31.07.2017

Michael Tillian: “Ziel ist der Erwerb und das Halten von Mehrheiten”

Michael Tillian, nunmehriger Co-Geschäftsführer der neuen Russmedia Digital-Holding, beantwortete dem Brutkasten einige Fragen. Russmedia hatte angekündigt, in den kommenden fünf Jahren 100 Millionen Euro im Digitalbereich zu investieren.
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Michael Tillian: 10 Forderungen zur Unternehmerpolitik
(c) Valerie Voithofer: Michael Tillian

Michael Tillian begann seine Medien-Karriere mit 27 Jahren in der Grazer Styria Media Group, zu der etwa die Tageszeitungen Die Presse und Kleine Zeitung oder das Portal willhaben gehören. Horst Pirker, der damalige CEO, wurde rasch zu seinem Mentor. Mit 31 wurde Tillian Vorstand der Styria Multi Media Gruppe, in der damals alle Zeitschriften der Styria und die Beteiligung am „WirtschaftsBlatt“ enthalten waren. Aus dieser Funktion konnte DLA Piper, eine global agierende Wirtschaftsanwaltskanzlei, Michael Tillian als Anwalt und Managementkapazität für sich gewinnen. Doch der Ruf der Medienwelt ließ nicht lange auf sich warten: Tillian wurde Vorstand der Regionalmedien Austria AG (RMA), einem Joint Venture von Styria und Moserholding mit 127 Gratis-Wochenzeitungen und einer Reichweite von über 3,6 Mio. Lesern in Österreich. Unter der Führung von Tillian wurde die RMA-Gruppe neu strukturiert und auf Wachstum ausgerichtet. In weiterer Folge übernahm Tillian nach Magazinen und Wochenzeitungen die Verantwortung für die nationalen Styria-Tageszeitungen „Die Presse“ und „WirtschaftsBlatt“ als Vorsitzender der Geschäftsführung.

Im Oktober 2014 legte Tillian nach 14 Jahren Tätigkeit für die Styria Gruppe als Manager und Anwalt all seine dortigen Management Funktionen zurück und stieg im Rahmen eines Management-Buy-in als geschäftsführender Gesellschafter in das Technologie- und Medienunternehmen MaxFun Sports ein, um selbst Unternehmer zu werden. Er zog diesen Weg laut Insidern mehreren lukrativen Angeboten aus der Medienwelt vor, übernahm aber einige Beratungs- und Aufsichtsratsmandate im In- und Ausland bei Druck- und Medienunternehmen. Im Mai 2017 beteiligte sich Tillian im Rahmen des Management-Buy-out auch am Brutkasten, dem Medium für digitale Wirtschaft, Startups und Innovation. „Weil ich an das Produkt, den Gründer und sein Team uneingeschränkt glaube und weil das Thema so spannend und zukunftsweisend ist“, sagte Tillian dazu.

Nun wird er der Sprecher der Geschäftsführung der neu gegründeten, wachstumsorientierten Digital-Holding der Vorarlberger Russmedia Gruppe. Diese will in den kommenden fünf Jahren innerhalb Europas 100 Millionen Euro in Digitalunternehmen investieren – der Brutkasten berichtete. Ein Fokus soll dabei auf E-Commerce liegen. Tillian hat mit dem Brutkasten exklusiv über Hintergründe und Pläne der neuen Russmedia Digital-Holding gesprochen.

+++ 100 Mio Euro in 5 Jahren: Voralberger Russmedia startet Investitionsoffensive +++


Russmedia bezeichnet sich als “das progressivste Multi-Nischen-Medienunternehmen Europas”. In der bunten Medienlandschaft ist das eine gewagte Ansage.

Russmedia ist ein internationales Familienunternehmen mit fast 100-jähriger Tradition. Ich erlebe das Unternehmen innovativ, schnell und stark am Puls der Zeit. An 28 Standorten in Europa arbeiten mehr als 1.450 Mitarbeiter. Dabei konzentriert sich das Unternehmen auf regional oder thematisch klar definierte Segmente und agiert mit einem sehr hohen Spezialisierungsgrad äußerst konzentriert und ausdauernd in den jeweiligen Nischen. Unter „Nischen“ verstehen wir übrigens eng definierte Zielgruppen und/oder Tätigkeiten.

