22.02.2016

Startups und Firmen: Der Innovationsmanager als Partnervermittler

In der Schweiz sind staatliche und städtische Unternehmen am Puls der Zeit. Innovationmanager behalten Trends im Auge, Startups bringen frischen Wind herein und Mitarbeiter werden zu Innovatoren erzogen.
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Was man vor einer Gründung alles beachten muss, soll in dieser Artikel-Serie beleuchtet werden.

2004 war Apple eine mittelgroße Computerfirma. Nach einigen Flops wie der Spielkonsole Pippin, schlug ausgerechnet die riskante Idee, eine komplett neue Produktkategorie zu etablieren, ein wie eine Granate. iPod und iPhone ließen den Computerbauer zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufsteigen. Sich selbst immer wieder neu zu erfinden ist ein sicherer Weg, Unternehmen zukunftsfit zu machen. Nokia ist ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn man sich stattdessen zurücklehnt. Nun, einen Geistesblitz wie Apple kann nicht jede Firma haben, muss es wohl auch nicht. Dennoch sollte man das Thema nicht aus den Augen verlieren. Während das Gros der Firmen im deutschsprachigen Raum bisher keine Hauptverantwortlichen mit Innovation und Transformation beschäftigen, setzen sich in einigen staatlichen Unternehmen der Schweiz ganze Teams an Innovationsmanagern mit diesen Themen auseinander.

Warum sich die Schweizer Bahnen für Onlinehandel interessieren

Einer von ihnen ist Manuel Gerres. Er hängte vor vier Jahren seinen Job bei einer Unternehmensberatung in Berlin an den Nagel, um für die Schweizer Bundesbahnen (SBB) eine Innovationsabteilung aufzubauen. “Die haben erkannt, dass es nicht mehr reicht, in die nächsten ein bis zwei Jahre zu schauen und das Kerngeschäft zu optimieren”, erzählt Gerres im Gespräch mit dem Brutkasten. Deshalb blickt der Innovationsmanager gerne über den Tellerrand und beschäftigt sich etwa mit “Carsharing oder wie sich das Arbeitsverhalten verändert oder wie sich Onlinehandel entwickelt, da wir ja viele Retailer am Bahnhof haben”. Innovationen werden dabei selten selbst entwickelt – Gerres Abteilung arbeitet mit Startups zusammen. Seit heuer auch mit dem Berliner Jungunternehmen Smoope, das eine Art WhatsApp für die Kommunikation mit Kunden anbietet.

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Vom internen Pitch zum Pilotprojekt

Aufmerksam wurde Gerres auf Smoope über Berichte im Internet. “Manuel Gerres hat uns zu einem Innovation Circle eingeladen”, erzählt Smoope-Gründer Eleftherios Hatziioannou dem Brutkasten vom Beginn der Zusammenarbeit. Der Innovation Circle ist eine Art interner Pitch-Event, bei dem sowohl Mitarbeiter als auch externe Leute Ideen präsentieren. “Die waren so begeistert von dem Potenzial messenger-basierter Kommunikation, dass die uns auch ins Gespräch mit anderen Unternehmen brachten”, so Hatziioannou. Das Ergebnis ist ein Pilotprojekt, in dem neben den Schweizer Bahnen auch die AXA-Versicherung und die Elektrizitätswerke Zürich (ewz) teilnehmen. Nach der Pilotphase könnte Smoope direkt in die Systeme der Firmen integriert werden.

Mitarbeiter zu Innovatoren machen

“Man kann ja nicht sagen: ab morgen sind wir innovativ”

Dennis Beyer, Innovationsmanager des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich (ewz) weiß, dass Innovationen in etablierten, vielleicht ein wenig schwerfälligen Unternehmen oft nur schwer durchzusetzen sind. “Wir haben zwar eine sehr offene Geschäftsleitung, wenn man mit größeren Unternehmen zusammenarbeitet ist es intern und politisch dennoch leichter, solche Projekte durchzusetzen”, sagt Beyer. Für die ewz arbeitet ein Team aus drei Innovationsmanagern daran, das Thema Innovation tiefer in der Unternehmenskultur zu verankern. “Man kann ja nicht sagen: ab morgen sind wir innovativ”, weiß Beyer – die meiste Zeit verbringt er also damit, bei allen Mitarbeitern das Bewusstsein dafür zu schärfen.

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20.000 Franken für Innovationen

Dazu gibt es ein internes Tool, über das jeder Mitarbeiter Ideen einbringen und bewerten kann. Damit diese Ideen auch tatsächlich umgesetzt werden können, hat die ewz außerdem einen eigenen Fonds eingerichtet. Innovationsprojekte werden zu Beginn mit je 20.000 Franken gefördert: “Zu viel Geld kann gerade am Anfang auch hinderlich sein”, meint Beyer.

