17.05.2021

“Höhle der Löwen”: Österreichische Gründerin bricht in Tränen aus

In dieser Folge der "Höhle der Löwen" ging es um eine Anti-Migräne-Maske, ein Rad-Cockpit und Naturkosmetik aus Kaffeesatz. Zudem spielte ein österreichisches Startup musikalisch auf, vergoss dann aber Tränen.
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Marschpat, Höhle der Löwen
TVNOW / Frank W. Hempel - Markus Wenzl (l.), Patrick Rupprecht und Carina Eigner aus Österreich durften den Löwen ihr digitales Marschkapellenbuch Marschpat vorstellen.
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Der erste in der “Höhle der Löwen” – die es online auf TVNOW und immer montags um 20.15 Uhr bei VOX zu sehen gibt – war Fabian Karau. Er hat mit mysleepmask eine Lösung gegen Migräne entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Schlafmaske, Ohrenstöpsel und Gelpads. Sie ist zu 100 Prozent blickdicht, besteht aus weichem Bio-Jersey. Durch die kopfumfassende Passform soll es kein Verrutschen geben und die Schaumstoffpolster an den Ohren sind dazu gedacht, das Herausfallen der Ohrstöpsel zu verhindern. Die integrierten Taschen im Nacken und der Stirn sind für die Gelpads, die je nach Bedarf kühlen oder wärmen. Mit der Unterstützung der Löwen möchte Fabian vielen Leidensgenossen weltweit einen besseren Schlaf ermöglichen und das Leben erleichtern. Sein Angebot lautete: 100.000 Euro für 20 Prozent der Firmenanteile.

Beste Maske?

Nach der Vorstellung des Produkts probierte so mancher Löwe die Maske aus. Medien-Profi Georg Kofler etwa gab zu, dass er regelmäßig Schlafmasken benutzt, weil er oft aufwache, wenn es hell wird. Er bezeichnete die mysleepmask als die beste, die er je gehabt hätte. Er wollte die verschiedenen Versionen zwar nach der Sendung dem Gründer abkaufen, aber zweifelte daran, dass es ein Massengeschäft werden könnte.

Fehlende Studien

Multi-Investor Carsten Maschmeyer arbeitete gemeinsam mit LEH-Experten Ralf Dümmel heraus, dass der Gründer sein Produkt aus medizinischen Gründen nicht als Anti-Migräne-Maske bezeichnen dürfe. Studien würden fehlen. Ersterer stieg aus. Familien-Investorin Dagmar Wöhrl wusste, dass der Bedarf an Schlafmasken ein sehr hoher sei. Sie wollte nicht investieren, aber ebenso wie Kofler Kundin werden. Zwischenzeitlich trafen sich Formel 1-Weltmeister Nico Rosberg und Dümmel zur Beratung.

Höhle der Löwen, mysleepmask
(c) TVNOW / Bernd-Michael Maurer – Die Investoren Georg Kofler (l.) und Nico Rosberg unterzogen der Schlafmaske für Migränepatienten von mysleepmask direkt einem Praxistest.

Der ehemalige Rennfahrer lobte die Maske, meinte aber, dass die Markenpositionierung noch geschärft werden müsste. Dümmel warf indes ein, dass der Gründer viel “Power” hinter sich brauche. Er und Rosberg würde ihm in den verschiedensten Bereichen helfen können. Das Angebot: 100.000 Euro für satte 40 Prozent. Der Gründer fragte nach einer Aussicht auf “working capital”, was Dümmel schnell bejahte. Deal für mysleepmask.

Rad-Cockpit in der “Höhle der Löwen”

Die nächsten in der “Höhle der Löwen” waren die Brüder Khesrau und Sohrab Noorzaie. Sie haben SMINNO gegründet und möchten den Komfort aus dem Auto auf das Zweirad bringen. “Wir haben das erste sprachgesteuerte Cockpit-System und die Freisprechanlage für Zweiräder auf den Markt gebracht. Das Cockpit-System besteht aus einer App und einer patentierten Smartphone-Halterung. Damit haben Fahrer Komfort und vor allem Sicherheit”, erklärten sie den Löwen. Die entwickelte und patentierte Halterung lässt sich am Fahrrad installieren und durch die spezielle Form sowie Materialien sollen Störgeräusche minimiert und die Lautsprecher des Handys verstärkt werden. Die dazugehörige sprachgesteuerte App bündelt Navigation, Musik, Tacho und Tracking auf einem Screen. Um sich am Markt etablieren zu können, benötigten die Brüder 500.000 Euro und boten15 Prozent ihrer Firmenanteile an.

