31.07.2024
GLASS CLIFF

“Immer, wenn Männer nicht mehr weiterwissen, holen sie taffe Frauen”

Novritsch ist ein oberösterreichischer Airsoft-Hardware-Hersteller mit einem zweistelligen Millionenumsatz. Doch auf dem Weg zu einem der Marktführer im Airsoft-Segment gab es einige Hürden und Probleme. Ja sogar eine Anklage wegen "Waffenhandel" und "Bandenkriminalität" war Teil der Firmengeschichte. Dann wurde Claudia Neuwirth zur CEO ernannt und die Problemlösung begann.
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(c) Novritsch/bk - Claudia Neuwirth, CEO Novritsch.

Novritsch wurde im Schlafzimmer gegründet und später zu einem E-Commerce-Unternehmen, das mit dem Vertrieb von Airsoft-Hardware 30 Millionen Euro Umsatz machte – brutkasten berichtete – und heuer auf die 40 Millionen zusteuert.

Federführend bei der Entwicklung war Claudia Neuwirth, CEO von Novritsch, die mit ihrem Bruder Christoph und Dominik Knoll bereits als Kinder auf Kirtagen selbstgeschnitzte Holzpistolen verkaufte und Kartoffelkanonen bastelte.

Novritsch: Ursprung in einem Fakten-Dokument

Doch es bedurfte einiges an Überzeugungsarbeit, die Faszination für Airsoft Guns und das Spiel an sich zu verfolgen, denn die Familie Neuwirth hatte nichts mit “Waffen” am Hut. Der erste Spielzeug-Kauf war schlussendlich der Hartnäckigkeit von Christoph geschuldet, der ein “faktenbasierendes Dokument” aufsetzte, um Ängste zu nehmen und zu erläutern, weshalb Airsoft ein spaßiges Sporterlebnis mit taktischem Vorgehen im Team samt Adrenalin-Kick an der frischen Luft sei.

Die Passion bestand darin, mit Freunden Airsoft-Teams zu bilden, mit Gleichgesinnten zu spielen sowie Strategien und Taktiken zu entwickeln. Dazu gründeten sie einen Verein. Die Outdoor-Spiele filmten sie laienhaft und stellten diese online. So machte sich Christoph in der Airsoft-Szene einen Namen, wurde zum YouTube Star & Influencer und hatte innerhalb von nur einem Jahr über eine Million Follower.

Diesen Erfolg galt es zu nutzen und ein Umstieg vom YouTube-Kanal auf einen Online-Shop mit dem Vertrieb von physischen Airsoft-Produkten war angedacht. So flogen Christoph Neuwirth und Dominik Knoll zu einer Airsoft-Messe nach Taiwan, um mögliche Hersteller kennenzulernen und ein eigenes Business zu gründen.

Nach der Messe mietete sich das Gründer-Duo in einer Fabrik in Taiwan ein, um bestehende Airsoft-Produkte zu verbessern, und entwickelte sie nach den Anforderungen der europäischen Community weiter. Durch ihre technische Versiertheit konnten die beiden Produzenten von einer Zusammenarbeit überzeugen. Schließlich orderte man die ersten 100 Stück Airsoft Guns (SSG24), die sich “wie die warmen Semmeln” verkauften, wie die Gründer erzählen.

Nach einer halben Stunde abgestürzt

30 Minuten nachdem die eigens entwickelte Website online ging, stürzte die Seite aufgrund von Überlastung ab. Zu viele Zugriffe wurden verzeichnet und innerhalb kürzester Zeit waren sämtliche Guns ausverkauft. Die Anfragen wurden zwar immer mehr, die eingehenden Probleme jedoch auch.

Produktions-Partner waren von dem Ordervolumen überfordert, man nahm Bestellungen entgegen, ohne Ware zu haben und versuchte die Kunden bis zu sechs Monate bei Laune zu halten, was kein leichtes Unterfangen war. Doch irgendwie klappte es.