Suche nach Startups auslagern

Startups sieht auch Beyer als wesentlichen Teil einer Innovationsstrategie. “Viele Firmen wollen alles inhouse machen”, sagt der gebürtige Berliner, “wenn man bei Innovationen schnell sein will, muss man sich aber auch nach außen öffnen”. Weil für die Suche nach geeigneten Startups nur wenig Zeit bleibt, hat die ewz diese Aufgabe an die Agentur Techbridge ausgelagert. “Wir haben Felder definiert, die für uns in Zukunft relevant sind und Techbridge scoutet entsprechende Startups – primär in der DACH-Region, aber auch darüber hinaus”, erklärt Beyer.

“Spannend wird es, wenn man eine Technologie gemeinsam noch weiter voranbringt”

Einmal im Monat gibt es ein Meeting, in dem sechs bis acht potenzielle Kooperationspartner vorgestellt werden. In einigen Fällen kauft die ewz einfach das Produkt oder die Dienstleistung eines Startups ein. Kooperationen können aber auch intensiver sein: “Spannend wird es, wenn man eine Technologie, die das Startup entwickelt hat, gemeinsam noch weiter voranbringt oder einen gemeinsamen Marktauftritt macht”, so Beyer.

Zusatzservices für Kunden

Die Bandbreite der möglichen Partnerschaften mit Startups ist auch bei der ewz groß. Für die Minimierung des Energieverbrauchs bei Privatkunden arbeitet der Energieversorger zum Beispiel mit dem Startup BEN Energy zusammen. Mit der Applikation Smartsteps können die Privatkunden auf spielerische Art und Weise lernen ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Ein anderes Projekt läuft mit dem Startup Mila, das es ewz-Kunden ermöglicht, über eine Plattform einfache Hilfe oder Dienstleistungen zu buchen: “Ältere Leute finden dort zum Beispiel jemanden, der ihnen eine Glühbirne auswechselt oder Geräte anschließt”, erklärt Beyer. „Auch wenn diese Geschäftsmodelle in der Anfangsphase noch nicht rentabel sind, bringen sie heute schön einen schönen Zusatzservice für unsere Kunden”.

Startups: Vom Freestyle zum geordneten Prozess

Auch für Startups sind die Kooperationen mit den Schweizer Unternehmen ein Gewinn. Obwohl die Gründer und Mitarbeiter von Smoope fast alle zuvor in großen Firmen gearbeitet haben, “ist bei einem Startup vieles Freestyle”, sagt Hatziioannou.  Gemeint ist damit, dass es noch kaum strukturierte und geordnete Prozesse gibt, was manchmal auch zu Missverständnissen bei der Kooperation mit etablierten Unternehmen führen könne.

“Von großen Firmen haben wir uns gewisse Planungsprozesse und Reportings abgeschaut, oder eine strukturierte Meeting-Agenda”, erzählt der Smoope-Gründer. Für Startups können sich durch die Zusammenarbeit mit großen Unternehmen aber auch ganz konkrete Vorteile ergeben. Ein Kunde von Smoope ist eine deutsche Bank, die zunächst Datenschutz- und Sicherheitsbedenken hatte. “Der Datenschutzbeauftrgte der Bank hat uns dann geholfen, den Service auf eine sichere Basis für diesen heiklen Bereich zu stellen”, so Hatziioannou.

Startup-Büros wieder zugesperrt

Weder ewz, noch SBB sind jedoch an Startups beteiligt oder bieten eine Unterstützung in Form von Geld- oder Sachleistungen. “Kooperationen sind der schnellere Weg”, sagt Gerres. Einen Inkubator zu betreiben, sehen beide Unternehmen nicht als sinnvoll an. “Wir konzentrieren uns auf Startups, die schon ein bisschen weiter sind und mit denen wir längerfristig planen können”, erklärt Gerres und meint damit, dass Produkt oder Dienstleistung des Jungunternehmens bereits am Markt sein muss. Das ist auch der Grund, warum die SBB Ende vergangenen Jahres ihre Startup-Büros wieder zugesperrt hat. Mit dem Experiment wollte man eine stärkere Nähe zu den Startups, die mit der SBB zusammenarbeiten, aufbauen. “Die Startups haben den Platz aber nicht gebraucht”, so Gerres. In diesem Jahr will die SBB ein neues Modell für die Zusammenarbeit mit Startups entwickeln – worum es sich genau handelt, will Gerres aber noch nicht verraten.

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Tagbase, Riad, LEAP 2025, Authentizität
(c) Tagbase - (v.l.) Mario Uhrer, Manuel Mertl und Felix Exner von Tagbase.

Es war ein persönliches Bedürfnis von Tagbase-Founder Manuel Mertl, das ihn einst auf die Suche nach einer Lösung für Produktauthentizität sandte. Auf seiner Reise stellte er fest, dass viele bestehende Ansätze nicht zuverlässig sind und auf statische Methoden wie QR-Codes oder NFC-Tags setzen, die leicht kopiert werden können. Das Kernproblem dabei: Eine Authentizitätslösung darf nicht kopierbar sein, sonst könnten dieselben Mechanismen auf gefälschte Produkte angewendet werden. Das wusste Mertl.

