die Universität Graz Wissensvermittlung aber auch in die Bevölkerung tragen. Dazu hat sie im Oktober etwa erstmals den Technology Impact Summit zum Thema KI in Graz veranstaltet. “Weil natürlich auch wichtig ist, dass wir die breite Öffentlichkeit mit dem Thema erreichen. Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, umso mehr, können wir auch das Chancennutzen und Risikominimieren wirklich schaffen”, erläutert Fallenböck.

ITSV: Künstliche Intelligenz im Gesundheitssystem

 Die ITSV wiederum steuert und koordiniert die IT-Aktivitäten der österreichischen Sozialversicherung – und beschäftigt sich schon länger mit dem KI-Thema. Aufsichtsratsvorsitzender Moritz Mitterer erzählt im Talk, dass das Unternehmen bereits 2018 mit der Erprobung von KI-Lösungen begonnen habe. In einem geschützten Umfeld wurden dabei erste Erfahrungen gesammelt, bevor die Systeme in den Echtbetrieb übergingen. Dieser schrittweise Ansatz habe wesentlich dazu beigetragen, das Vertrauen in KI-Modelle im Unternehmen zu stärken.

Besonders bei sensiblen Daten, wie etwa Gesundheitsdaten, ist die Gefahr von Missbrauch ein zentraler Risikofaktor. Mitterer erläutert die Bedeutung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit: „Man muss Patientinnen und Patienten mitnehmen, indem man entsprechend strenge Regeln hat und Compliance hat. Und indem man offen damit umgeht, falls doch was sein sollte“.

KI schafft Abhilfe bei steigendem Leistungsaufkommen bei ÖGK

Die ITSV arbeitet dabei unter anderem für die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Harald Herzog von der ÖGK erläutert, dass das steigende Leistungsaufkommen – etwa wachsende Fallzahlen, steigende Lebenserwartung, mehr Konsultationen – nach neuen Wegen verlangt: „Würden wir die Prozesse so weiterspielen wie bisher, bräuchten wir mehr Personal“, so Herzog. „Unsere Aufgabe ist es effizient zu arbeiten und alle technischen Möglichkeiten der KI auszunutzen“.

KI könne hier unterstützen, etwa bei der Wahlarztkostenerstattung. Ziel sei es, einen Großteil der Fälle automatisiert abwickeln zu können. Laut Herzog geht es aber nicht darum, den persönlichen Kontakt zu ersetzen, sondern lediglich zu ergänzen.

Zusätzliches Wirtschaftswachstum von bis zu 18 Prozent durch KI-Nutzung

Auch die öffentliche Verwaltung steht vor Herausforderungen, etwa aufgrund der Pensionierungswelle oder des Fachkräftemangels. Künstliche Intelligenz könnte dabei eine Rolle spielen. Bernd Konnerth von Microsoft Österreich sagt: „Künstliche Intelligenz kann eine Antwort sein – vielleicht nicht die Einzige, aber sie hat sehr viel Potenzial durch die Automatisierung wiederkehrender Tätigkeiten, viel Nutzen zu stiften“.

Aktuell befinde sich Österreich erst am Anfang, dieses Potenzial auszuschöpfen. Konnerth verweist auf eine Studie, dass Österreich ein Wirtschaftswachstum von bis zu 18 Prozent erzielen könnte, wenn das ganze Potenzial von KI ausgeschöpft werde.

Ausblick: KI-Nutzung in fünf Jahren

Wo steht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in fünf Jahren? „Ich hoffe, dass wir nicht mehr über die Technologie reden müssen, so wie wir heute auch nicht mehr über Strom sprechen, sondern dass sie einfach da ist“, so Microsoft-Experte Konnerth.

Carina Zehetmaier wiederum blickt auf die EU als Werteunion. In fünf Jahren solle man sehen, dass Österreich und Europa es geschafft haben, einen wertebasierten, menschengerechten KI-Einsatz umzusetzen. Für Österreich könne sich hier eine besondere Chance bieten, so Zehetmaier. Das Land könne sich als Vorreiter für einen vertrauenswürdigen, menschenzentrierten Umgang mit KI etablieren. Es gehe darum, „den menschenzentrierten Ansatz im Einklang mit Werten und Grundrechten umzusetzen“.

KI birgt enormes Potenzial

Die Diskussionsrunde ist sich einig, dass KI in sensiblen Arbeitsfeldern längst keine ferne Zukunftsvision mehr ist, sondern bereits eine zentrale Rolle darstellt. Die Chancen sind enorm – von effizienteren Verwaltungsprozessen über eine präzisere Gesundheitsversorgung bis hin zu einer gerechteren Bildung. Doch um diese Möglichkeiten zu nutzen, braucht es breites Verständnis, klare Regeln, vertrauenswürdige Technik und einen sensiblen Umgang mit Daten.


Folge nachsehen: No Hype KI – Was kann KI in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Hier gehts es zur Nachlese von Folge 1: „No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”


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