Worin liegt die Stärke von Russmedia?

Aus meiner Sicht ist es eine Mischung aus permanenter Suche nach Erneuerung und einer sehr fokussierten Art, Neues höchst effizient und rasch umzusetzen. Eugen Russ ist der Motor des Unternehmens. Er und sein großartiges Team beobachten seit vielen Jahren internationale Best-Practice-Beispiele, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen und diese zukunftsgewandt und offen im eigenen Unternehmen zu implementieren. Veränderungen werden als Chance gesehen und ich erlebe das Führungsteam sehr unternehmerisch, exzellenzgetrieben und kämpferisch. Spitzenleistungen werden verlangt und erbracht. Ich glaube ein großer Erfolgsfaktor ist auch die Schnelligkeit, die ich in der Zusammenarbeit im unternehmerisches Denken und Handeln erlebe.

Das internationale Digitalgeschäft soll nun in der Russmedia Digital-Holding gebündelt werden. Was heiß das strategisch für Russmedia und was ist die genaue Aufgabe der Digital-Holding?

Wir haben klare Ziele formuliert und sehen den Erwerb und das Halten von strategischen Beteiligungen, und zwar von Mehrheiten, an digitalen Unternehmen als unsere erste Aufgabe. Unsere Aufgabe wird also das Management und die Führung der bereits vorhandenen Unternehmen bzw. Beteiligungen und die Akquisition, Integration und Führung von neuen strategischen Beteiligungen. Weiters wollen wir auch reine Finanzbeteiligungen eingehen. Die Digital Holding führt also das Beteiligungsmanagement, M&A sowie das strategische und operative digitale Geschäft außerhalb Vorarlbergs und im non-publishing-Bereich mit Schwerpunkt Marktplätze und Aggregatoren. Wir haben klare Wachstumsziele und wollen insbesondere auch international mit Fokus auf Europa wachsen.

“Wir werden nach fünf Jahren ein tolles, erfolgreiches Team und ein ebensolches Portfolio haben und daran werden wir uns auch messen.”

Was wird dabei Ihre Aufgabe sein? Woran werden Sie gemessen?

Ich führe die Digital Holding gesamthaft gemeinsam mit Eugen Russ und Josef Kogler als Geschäftsführer und vertrete das Unternehmen als Sprecher der Geschäftsführung nach außen. Wir werden ein gutes Team aufbauen, die bestehenden Unternehmen entwickeln und zahlreiche Beteiligung an digitalen Unternehmen in ganz Europa erwerben. In das digitale Wachstum sollen in den nächsten fünf Jahren 100 Mio. Euro investiert werden. Wir werden nach fünf Jahren ein tolles, erfolgreiches Team und ein ebensolches Portfolio haben und daran werden wir uns auch messen.

Woher stammen die 100 Millionen Euro?

Diese Mittel sind Eigenkapital und stammen ausschließlich aus der Russmedia Gruppe.

Es wurde auch kommuniziert, dass Russmedia gemeinsam mit Speedinvest einen Spezial-Fonds auflegen wird. Sollen alle 100 Millionen Euro in diesen Spezial-Fonds fließen?

Die Details zum Medien-Fonds werden zu einem späteren Zeitpunkt kommuniziert. Der größte Teil der 100 Millionen Euro werden allerdings nicht in den Fonds fließen sondern werden direkte Investitionen der Russmedia in das nachhaltige digitale Wachstum des Unternehmens sein.

Zur Investitionsstrategie: In welche Geschäftsmodelle oder Technologien will Russmedia investieren?

Der inhaltliche Fokus liegt im Bereich Marktplätze, E-Commerce und Conversational Commerce, sowie Tools und Services, die an diese Themen anschließen. Marktplätze stehen im Zentrum unseres Investmentansatzes. Ziele sind dabei Marktplätze mit einem vertikalen  bzw. Nischen-Fokus, das bedeutet, dass diese Unternehmen ihre Angebote auf Waren oder Dienstleistungen aus Geschäftsfeldern einer Wertschöpfungskette einer bestimmten Branche spezialisieren. Dazu gehören auch „SaaS enabled Marketplaces“. Ein weiteres Zielsegment sind Nischen und vertikale Segmente im Bereich E-Commerce, insbesondere die Verschmelzung von E-Commerce und Marktplatz sowie Conversational Commerce, also die Nutzung von Chat, Messaging, oder anderen Sprachoberflächen, um zu interagieren. Wir haben dabei B2B und B2C im Investmentfokus. Aber unser erster Schritt wird sein, sehr zeitnah ein hervorragendes Team in der Digital Holding aufzubauen, um unsere Vorhaben erfolgreich umzusetzen.

