25.11.2021

TourRadar CEO Pittman: “Wir suchen wieder neue Leute”

Nach zwei denkbar harten Jahren für die Branche will TourRadar ab kommendem Jahr wieder durchstarten - auch mit einem neuen Produkt. Gründer Travis Pittman im Interview.
/artikel/interview-pittman-tourradar-2021
Travis Pittman | (c) TourRadar
Travis Pittman | © TourRadar

Lockdowns, Sonderregelungen, Reisebeschränkungen – der Tourismussektor wurde von der Coronakrise härter getroffen, als fast alle anderen Branchen. Für das Wiener Travel-Startup TourRadar, das spätestens nach einem 50 Millionen US-Dollar-Investment im Jahr 2018 als einer der aussichtsreichsten Unicorn-Kandidaten des Landes galt, bedeutete das einen herben Rückschlag. Doch schon vor einem Jahr bewies das Unternehmen mit dem Einstieg in den deutschsprachigen Markt, dass man nicht an Resignation denkt. Und vor Kurzem setzte das Scaleup mit dem Launch einer B2B-Plattform einen weiteren Schritt, um das Corona-Tal zu überwinden.


Im Interview – zuerst als englischsprachiger Podcast erschienen – spricht Co-Founder und CEO Travis Pittman über die vergangenen Jahre und die ambitionierten Pläne und erklärt, warum er weiterhin daran glaubt, dass aus TourRadar ein Unicorn wird.


Vor einem Jahr seid ihr mitten in der Pandemie in den deutschsprachigen Markt eingestiegen. Es folgte ein weiteres hartes Jahr für die Branche. Wie ist es euch ergangen?

Viele Leute habe uns gesagt, dass wir verrückt sind, mitten in der Pandemie in einen neuen Markt einzusteigen. Aber wenn man sich jetzt unsere Entwicklung am deutschen Markt ansieht sieht man, dass es eine wirklich gute Entscheidung war.

Insgesamt war es aber ohne Zweifel ein weiteres sehr schwieriges Jahr. Was wir wirklich gut gemacht haben, ist ein starker Fokus auf unsere Vision. Wir haben uns genau angesehen, was funktioniert und was nicht und was wir ändern sollten. Ab dem Frühling dieses Jahrs haben wir wieder massiv in die Produktentwicklung investiert und einige großartige Dinge gebaut, die uns helfen werden, hier stärker wieder herauszukommen.

Natürlich war es für uns ein ständiges Auf und Ab. Wir spüren die Abwechslung von strengeren Corona-Maßnahmen und Auflockerungen fast 1:1. Die Buchungen schießen schnell hinauf, wenn es besser wird und stürzen ebenso schnell wieder ab, wenn die Regeln strenger werden. Insgesamt sind wir noch bei weitem nicht wieder dort, wo wir 2019 schon waren. Aber es entwickelt sich in die Richtung und der US-Markt war etwa zeitweise schon fast wieder am Vorkrisenniveau. Das war sehr ermutigend für uns.

Vor Kurzem hat TourRadar ein neues B2B-Produkt vorgestellt: Die “Adventure Booking Platform”. Worum geht es da?

Das war Teil dieses Prozesses, den ich beschrieben habe und auch der Versuch, uns bis zu einem gewissen Grad neu aufzustellen. Denn unsere aktuelle Value Proposition, unser Angebot war nicht mehr so klar. Vor Covid waren wir ein Marktplatz für Gruppenreisen. Corona hat einen Shift zu privateren Modellen gebracht. Die Menschen wollen in ihrer eignen Bubble verreisen. Dadurch mussten die Touren noch viel stärker maßgeschneidert werden. Dann haben wir uns die Frage gestellt: Was verkaufen wir eigentlich? Sind es nur Touren oder ist es etwas größeres? Am Ende des Tages verkaufen wir Abenteuer. Das kann für jeden etwas anderes sein. In der Toskana Wein trinken kann eben so ein Abenteuer sein wie Klettern am Kilimandscharo. Wir haben also beschlossen: Wir wollen die Adventure Booking Platform dieses Planeten werden. Egal was man tun will, man kann zu uns kommen und findet es.

Es entstand also die Idee, das starke Angebot, das wir bereits haben, auch über Vertriebspartner, die bereits viele Kunden haben, anzubieten. Die wollen nämlich genau das anbieten, haben aber gar nicht die Kapazitäten, selbst zu all den kleinen Anbietern auf der ganzen Welt zu gehen und Verträge mit ihnen auszuhandeln. Wir haben das alles schon gemacht. Unser nun gelaunchtes Produkt ist eine API bzw. eine Affiliate-Lösung, die von unterschiedlichen Playern im Tourismus-Bereich von den großen Anbietern bis hin zu kleinen Reisebüros genutzt werden kann. Es war sehr viel Arbeit, das zu bauen. Das Team hat mehrere Monate dafür gebraucht. Doch nach dem Launch vor ein paar Wochen sehen wir jetzt, dass die Plattform in der Branche sehr gut aufgenommen wird.

