29.11.2021

Innovation in Österreichs Verwaltung: “Hüten wir uns vor den simplen Lösungen”

Bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung gehört Österreich zu den Spitzenreitern – Innovation ist aber viel mehr als das, erklärt Christian Kemperle im Interview.
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Christian Kemperle, Leiter der Sektion III – Öffentlicher Dienst und Verwaltungsinnovation im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport © BMKÖS
Christian Kemperle, Leiter der Sektion III – Öffentlicher Dienst und Verwaltungsinnovation im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport © BMKÖS
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Österreich gehört bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung zu den Spitzenreitern in Europa. Innovation in der Verwaltung bedeutet aber noch mehr als eGovernment – Österreichs Behörden beschäftigen sich auch mit New Work, agilen Arbeitsweisen und Themen wie Intrapreneurship. Am 30. November bittet das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport gemeinsam mit Stadt Wien, der WU Wien, EY, die Hertie School und Wonderwerk zu einer Konferenz, auf der es um die gesamte Bandbreite geht: die Gestaltung der Zukunft des öffentlichen Sektors.

Christian Kemperle, Leiter der Sektion III – Öffentlicher Dienst und Verwaltungsinnovation im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, im Interview über die größten Innovations-Trends in der öffentlichen Verwaltung und über das Klischee der überbordenden Bürokratie in Österreich.

Was sind die wichtigsten Trends und Entwicklungen, wenn es um Innovation in der öffentlichen Verwaltung geht?

Christian Kemperle: Innovation muss auch Krisen standhalten. Das ist eine komplexe Herausforderung, da in Krisenzeiten prinzipiell weniger Raum ist, um Neues einzuführen und Unsicheres auszuprobieren.

Die Pandemie, die große aktuelle Disruption, hat uns gezeigt, wo es Stabilität braucht und Entwicklungsbedarf eingefordert wird, insbesondere wenn es um die Kernaufgabe der öffentlichen Verwaltung geht: Der Aufrechterhaltung der Dienstleistungsketten zu den Bürger:innen sowie in den verwalteten Systemen (Gesundheit, Bildung etc.). Im Verwaltungsinneren setzt davon beeinflusst auch eine beachtliche Transformation bei der Arbeitsorganisation ein, Stichwort Homeoffice bzw. Mobiles Arbeiten / Arbeit der Zukunft in der Verwaltung.

Also hat die Coronazeit mit ihren Lockdowns da zusätzlich als Katalysator gewirkt?

Ja. Disruptiv auftretende Krisen beschleunigen solche Prozesse immer und erfordern agiles, rasches sowie vor allem koordiniertes Handeln. Welche Prozesse übrigbleiben und eine effektive und effiziente Verwaltung sicherstellen, ist in Reflexionsprozessen zu untersuchen und zu analysieren.

Die Agenda der diesjährigen Innovate ist am Puls der Zeit – zumindest versuchen wir das. Es geht um die Zusammenarbeit mit Stakeholder:innen innerhalb und außerhalb der Verwaltung sowie um die werteorientierte Ausrichtung im Bereich der Nachhaltigkeit, der Transparenz und Partizipation. Es geht auch darum, die Erfahrungen der Krise zu verarbeiten und – wenn auch mit dem Mut zur Lücke – um die Fortsetzung der Digitalisierung von Prozessen, dem Ausbau von Serviceleistungen für Bürger:innen und generell darum innovativen Lösungen Raum zu geben.

Dabei werden auch Grenzen aufgezeigt, infrastrukturell, rechtlich, sowie im Bereich der Zusammenarbeit mit Stakeholder:innen außerhalb der Verwaltung. Diese Grenzen gilt es nun kontinuierlich und im richtigen positiven Setting zu überschreiten.

Was ist Ihrer Meinung nach das Erfolgsrezept für Innovation in der öffentlichen Verwaltung?

Gemeinsame Ziele haben, multiperspektivisch an die Themen herangehen, nicht in Lösungen denken, sondern zu überlegen, welche Fragen überhaupt zu stellen und welche Herausforderungen zu bewältigen sind. Weg von „Alter Wein in neuen Schläuchen“-Ritualen hin zu Kooperationsprojekten in neuen Formaten.

Die qualitätsvolle und professionelle Form der Zusammenarbeit unterstützt dabei die Erbringung qualitativ hochwertiger Leistungen für die zentralen Akteur:innen des Staates, die Bürger:innen. Die enge inhaltliche Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Stakeholder:innen innerhalb und außerhalb der öffentlichen Verwaltung ist ein wesentlicher Garant für eine robuste sowie nachhaltige staatliche Entscheidungsfindung und Problemlösungskompetenz. Wir fokussieren heuer auf der Innovate 2021 auf die Optimierung der Zusammenarbeitsbasis – Es geht nicht mehr um das „Was wir tun sollen“, sondern darum, „wie wir es tun“.