SMINNO
(c) TVNOW / Bernd-Michael Maurer – Sohrab (l.) und Khesrau Noorzaie aus Kassel haben mit SMINNO ein Cockpitsystem plus App für Zweiräder entwickelt.

Judith Williams ließe es sich nach der Präsentation nicht nehmen aus dem Studio hinauszugehen und selbst ein paar Runden zu drehen. Sie zeigte sich begeistert, wie hoch die Klangqualität mit SMINNO sei. Dies hatte einen positiven Effekt auf den Rest der Löwen, die dann erfuhren, dass das Gerät der Brüder für knapp 60 Euro verkauft wird, Jahreslizenz für die App inkludiert. Danach koste die Software pro Monat vier Euro oder 24 Euro für jedes weitere Jahr.

Fördert SMINNO die Ablenkung?

Für Kofler war die Erfindung eine, die Radfahrer zu sehr ablenken und zu mehr Telefonieren animieren würde. Er stieg aus. Williams hingegen, die die Gründer großartig fand, bedauerte, dass die Tech-Branche nicht ihr Bereich wäre. Nach dieser Absage störte sich Maschmeyer an der Firmenbewertung aufgrund des geringen Umsatzes von 70.000 Euro im Vorjahr. Ähnlich dachte Glagau und folgte als nächster ohne Angebot. Auch Dümmel sah sich als letzter Löwe nicht im App-Bereich beheimatet. Trotz positiver Grundstimmung kein Deal für SMINNO.

Kosmetik aus Kaffeesatz

Kaffee ist das beliebteste Getränk in Deutschland. Der entstandene Kaffeesatz gehört für viele in den Müll, aber nicht für den dritten in der “Höhle der Löwen” Julian Köster. Für sein Startup mellow NOIR extrahiert der Chemieingenieur aus dem Kaffeesatz das Kaffeeöl und stellt daraus eine Naturkosmetik-Linie zur Hautpflege her. Sein Produkt versorge die Haut mit wichtigen Fetten und soll die Kollagenproduktion anregen, die Haut bei der schnellen Regeneration unterstützen und oxidativen Stress mildern. Alles ist vegan, tierversuchsfrei, fair produziert und in Glas und Papier verpackt. Darüber hinaus wird pro verkauftem Produkt ein neuer Baum zur Aufforstung zerstörter Wälder gespendet. 100.000 Euro für 20 Prozent lautete sein Angebot an die Löwen.

mellow NOIR, Höhle der Löwen
(c) TVNOW / Bernd-Michael Maurer – Julian Köster nutzt für seine Naturkosmetik von mellow NOIR” Kaffeeöl.

Das Startup vertreibt einen Facial Moisturiser als Tages- und Nachtfluid mit Ectoin, niedermolekularer Hyaluronsäure und Vitamin E, einen Concentrated Booster mit straffendem Hyaluron Serum und Kirschblütenextrakt. Und ein Vitamin C-Serum gegen frühzeitige Hautalterung mit 1.5 Prozent natürlichem Vitamin C aus Acerola und Shea Butter. So soll die Haut 24 Stunden gepflegt werden können, straffer wirken und weniger trocken sein.

Nach dem Pitch hieß es Händeschmieren und Schnuppern für die Löwen, die sich im Laufe des Gesprächs immer interessierter an der Idee des Gründers zeigten und auch angenehm empfanden, wie konservativ Köster seine Umsatzplanung anlege (467.000 Euro im dritten Jahr). Glagau war der erste der ging, es sei nicht sein Bereich. Wöhrl hatte sich danach entschlossen schweren Herzens kein Angebot zu machen, auch sie wäre die falsche Partnerin.

Zwei Angebote und Fingerspitzengefühl

Williams lobte anschließend mellow NOIR als das beste Kosmetikprodukt seit Showbeginn. Auch Kofler fand daran gefallen. Er bot 100.000 Euro für 30 Prozent Anteile. Dümmel fand den Ansatz “Nachhaltigkeit” toll und meinte, er würde den Gründer in die Kaufhäuser bringen. Er “matchte” Koflers Angebot.