“Wir streben eine Mischung aus Finanzbeteiligungen mit Exitorientierung und langfristigen, strategischen Investments an.”

Sind die Investitionen langfristig angelegt oder steht kurzfristige Monetisierung im Fokus?

Wir sind zu beidem bereit, wenn die Investition passt. Wir streben eine Mischung aus Finanzbeteiligungen mit Exitorientierung und langfristigen, strategischen Investments an. Wobei bei letzteren unser Schwerpunkt liegen wird, weil es vor allem um den langfristigen, nachhaltigen digitalen Ausbau der Russmedia Gruppe geht.

+++ Business Angel Philipp Kinsky: “Die teuerste Währung eines Gründers sind Anteile” +++

Wird die Holding auch in Startups investieren oder sind größere Tickets geplant?

Wir empfehlen den Startups im pre-seed und seed-Bereich Kontakt mit Speedinvest aufzunehmen. Wir suchen tendenziell eher Unternehmen, die schon etwas weiter sind, also eher Series-A und B Finanzierungen und auch insbesondere strategische Beteiligungen.

Wer ist aus Ihrer Sicht die Konkurrenz?

Alle, die sich im Bereich Marktplätze, E-Commerce und Conversational Commerce, sowie Tools und Services, die an diese Themen anschließen, engagieren und beteiligen wollen, können entweder Mitbewerber oder Partner sein. Wir sind sehr offen dafür, gute und unternehmerische Partner zu sein. Wir streben win-win Konstellationen an und haben den entscheidenden Vorteil äußerst schnell und flexibel entscheiden zu können.

Wo sehen Sie die Russmedia in 10, 20 Jahren?

Ich spreche nur für einen Teil der Russmedia Gruppe, eben für die Digital Holding. Mit ihr wollen wir dann im Bereich Marktplätze, E-Commerce und Conversational Commerce, sowie bei angrenzende Tools und Services in Europa eine starke und führende Rolle spielen. Die Gesamtgruppe soll dann im Digitalen noch weiter sein. M&A, Beteiligungserwerbe und das Eingehen von unternehmerischen Partnerschaften werden ein wesentlicher Teil der Kultur und des unternehmerischen Alltags sein. Ich hoffe es wird uns gemeinsam mit dem Führungsteam gelingen, dass das Digitale und die vorhin genannten Themen Teil des genetischen Codes der Russmedia Gruppe sein werden.

Im Rahmen der Gründung der Digital-Holding hat sich Russmedia an Ihrem Unternehmen MaxFun beteiligt. Was bedeutet Ihr Wechsel für MaxFun?

Ich bleibe Gesellschafter und suche zur Verstärkung einen operativen, marktgetriebenen Geschäftsführer. Im besten Fall mit Erfahrung aus dem Sport- und digitalen Medienbereich. MaxFun Gründer Werner Sallinger bleibt ebenfalls Geschäftsführer und ist weiterhin Motor für die technische Entwicklung und auch am Markt. Dort müssen wir im Vertrieb und in der Internationalisierung aber noch mehr tun und dafür brauchen wir eine starke Person als zusätzliche Verstärkung.

“Es geht dabei um einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag.”

Welche Summe wird Russmedia investieren? Sind Sie mit der Bewertung zufrieden?

Die MaxFun ist stark bewertet und wird mit ausreichend Wachstumskapital ausgestattet, um weiteres Wachstum und eine weitere Internationalisierung zu schaffen. Es geht dabei um einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag. Die neue Konstellation ist eine hervorragende Basis für die weitere Entwicklung der MaxFun.

Was genau macht MaxFun? Was ist das Geschäftsmodell? Worin liegt der USP?