Ein Beispiel für das Beschreiten dieser neuen Wege ist die Suche nach Lernräumen der Zusammenarbeit, welche diesen Ansprüchen genügen, die es möglich machen Veränderung zu managen. Dieser Frage widmen wir uns auch im praktischem Sinne in unserem ressortinternen Reallabor.

Österreich hat zuletzt einen Sprung in die Top 10 des DESI-Index gemacht, das ist der Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (Digital Economy and Society Index). Was ist Ihrer Meinung nach das Erfolgsrezept?

Diese Position hatte Österreich auch schon in der Vergangenheit. Nun, fast zwei Jahre nach dem ersten Lockdown, halten wir gut Schritt. Der Mehrwert und die Vorteile von E-Government sowie die Forcierung der Digitalisierung wurden durch die tatsächliche Umsetzung dieser deutlich erkannt.

Gerade der öffentliche Sektor hat in den vergangenen Monaten auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit innovative Antworten gegeben und Lösungsaspekte aufgezeigt.

Wenn man Österreicher:innen fragt, stößt man schnell auf das Klischee der komplizierten und umfangreichen Bürokratie – wie passt das mit den Preisen und guten Platzierungen in internationalen Rankings zusammen?

Klischees für die Bürokratie und das Beamtentum sind so alt wie die Organisation selbst. Die Verwaltung eines Staates betrifft uns alle, die Beteiligten merken sofort, was nicht funktioniert, wo es nicht funktioniert und haben meist eine konkrete Vorstellung davon, wie es besser laufen könnten bzw. sollte. Das wird auch medial gut durchgearbeitet. Wenn es funktioniert, reden wir kaum drüber, wenn nicht, dann umso mehr. Vielleicht ist das eine Erklärung für das vorherrschende Image.

Die positiven Erfolge im internationalen Vergleich zeigen eindrucksvoll, wie viel die öffentliche Verwaltung Österreichs leistet und wie hoch der Anspruch an die Qualität der Leistungen an die Bürger:innen ist. Zudem gewährleistet der öffentliche Sektor einen zentralen und notwendigen Aspekt in Zeiten der Krise: Stabilität. Die Verwaltung schafft den Spagat zwischen Stabilität und Innovation, in dem sie Räume kreiert, um experimentieren zu können.

Welche Rolle spielt Partizipation bei Innovationsprozessen in der öffentlichen Verwaltung in Österreich?

Partizipation in Innovationsprozessen heißt Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zu schaffen, Raum zu haben für die Verhandlung von unterschiedlichen Interessen aber auch Perspektiven. Diese gebietskörperschaftsübergreifende und transdisziplinäre/transsektorale Zusammenarbeit ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, wenn es gilt, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Wie diese Formen der Zusammenarbeit konkret aussehen können, werden wir uns unter anderem im Rahmen der diesjährigen Innovate 2021 ansehen.

Fazit, hüten wir uns vor den einfachen, den simplen Lösungen und Antworten. Die Gesellschaft ist einem stetigen Veränderungsprozess unterworfen, die Herausforderungen werden noch weiter an Komplexität zulegen. Hierbei müssen wir vor allem Stabilität garantieren und Innovation möglich machen. Langfristige gesellschaftliche, ökologische und ökonomische Herausforderungen verlangen nachhaltige und inklusive Lösungen. Das geht nur gemeinsam.

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Richard Eibl, Thaddäus Leutzendorff und Julius Richter (c) Padronus, fairesLeben

“Unser Ziel ist es, Menschen ihrer Rechte bewusst zu machen und diese auch fair durchzusetzen”, schreibt CEO und Gründer Thaddäus Leutzendorff. Nach diesem Claim operiert das Wiener LegalTech fairesLeben seit seiner Gründung im Juni 2020.

Die heimischen Gesetze ermöglichen es viel häufiger, sich verlorenes oder zu viel bezahltes Geld zurückzuholen, als man meinen würde. Das Startup fairesLeben will seinen Kund:innen genau dabei helfen – berichtete brutkasten schon im Februar 2022. Schon damals wurde das Startup in einer Finanzierungsrunde mit sieben Millionen Euro bewertet.

Die “fairenSpinoffs” des Startups

In einem brutkasten Gastbeitrag schrieb CEO Leutzendorff bereits über das Thema Sexismus im Netz – und wie die Anlaufstelle “fairesNetz” des Startups Betroffenen die Möglichkeit bietet, Hasskommentare zu melden. Über die Plattform fairesLeben können sich Kund:innen außerdem Verluste aus illegalen Online-Casinos zurückholen (“fairesSpiel”). Weitere Zweigstellen des LegalTechs sind “faireMiete” zur Senkung von Altbaumieten, “fairesRecht” als Schnittstelle zwischen Mandant:innen und Anwält:innen, sowie “faireDaten”, “faires Gaming” und “fairesTrading”.