Danach widersprach Williams Dümmel. Kosmetik sei ein Fingerspitzengefühl-Geschäft. Sie empfände es gefährlich flächendeckend mit dem Produkt hinauszugehen. Man müsse an der Brand und Glaubwürdigkeit arbeiten. Es gehe um Storytelling. Sie bot 100.000 Euro für 35 Prozent. Köster nahm die Dame der Runde mit ins Boot. Deal für mellow NOIR.

Ein Sauerstoffverdränger in der “Höhle der Löwen”

Weinhändler und Erfinder Hubert Koch war der nächste in der “Höhle der Löwen”. Er hat jahrelang nach einer Lösung gesucht und nun ein Produkt entwickelt, mit dem man den Sauerstoff aus der Weinflasche verdrängt und dadurch der Wein länger haltbar bleiben soll. Die Winemaster Bottle besteht im Wesentlichen aus diesen Komponenten: Einer Glasflasche, einem verschiebbaren Flaschenboden und einem Ventilverschluss. Der angebrochene Wein wird einfach in den Winemaster umgefüllt und der Flaschenboden nach oben gedrückt, sodass der Sauerstoff durch den Ventilverschluss entweichen kann. So soll man den Wein deutlich länger genießen können. Um mit seiner Idee Erfolg zu haben und im Handel gelistet zu werden, benötigte Hubert Koch 100.000 Euro und wollte dafür 30 Prozent seiner Firmenanteile abgeben.

Winemaster
(c) TVNOW / Bernd-Michael Maurer – Hubert Koch will mit seiner Winemaster Bottle Weine länger frisch halten.

Durch einen verschiebbaren Flaschenboden und ein Ventil im Verschluss kann der Sauerstoff aus der Flasche herausgedrückt und vom Wein separiert werden. Dafür muss lediglich das Ventil herunter- und der Flaschenboden nach oben gedrückt werden. So nimmt der Wein und nicht Luft den Großteil des Flascheninneren ein, der Rebensaft kommt weniger in Berührung mit Sauerstoff und oxidiert weniger stark. Damit soll der Trunk nicht mehr nur kurz, sondern gegenüber vielen anderen Systemen deutlich länger haltbar gemacht werden können.

Ein Angebotsregen in der “Höhle der Löwen”

Der Gründer hat eine “erste Initialmenge” von 200.000 Stück des Winemaster bestellt und bezeichnete sich beim Vertrieb als “völlig talentfrei”. Williams verabschiedete sich als erste, sie wolle sich nicht mit Weinen beschäftigen. Glagau und Wöhrl, die sich besprochen hatten, boten 100.000 Euro für 30 Prozent. Auch Dümmel hatte angebissen, nannte das Produkt zwar erklärungsbedürftig, wollte aber ebenfalls mit 100.000 Euro für 30 Prozent Beteiligung einsteigen. Kofler, der zugab, anfangs skeptisch gewesen zu sein, reihte sich ein und machte das gleiche Angebot. Koch entschied sich für Ralf Dümmel. Deal für Winemaster.

Startup aus Österreich

Die letzten Gäste in der “Höhle der Löwen” kamen aus Österreich und sorgten für eine Premiere: Eine echte Marschkapelle spielte auf. Die Gründer Patrick Rupprecht, Carina Eigner und Markus Wenzl von Marschpat aus Niederösterreich präsentierten den Investoren ihr digitales Notenbuch. “Wir digitalisieren und revolutionieren die Blasmusik und holen diese endlich ins 21. Jahrhundert”, erklärte Eigner, während Rupprecht, Initiator von Marschpat, ergänzte: “Das digitale Notenbuch kann noch viel, viel mehr. Mit dazugehöriger Vereins- und Notenverwaltung erleichtern wir das Musizieren, Marschieren und Organisieren erheblich.”

Marschpat digitalisiert Noten

Schwere Notenbücher, für jedes Instrument einzeln kopierte oder im Internet mühsam zusammengesuchte Notenblätter sollen nun der Vergangenheit angehören. Marschpat bietet Blasmusikern die Möglichkeit Noten von bekannten Verlegern und Komponisten digital anzuzeigen und zu managen. Kapellen und Blasmusikvereine können darüber hinaus ihre Mitglieder, Auftritte und Proben mit Marschpat organisieren. Mit einem Investment von 300.000 Euro wollte das Trio die Entwicklung von neuen Features beschleunigen und die Vertriebsmaßnahmen intensivieren. Im Gegenzug boten sie 20 Prozent ihrer Firmenanteile an.