Wir erbringen automationsunterstützt Dienstleistungen an Sportveranstalter. Wir organisieren das Teilnehmer-Management, insbesondere die Anmeldung und Zahlung sowie die Zeitmessung bei Wettbewerben mit einer neuen Technologie. 2017 wird MaxFun die Zeitmessungen für ca. 350.00-400.000 Läufer in Österreich, Deutschland und Tschechien machen. Weiters betreibt MaxFun mehrere Internetplattformen, auf denen Medien- und Werbeleistungen erbracht werden. Das ist Österreichs führende Laufsportplattform www.maxfunsports.com, weiters unser Shop www.maxfunshop.com sowie unsere digitales Anmeldesystem www.anmeldesystem.com und wir versenden Newsletter. In einem starken Laufsportmonat haben wir ca. 300.000 – 400.000 Visits bzw. etwa 4.200.000 Page Impressions laut Österreichischer Web Analyse (ÖWA) und erreichen ca. 290.000 Newsletter Abonnenten und ca. 37.000 Facebook Fans. Alle unsere User sind Läufer oder Laufsportinteressierte. Wir treffen und begleiten die Zielgruppe ganz genau in einem 360 Grad Modell ohne Streuverlust und haben dabei mehrere analoge und digitale Erlösströme.

Könnten Sie eine Zwischenbilanz ziehen? Sie sind im Herbst 2014 eingestiegen, was hat sich seitdem bei MaxFun getan und was sind die nächsten Schritte?

Wir haben es geschafft ein super Team aufzubauen, konnten die Umsatzerlöse verdreifachen und sind jetzt in drei Ländern tätig. Es ist viel gelungen, aber es bleibt noch mehr zu tun. Wir gehen in die richtige Richtung und können Wachstum und Internationalisierung vorantreiben. All das macht sehr viel Freude und wird uns jetzt mit Russmedia als Investor und Partner noch besser gelingen.

Nach Ihrem Buy-In ist Ihr Kontakt in die Medienwelt erhalten geblieben. Sie sind Berater und Aufsichtsrat und haben sich unlängst auch am Brutkasten beteiligt. Sind Sie mit dem „Medienvirus“ angesteckt?

Ja, eindeutig, das lässt mich nicht mehr los und begeistert mich immer wieder aufs Neue.

Sie wurden mehrmals als Geschäftsführer für mehrere große Medienunternehmen im In- und Ausland kolportiert. Womit konnte Sie nun Eugen Russ überzeugen?

Eugen Russ ist Visionär und Vorreiter in unserer Branche. Einer der Chancen sucht und sie verwertet. Wir beide sind Vorarlberger und unser Arbeitsstil ist ähnlich. Es gibt großes wechselseitiges Vertrauen und die Aufgabe, eine Digitalholding in dieser Größe aufbauen zu können, ist alles andere als alltäglich. Ich fühle mich als Mitunternehmer in der Russmedia Gruppe und partizipiere auch unternehmerisch. Es ist kein Abgehen vom Weg als Unternehmer sondern eine Bereicherung auf diesem Weg mit neuen Chancen in einem äußerst unternehmerischen Umfeld und gemeinsam mit hervorragenden Leuten.

Wenn Sie Ihre Manager-Karriere mit dem Unternehmertum vergleichen: Wo liegen die Unterschiede?

Der große Unterschied ist, dass sich Chancen und Risiken viel unmittelbarer auswirken. Und als Unternehmer ist man oft ganz alleine. In einer kleinen Struktur mit allen Problemen unmittelbar konfrontiert, dafür auch sehr schnell und flexibel.

“Demut und Mut liegen so nah beieinander, ich empfinde den Grat zwischen Erfolg und Scheitern als Unternehmer viel schmaler.”

Sind Sie nach Ihrem unternehmerischen Weg ein besserer Manager? Was konnten Sie bei MaxFun dazulernen?

Ich habe sehr viel gelernt, vor allem als kleine Einheit ohne Stäbe und größere Strukturen alles hinzukriegen. Finanzierung, Teamaufbau, interne Abläufe, Markt, behördliche Bürokratie, etc. Ein echter Hindernislauf mit vielen positiven und negativen Überraschungen ganz unmittelbar. Demut und Mut liegen so nah beieinander, ich empfinde den Grat zwischen Erfolg und Scheitern als Unternehmer viel schmaler.

