07.07.2022

Insekten statt Fleisch: Zwischen Ekel und Luxusgut

Insekten werden als Superfood im Kampf gegen die Klimakrise gehandelt. Aber haben sie am Markt überhaupt eine Chance?
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Im Taste Lab der Ausstellung Foodprints © Technisches Museum Wien
Im Taste Lab der Ausstellung Foodprints © Technisches Museum Wien

Die Fleischproduktion ist einer der größten Klimatreiber. Als alternative Proteinlieferanten sind Insekten ein möglicher Ansatz für eine ressourcenschonende Massentierhaltung. Denn, im Vergleich zu anderen tierischen Proteinquellen wird bei der Insektenproduktion wesentlich weniger Platz, Futtermittel und nur ein Bruchteil an Wasser benötigt. Gleichzeitig werden sie derzeit gerne auch als „Superfood“ deklariert, da sie essentielle Aminosäuren, ungesättigte Fettsäuren und dazu eine Vielzahl an Vitaminen und Mineralien enthalten.

Aber, was hat es mit dem Hype genau auf sich? Ist es überhaupt realistisch, dass mit derartigen Food-Innovationen die Welt gerettet wird? Schafft man es, seinen Ekel vor dem speziellen Nahrungsmittel zu überwinden? Und: Greifen Konsument:innen wirklich lieber zu gefriergetrockneten Heuschrecken als zu preiswerten Palmöl-Chips? Denn, nur wenn Innovationen auch tatsächlich am Markt ankommen und angenommen werden, können sie einen großen und langfristigen Impact haben.

Insekten: Mehr als bloßes Superfood

Das Wiener Startup ZIRP hat sich schon 2011 auf das Thema Insekten am Lebensmittelmarkt spezialisiert und zählt mit seinen Nischenprodukten heute noch zu den Pionieren in Europa. Ein bloßer Hype oder eine zukunftsweisende Innovation?

Fakt ist, dass Insekten zu ihren eingangs erwähnten Vorteilen auch klimafreundliche Aspekte aufweisen. Denn, sie verursachen rund 25-mal weniger CO2-Ausstoß als herkömmliche Nutztiere und benötigen in ihrer Haltung rund zehnmal weniger Platz. Dazu ist ihr essbarer Anteil mit 80 Prozent deutlich höher als beispielsweise jener beim Rind, der lediglich 40 Prozent beträgt. Für die Produktion eines Kilogramms Protein wird zudem eine wesentlich geringere Menge an Wasser und Futtermittel benötigt. Vielmehr stammen zwei Drittel aus sowieso vorhandenen Überresten und Nebenströmen wie zum Beispiel Überschüssen aus der Landwirtschaft, Altbrot oder Gemüse. Trotz der kritisch zu betrachteten Betriebstemperatur für die Zucht von Insekten, sind Insekten also durchaus ein Schlüsselglied im Bereich der Kreislaufwirtschaft als eine zukunftsträchtige Alternative zu Fleisch zu bewerten.

Ekel: Eine Frage der Kultur

“Wovor es Menschen beim Essen ekelt und wovor nicht, ist stark davon geprägt, wo sie aufwachsen”, berichtet Mag. Christiane Rainer, MA Projektleiterin des Ausstellungsprojektes FOODPRINTS. Ekel hat demnach sehr viel mit Kultur zu tun. Während es in manchen Nationen üblich ist Käse mit Maden, vergorenen Fisch oder Hundefleisch zu essen, stoßen diese Ernährungsgewohnheiten in unseren Breitengraden beim Großteil auf erste Abneigungen. Das kann aber geändert werden. Denn, eine Ekelreaktion ist kein angeborener Instinkt, sondern wird erst im Kleinkindalter (zwischen 2-4 Jahren) erlernt. Es benötigt also nur etwas Kondition und vermutlich erste Überwindungsschritte, sich diese Reaktion wieder abzutrainieren. So lässt sich auch der Ekel vor Insekten ablegen indem man diese regelmäßig in seinen Speiseplan einbaut oder sie (step by step) gelegentlich probiert.