(c) TVNOW / Bernd-Michael Maurer – Markus Wenzl (l.), Patrick Rupprecht und Carina Eigner aus Österreich stellten ihr Marschkapellenbuch “Marschpat” vor.

Die Noten der jeweiligen Lieder lassen sich über das Marschpat für das passende Instrument auswählen. Auch Events können erstellt werden, bei dem nicht nur die einzelnen Notenstücke sichtbar sind, sondern auch die Namen der Musiker und Musikerinnen angezeigt werden. Nach dem Pitch wollte Williams wissen, warum der Marschpat besser als der Kindle oder das iPad sei, bei dieser Konkurrenz bräuchte man es doch nicht. Die Gründer argumentierten, mit der Anti-Spiegelfunktion und damit, dass ihr Gerät wasserfest, stoßfester und leichter als das Apple-Produkt sei.

Saas-Modell

Den Marschpat gibt es in verschiedenen Größen und Versionen für daheim und fürs Orchester. Das Kernprodukt ist die Software, das Startup arbeitet aber mit einem SaaS-Modell, das 17,90 Euro pro Monat kostet. Beim Abo werden die Noten zur Verfügung gestellt und die Software laufend aktualisiert. Für Vereine gibt es die extra die Möglichkeit auf ein günstigeres Vereins-Abo-Modell zurückzugreifen.

Als die Gründer ein Beispiel brachten, indem ein Blasmusikverein in diesem Modell 23 Euro im Monat für alle Musiker zahlen müsste, die Privatperson aber 17.90 Euro, sorgte das für leichte Verwirrung unter den Löwen. Glagau merkte an, dass es dann von Kundenseite schlauer wäre, sich zusammenzutun und einen Verein zu gründen. Aufgeklärt wurde das Ganze dann von Eigner, die erzählte, dass man einmalig 100 Euro Anschaffungskosten fürs Gerät zahlen würde, exklusive des Abo-Preises für die Software.

Verhandlungen mit Verlegern am Laufen

Glagau verstand dennoch das Geschäftsmodell nicht und stieg aus. Das bisher umsatzlose Startup wies sich dann als “early stage” aus, da man noch (zum Zeitpunkt der Aufzeichnung) mit Verlegern über Musik-Lizenzen verhandele. Williams kannte die Szene aus ihrem Musikstudium etwas, nannte die Verleger mühsam und stieg aus. Danach ergriff Eigner emotionalisiert das Wort und erzählte von ihrem bisherigen Weg. Sie kämpfte mit feuchten Augen, was von den Investoren honoriert wurde, aber nicht verhinderte, dass Dümmel als nächster ging.

Harte Kritik von Kofler

Danach griff Maschmeyer den hohen Unternehmenswert auf. Die Gründer erklärten, dass die Web-App und Software fertig seien und viel Arbeit drin stecke. Zudem beinhalte der Business-Plan einen zukünftigen Umsatz von zwei Millionen Euro. Maschmeyer zweifelte daran und meinte, die Firma sei noch keine 1,5 Millionen Euro wert. Auch er ging ohne Angebot. Kofler meinte abschließend, dass die unternehmerische Gesamtkompetenz des Teams ihn nicht gänzlich überzeugte. Nicht Eigner, aber beide Herren müssten da etwas nachlegen, vor allem was die Beantwortung der Fragen beträfe. Der Südtiroler hätte sich gewünscht, dass die geforderte Summe nicht bei 300.000 Euro, sondern bei 50.000 Euro gelegen hätte, weil sie so früh dran wären. Dann hätte er Lust gehabt einzusteigen. Maschmeyer und Williams erwiesen sich nachher bei traurigen Gründern und einer tränenerfüllten Gründerin als tröstende Löwen und wünschten den Niederösterreichern viel Erfolg. Dennoch, kein Deal für Marschpat.

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Markus Lang im Rahmen der invest.austria conference | brutkasten / martin pacher

Die Forderung nach einem Dachfonds besteht in Österreich seit längerer Zeit. Während in anderen europäischen Ländern vergleichbare Fondsmodelle bereits etabliert wurden, fehlt es in Österreich bislang an einer solchen Struktur. Ein Dachfonds funktioniert als Fund-of-Funds, bei dem das Kapital in verschiedene Venture-Capital-Fonds investiert wird, die wiederum gezielt in heimische Startups und Technologieunternehmen investieren.