Drei Tipps an aufstrebende Gründer?

Erstens: Es wagen und mutig ausprobieren. Zweitens: Konzentriert dahinter bleiben, sich nicht vom Weg abbringen lassen, immer wieder das Positive suchen und sich selbst immer wieder neu erfinden. Drittens: Es rentiert sich jedenfalls, so oder so – die Learnings sind unbezahlbar. Es macht sehr viel Spaß und es macht uns stärker!

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Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala
Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Wo stehen wir wirklich, was die Adaption von künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft angeht? Diese Frage zu beantworten war eines der Ziele der Serie “No Hype KI“, die brutkasten anlässlich des zweijährigen Bestehens von ChatGPT gestartet hat. Die ersten fünf Folgen beleuchten unterschiedliche Aspekte des Themas und lieferten eine Bestandsaufnahme.

Im Staffelfinale, der sechsten Folge, war der Blick dann in Richtung Zukunft gerichtet. Dazu fanden sich die Österreich-Chefs von Microsoft und IBM, Hermann Erlach und Marco Porak, sowie Nagarros Big Data & AI Practice Lead für Central Europe, Peter Ahnert, und KI-Expertin Jeannette Gorzala, die auch Mitglied des KI-Beirats der österreichischen Bundesregierung ist, im brutkasten-Studio ein.

“Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache”

Eine der Erkenntnisse der Serie: Unternehmen und Institutionen verabschieden sich von überschwänglichen Erwartungen und sehen sich stattdessen an, wie KI tatsächlich in der Praxis eingesetzt wird. „Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache, weil jetzt kann man auf den Use Case gehen“, sagt Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich, im Videotalk. Er vergleicht den aktuellen Reifegrad von KI mit dem Beginn einer langen Reise: „Wenn ich so eine Reise angehe, dann brauche ich ein Ziel, einen Plan und Mitreisende. Alleine macht das wenig Spaß.“

Auch Marco Porak, General Manager von IBM in Österreich, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er sieht das abgelaufene Jahr als eine Phase der Erkenntnis. Den Status Quo bei KI in Österreichs Unternehmen beschreibt er im Talk folgendermaßen: “Wir haben allerorts sehr viel ausprobiert, sind vielleicht da und dort auf die Nase gefallen”. Gleichzeitig habe es auch “schöne Erfolge” gegeben. Für Porak ist klar: “Die Frage der Stunde lautet: Wie machen wir jetzt von hier weiter?“

AI Act: “Jetzt müssen wir ins Tun kommen”

Ein großes Thema dabei ist der AI Act der EU. Jeannette Gorzala, Gründerin von Act.AI.Now, plädiert für eine pragmatische Haltung gegenüber der EU-Verordnung: “Der AI-Act ist ein Faktum, er ist da. Jetzt müssen wir ins Tun kommen.” Sie sieht in dem Regelwerk einen Wegweiser: “Wir müssen die entsprechenden Kompetenzen aufbauen und die Möglichkeiten nutzen, die diese Regulierung bietet. Das ist der Reiseplan, den wir brauchen.”

Auch Marco Porak sieht den AI Act positiv: „Er hat nicht die Algorithmen reguliert, sondern gesagt, was wir in Europa gar nicht wollen, etwa Sozialpunktesysteme oder Gesichtserkennung in Echtzeit.“ So entstehe für Unternehmen im globalen Wettbewerb ein Vorteil, wenn sie ihre KI-Anwendung nach europäischen Maßstäben zertifizieren lassen: „Das ist wie ein Gütesiegel.“

“Müssen positiv aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”

Hermann Erlach von Microsoft bezeichnet den Ansatz des AI Act ebenfalls als “gut”, betont aber gleichzeitig, dass es jetzt auf die Umsetzung von KI-Projekten ankomme: “Wir haben eine Situation, in der jedes Land an einem neuen Startpunkt steht und wir positiv aggressiv reingehen müssen, um unseren Wohlstand zu halten.”