Nachhaltigkeit & Ernährung – ein funktionierendes Zusammenspiel

Die Agenda 2030, der Aktionsplan der Vereinten Nationen (UN) für ein menschenwürdiges Leben bei gleichzeitigem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, definiert 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs). Die Ernährung nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, denn wie heute gegessen wird, beeinflusst die Welt von morgen.

Die noch bis Ende August 2022 aktive Ausstellung FOODPRINTS im Technischen Museum Wien verdeutlicht, wie weitreichend und eng Ernährung mit den nachhaltigen Entwicklungszielen verknüpft ist. Und „das geht weit über SDG 2 ‘Kein Hunger’ hinaus“, erklärt Generaldirektor Peter Aufreiter. Ökologische Nachhaltigkeit spielt dabei eine große Rolle, aber auch faire Arbeitsbedingungen, weniger Ungleichheiten sowie die Bewusstseinsbildung über gesunde Ernährung oder globale Verflechtungen in der Lebensmittelproduktion sind ein wichtiges Thema. SDG 9 „Wie können Innovationen zu nachhaltigen Lösungsansätzen für unsere derzeitigen und zukünftigen Herausforderungen beitragen?, bekräftigt, dass Ernährung als ganzheitliches Konzept auf unterschiedlichen Ebenen verstanden werden muss.

Insektensnacks statt Palmöl-Chips?

In einer betreuten Demoküche (tasteLAB) im Rahmen der Museumsausstellung haben Besucher:innen die Möglichkeit potentielles „Future Food“ zu verkosten oder mehr zum Herstellungsverfahren zu erfahren. Greifen Konsument:innen langfristig wirklich lieber zu gewürzten Insekten-Snacks als zu Erdäpfel-Chips? Das Brutkasten-Team hat dort nachgefragt, wie Food-Innovationen bei den Museumsbesucher:innen ankommen:

„Das Problem ist, dass Alternativprodukte wie Algen oder Insekten derzeit noch sehr teuer sind. Viele unsere Besucher:innen, die diese Produkte kosten, sind darüber überrascht, wie hoch der Einkaufspreis ist. Und greifen in weiterer Folge wieder zurück zum alt „bewährten“ Hendl, dem preiswerten Schweinefleisch oder anstatt zum Insektenriegel eben zu der bekannten Tüte Chips aus dem Supermarktregal“, berichtet eine Mitarbeiterin des tasteLABs. Interessant sei auch, dass sich vor allem Kinder offen und aufgeschlossen gegenüber der neuen Geschmäcker zeigen.  Bei Erwachsenen ist hingegen ein gewisses Grundinteresse zum Thema Ernährung vorhanden, bei ihnen muss aber durchaus mehr Überzeugungsarbeit für Verkostungen geleistet werden. Das deckt sich mit den obigen Erkenntnissen der Ekelreaktion.

Fazit zum “Fleisch der Zukunft”

Bis es soweit ist, dass man bei Insekten vom „Fleisch der Zukunft“ sprechen kann, bedarf es eindeutig noch weitere Aufklärungsarbeit in der breiten Masse sowie eine Sensibilisierung seitens der Konsument:innen rund um Ernährungsthemen und faire Verbraucherpreise. Handelt es sich bei diesen Produkten wirklich um Luxusgüter oder liegen die derzeit herrschenden Fleischpreise einfach weit unterem gerechtfertigten und nachhaltig notwendigen Wert? Außerdem ist eine stetige Aufbereitung von leicht verständlichen Informationen zum Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Ernährung von Nöten.

Genauso bedarf es wohl auch weitere Innovationen und kreative Ideen der österreichischen Startup-Szene sowie eine Rückbesinnung zu bereits bewährten, regionalen pflanzlichen Proteinquellen (Stichwort: Hülsenfrüchte) und deren Verbreitung und zielgruppengerechten Vermarktung. Am Ende bleibt die zu diskutierende Frage: Handelt es sich bei Insekten wirklich um Luxusgüter oder liegt der derzeit übliche Handelspreis von Fleisch oder tierischen Produkten weit unter dem gerechtfertigten Wert und täuscht?