Hierzulande setzt sich invest.austria im Rahmen ihrer Vision 2030 für die Schaffung eines Dachfonds ein, um den Kapitalzugang für Startups und etablierte Unternehmen zu verbessern. Auch bei der jüngsten invest.austria-conference am vergangen Mittwoch in Wien stand dieses Thema im Zentrum der Diskussion (brutkasten berichtete).

Im Interview mit Markus Lang, Partner bei Speedinvest und Board Member von invest.austria, sprachen wir über eine mögliche Ausgestaltung eines solchen Fondsmodells und die potenziellen Auswirkungen auf das österreichische Innovationsökosystem.


brutkasten: Warum brauchen wir aus deiner Sicht einen Dachfonds in Österreich?

Markus Lang: Ein erfolgreiches Ökosystem braucht zwei Dinge: Kapital und Talent. Während Österreich zweifelsfrei über viel Talent verfügt, gibt es im Bereich Kapital noch deutlichen Aufholbedarf, insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und globalen Märkten. Ein Dachfonds würde institutionelle Investoren verstärkt motivieren, in Venture Capital und Private Equity zu investieren, und so mehr Kapital, das in heimische Unternehmen fließt, freisetzen. Unser zukünftiger Wohlstand wird entscheidend davon abhängen, ob wir Hightech in Österreich ausreichend finanzieren können. Dazu zählen nicht nur Startups, sondern auch etablierte Unternehmen. Ein bewährtes Mittel, wie wir im europäischen Vergleich sehen, sind diese Dachfonds-Konzepte (Fund-of-Funds). Mit staatlicher Unterstützung setzen sie einen Stimulus, damit in weiterer Folge privates Kapital in den Markt fließen kann.

Du sprichst den staatlichen Support an. Wie müsste dieser deiner Meinung nach erfolgen? 

Für mich ist entscheidend, dass ein Management-Team vorhanden ist, das nach wirtschaftlichen Kriterien weitgehend frei agieren kann. Wichtig ist, dass das Fundmanagement die Entscheidungen so treffen kann, wie institutionelle Anleger es erwarten, und dass die öffentliche Einflussnahme minimal bleibt.

Eine Möglichkeit wäre ein finanzielles Commitment der öffentlichen Hand, um diesen Fonds zu ankern, ohne ihn allein zu tragen. Ebenso wichtig wäre ein Setup, das einerseits die Interessen der Steuerzahler wahrt, andererseits aber attraktiv genug ist, um institutionelle Anleger und Fondsmanager anzuziehen. Es gibt in Europa zahlreiche erfolgreiche Beispiele – mit dem nötigen Willen und etwas Rücksicht auf österreichische Besonderheiten ließe sich so ein Modell auch hier umsetzen. Aber dafür braucht es Mut – und die Infrastruktur, also der institutionelle Rahmen, muss jedenfalls von der öffentlichen Hand gesetzt werden.

Aktuell wird sehr viel darüber diskutiert, wo dieser Dachfonds am besten angesiedelt werden soll. Unter anderem wird dabei die Austria Wirtschaftsservice (aws) ins Spiel gebracht. Wie siehst du das?

Das österreichische Startup-Ökosystem wäre nicht dort, wo es heute ist, ohne die Austria Wirtschaftsservice (aws). Sie ist zweifellos einer der wichtigsten Unterstützer für Startups in Österreich. Für mich ist es essenziell, dass das Fondsmanagement nach marktwirtschaftlichen Kriterien entscheidet. Entscheidend ist schlussendlich, dass man hier mit dem Mindset eines Fund-of-Fund-Managers herangeht und nicht wie eine Förderbank agiert. Wenn dieses Mindset und die nötige Handlungsfreiheit in der aws, der ÖBAG oder einer neuen Entity gegeben sind, dann ist der Standort egal – Hauptsache, es wird professionell und marktnah geführt.

Wie viel staatliche Einflussnahme kann ein Dachfonds vertragen?  