Ist das ein Pivot oder bleibt euer bisheriges Produkt erhalten?

Es ist eine Erweiterung unseres Ökosystems. Als Plattform wollen wir verschiedene Teile von diesem abdecken. Der B2C-Marktplatz auf tourradar.com ist nach wie vor unser Kerngeschäft, das wir weiter vorantreiben und wo wir viele Pläne haben. Wir werden die Plattform nächstes Jahr Schritt für Schritt ausrollen und erwarten, damit 2023 und 2024 richtig durchstarten zu können, wenn der Tourismussektor wieder stark zurückkommt und die Anbieter gleichzeitig sehen, dass wir die beste technologische Lösung am Markt haben. Es ist jedenfalls sehr komplementär zu dem, was wir bislang gemacht haben.

Was denkst du: Wird alles irgendwann wieder so wie früher?

Vielleicht nicht im ganz engen Sinn. Kommendes Jahr wird noch schwierig werden, mit starken Phasen und immer wieder Bremsern durch Reisebeschränkungen und dergleichen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich die Dinge ab 2023 zu einem Zustand so ähnlich wie früher zurückbewegen.

Dabei gibt es aber einen spannenden neuen Aspekt: Die Pandemie hat Probleme im Bereich Overtourism und Nachhaltigkeit noch stärker aufgezeigt. Viele Menschen haben begonnen, darüber nachzudenken. Hier sehe ich einen großen Vorteil in dem, was wir verkaufen. Vor der Pandemie haben die Leute hauptsächlich Städtetrips gebucht. Sie haben über verschiedene Plattformen ihre Flüge und Hotels gebucht, sind vier, fünf Tage in Paris geblieben und das war’s. Mit organisierten Abenteuer, wie wir sie anbieten, können Leute zum Beispiel nach Rom fliegen, dort auch die übliche Bucket List mit Kolosseum und Co. abhaken, dann aber außerhalb der Stadt weitermachen. Sie können etwa in der Toskana Einheimische treffen, an Kochkursen teilnehmen, oder Radfahren gehen. Das trifft den neuen Trend. Die Leute wollen heraus aus den Städten, auch weil dort alles sehr dicht gedrängt ist und das nach Corona ein anderes Gefühl auslöst.

Ist TourRadar noch immer auf dem Weg zum Unicorn?

Das ist natürlich ein Ziel und ich will daran glauben, dass wir immer noch auf dem Weg dorthin sind. Wir haben einen wirklich großen Rückschlag erlebt, der uns aber auch geholfen hat, noch stärker zu fokussieren. Wenn ich auf die letzte Zeit zurückblicke muss ich sagen: Es war sehr schwer, wir mussten viele Leute gehen lassen, wir mussten viele Dinge anpassen… Aber das wirklich Gute ist: Wir haben überlebt. Jetzt kommen wir zurück! Und wir blicken einer wirklich guten Zukunft entgegen. Wir suchen auch wieder neue Leute. Wir wollen jetzt das Product & Engineering-Team und das Marketing-Team wieder stärken, weil wir starke Wachstumsmöglichkeiten schon im kommenden Jahr sehen. Wir sind sehr aufgeregt, was die Zukunft betrifft.

Deine ungelesenen Artikel:
04.11.2024

Carbon Cleanup: Wie ein Linzer Startup die Kohlefaserindustrie revolutionieren möchte

Das Linzer Startup Carbon Cleanup hat sich auf das Recycling von Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen spezialisiert. Wir haben mit Gründer und CEO Jörg Radanitsch über die weiteren Wachstumsschritte und eine neue Kooperation mit KTM Technologies gesprochen. 
/artikel/carbon-cleanup-portraet
04.11.2024

Carbon Cleanup: Wie ein Linzer Startup die Kohlefaserindustrie revolutionieren möchte

Das Linzer Startup Carbon Cleanup hat sich auf das Recycling von Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen spezialisiert. Wir haben mit Gründer und CEO Jörg Radanitsch über die weiteren Wachstumsschritte und eine neue Kooperation mit KTM Technologies gesprochen. 
/artikel/carbon-cleanup-portraet

Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

TourRadar CEO Pittman: “Wir suchen wieder neue Leute”

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

TourRadar CEO Pittman: “Wir suchen wieder neue Leute”

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

TourRadar CEO Pittman: “Wir suchen wieder neue Leute”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

TourRadar CEO Pittman: “Wir suchen wieder neue Leute”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

TourRadar CEO Pittman: “Wir suchen wieder neue Leute”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

TourRadar CEO Pittman: “Wir suchen wieder neue Leute”

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

TourRadar CEO Pittman: “Wir suchen wieder neue Leute”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

TourRadar CEO Pittman: “Wir suchen wieder neue Leute”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

TourRadar CEO Pittman: “Wir suchen wieder neue Leute”