Tagbase: “Nicht fünf verschiedene Apps”

“Ich entdeckte schließlich einen NFC-Chip, der bei jedem Lesevorgang dynamisch generierte Daten erstellt”, erzählt er heute. “Andere Firmen, die diesen Chip nutzen, setzen jedoch auf dedizierte Mobile-Apps, was ich für unpraktisch halte. Kunden möchten keine fünf verschiedenen Apps installieren, um Produkte unterschiedlicher Marken zu verifizieren.

Daher entwickelte er einen Prototyp, der keine eigene Applikation erfordert, aber dennoch die notwendige Sicherheit bringen soll. “Unsere Lösung kombiniert dynamische Daten, einfache Bedienung und manipulationssichere Technologie, um die Authentizität von Produkten zuverlässig zu gewährleisten”, so Mertl weiter. Oder anders gesagt, User:innen können die Echtheit eines Produkts überprüfen, indem sie einen NFC-Tag mit ihrem Smartphone scannen.

In Mario Uher, aktueller CTO und Felxi Exner, COO, fand Mertl sein Founder-Team und gründete Tagbase. Ein Startup, dessen USP es ist, dass bei der Nutzung ihrer Lösung “keine dedizierte Mobile-App erforderlich ist, um Produkte auf ihre Echtheit zu verifizieren”

“Zusätzlich haben wir eine Blockchain-Integration implementiert. Diese ist nicht zwingend für die Produktauthentizität notwendig, sondern ein zusätzliches Feature. Damit können wir nicht nur die Echtheit eines physischen Objekts nachweisen, sondern auch den Besitz des Objekts digital belegen – beispielsweise durch einen Token in einer Wallet”, erklärt Mertl weiter. “So schließen wir die Lücke zwischen Produktauthentizität und digitalem Eigentum. Unsere Lösung bietet einen umfassenden Ansatz, der sowohl die physische als auch die digitale Dimension abdeckt.”

Pitch in Riad im Februar

Aktuell freut sich das Gründertrio darüber, dass Tagbase als eines von weltweit 120 Startups ausgewählt wurde, um im Februar auf der LEAP 2025 in Riad (Saudi-Arabien) zu pitchen. Die Teilnahme sei das Ergebnis einer “aufregenden Reise”, die im Vorjahr ihren Lauf nahm.

“Im Oktober waren wir unter den ‘Top 10’ beim ‘Cardano Summit’ in Dubai eingeladen, wo wir pitchen durften. Zwei Wochen später gehörten wir zu den Top 100 beim ‘Entrepreneurship World Cup’ (EWC) in Riad und präsentierten unsere Lösung dort”, erläutert Mertl. “Während der Veranstaltung wurde uns die LEAP 2025 bekannt, und wir haben uns sofort beworben. Nun dürfen wir im Februar auf der Bühne für sechs Preise pitchen.” Der Gesamtpreispool des – zum dritten Mal stattfindenden – Wettbewerbs beträgt eine Million US-Dollar, wobei der kleinste Preis für einen Gewinner bei 150.000 US-Dollar liegt.

“Für uns ist die Teilnahme eine großartige Gelegenheit, unsere Lösung international zu präsentieren, wertvolle Kontakte zu knüpfen und potenzielle Investoren sowie Partner zu gewinnen. Es ist ein wichtiger Schritt, um Tagbase.io weiter zu etablieren”, sagt Mertl.

Tagbase: Plugins geplant

Zurzeit befindet sich das Startup in der Pilotphase und arbeitet unter anderem an einer Blockchain-Integration, konkreter an der Erweiterung auf mehrere Blockchains, um digitales Eigentum flexibler nachzuweisen.

Zudem plant man ein WordPress- und Shopify-Plugin, damit Kunden den Verifizierungsmechanismus von Tagbase in ihre eigenen Webseiten oder Webstores integrieren können. “Dabei entscheiden sie, ob die Verifizierung über unsere Plattform oder direkt über ihre Webseite erfolgt. Das schafft Potenzial für Upselling und zusätzliche Produktinformationen”, merkt Mertl an. “Kurzfristig möchten wir so viele Pilotkunden wie möglich gewinnen. Unsere Lösung ist agnostisch und kann in verschiedenen Branchen eingesetzt werden – von der Pharmaindustrie über Luxusgüter bis hin zur Verifizierung von Dokumenten.”

Nach dem Ende der Pilotphase möchte das Gründertrio heuer seine Lösung in verschiedenen Branchen etablieren; Gespräche mit einer Kosmetikmarke, einem Künstler und einem Getränkehersteller seien bereits gestartet. Langfristig möchte sich das Startup als führende Lösung für Produktauthentizität und digitalen Eigentumsnachweis weltweit etablieren.

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