Das LegalTech tritt in seinen Fachbereichen als Prozessfinanzierer auf: Die fairesLeben ABC GmbH finanziert und fördert Kund:innnen bei der Geltendmachung ihrer rechtlichen Ansprüche gegen Gegenparteien. Die Unterstützung bei der Durchsetzung der diesbezüglichen Rechte soll Kund:innen bei einer Liquiditätsbeschaffung helfen.

Fünfte Pre-Seed-Finanzierungsrunde in drei Jahren

Nun kommuniziert das Startup seine fünfte Pre-Seed-Finanzierungsrunde in drei Jahren: Im Mittepunkt stand dieses Mal die fairesNetz GmbH – eines der oben genannten Spinoffs des Unternehmens. Das Investment, ein sechsstelliger Betrag, wurde von den langjährigen Kooperationspartnern Richard Eibl und Julius Richter, den Gründern von Mietheld und Padronus, getätigt, heißt es in einer Aussendung.

Der Schritt von langjährigen Kooperationspartnern zu Investoren sei “ein bedeutender”: “Das Fachwissen und das umfangreiche Netzwerk der beiden Investoren, die als erfahrene Prozessfinanzierer seit zehn Jahren in der Branche tätig sind, bieten für fairesNetz einen unschätzbaren Wert”, so der CEO.

“Beleidigungen und Bedrohungen im Internet nehmen drastisch zu”, erklärt Leutzendorff und meint weiter: “Wir haben über die vergangenen 18 Monate hart an einer Lösung gearbeitet, um Betroffene zu schützen und Täter:innen auszuforschen und zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei profitieren wir von den neuen legistischen Mitteln, die der europäische und österreichische Gesetzgeber geschaffen haben, um gegen Hass im Netz rechtlich vorzugehen.”

So funktioniert “fairesNetz”

Das Herzstück des Unternehmens sei eine selbst entwickelte Software, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz Inhalte auf Social-Media-Profilen von Kund:innen prüft. Bei der Identifizierung schädlicher Inhalte werden die Täter:innen ausgeforscht und rechtliche Schritte eingeleitet.

Die Software von “fairesNetz” sei erst seit drei Monaten live, heißt es vom Startup. Trotz der relativ kurzen Laufzeit vertritt das Unternehmen bereits Kund:innen in Deutschland und Österreich. Täglich sollen um die 2.000 Inhalte geprüft werden, heißt es.

“Das Zeitalter von Künstlicher Intelligenz macht es uns überhaupt erst möglich, die Massen an Hassnachrichten und Hasskommentaren effizient und zielgerichtet zu verarbeiten”, so Thaddäus Leutzendorff.

Bis zu Strafanzeigen und Schadenersätzen

Konkret können Betroffene der Anlaufstelle “fairesNetz” anhand von Fragen eine Meldung übermitteln. FairesNetz überprüft das übermittelte Posting auf Inhalt, Gewichtung und Umsetzbarkeit. Über kooperierende Rechtsanwälte wird der Postende abgemahnt, wobei es bei schweren Drohungen zu Strafanzeigen der Schadenersatzzahlungen kommen kann. 

Für Kund:innen entsteht laut Startup kein Aufwand, das Startup selbst kümmert sich mit seinen Partnern um den Prozess. Auch Kostenrisiken sind ausgeschlossen – Hilfe erhalten Hilfesuchende in Österreich und Deutschland kostenlos und digital, heißt es. 

“Wenn du also Hass-Nachrichten bekommst, kannst du diese ganz einfach und mit wenig Aufwand an uns weiterleiten und wir kümmern uns um die gesamte Abwicklung und die Kosten des weiteren Vorgehens. Dabei fallen für dich also keine Ausgaben an”, erklärt das Startup seinen Prozess auf seiner Website.

Investment soll Marketing und Vertrieb pushen

Mit dem neuen Investment soll vor allem das Marketing und der Vertrieb von “fairesNetz” vorangetrieben werden, um den Kundenstamm zu vergrößern. Indes wolle man eine eigene künstliche Intelligenz trainieren, die auf den Use-Case der Identifizierung von Hass im Netz spezialisiert ist.

Unterstützt werden sollen Persönlichkeiten, “die sich öffentlich präsentieren”, “egal ob Sportler:innen, Influencer:innen oder Politiker:innen”, sagt Leutzendorff. Die Liste all jener, “die täglich Hass erleben müssen, ist leider endlos”, meint der CEO. Das Investment soll den “Kampf gegen Hass im Netz fortsetzen”, und die Dienste von “fairesNetz” weiter aufbauen.

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