03.08.2017

Interview mit Harald Mahrer: “Blockchain ist Zukunft des Internets”

Interview. Wirtschaftsminister Harald Mahrer hat dem Brutkasten einige Fragen zur neuen Plattform Blockchain Austria beantwortet.
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Mahrer, Nationalbank, OeNB, Präsident
(c) Marek Knopp - WKO-Chef Harald Mahrer wird neuer OeNB-Präsident.

Vor kurzem präsentierte das Wirtschaftsministerium (BMWFW) die Plattform Blockchain Austria – der Brutkasten berichtete. Die Initiative sieht einen “9 Punkte Plan für Österreich” vor, in dem unter anderem die Einrichtung von Blockchain-Forschungsplattformen, die systematische Ausbildung von Fachkräften und die verstärkte Unterstützung bestehender Blockchain-Aktivitäten gefordert wird. Wirtschaftsminister Harald Mahrer sprach im Interview mit dem Brutkasten über seine Beweggründe für die Initiative, über die politische Dimension des Themas und über die Chancen, die er für Österreich in dem Bereich sieht.

+++ Wirtschaftsministerium: “9 Punkte Plan” für die Blockchain +++


Ab wann war Ihnen klar, dass die Blockchain ein Thema ist, das auch politische Aufmerksamkeit benötigt?

Ich kenne das Thema seit meiner Zeit als Präsident der Julius Raab Stiftung und beschäftige mich seit etwa fünf Jahren damit. Auch bei den Arbeiten zur Open Innovation Strategie sind wir mit zahlreichen Vertretern der Blockchain-Community zusammen gekommen, da ja auch das Innovieren rund um die Blockchain über sehr offene Innovationsansätze funktioniert.

“Ich glaube, dass der Blockchain-Ansatz die Zukunft des Internets schlechthin ist. Österreich kann und muss hier eine zukunftsträchtige Nische besetzen.”

Wie ist die Initiative zu Blockchain Austria zustande gekommen?

Durch meine Regierungstätigkeit habe ich die einzigartige Möglichkeit bekommen, Einblick in die innovativsten Unternehmen und Forschungseinrichtungen weltweit zu erhalten. Blockchain wird in den kommenden Jahren den größte Paradigmenwechsel für die Digitalisierung mit sich bringen. Ich glaube sogar, dass der Blockchain-Ansatz die Zukunft des Internets schlechthin ist. Österreich kann und muss hier eine zukunftsträchtige Nische besetzen. Wir haben daher gemäß unseres Open Innovation Ansatzes Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland und aus verschiedenen Bereichen eingeladen, um gemeinsam mit uns aufzuzeigen, wie eine Blockchain-Strategie für Österreich aussehen kann. Die vorliegende Blockchain-Agenda ist ein erstes, ständig weiter zu entwickelndes, Ergebnis davon.

Wie politisiert ist die Debatte zum Thema? Rechnen Sie mit politischem Gegenwind zum 9 Punkte Plan?

Der Gegenwind kann nur aus den Reihen der Bedenkenträger und Mutlosen kommen. Ich denke aber, es ist Zeit für Neues. Beim Blockchain-Thema geht es primär um die Frage, ob Österreich den Mut hat, bei der Entwicklung einer Zukunftstechnologie von Anfang an dabei zu sein. Das ist eine Frage des Weitblicks. Mir ist natürlich klar, dass es auch in diesem Bereich Spezialfelder gibt, wo man die Entwicklung genau beobachten muss, etwa bei Spekulationen im alternativen Währungsbereich. Daher ist es wichtig, frühzeitig Forschungskompetenz aufzubauen und Pilotprojekte zu starten, die dabei helfen, konkrete Problem- und Fragestellungen praxisnah zu diskutieren.

“Mein Ziel ist, dass Österreich bei der systematischen Erforschung der Kryptoökonomie und des Kryptorechts eine Vorreiterrolle einnimmt.”

Wird bei Teilen des Plans bereits an der konkreten Umsetzung gearbeitet?

Unsere vor kurzem online gegangene Infoplattform www.blockchain-austria.gv.at ist auch ein Teil des Plans. Wir wollen den vielen existierenden privaten Initiativen eine Bühne bieten und das bereits vorhandenen Wissen in diesem Bereich bündeln. Auch die Einrichtung von Sandboxes, also definierte Testgebiete ohne Überregulierung, sind ein wichtiger Punkt. Aktuell arbeiten wir darüber hinaus an der Vernetzung der bestehenden Akteure und am Aufbau von Forschungsinfrastruktur. Mein Ziel ist, dass Österreich als erster europäischer Staat bei der systematischen Erforschung der Kryptoökonomie und des Kryptorechts eine Vorreiterrolle in der Blockchain-Grundlagen- und Anwendungsforschung einnimmt. Die marktwirtschaftlichen Pilotprojekte sind dann eine logische Folge.

Steht die anstehende Nationalratswahl und die derzeitige politische Situation der von Ihnen eingeforderten raschen Umsetzung im Wege?

Österreichs Ziel muss es sein, in die Gruppe der Innovation Leader vorzustoßen. Diese Vorgabe sollte unabhängig von der Nationalratswahl sein und muss auch im Interesse einer kommenden Bundesregierung sein. Es braucht langfristige Initiativen und visionäre Ansätze. Daher haben wir uns bewusst entschieden, auch im Blockchain-Thema unabhängig von der Nationalratswahl Landmarken zu setzen, auf deren Vorarbeiten eine neue Regierung aufsetzen kann. Wir halten das etwa auch im Universitätsbereich so, wo wir finale Konzepte ausgearbeitet haben, um die Zukunftsausrichtung weiter voran zu treiben.

“Wenn wir bei Blockchain frühzeitig Expertise und Infrastruktur aufbauen, sind wir bei einer der spannendsten und richtungsweisendsten Zukunftstechnologien von Anfang an dabei.”

Beobachten Sie in anderen Ländern eine gute Bearbeitung des Themas von politischer Seite? Mit welchen Ländern steht Österreich hier im Wettlauf?

Mit der konkreten politischen Agenda sind wir sicher unter den absoluten Vorreitern in Europa. Es gibt einzelne Initiativen und Forschungsprojekte, die wir auch sehr genau beobachten – vor allem in nordeuropäischen Ländern und auf EU-Ebene. Nationale Strategien oder Maßnahmenpläne gibt es bis dato kaum. In Deutschland wird darüber gerade erst diskutiert. Darin liegt auch die Chance Österreichs. Wenn wir bei Blockchain frühzeitig Expertise und Infrastruktur aufbauen, sind wir bei einer der spannendsten und richtungsweisendsten Zukunftstechnologien von Anfang an dabei. Das nutzt dem Wissens- und Wirtschaftsstandort. Das nutzt dem ganzen Land.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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