Dieser Text entstand im Rahmen des 360 Grad Journalist:innen Traineeships, das die Wiener Zeitung in Kooperation mit brutkasten umsetzt. Dabei lernen junge Talente in einem mehrmonatigen Programm in Theorie und Praxis alle Aspekte journalistischen Arbeitens kennen.

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Das war’s. Die Dreier-Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos sind Geschichte. Vielversprechend waren sie von Beginn an nicht – zu groß sind die Differenzen zwischen den drei Parteien. Doch der Zweckoptimismus gebot darauf zu hoffen, dass die Zweckehe es irgendwie schafft, den Zweck zu erfüllen. Und dieser Zweck ist zugegebenermaßen groß. Österreich, Europa, ja die ganze Welt sind bekanntermaßen mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Auf die muss nicht nur reagiert werden. Es braucht proaktive Reformen, um in der Zukunft mitspielen zu können.

Wie es weitergeht, wird sich in Kürze zeigen. Doch ob nun ÖVP und SPÖ es mit hauchdünner Mehrheit zu zweit versuchen, ob die Grünen doch noch an Bord geholt werden, ob die FPÖ wieder ins Spiel kommt oder es gar Neuwahlen gibt – fest steht: Die heimische Politik scheint den Herausforderungen unserer Zeit tatsächlich nicht gewachsen zu sein.

Trotz allem weiter wie bisher

Denn obwohl Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger in ihrer Rede zum Verhandlungs-Aus sehr sparsam mit konkreten Vorwürfen umging, gab sie doch einen tiefen Einblick, woran es krankt. Die alteingesessenen Parteien ÖVP und SPÖ, die Österreich mal gemeinsam, mal abwechselnd, durchgehend seit 1945 regieren, sind auch in der Wirtschaftskrise, der Klimakrise, der geopolitischen Krise und der Budgetkrise nicht dazu in der Lage, von längst überholten Dogmen abzugehen. Während die Welt brennt, bleiben klientelpolitische Artefakte, interne Machtkonstruktionen und uralte ideologische Maximen unangetastet.

Nun kann man gewiss konkrete Themen herausgreifen: eine SPÖ, die sich aus ideologischen Gründen bei notwendigen Maßnahmen für den Standort querstellt, eine ÖVP, die aus klientelpolitischen Gründen eine Entbürokratisierung verhindert. Man könnte hier einiges auflisten. Das Problem geht über diese konkreten Themen hinaus. Es sitzt tiefer. Wie Meinl-Reisinger umfassend in ihrer Rede ausführte, geht der Zeithorizont, in dem die Verhandler:innen von ÖVP und SPÖ denken, genau eine Legislaturperiode weit. Nicht das Wohl des Volkes, der Wirtschaft und des Staates, sondern das Gewinnen der nächsten Wahl ist das primäre Ziel. Dabei sollte es inzwischen als hinlänglich bewiesen gelten, dass weder das eine noch das andere auf diese Weise gelingt.

Wie Nokia, nur dass nichts Besseres nachkommt

Der Vergleich dieser Politik des Weitermachens wie bisher zu den vielzitierten Geschichten von Kodak und Nokia wurde bereits von anderen aufgestellt. Auch diese scheinbar völlig reformunfähige politische Kaste wird abgelöst werden, weil sie die Zeichen der Zeit nicht erkennt – obwohl diese so deutlich dastehen, dass man sich fragt, wie das überhaupt möglich ist. Doch was da stattdessen kommt (und die Wahl ja bereits gewonnen hat) ist nicht das bessere Produkt, so wie einst Digitalkamera und Smartphone bei Kodak und Nokia. Die aktuelle politische Alternative – nicht nur in Österreich – ist keine konstruktive, in die Zukunft gerichtete Kraft, sondern eine destruktive, in die Vergangenheit gerichtete.

Der Standort bräuchte dringend Impulse. Innovation müsste dringend mit aller Kraft gepusht werden. Die Entbürokratisierung müsste dringend vorangetrieben werden. Das alles müsste dringend nicht gegen, sondern im Einklang mit den Klimazielen passieren. Dazu bräuchte es dringend das Eingeständnis, dass sich wirklich etwas ändern muss. Das alles bleibt wohl im Konjunktiv stehen. Stattdessen geht es mit Vollgas weiter in den Abgrund.

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