PayPal sperrt Konto

Mit 50.000 Euro Startkapital (Eigenmittel) gründeten Neuwirth und Knoll 2017 die Firma Novritsch Trading GmbH. Und zwar in einer WG-Wohnung im 2. Wiener Gemeindebezirk. Die Kinder-Lego-Lade fungierte als Lagersystem, mit dem Motorrad fuhr man zur Post, um Pakete einzeln zu verschicken. Doch dann begannen die eigentlichen Schwierigkeiten.

Das Bankkonto wurde dem kleinen Airsoft-Gun-Produzenten sofort gesperrt. Der Versanddienstleister verweigerte die Aufnahme und Weiterleitung von Paketen, da für Spielzeug-Waffen Sonderverträge ausgehandelt werden mussten. Der Zahldienst PayPal fror nach kurzer Zeit das Konto ein, weil zu große Summen bewegt und zu viele Transaktionen verbucht wurden.

Weitere Erschwernisse in der Produktion kamen hinzu, die Fabrik machte Stress, da aufgrund des eingefrorenen Kontos nicht bezahlt werden konnte und Produkte waren teilweise fehlerhaft. Hinzu kam noch eine sechsmonatige Verzögerung, da der Zoll in Hamburg die Airsoft-Guns für echte Waffen hielt – und Novritsch wurde wegen “Waffenhandel und Bandenkriminalität” angeklagt.

Glass Cliff bei Novritsch

Kurz gesagt: Die Eintrittsbarrieren waren ziemlich hoch und bei Novritsch manifestierte sich als Lösungsansatz das Phänomen “Glass Cliff”. Dabei handelt es sich um eine Erkenntnis, die Michelle Ryan und Alex Haslam von der University of Exeter herausgefunden haben. Darin geht es darum, dass Frauen oft erst in Führungspositionen kommen, wenn Organisationen oder Staaten in der Krise sind. Die Forschung würde zeigen, dass Männer bevorzugt werden, wenn alles gut läuft, während Frauen häufiger gewählt werden, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten steckt.

Konkret wurde in den Experimenten herausgefunden, dass Männer in guten Zeiten bevorzugt werden, weil es keinen Druck gibt, das typische Muster zu ändern. In einer Krise jedoch würden Menschen auf stereotype weibliche Eigenschaften wie Kommunikationsfähigkeit und Einfühlungsvermögen zurückgreifen.

In Claudia Neuwirths Fall traten die beiden Founder Anfang 2018 mit ihr in Kontakt. Ihr Bruder und Dominik Knoll wussten, dass sie Wirtschaft (Master in International Business und Exportmanagement) studiert, und dachten sich, sie könne deshalb die Probleme lösen.

“Ich war dann im Jänner im Büro, was eigentlich nur ein Schlafzimmer war und beide haben mir von ihren Problemen erzählt”, erinnert sich Neuwirth. “Es waren acht an der Zahl, die der Firma das Genick hätten brechen können. So haben beide zu mir gesagt: ‘Wir wollen eine coole Website machen und Produkte entwickeln, kannst du Geschäftsführerin werden und den Rest machen?’ Ich habe dann eine Nacht darüber geschlafen, denn ich hatte einen Job beim Maschinenbaukonzern Palfinger. Da ich aber immer schon gerne geführt und gestaltet habe, habe ich bei Novritsch meine Gelegenheit gesehen.”

Die Arbeit begann: Cash-Flow und Konto-Rettung

So kam Neuwirth und löste eine Hürde nach der anderen auf. Zuerst sicherte sie den Cash-Flow, denn wie erwähnt wurde das firmeneigene Paypall-Konto durch die plötzliche Aktivierung des Sicherheitsmechanismus gesperrt.

“Wenn man von 100 Euro Umsatz auf plötzlich 200.000 Euro steigt, dann sperren sie und verlangen Liefernachweise”, erklärt die CEO. “Allerdings wenn man mit Pre-Order arbeitet, hat man keine Liefernachweise. Zudem wurde unser Bankkonto gesperrt, weil unsere Produkte es zwar nicht sind, aber dennoch gefährlich aussehen. Gelöst habe ich das ganze durch mein gutes Netzwerk.”

