03.03.2016

Konzerne wagen sich an Holacracy heran

Die neuartige Organisationsform Holacracy erweckt zunehmend das Interesse von multinationalen Konzernen. Laut HolacracyOne, dem führenden Beratungsunternehmen rund um das Konzept, bereiten mehrere große Player mit bis zu 100.000 Mitarbeitern Pilotprojekte mit Holacracy vor. Bisher setzen vor allem Unternehmen aus der Tech-Sphäre auf das vieldiskutierte System.
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Holacracy ist eine Abkehr vom klassischen Management-Stil - beeboys Fotolia.com

Holacracy ist eine neue Art der Unternehmensorganisation, die auf klassische Hierarchien verzichtet und Macht sowie Verantwortung auf alle Mitarbeiter verteilt. Das System der “Selbst-Organisation” wurde von dem Entrepreneur und Softwareentwickler Brian Robertson in den USA entwickelt und basiert auf einer eigenen Verfassung mit fünf Artikeln.

+++ Auch interessant: Was Startups von Organisations-Profis lernen können +++

Konzept Holacracy breitet sich in Konzernen aus

Das von Brian im Jahr 2007 mitgegründete Unternehmen HolacracyOne hat das Konzept bekannt gemacht und begleitet andere Firmen bei der Implementierung. Rund 300 Unternehmen verwenden derzeit Holacracy. Das bisher größte Projekt im Sinne einer firmenübergreifenden Einführung erfolgte beim amerikanischen Online-Schuhhändler Zappos, der zu Amazon.com gehört und mehr als 1500 Mitarbeiter hat. Im deutschsprachigen Raum setzt etwa das im Vienna Impact Hub ansässige Beratungsunternehmen Dwarfs and Giants auf die Verbreitung von Holacracy. Zur Anwendung kommt es unter anderem beim Schweizer FinTech-Startup Financefox, dessen Co-Gründer Julian Teicke mit der Holacracy stark wachsen will.

+++ Zum Thema: Financefox: Millionen-Investment und Österreichstart +++

Die Konzernwelt hat dem Thema bisher kaum Beachtung geschenkt. Das könnte sich nun ändern: Laut Olivier Compagne, Partner bei HolacracyOne in Las Vegas, arbeiten mehrere international tätige Unternehmen, eines davon mit über 100.000 Mitarbeitern, an Holacracy-Pilotprojekten. „Wir sehen jetzt, dass uns wirklich große Unternehmen kontaktieren und Interesse an Holacracy zeigen“, sagt Olivier in einem Skype-Gespräch zum Brutkasten. Das würde nicht heißen, dass die Konzerne planen, komplett auf das neuartige Modell umzustellen – es gehe um begrenzte Projekte innerhalb von bestimmten Teams oder Abteilungen. „Es ist eine gute Idee, das so zu tun“, so Olivier. Um welche Unternehmen es sich dabei konkret handelt wollte der Berater nicht sagen.

„Wir sehen jetzt, dass uns wirklich große Unternehmen kontaktieren und Interesse an Holacracy zeigen“

Hoher Aufwand für Implementierung

Olivier verweist darauf, dass die Implementierung von Holacracy mit hohem zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden ist: „Es ist ein großes Investment.“ Das eine komplette Umstellung nicht reibungslos abläuft, beweist das Beispiel von Zappos, das auf dem Weg rund 260 Mitarbeiter verloren hat, die ein Ausstiegspaket in Anspruch genommen haben. Für viele Startups im Anfangsstadium würde Holacracy daher nicht in Frage gekommen, weil sie zu sehr vom Fokus auf Wachstum in Anspruch genommen würden, so Olivier. „Early-stage Startups konzentrieren sich auf ihre Produkte und haben meistens wenig Geld. Typischerweise wollen diese Startups nicht in so etwas wie Holacracy investieren“, sagt der Berater.

