21.11.2022

Innovation Afterhour: Wie zirkuläres Bauen die Klimakrise entschärfen kann

Vermeiden, vermindern, verwerten: Drei Handlungsempfehlungen für einen klimafreundlichen Alltag. Wie damit auch der Bausektor einen Beitrag zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft leistet und welche Pilotprojekte die Stadt Wien bereits umgesetzt hat, erzählen Expert:innen in der kommenden Innovation Afterhour.
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Im Rahmen der kommenden Innovation Afterhour lädt die Wirtschaftsagentur Wien zum Wissensaustausch rund um zirkuläres Bauen in der Stadt Wien.

Laut dem UN Global Status Report zählt die Zement-, Beton- und Bauindustrie zu den CO2-intensivsten Industrien weltweit: Rund 38 Prozent des globalen CO2-Aufkommens entfallen auf den Bau- und Gebäudesektor.

Die Klimakrise drückt auf keinen Pausenknopf. Um die Ziele des EU-Green Deals im vorgegebenen Zeitrahmen, konkret Österreichs Klimaneutralität bis 2050, zu erreichen, muss also auch der Bausektor klimaneutraler werden.

Wie die Bauindustrie in puncto Klimaneutralität und Emissionsstopp helfen kann? Die kommende Innovation Afterhour #12 am 22. November im weXelerate zeigt, wie es geht. In Wien hilft zirkuläres Bauen, auch Circular Construction genannt, bereits dabei, zentrale Herausforderungen der sich verschärfenden Klimakrise zu bewältigen.

Wie geht zirkuläres Bauen?

Ein nachhaltiges Bausystem müsse zirkuläre Wertschöpfung sicher stellen, so Stefanie Roithmayr, Veranstalterin der dieswöchigen Innovation Afterhour im weXelerate. Im Namen der Wirtschaftsagentur Wien lädt Roithmayr zu einem Keynote- und Networking-Panel, um Lösungsansätze zur Transformation der Bauwirtschaft von einem linearen zu einem zirkulären und damit umweltneutralen System zu diskutieren.

Nach dem Prinzip der zirkulären Wertschöpfung soll sowohl unser Ökosystem entlastet, als auch das Problem der aktuellen Rohstoffknappheit gelöst werden. Menschliche Bedürfnisse werden dabei in Balance mit der Umwelt erfüllt. Wie das gehen soll? Mithilfe eines nachhaltig wirtschaftenden Bausektors.

Zirkuläres Bauen: Was man braucht und wozu es notwendig ist

Nach dem Kreislaufprinzip soll der Bausektor nämlich Baustoffkreisläufe schließen und Abfälle oder Emissionen reduzieren bzw. vermeiden. Konkret sollen dafür ressourceneffiziente Produkte eingesetzt, Bauteile wiederverwendet und fossile Energiequellen vermieden werden. Eine weitere Möglichkeit biete die Substitution fossiler Bau- und Brennstoffe mit erneuerbaren Roh- und Baustoffen wie Naturlehm, Holz oder Stroh.

Ein weiteres Prinzip des zirkulären Bauens: Die genutzten Ressourcen so lange wie möglich in ihren Kreisläufen zu behalten. Dazu werden bereits verbaute Baustoffe wiederverwendet. Auch nutzungsoffene Grundrisse, die eine möglichst lange Nutzung neu errichteter Gebäude garantieren, können Um- oder Neubauten vermeiden und so zu einer zirkulären Gebäudenutzung beitragen. Je höher die Multifunktionalität neu errichteter Gebäude, desto größer sei auch ihr Beitrag zur Etablierung und Stärkung einer zirkulären Bauwirtschaft.

Die Innovation Afterhour rückt Pilotprojekte ins Rampenlicht

“Zirkuläres Bauen kann nur funktionieren, wenn möglichst viele Stakeholder:innen aus verschiedenen Bereichen gemeinsam an der Vision arbeiten”, sagt Roithmayr. Sektoren, die in bisherigen Systemen noch nicht miteinander kollaboriert haben, müssen verknüpft werden und Synergien nutzen, so die Veranstalterin der Innovation Afterhour. Die Lösung? Pionier:innen und Leuchtturmprojekte ins Rampenlicht zu holen und so zu einem aktiven Wissenstransfer und Austausch beizutragen.

“Mit der nächsten Innovation Afterhour sollen Besucher:innen von bereits umgesetzten, zirkulären Beispielen aus Wien lernen und in Austausch mit Personen kommen, die selbst kreisläuffähige Projekte umsetzen oder bereits umgesetzt haben”, so Roithmayr.

Am 22. November lädt die Wirtschaftsagentur Wien ab 15 Uhr zum interaktiven Keynote- und Networking-Event in das weXelerate. Neben Stefanie Roithmayr der Wirtschaftsagentur Wien gibt Bernadette Luger der Baudirektion Wien Input zur Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen. Auch Renate Hammer des Institute of Building Research and Innovation wird als Keynote-Speakerin auftreten. Im Anschluss werden bereits umgesetzte, zirkuläre Beispiele aus Wien von Branchenexpert:innen wie Gottfried Baumgartner der HD Architekten ZG GmbH, Marlene Schuster des Österreichischen Siedlungswerkes sowie Clemens Foschi der Caritas Wien vorgestellt.

Zum Event: Innovation Afterhour #12

Innovation Afterhour #12: Business Treff – Zirkuläres Bauen in Wien
Datum: 22. November 2022, 15.00 bis 17.00
Ort: weXelerate
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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

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Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

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“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

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Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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