Seit jeher konzentrieren sich “die Burschen” auf ihre Lieblingsbereiche. Dominik Knolls Metier ist der Online-Shop und Christoph kümmert sich um die Produktentwicklung. Der Rest, von Finanzen über Recht und Steuern, Customer Care, Buchhaltung, Einkauf, Logistik und Marketing ist Chefinnen-Sache.

Für Claudia Neuwirth war alles ein “learning by doing”, wie sie sagt: “Die ganze Welt kaufte bei uns ein, und wir nahmen Aufträge an, ohne viel Vorwissen über die rechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Länder zu haben. Noch dazu ohne richtige Buchhaltung oder Steuerberater, da wir von sämtlichen Steuerberatungskanzleien (u.a. Big Four) abgewimmelt wurden und niemand an uns glaubte. Bis sich Peter Draxler (damals PwC Senior-Manager) rückmeldete und sich für uns entschied – ich werde ihm ewig dafür dankbar sein.”

Damals folgten viele schlaflose Nächte, da ausgelieferte Produkte nicht funktionierten und man den Grund anfangs nicht fand. Aufgrund der hohen Nachfrage und des rasanten Wachstums gab es zudem Schwierigkeiten gute Mitarbeiter:innen – vor allem Entwickler:innen – zu finden.

International rekrutiert

“Deswegen haben wir angefangen international zu rekrutieren. Das bedeutete wiederum, sich mit der ‘Rot-Weiß-Rot’-Karte und vielen weiteren behördlichen und bürokratischen Themen auseinander zu setzen. Ein ständiger Lernprozess. Wir haben mittlerweile ‘Novritsch-Airsoftexperts’ aus Südafrika, den USA, Australien u.v.m. angestellt, sodass wir vom anfänglichen oberösterreichischen Dialekt zu English als Firmensprache geswitcht haben”, sagt Neuwirth.

Offiziell verfügt Novritsch nun über drei Geschäftsfüher:innen, die jede:r einen eigenen Bereich verantworten. Die Firma, die mittlerweile über 85 (70 In Österreich, der Rest global aufgeteilt) Mitarbeitende verfügt, wurde am Anfang “von allen Seiten” gewarnt, dass eine Triple-Führung nicht gut gehen könne.

“Bei uns jedoch funktioniert das als Dreier-Spitze”, sagt Neuwirth. “Wir sitzen jeden Tag zusammen und ich kann mir nicht vorstellen, wie man nur auf einen Geschäftsführer setzen kann, der sich um alles kümmert.”

Neuwirth als “stille Heldin” des E-Commerce-Unternehmens ist stolz darauf, dass es Novritsch mit purem Eigenkapital und ohne Investoren geschafft hat. Als klassisches Startup würde sie das ursprüngliche Family-Business, das zu einem Multi-Millionen-Unternehmen wurde, nicht bezeichnen. Sie sei an sich kein Fan der Startup-Szene, vielmehr sei der Begriff für sie mit viel Wachstum, aber keinen schwarzen Zahlen konnotiert.

“Novritsch nie ein Startup”

“Wir waren nie ein Startup. Wir waren immer schon eine ‘richtige Firma’, haben uns über die Jahre etabliert und wachsen stetig weiter”, erklärt sie. Mittlerweile gibt es kaum ein Land in der Welt, in das noch nicht geliefert wurde. Von anfänglich zehn Produkten steigerte man das Sortiment auf über 3.000 Komponenten, darunter auch Airsoft-Fashion.

Auf ihr Team ist Claudia Neuwirth mehr als stolz und zieht als passionierte Imkerin gerne den Business-Vergleich mit dem Bienenstock: “Ein Bienenstock ist demokratisch. Es gibt eine Königin, aber diese ist keine Alleinherrscherin. Im Endeffekt bestimmen die Arbeiter:innen über die Geschehnisse im Stock. Es funktioniert nur miteinander.”

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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