Tipps für Startups

Für frische Startups würde es laut Olivier aber Sinn machen, zumindest bestimmte Elemente des Systems einzuführen – auch wenn dadurch der Gesamtnutzen nicht ersichtlich werde. Gut eignen würden sich etwa die Neugestaltung von Meetings und die Definition von Rollen nach dem Holacracy-Prinzip. Demnach wird bei Meetings eine Art Schiedsrichter hinzugezogen, der die Aufgabe hat, den Prozess am Laufen zu halten – so wie der Unparteiische am Fußballplatz, erklärt Olivier. Klar definierte und vor allem wandelbare Rollen, die mit den Aufgaben von Mitarbeitern mitwachsen, sollen dazu beitragen, die Kommunikation und die Effizienz zu steigern. Diese Schritte könnten auch schon sehr kleine Unternehmen umsetzen, so Olivier.

„Startups würden sicher davon profitieren, wenn sie Holacracy schon früher als später einführen, weil es viel einfacher ist, die Management-Struktur zu ändern so lange man sehr klein ist“, sagt der Partner bei HolacracyOne. „Wenn es mein Unternehmen wäre, würde ich schon ab drei Mitarbeitern damit beginnen. Drei Leute bringen bereits sehr hohe Komplexität.“

+++ Zum Weiterlesen: „Schlechte Organisation erhöht das Risiko zu Scheitern“ +++

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Die Totoy-Co-Founder Francis Rafal, Simon Hoffmann, Marcel Koller, Michael Perger, Benedikt Hielscher (c) Totoy GmbH

Seit dem fünften Jänner 2024 steht sie im Firmenbuch, bereits vor über einem Jahr schrieb sie Schlagzeilen: Die KI-Übersetzungs-App Totoy.

Schon etwas früher, nämlich im September 2023 und damit gerade richtig zum Schulstart, launchte das fünfköpfige Gründerteam rund um Mitgründer und CEO Francis Rafal eine App, die Dokumente wie Behörden-, Arzt- oder Elternbriefe in 95 Sprachen übersetzen und anschließend erklären sowie Rückfragen beantworten kann.

Gezielt Behörden adressieren

Vor gut zwei Monaten erreichten uns weitere News rund um das Wiener KI-Startup: Totoy holte sich eine halbe Million Euro in einer Pre-Seed-Runde. Beteiligt waren Angels United sowie die Business Angels Martin Schliefnig und Michael Grabner.

Mit dem frischen Kapital wollte Totoy seine KI-Lösung weiterentwickeln: Mit einer neuen Programmierschnittstelle könne man seither gezielt Unternehmen und Behörden adressieren, heißt es vom Startup.

Davon machte man bereits Gebrauch, wie Gründer Rafal am Donnerstag auf LinkedIn preisgab: Totoy schaffte es, seine KI-Lösung “direkt bei den Behörden zu integrieren.” Konkret gewann man die österreichische Gemeinde-Plattform Gem2Go, ein Produkt der RiS GmbH, als Partner. Gem2Go dient als “Gemeinde-Info und -Service” bzw. als “Bürgerservice-App” und ist kostenlos downloadbar. Auf der App werden Informationen “beinahe aller Gemeinden Österreichs” vereint.

Schritt für “mehr Barrierefreiheit in der digitalen Verwaltung”

Wie Totoy-Co-Founder Rafal auf LinkedIn schreibt, nutzen bereits “die ersten 32 Gemeinden” seit einigen Wochen “den neuen GEM2GO Copilot”. Dieser erklärt Amtstafel-Dokumente mithilfe der Totoy API für Bürger:innen “mehrsprachig” und “in einfacher Sprache”. Auf dieselbe Weise beantworte der Copilot Fragen zur Gemeinde.

Amtsdokumente können damit – dank der Integration von Totoy – in 19 Sprachen übersetzt werden. Die Lösung sei kostenfrei in der Gem2Go-App nutzbar. Das Startup sieht darin einen “wichtigen Schritt für mehr Barrierefreiheit in der digitalen Verwaltung”.

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