23.09.2016

Interview: “Die Gründerkultur ist Teil einer Unabhängigkeitsbewegung”

Der Wirtschafts-Journalist und Autor Wolf Lotter erzählte dem Brutkasten im Interview, wie unser Bildungssystem der Selbstständigkeit im Weg steht und warum Gründer maßgeblich an der "ökonomischen Emanzipation" beteiligt sein werden.
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© Sarah Esther Paulus: Wolf Lotter

Wolf Lotter ist Mitbegründer der Wirtschaftszeitschrift brand eins. Mit dem Buch “Zivilkapitalismus” legte ein Bündel an Thesen vor, mit dem er eine dritte Position neben Kapitalismuskritikern und -Befürwortern einnahm. Konkret sieht er die Menschen und nicht das System Kapitalismus als Problem und fordert eine “ökonomische Emanzipation”. Menschen sollen dabei beginnen, die Wirtschaft für sich und zugleich zum Wohle der Welt zu nutzen. Am 29. September hält Lotter eine Keynote-Speech beim SmartWork camp in Graz. Dem Brutkasten hat er vorab ein Interview gegeben.

+++ Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben” +++

Sie reden beim SmartWork Camp. Dort sollen innerhalb von zwei Tagen konkrete Lösungen für Herausforderungen in der Arbeitswelt unserer Zeit gefunden werden.  Ist das möglich?

Es kommt drauf an, wie man „konkrete Lösungen“ definiert. In der Vergangenheit, in der alten Wirtschaft und ihren Theorien, hat man ja an Rezepte, Modelle und Standards geglaubt. Das geht aber gerade, zusammen mit der alten industriellen Sichtweise, die in der digitalen Wissensgesellschaft überholt ist, unter. Deshalb ja: Wenn es gelingt, nicht die Fehler von früher einfach unter neuen Slogans und Modebegriffen fortzusetzen, wenn man sich – ganz radikal – mit den Wurzeln der Wissensgesellschaft auseinandersetzt, dann wird es schnell sehr konkret, weil man anfängt, anders zu denken. Dagegen sind die meisten 08/15 Supertipps für Gründer, Unternehmer und Manager, die ja bis heute massenhaft verbreitet werden, ein Witz.

Was sind aus Ihrer Sicht gegenwärtig die drängendsten Herausforderungen in der Arbeitswelt?

Zu verstehen, was passiert. Wissen wird wichtiger als Masse. Die Digitalisierung treibt die Automatisierung voran, die eigentliche Kraft hinter dem Wohlstand. Das bedeutet, dass Routinearbeiten immer seltener werden. Dafür treten kreative, an persönliches Wissen und Know-How gebundene Fähigkeiten in den Vordergrund. Die Prozesse laufen routiniert ab, der Mensch denkt dafür. Das ist aber nicht gerade das, was man in den Organisationen, Schulen un der Kultur gefördert hat. Sehen sie unser Bildungssystem an: Da ist es wichtiger, möglichst reproduzierbares Wissen zu fördern, statt Talente.

“Wir brauchen mehr Leute, die sich selbst etwas zutrauen, als sich ständig auf andere zu verlassen.”

In der Gesellschaft ist Individualität fast schon wieder zum Schimpfwort geworden. Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung gehören zusammen – vor allen Dingen in der Arbeitswelt – aber wir verlassen uns lieber auf den Schwarm und den kollektivistischen Plunder von Gestern. Das muss sich ändern. Selbständigkeit hat Priorität. Wir brauchen mehr Leute, die sich selbst etwas zutrauen, als sich ständig auf andere zu verlassen. Dazu muss man erst lernen, was man will und kann.

Gibt es für etwas davon eine einfache Lösung, die schnell umgesetzt werden könnte?

Natürlich, und das kostet noch nicht einmal was, außer natürlich den Verlust an alter Ideologie: Fördern wir in der Kultur die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung. Daraus schafft man mehr kreatives Potenzial als durch alles andere.