Eine perfekte Lösung, bei der der Staat involviert ist, aber keinerlei Einfluss nimmt, ist unrealistisch. Es ist nicht ehrlich, staatliche Unterstützung zu fordern und zugleich vollständige Unabhängigkeit zu erwarten. Ich glaube jedoch fest an ein Modell, in dem Staat und private Investoren in einer Public-Private-Partnership zusammenarbeiten, da es auf vielen Ebenen sinnvoll ist. Der Staat stellt den institutionellen Rahmen und aus meiner Sicht auch ein Ankerticket für den Dachfonds, die Mehrheit des Kapitals kommt jedoch von privaten Investoren. Wenn man ein solches Projekt richtig aufsetzt, hat es nicht nur nachhaltig positiven Einfluss auf das Tech-Ökosystem in Österreich, sondern verdient der Republik auch gutes Geld. Hierfür gibt es international unzählige Beispiele auch aus anderen kleineren europäischen Ländern wie Portugal oder den baltischen Staaten.

Was das Management angeht, ist weniger entscheidend, wo der Fonds angesiedelt ist, sondern wer ihn führt. Entscheidend ist, dass erfahrene Personen aus dem privaten oder halböffentlichen Fundmanagement das Mandat und die Freiheit haben, ihre hohen Standards zu halten, ohne in einen starren regulatorischen Rahmen zu agieren, der die Flexibilität des Fonds einschränkt.

Der European Investment Fund (EIF) ist ein hervorragendes Beispiel: Er verwaltet öffentliches Geld, hat aber unter institutionellen Anlegern einen hervorragenden Ruf und gilt als Qualitätsindikator. Bei Speedinvest haben wir erlebt, wie der Prozess mit dem EIF als Gütesiegel bei privaten Anlegern wirkt – auch wenn er manchmal langwierig ist. Diese Mischung aus öffentlichem Engagement und privatem Qualitätsanspruch ist entscheidend für den Erfolg eines solchen Fonds.

Die Grundintention eines Dachfonds in Österreich sollte die Stärkung des heimischen Startup-Ökosystems sein. Ein zu starker nationalstaatlicher Fokus könnte jedoch die Attraktivität für Investoren mindern, oder? 

Es gibt verschiedene Modelle, die die Balance finden müssen zwischen der Freiheit, die ein privater Fundmanager braucht, und den Anforderungen, die mit der Investition von staatlichen Geldern verbunden sind. Ein privater Fundmanager muss genügend Flexibilität haben, um Investoren an Bord zu holen, denn das Produkt muss attraktiv sein. Gleichzeitig ist es verständlich, dass bei einem Beteiligungsvehikel, in das auch Steuerzahlergeld fließt, ein Interesse besteht, dieses Kapital innerhalb Österreichs zu investieren.

In Europa gibt es unterschiedliche Modelle. In größeren Ländern wird ein Ansatz genutzt, bei dem ein Fondsmanager vom Dachfonds etwa zehn Millionen Euro erhält und sich im Gegenzug verpflichtet, über die Laufzeit des Fonds dieselbe Summe im jeweiligen Land zu investieren. Dies ermöglicht es Fonds aus anderen Ländern auf das Kapital zuzugreifen, solange sie eine überzeugende Investmentstrategie vorweisen und die Investition in Österreich tätigen. Gleichzeitig wird man das nicht so 1:1 in Österreich umsetzen können, weil der Markt noch sehr klein ist und eine solche Regel wohl Fondsmanager zu sehr einschränkt. Ein anderer Ansatz wäre, die “Österreich-Komponente” über den Standort der Fondsmanager zu definieren und damit Österreich als Fondsstandort zu positionieren. 

Hierbei gibt es oft unterschiedliche Ansichten: Private Fondsmanager bevorzugen ein breiter gefasstes Modell, während die Politik eher auf ein stärker Österreich fokussiertes Modell drängt. Ein Kompromiss wäre notwendig, um beide Seiten zufriedenzustellen. Den “Wachstumfsfonds Deutschland” verwaltet durch die KfW Capital könnte man aber als Blueprint heranziehen und dann mit ein paar Änderungen für die Eigenheiten des österreichischen Marktes schnell umsetzen.

Auf der invest.austria-Konferenz wurde unter anderem von erfolgreichen Dachfonds-Modellen in anderen europäischen Ländern gesprochen. Warum gibt es in Österreich bis dato noch keinen Dachfonds?

Am Ende des Tages – und das wurde auch auf der Konferenz im Panel deutlich – ist die Initialzündung für die Umsetzung eines solchen Modells eine, die von öffentlicher Seite kommen muss. Aktuell gibt es zur neuen Regierungsbildung ein positives Momentum und wir wollen auch weiterhin alles daran setzen, um das Konzept voranzutreiben. 