Peter Ahnert sieht dabei auch ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung: KI werde tendenziell nicht nur zu klein gedacht, sondern meist auch in Zusammenhang mit Risiken wahrgenommen: “Es werden die Chancen nicht gesehen.” Woran liegt es? “Zu einem erheblichen Teil daran, dass noch zu wenig Bildung und Aufklärung an dem Thema da ist. In Schulen, in Universitäten, aber auch in Unternehmen und in der öffentlichen Hand.” Hier müsse man ansetzen, sagt der Nagarro-Experte.

Jeannette Gorzala sieht das ähnlich: “Bildung und Kompetenz ist das große Thema unserer Zeit und der zentrale Schlüssel.” Verstehe man etwas nicht, verursache dies Ängste. Bezogen auf KI heißt das: Fehlt das Verständnis für das Thema, setzt man KI nicht ein. Die Opportunitätskosten, KI nicht zu nutzen, seien aber “viel größer” als das Investment, das man in Bildung und Governance tätigen müssen. “Natürlich ist es ein Effort, aber es ist wie ein Raketenstart”, sagt Gorzala.

IBM-Programm: “Die Angst war weg”

Wie das in der Praxis funktionieren kann, schilderte IBM-Chef Porak mit einem Beispiel aus dem eigenen Unternehmen. IBM lud weltweit alle Mitarbeitenden zu einer KI-Challenge, bei der Mitarbeiter:innen eigene KI-Use-Cases entwickelten, ein – mit spürbaren Folgen: “Die Angst war weg.” Seine Beobachtung: Auch in HR-Teams stieg die Zufriedenheit, wenn sie KI als Assistenz im Arbeitsablauf nutzen. “Sie können sich auf die komplexen Fälle konzentrieren. KI übernimmt die Routine.”

Microsoft-Chef Erlach warnt auch davor, das Thema zu stark unter Bezug auf rein technische Skills zu betrachten: “Die sind notwendig und wichtig, aber es geht auch ganz viel um Unternehmens- und Innovationskultur. Wie stehen Führungskräfte dem Thema AI gegenüber? Wie steht der Betriebsrat dem Thema AI gegenüber?”, führt er aus.

Venture Capital: “Müssen in Europa ganz massiv was tun”

Soweit also die Unternehmensebene. Einen große Problemstelle gibt es aber noch auf einem anderen Level: Der Finanzierung von Innovationen mit Risikokapital. “An der Stelle müssen wir in Europa ganz massiv was tun”, merkte Ahnert an. Er verwies auf Beispiele wie DeepMind, Mistral oder Hugging Face, hinter denen jeweils europäische Gründer stehen, die aber in den USA gegründet, ihre Unternehmen in die USA verkauft oder zumindest vorwiegend aus den USA finanziert werden.

Der Nagarro-Experte verwies dazu auf eine Studie des Applied AI Institute, für die Startups aus dem Bereich generative KI zu den größten Hürden, mit denen sie es zu tun haben, befragt wurden. “51 Prozent haben Funding genannt. Weit abgeschlagen an zweiter Stelle mit 24 Prozent erst kam die Regulierung und unter 20 Prozent waren Themen wie Fachkräftemangel oder Zugang zu Compute Power.” Ahnerts Appell: “Bei dem Thema Finanzierung müssen wir was tun, damit wir in der nächsten Welle an der Spitze sind.”

Erlach: Adaption entscheidend

Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft. Denn es komme auf die Adaption an: “Vielleicht ist die Diskussion Europa vs. Amerika in Teilbereichen die falsche.” Die wichtigere Frage sei also: “Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?”

Marco Porak ergänzt: “Ganz, ganz wesentlich ist Mut. Ganz, ganz wesentlich ist unsere kulturelle Einstellung zu dem Thema.” Man müsse die Chancen sehen und weniger das Risiko. In der Regulatorik könne man dies begleiten, indem man Anreize schafft. “Und ich glaube, wenn wir das als Österreich mit einem großen Selbstbewusstsein und auch als Europa mit einem großen Selbstbewusstsein machen, dann haben wir in fünf Jahren eine Diskussion, die uns durchaus stolz machen wird.”


Die gesamte Folge ansehen:


Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?”

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”

Folge 5: Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI

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