“Die Gründerkultur ist Teil einer Unabhängigkeitsbewegung, die im 21. Jahrhundert eine entscheidende Rolle spielen wird.”

Sie fordern in „Zivilkapitalismus“, dass sich die Bürger die Ökonomie als Gestaltungsmittel aneignen sollen. Ist der Startup-Hype diesem Zweck dienlich?

Es geht darum, dass jeder sein eigener Unternehmer wird in dem Sinn, dass er wirtschaftlich unabhängig entscheiden kann. Dass kann man sicher auch als Angestellter, aber es ist naheliegend, dass es Selbständige und Gründer eher tun. Die Gründerkultur ist Teil einer Unabhängigkeitsbewegung, die im 21. Jahrhundert eine entscheidende Rolle spielen wird. Die ökonomische Emanzipation steht nämlich noch aus. Ohne die aber bleibt man abhängig. Das muss man angehen.

+++ Irene Fialka: „Mehr als nur ein Hype“ +++

Von welchen Startups brauchen wir mehr, von welchen weniger?

Ich halte wenig von Startups, die einer politischen Mode folgen. Das hat noch nie etwas gebracht. Darum finde ich ja, dass man die Kultur der Selbständigkeit fördern muss, der Rest ergibt sich. Wenn man nicht mehr in einer Gesellschaft lebt, bei der die meisten nur abgesichert sein wollen – sondern es viele gibt, die was ausprobieren, sich was trauen und dabei über ihre Grenzen gehen, dann haben wir eigentlich die richtigen Startups, ganz gleich, ob das nun Intra- oder Entrepreneure sind. Es geht auch nicht um mehr Digital. Digitalisierung ist ein Werkzeug, kein Inhalt.

Was sollte jeder Gründer von Beginn an mitdenken?

Das er etwas Besonderes ist, was Besonderes kann, was Besonderes leistet. Und ganz wichtig ist: Sich auf seine Talente fokussieren, nicht alles selber machen, gleich auf gute Dienstleister setzen und nicht am falschen Ort sparen. In der Wissensökonomie ist es entscheidend, dass man seine Fähigkeiten schärft – das ist der beste Schutz gegen Kopien und gegen Vereinnahmungen.

“Es ist wie bei Clint Eastwood: ‘Wir reiten in die Stadt, der Rest ergibt sich.'”

Unsere Leser sind fast zur Gänze Teil der Startup-Community. Was wollen Sie sie wissen lassen?

Hört nicht auf, Euer Ding zu machen. Habt Zutrauen in Euch. Alles andere ist wie bei Clint Eastwood, wie ich immer sage: „Wir reiten in die Stadt, der Rest ergibt sich.“

⇒ Hier gibt es mehr Informationen zum Smartwork-Camp

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OVE, LCM
(c) OVE/Fürthner - (v.l.) Johann Hoffelner, Josef Passenbrunner und Hubert Mitterhofer von LCM.

Seit August des heurigen Jahres hat das LCM mit Johann Hoffelner einen neuen CEO – brutkasten berichtete. Rund drei Monate später darf man sich über den OVE Innovation Award freuen.

Pankl Turbosystems beschäftigt sich mit Brennstoffzellen-Luftversorgungssystemen (FCAS – Fuel Cell Air Supply) sowie mit elektrisch unterstützten Abgasturboladern (EAT – Electrically Assisted Turbocharger) für Kleinserien. Weil aber Turbosysteme technologisch extrem anspruchsvoll sind, setzt die Mannheimer (Deutschland) Firma bei der Optimierung spezieller Komponenten auf externe Entwicklungspartner.

LCM mit Neuauslegung des E-Motors

“Die Elektromotoren für den Antrieb der Verdichterräder sind das Herzstück in FCAS-Systemen. Mit der kompletten Neuauslegung dieses Elektromotors hat LCM einen unentbehrlichen Beitrag zum gelungenen Innovationssprung und Wettbewerbsvorsprung geleistet”, erklärt Pankl Turbosystems-Geschäftsführer Gerhard Krachler.