Ich bin überzeugt, dass eine zentrale Frage unseres wirtschaftlichen Wohlstands davon abhängt, ob wir Schlüssel-Talente im Tech-Bereich nach Österreich holen, hier halten und Unternehmen aufbauen. Es geht nicht nur um Startups, sondern auch um Innovation in etablierten Unternehmen.

Frankreich ist hier ein inspirierendes Beispiel. Innerhalb weniger Jahre ist das Land von einer Randposition zu einem der europäischen Innovationszentren geworden. Durch gezielte Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Kapitalbereitstellung und Regulierung hat Frankreich gezeigt, dass ein starkes Ökosystem entstehen kann. Heute wollen alle, die im Tech-Bereich tätig sind, in Frankreich präsent sein. Das zeigt, dass man nicht 50 Jahre braucht, um hier Fortschritte zu erzielen – wenn man das Thema ernst nimmt und mutig ist.

Mit invest.austria lobbyiert ihr mit der Vision 2030 politisch für den Dachfonds. Welches Feedback habt ihr bisher von Seiten der Politik erhalten?

In den letzten sechs Monaten haben wir mit allen politischen Parteien gesprochen. Das gehört zu den Kern-Aufgaben von invest.austria. Ich denke, es ist sinnvoll, mit allen im Parlament vertretenen Parteien ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Insgesamt standen alle Parteien dem Thema offen gegenüber. Natürlich gibt es Unterschiede in der Tiefe des Verständnisses, die Parteien bringen je nach ihrer bisherigen Auseinandersetzung mit dem Thema unterschiedliche Perspektiven mit.

Grundsätzlich findet jeder das Thema spannend, aber die langfristige Bedeutung, die Investitionen in fünf oder zehn Jahren für den Wirtschaftsstandort Österreich haben können, ist noch nicht bei allen vollständig angekommen – das ist ein Punkt, den wir noch verdeutlichen müssen. Dennoch sehe ich durchweg positive Signale. Letztlich wird es darauf ankommen, wie das Regierungsprogramm aussieht und wer im Finanz- sowie im Wirtschaftsministerium sitzt.

In Europa wird vielfach das Fehlen des viel besagten IPO-Fensters beklagt. Wie bewertest du aktuell die Situation?

In Europa waren IPOs in den letzten zehn Jahren eher ein Randthema, wenn es um Liquidität und Exits geht. Erfolgreicher waren oft Unternehmensverkäufe an etablierte Unternehmen, was die wichtige Rolle von Startups für Innovation unterstreicht. Startups schaffen direkte Innovation, indem sie eigenständig wachsen und Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig bringen sie durch Übernahmen Innovation in traditionelle Unternehmen, was langfristig ebenfalls zur wirtschaftlichen Dynamik beiträgt.

Ich denke, dass Trade-Sales in absehbarer Zukunft in Europa eine wesentliche Rolle spielen werden. Dennoch brauchen wir dringend harmonisierte Kapitalmärkte und eine echte Kapitalmarktunion. Es wäre großartig, wenn die neue EU-Kommission Themen wie die Kapitalmarktunion als zentrale Priorität setzt – erste Anzeichen deuten darauf hin. Es gibt enorme Hürden, etwa sprachliche und kulturelle Unterschiede, aber meine Frage ist immer: Was ist die Alternative? Aufgeben ist die schlechteste aller Alternativen und das funktioniert in einer zunehmend globalisierten Welt immer schlechter.

Die US-Wahlen sind geschlagen. Donald Trump wird der neue US-Präsident. Wie wird sich dies deiner Meinung nach auf den europäischen Wirtschafts- und Innovationsstandort auswirken?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Europa in Zukunft stärker auf sich selbst gestellt sein wird. Der Wahlkampf deutete bereits darauf hin, dass eine „America-first“-Politik kommen wird, die wenig weltoffen ist. Das bedeutet, dass Europa umso entschlossener, schneller und autonomer agieren muss – insbesondere in Bereichen wie Technologieführerschaft, Kapitalmarktunion und Investitionen in Technologie. Ohne solche Maßnahmen riskieren wir, als Verlierer aus dieser Entwicklung hervorzugehen. Der Druck auf Europa wird weiter steigen, und wie es heißt: „Unter Druck entstehen Diamanten.“ Vielleicht kann dieser Druck in schwierigen Zeiten dabei helfen, schneller zu Lösungen zu kommen.


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