Konkret hat es neun Monate gedauert, bis das LCM-Team rund um Hubert Mitterhofer und Josef Passenbrunner die ersten Funktionsmuster für den Elektromotor lieferte. Diese erfüllten die Erwartungen von Pankl und liefern Drehzahlen von bis zu 140.000 U/min und eine Nennleistung von 22kW. In diesem Sinne könnte ein FCAS von Pankl Turbosystems, in dem ein von LCM ausgelegter Motor arbeitet, schon bald bei einem Stratosphärenflug an Bord sein, heißt es.

Im Auftrag der britischen Stratospheric Platforms Ltd, eines Herstellers von Bauteilen für die Luft- und Raumfahrt, hat Pankl gemeinsam mit weiteren internationalen Unternehmen an der Entwicklung eines unbemannten Zero-Emission-Flugobjekts gearbeitet: “Selbst wenn dieses Projekt noch in einem sehr frühen Stadium ist, unterstreicht es die enorme Dynamik in der Brennstoffzellen-Technologie”, so Krachler weiter.

“Begrenzter Bauraum”

So unterschiedlich die Einsatzgebiete der FCAS sind, haben sie doch eine Gemeinsamkeit: Der Bauraum ist immer extrem begrenzt. Mithilfe der LCM-Software-Plattform “SyMSpace” konnte aus dieser Not eine Tugend gemacht werden. Damit wurden alle Komponenten – von der Baugröße des Motors über die Materialauswahl bis zur Dimensionierung jedes Bauteils – so aufeinander abgestimmt, dass die errechnete Motorauslegung nicht mehr verbessert werden kann, wie es in einer Aussendung heißt.

“Aus mehreren tausenden Varianten entsteht auf diese Art ein Elektromotor in der geforderten Baugröße, der in der Simulation 97 Prozent Wirkungsgrad erreicht. Es lässt sich kein Parameter weiter verbessern, ohne einen anderen zu verschlechtern”, erklären Passenbrunner und Mitterhofer.

Welches enorme Potential Brennstoffzellen haben, unterstreicht auch das Projekt SkalTABs (skalierbares Thermomanagement und Antriebsstrang für Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge). In dem vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojekt arbeiteten mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) neben Infineon, GreenIng, AVL LIST und MACCON auch Pankl Turbosystems zusammen.

Das Ziel war es, für mittelständische Unternehmen und Fahrzeughersteller mit kleineren Stückzahlen einen Baukasten für verschiedene Leistungsstufen eigener Brennstoffzellensysteme zu erforschen: “Selbstverständlich war auch unser gemeinsam mit LCM entwickeltes FCAS mit an Bord”, sagt Krachler. Weitere Förderprojekte für Antriebssysteme im Megawatt-Bereich werden gerade vorbereitet.

Award für LCM mit Signalwirkung

Dass LCM und Pankl Turbosystems für ihr Projekt mit dem OVE Innovation Award ausgezeichnet werden, hat für Hoffelner Signalwirkung. Gerade bei nicht-fossilen Antriebtechnologien sei Reichweite das entscheidende Kriterium: “Reichweite ist immer eine Frage der Effizienz. Je effizienter Antriebsysteme arbeiten, desto mehr Reichweite ist möglich. Mit der Zusammenarbeit am FCAS haben wir die Grenzen des Möglichen gemeinsam ein wenig verschoben”, sagen Hoffelner und Krachler.

Bernhard Jakoby, OVE-Juryvorsitzender und Vorstand des Instituts für Mikroelektronik und Mikrosensorik an der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU), begründet die Entscheidung LCM zu prämieren wie folgt: “Das ausgezeichnete Projekt zeigt wieder einmal, dass es in Österreich gelingt, innovative Technologien aus der Forschung in die Praxis zu bringen und am Weltmarkt zu etablieren.”

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